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gieren; dort hatte ja kein Mensch mehr eine Ahnung vom Venn. Und in Köln würde man auch schleunigst die so notwendigen Kindersachen kaufen.

Wie sollte man sich nur behelfen bis dahin?! Ganz besorgt sah Schlieben auf seine Frau: die hatte ja so gar keine Ahnung von kleinen Kindern! Aber sie lachte ihn aus und tat wichtig: wem der Himmel ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand. Und hier der kleine Liebling war ja so brav, noch nicht gemuckt hatte er, seit sie fortgefahren waren, hatte immerfort geschlafen, als gäbe es keinen Hunger und keinen Durst, als gäbe es nur ihr Herz, an dem er sich wohlig fühlte.

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Allmählich wurde es behaglicher im Wagen. war, als ströme der sanft ruhende Kinderkörper eine wohltuende Wärme aus. Hauch des Lebens stieg auf aus der sich kräftig hebenden, gleichmäßig atmenden kleinen Brust; Freude des Lebens glühte aus den rosiger und rosiger werdenden Wangen; Segen des Lebens tropfte von diesen winzigen, im Schlaf zu Fäustchen geballten Händen. Still vor sich hinsinnend, mit verhaltenem Atem, schaute die Frau in ihren Schoß, und der Mann, gerührt und selt= sam bewegt, nahm des Kindes winzige Faust in seine große Hand und besah sie lächelnd: ja, nun waren sie Eltern!

Draußen aber war das Grauen. So kann der Herbst nur stürmen im wilden Venn. Hier gibt es kein sanftwehmütiges Scheiden des Sommers, kein leises Sichheranstehlen des Winters, keinen mild vorbereitenden Übergang, Hier seht das Unwetter ein mit Macht, aus Sonnenwärme schlägt's um in Eiseskälte. Der Sturm faust übers braune

Hochland, daß sich das niedrige Kraut noch niedriger duckt und die kleinen Wacholderstöcke sich noch kleiner machen. Mit Pfiff und Geschrill, mit Gebell und Geheul jagt der Vennwind, stöbert in Sumpfloch und Torfgrube, peitscht die trüben Lachen, wirst sich ins angeschonte Tannendicicht mit Gewalt, daß das stöhnt und ächzt und knackend zusammenschauert, und rast dann weiter um verwitterte Kreuze.

Wie Orgelton braust es übers Moor- oder ist es das Rauschen schäumender Brandung? Nein, hier ist kein Wasser, das Ebbe und Flut hat und in weißen Wogen gegen den Strand wäscht, hier ist nur das Venn; aber es gleicht dem Meer in seiner ewigen Weite. Und seine Lüfte sind start wie Meereslüfte, und seiner Vögel schriller Schrei ist wie Möwenschrei, und Natur spielt hier wie

dort

mit gewaltigem Griff auf der Orgel des Sturms das Lied von ihrer Allmacht.

Über den Scheitel des großen Venns kroch der kleine Wagen. Die Winde wollten ihn herunterblajen wie ein winziges Käferchen. Immer wütender stießen sie gegen das Gefährt, kläfften und heulten wie mit Wolfsgeheul, winjelten um seine Räder, schnauften um seine Wände; stemmten sich vorn ihm entgegen und zerrten von hinten wie mit gierigen Zähnen daran: weg mit dem hier! Und weg auch mit denen, die darinnen jaßen! Diese Eindringlinge, diese Diebe, die führten etwas mit sich fort, was dem Venn gehörte, einzig und allein dem großen Venn!

Es war ein Kampf. Ob der Kutscher auch auf die Pferde hieb, die mutigen Gäule stuzten doch, blieben stehen und schnauften ängstlich. Der Mann mußte abspringen, sie eine Strecke führen, und noch immer zitterten sie.

Aus den Gruben stieg's auf und winkte mit wehenden Schleiergewändern und wollte halten mit feuchten Armen. Ein Greifen war's, ein Haschen, ein Langen; ein Reißen von Nebeln und ein sich tückisch wieder Zusammenballen, ein Chaos von wirbelnden, quirlenden, brauenden, grauenden Dünsten. Und klägliche Töne von Wesen, die man nicht sah.

Waren alle Grüfte lebendig geworden? Stiegen die herauf, die hier geschlafen hatten, von Pferdeschnaufen und Peitschenknall geweckt, unwillig ob ihrer verlegten Ruh? Was waren das für Laute?!

Das stille Venn war lebendig geworden. In des Sturmes dumpfen Orgelbraus mischte sich Schrillen und Pfeifen, Gellen und Krächzen und Flügelschlagen und empörtes Schreien.

Durchs Nebelmeer schwamm eine Schar von Vögeln. Sie ruderten rechts, ruderten links, äugten unruhig nieder zum fremden Gefährt, standen Minuten bewegungslos über ihm, mit gespreizten Flügeln, zum Niederstoßen bereit, und stießen dann ihr Geschrei aus, ihr aufgeschrecktes, scharfdurchdringendes Wildlingsgeschrei. Heute hatte das nichts Sieghaftes an sich -es flang wie Klage.

Und das Venn weinte. Große Tropfen entsanken den Nebeln; die Nebel selbst wurden zu Tränen, zu langsam fallenden und dann zu stürzenden, unaufhaltsamen, strömenden Tränen.

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VI

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chliebens hatten glücklich Berlin erreicht. Frau Käte war angegriffen, als sie aus dem Coupé stiegen; ihr Haar war verwirrt, ihre Eleganz

ein wenig mitgenommen. Es war doch keine Kleinigkeit gewesen, mit dem Kinde die weite Reise zu machen. Ein Glück nur, daß sie in Köln so rasch eine gute Wärterin gefunden hatten — eine Witwe, kinderlieb und wohlerfahren, eine echte rundlich-behäbige Kinderfrau — aber es hatte für die Mutter doch noch genug zu sorgen gegeben. Ob das Kind sich erkältet hatte oder ob ihm die Flasche nicht schmeckte? Es hatte geschrieen, mit der ganzen Kraft seiner Lungen kein Umhertragen half, kein Schaukeln, kein Wiegen, kein Singen -es hatte geschrieen aus vollem Halse während der ganzen Fahrt nach Berlin.

Aber, Gott sei Dank, nun war man ja zu Hause! Und wie mit Zauberschnelle ordnete sich alles. Die behagliche Wohnung von früher war freilich vermietet; aber im Grunewald entstand Villa neben Villa, und da man ja jezt ja so viel mehr Plaz brauchte, bezog man eine dieser Villen. Erst zur Miete; dann würde man sie wohl kaufen, denn es war wirklich nicht möglich, ein Kind wie dieses in eine Stadtwohnung zu bringen. Einen Garten mußte es doch haben.

Sie nannten ihn Wolfgang. Wolf Kurzes, Kraftvolles, Energisches, und wohligen Schauer dachte es Käte

hatte etwas so

mit einem leisen

es war wie eine ge=

heime Erinnerung an das Venn, jene Wildnis, über die sie triumphiert hatten, und der sie nur dies eine kleine

Zugeständnis machten. Und Wölfchen' das,Wolf' verkleinerte

doll?!

,Wölfchen' dertmal am Tag.

wenn man so

flang es nicht unendlich liebe

das sagte die junge Mutter wohl hun

Die junge Mutter! Frau Käte fühlte es: ach ja, sie war wieder jung geworden in ihrem Kinde, ganz jung. Ihre fünfunddreißig Jahre hätte ihr niemand geglaubt, und sie selber am wenigsten. Wie konnte sie laufen, wie die Treppe hinaufhuschen, wenn es hieß: „Das Kind ist aufgewacht! Es schreit nach der Flasche!"

Sie, die früher so viele Stunden auf der Chaiselongue zugebracht hatte, kam jezt keine Minute im Tag zum Hinlegen; dafür schlief sie des Nachts um so fester. Es war doch so, wie sie andre Frauen hatte sagen hören: ein Kleines nimmt die Mutter ganz und gar in Anspruch. O, was waren es für inhaltleere, farblose Tage gewesen, die sie früher so hingelebt hatte! Jezt erst hatte ihr Leben Inhalt, Wärme, Glanz.

Jeden Tag ging sie neben dem Kinderwagen her, den die Wärterin schob, spazieren, und es machte ihr ein besonderes Vergnügen, selber einmal den leichten kleinen Wagen mit seinem weißen Lack, den vergoldeten Knöpfen und den blauen Seidengardinen zu fahren. Wie die Leute nach dem eleganten Wagen sahen nein, nach dem schönen Kinde drehten sie sich um! Ihr Herz klopfte vor Freude, ihr geschmeicheltes Ohr fing die Rufe der Bewunderung auf Das reizende Kind ! ,Wie elegant!" ,Die prachtvollen Augen!' - und dann schlug ihr Herz noch geschwinder, ein Gefühl feligen Stolzes erfüllte sie, so daß sie

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