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kommen, weil sich in dieser Beziehung bei einigen Philosophen irrtümliche Ansichten eingeschlichen haben. In erster Linie muß betont werden, daß bei allen ästhetischen Erörterungen die Anschauung dem Raisonnement vorangehen muß. Eine gewisse Beziehung zwischen ästhetischer Empfindung und mathematischen Verhältnissen tritt überall hervor, keineswegs bloß bei der Formanschauung wie beim Taft, beim Rhythmus, bei der äußeren Gestaltung der Naturwesen, sondern auch in der Harmonie der Farben und der Töne. Darin hatten Euler und Leibniz durchaus recht. In der ästhetischen Auffassung ahnt der Mensch einen verborgenen Zusammenhang zwischen der Welt des Schönen und der Welt der Verhältnisse von Form, Kraft und Bewegung 1).

Bevor man zwei Gegenstände nicht miteinander verglichen hat, kann man niemals wissen, welcher von beiden der schönere ist. Nur soviel gilt im allgemeinen und annähernd, daß den schöneren Formen weit verwickeltere Bildungsgeseße zu Grunde liegen, meist solche, deren mathematische Entwickelung uns noch völlig unbekannt ist. Jedes Raisonnement ohne vorherige Autopsie führt auf Irrtümer. Man kann daher auch für die regelmäßigen geometrischen Figuren nur im allgemeinen sagen, daß sie uns um so schöner erscheinen, je weniger leicht sich ihr Bildungsgesetz uns aufdrängt). Quadrat und Kubus sind gerade deshalb so ungeschickt und philiströs, weil ihr Bildungsgesez uns gar zu nahe liegt. Sobald man aber anfängt, über Zahlen- und Anordnungsverhältnisse zu theoretisieren, ohne vorher die Naturanschauung zu Grunde zu legen, so verfällt man in thatsächliche Irrtümer. So geht z. B. Ed. v. Hartmann von der Behauptung aus, daß von allen regelmäßigen Vielecken das Sechseck das schönste sei. Es soll das auch daraus hervorgehen, daß man durch die drei Diagonalen 6 gleichseitige Dreiecke erhält. Daher sollen auch die sechseckigen, durch Umklappen der Diago= nalendreiecke gebildeten Sterne von allen möglichen die schönsten sein. Nun möchte das alles noch gehen und es ließe sich ja vielleicht darüber streiten, aber nun schreitet Hartmann unentwegt weiter zu der Behauptung: „Deshalb ist auch in der organischen Natur, soweit der radiale Typus in ihr herrscht, der sechsstrahlige Typus bevorzugt." Diese Behauptung widerspricht doch den Thatsachen ganz und gar. Warum herrscht denn bei den Echinodermen (Stachelhäutern) die Fünfzahl? Warum herrscht bei den Coelenteraten nicht die Sechszahl vor? Warum hat der Mensch nicht sechs Finger?

Und in der Pflanzenwelt? Wo herrscht der sechsstrahlige Typus? Bei einigen Gruppen der einsamenlappigen Pflanzen. Schon die zygomorphen Blumen der Orchideen suchen sich dem fünfstrahligen Typus durchaus zu nähern. Und nun vollends die zweisamenlappigen Pflanzen, bei denen man doch nach der Zahl der Samenblätter einen vierstrahligen Typus voraussehen sollte. Bei wie wenigen Familien (Kreuzblütler, Delbaumgewächse u. a.) kommt er zum Ausdruck. Hier herrscht der fünfstrahlige Typus durchaus vor. Man denke nur an die Kompositen und alle ihre näheren Verwandten. Man denke an die Doldengewächse, an die Ranunkelgewächse, an die Voretschgewächse (Boragineae), an die Primelgewächse und viele andere. Glaubt Ed. v. Hartmann im Ernste, cine Primel würde schöner aussehen, wenn ihre Blume sechsstrahlig wäre? Oder eine Rose? Oder gar das liebliche Vergißmeinnicht?

1) Ed. v. Hartmann, a. a. D. S. 84.

2) Aus E. v. Hartmanns Angaben (a. a. D. S. 98) würde das Gegenteil folgen nach theoretisierendem Raisonnement, aber durchaus mit Unrecht, wie leicht einzusehen ist. Nicht das Viereck ist gefälliger als das Fünfeck, sondern gerade umgekehrt. Das (regelmäßige) Sechsect soll gefälliger sein als das Siebeneck. Ein regelmäßiges Siebenec giebt es aber gar nicht, es kann also auch nicht Gegenstand des Vergleichs werden. In solche Schnißer wird aber jeder verfallen, welcher seine Behauptungen nicht vorher an der Natur prüft.

Man kann wohl getrost behaupten, daß fast alle Blumen, welche von den Zeiten des frühesten Altertums bis auf die unsrigen in der Symbolik eine große Rolle gespielt haben, fünfstrahlig waren: Roje, Vergißmeinnicht, Gedenkemein, Männertreue, Weibertreue, Veilchen u. s. w. u. s. w. Doch, um nicht ungerecht zu sein, müssen wir die Lilie und alle lilienartigen Gewächse als Ausnahme gelten lassen. Und doch kaum. Denn ein Liliengewächs ist gar nicht sechszählig, sondern 2×3zählig, d. h. es stehen zwei dreizählige Kreise so dicht zusammengedrängt, daß sie auf den flüchtigen Beobachter den Eindruck eines sechszähligen Kreises machen können.

Es kommt aber hier noch etwas ganz anderes in Betracht, was Ed. von Hartmann bezüglich der ästhetischen Beurteilung der Zahlen und symmetrischen Formen unrecht giebt. Es sind das die höheren Ausbildungsformen der Symmetrie.

Symmetrie überhaupt können wir beziehen auf einen Punkt (Radialsymmetrie), auf eine Linie (Achsensymmetrie) oder auf eine Fläche (Körpersymmetrie).

Die Radialsymmetrie herrscht im ganzen niederen Planzenreich und Tierreich. Ihre Geseße sind einfach und ästhetisch leicht verständlich. Die Achsensymmetrie herrscht im Pflanzenreich in ausgiebigster Weise, im Tierreich nur beschränkt. Die Flächensymmetrie ist die höchste Entwickelungsform und herrscht im höheren Tierreich durchweg, im Pflanzenreich nur bezüglich der Ausbildung einzelner Organe.

Wir können demnach unterscheiden: 1) Symmetrie, von einem Punkt ausgehend, oder Strahlsymmetrie; 2) Symmetrie, von einer Linie ausgehend, oder Achsensymmetrie; 3) Symmetrie, von einer Fläche ausgehend, oder Flächen= jymmetrie.

Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß alle drei Arten von Symmetrie sich vereinigen können. So kann z. B. eine Achse am Ende sich strahlig (doldig) spalten oder sie kann, wie wir gesehen haben, wirtelständige Seitenorgane tragen, oder endständige, sowie auch seitliche Organe, welche durch eine Fläche in zwei symmetrisch ähnliche Hälften zerlegt werden können.

Wir können also mit Fug und Recht die strahlige Symmetrie als eine solche erster Ordnung, die Achsensymmetrie als solche zweiter Ordnung, die Flächensymmetrie als solche dritter Ordnung oder dritten Grades bezeichnen. Von der Flächensymmetrie giebt es nun noch zwei Fälle, nämlich Symmetrie der Ebene und Symmetrie der Kurven. Sonach hätten wir vier Grade symmetrischer Anordnungen.

Diese leggenannte Art der Symmetrie ist natürlicherweise die höchste und bestätigt uns die ästhetische Thatsache, daß ein ästhetisches Bild um so höher steht, je weniger wir im stande sind, das mathematische Bildungsgesetz zu durchschauen. Es ist ganz selbstverständlich, daß es nicht bis zur völligen Regellosigkeit gehen darf, sondern daß man Symmetrie oder wenigstens eine Einheit im Mannig= foltigen wahrnehmen muß. Man muß eine Ahndung davon haben, daß wirklich mathematische Verhältnisse zu Grunde liegen, mögen dieselben noch so verwickelt sein.

Das Pfauenauge kann man durch eine senkrecht gegen die Flügel gerichtete Ebene M N in zwei symmetrisch ähnliche Hälften zerlegen. Wenn wir von einzelnen kleineren Strukturverhältnissen absehen, so haben wir es hier mit einer Symmetrie dritten Grades zu thun, nämlich mit einer Symmetrie, wo von einer Ebene aus nach rechts und links alle Teile des Körpers in gleicher Entfernung gleiche Form und gleiche Beschaffenheit haben. So z. B. entspricht dem Vorsprung a beiderseits von der senkrechten Durchschnittsebene M N ein gleicher Vorsprung a in gleicher Entfernung. Und so kann man weitergehend die Wahr= nehmung machen, daß von der imaginären Ebene aus nach rechts und links alle

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Teile dieses Schmetterlings einander genau entsprechen, d. h. alle liegen genau in derselben Entfernung von der Mittelebene und haben dieselbe Beschaffenheit. Diese Symmetrie geht in der nämlichen Reihenfolge nach entgegengesetzten Richtungen. Die drei Richtungen des symmetrischen Körpers dritten Grades kann man als Länge, Breite und Tiefe unterscheiden. Beim Schmetterling würde der Länge die Richtung M N, der Breite die Richtung a a und der Tiefe die auf die Flügel senkrechte Durchschnittsebene entsprechen. Der Breitendurchmesser teilt den Schmetterling in der Tiefenrichtung in zwei symmetrisch ungleiche Teile, die man auch wohl als Bauchseite und Rückenseite unterscheidet und die ganze Symmetrie

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dorsiventral, verwickelt symmetrisch oder zygomorph nennt. Man könnte sie auch Polarsymmetrie nennen. Weniger treffend ist der Ausdruck: Bilateralsymmetric.

Leicht ist einzusehen, daß für die ganze höhere Tierwelt, für alle Wirbeltiere, Gliedertiere und Weichtiere dieser polarsymmetrische oder dorsi= ventrale Bau ganz unentbehrlich ist.

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Taumelnd würde das Pferd, der Hirsch zu Boden fallen," sagt J. G. Fischer (a. a. D. S. 24),,,wenn die Glieder der rechten Seite kürzer oder überhaupt anders gebildet wären als die der linken; unbeholfen flat= ternd würde der Vogel vergeblich versuchen, sich in die Luft zu erheben, wenn nicht jede Feder in dem einen Flügel ihr genaues Abbild hätte in dem andern. Aber diese gleiche Form muß in entgegengesetter Richtung ausgeführt sein; so fordert es jenes Gesez. Hat ein Organ z. B. die Form A, so kann das entsprechende Organ der andern Seite nicht etwa die Form B haben, sondern es muß wie C gebildet sein. Dies folgt mit Leichtigkeit aus der durch das Gesez der Symmetrie geforderten gleichen Beziehung der Punkte a und a, b und b gegen die mittlere Ebene. Trägt also eine Schwungfeder aus dem rechten Flügel eines Vogels die breitere Fahne an der linken Seite des Schaftes, so muß diejenige des andern Flügels dieselbe an der rechten Seite tragen. Ist das eine Horn eines Widders rechts (nach außen) gewunden, so muß das andere links (ebenfalls nach außen) gewunden sein.

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Pfauenauge.

Die Tragweite auch dieser Folgerung für die richtige Ausführung aller tierischen Bewegungen ergiebt sich leicht. Der Stier, die Antilope würden offenbar an Kraft verlieren beim Stoße, wenn das linke Horn nach derselben Seite gerichtet wäre, wie das rechte; der Maulwurf kann nur dadurch beim Graben und Wühlen die Erde bewältigen, daß die kleinen schaufelförmigen Füße nach entgegengesetzter Richtung, nämlich beide nach außen, sich bewegen; wir selbst haben von unseren Schwimmlehrern gelernt, daß wir, um das Gleichgewicht zu behaupten, Arme und Beine beider Körperhälften nach entgegengesezten Seiten ausstrecken müssen, wie unsere ursprünglichen Lehrer im Schwimmen, die Frösche; und ist nicht jener Umstand, daß die auf den Tisch gelegten Hände sich unwillkürlich leichter nach entgegengesetzten als nach derselben Seite bewegen, nur ein besonderer

Fall dieses den tierischen und den menschlichen Körper durchaus beherrschenden Gesezes?

Fig. 46 a.

Daß der symmetrische Grundplan bei Pflanzen wie bei Tieren oft scheinbare Ausnahmen erleidet, ist bekannt. In den Blattstellungsgesehen treten häufig Verschiebungen ein. Schimper und Braun waren genötigt, ihrer Grundreihe eine zweite weniger häufig vorkommende an die Seite zu sehen. Sie lautet: 1/4, 3/7, 4/11, 7/18, 11/29, 18/47. Man erhält sie, indem man aus der ersten Grundreihe: 1/2, 1/3, 2/5, 3/8, 5/13, jedesmal das dritte Glied zum ersten hinzufügt. Auch Uebergänge von einer Blattstellung in die andere bei der nämlichen Pflanze sind nicht selten.

Auch bei den Wirbeltieren kommen aus Zweckmäßigkeitsgründen kleine Verschiebungen vor: Leber und Herz liegen nicht genau in der Mitte. Bei den Vögeln siht nur an der linken Seite ein Eierstock und Eileiter, die Schlangen besigen nur einen Lungenflügel. In solchen scheinbaren Ausnahmefällen ist jedoch fast immer die Anlage symmetrisch und erst später tritt aus Zweckmäßigkeitsgründen eine Aenderung ein.

Es giebt nun Fälle, wo es zwar unmöglich ist, ein orga= nisiertes Gebilde durch eine Ebene in zwei jymmetrisch ähnliche Hälften zu zerlegen, wohl aber durch eine Kurve. Das ist 3. B. der Fall bei den Gehäusen der Schnecken. Hier ist eine kurvenförmige Längsscheidewand möglich, welche den Schneckengang in zwei symmetrisch ähnliche Hälften zerlegt.

In Bezug auf den gröberen Bau kann man die Weichteile der Gartenschnecke leicht durch eine von der Mitte des Rückens bis zur Mitte der Bauchseite gelegte Ebene in zwei

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B

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Fig. 46 b.

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Schema der Polar= symmetrie.

symmetrisch ähnliche Hälften zerlegen. Der weiche Schnecken- Falsches und richtiges förper hat also polaren oder dorsiventralen Bau. Ganz anders das Gehäuse. Dieses können wir nur durch eine kurvenförmige Längsscheidewand in zwei symmetrisch ähnliche Hälften spalten. In aller Strenge müssen wir dieselbe Symmetrie vierten Grades auch für diejenigen Weichteile gelten lassen, welche im Schneckengehäuse verborgen sind.

Es bedarf nun eigentlich keiner anderen Annahme als derjenigen symmetrischer Verhältnisse vierten Grades für einige Gruppen von Organismen.

Seitdem Steenstrup diesen glücklichen Gedanken zum erstenmal aussprach, nehmen viele Zoologen an, daß die Schnecken ursprünglich ebenso wie die zweischaligen Muscheln zwei nach einer ebenen Mittelfläche orientierte Schalen gehabt haben, also Symmetrie dritten Grades. Fingerzeige, welche auf die zweischalige Ausbildung der Schnecken und Muscheln hindeuten, giebt es gar manche, so z. B. die Gattung Isocardium mit zwei schwach gewundenen Schalen, ferner den Deckel der Weinbergsschnecke und anderer Schneckenarten, welche noch deutliche Spuren ehemaliger Windungen zeigen u. s. w. Ganz gleich sind übrigens die Schalen fast bei feinem bivalven Weichtier.

Es ist höchst einleuchtend, daß bei strahliger Symmetrie es verschiedene auf einen Punkt, den symmetrischen Mittelpunkt, zu beziehende Symmetrieebenen geben. kann und geben muß, ebenso bei der Achsensymmetrie. Dagegen ist bei dorsi= ventraler Symmetrie oder Symmetrie dritten Grades immer nur eine einzige symmetrische Durchschnittsebene möglich. Vergessen darf man jedoch dabei nicht, daß sich diese drei Grade der Symmetrie miteinander verbinden können. Von der Längsachse eines Pflanzenteils können strahlige Seitenachsen ausgehen (Wirtelstellung), aber auch strahlige Seitengebilde ganz anderer Art: lappig, blattig, frei

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