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die, durch bedeutsame Sprachformen gleichsam verkörpert und erstarrt, sich, wie ein Gemeingut der Phantasie, durch alle Klassen einer Nation verbreiten. Neben der wissenschaftlichen Physik bildet sich dann eine andere, ein System ungeprüfter, zum Teil gänzlich mißverstandener Erfahrungskenntnisse. Wenige Einzelheiten umfassend, ist diese Art der Empirik um so anmaßender, als sie keine der Thatsachen kennt, von denen sie erschüttert wird. Sie ist in sich abgeschlossen, unveränderlich in ihren Ariomen, anmaßend wie alles Beschränkte; während die wissenschaftliche Naturkunde, untersuchend und darum zweifelnd, das fest Ergründete von dem bloß Wahrscheinlichen trennt, und sich täglich durch Erweiterung und Berichtigung ihrer Ansichten vervollkommnet.

Eine solche rohe Anhäufung physischer Dogmen, welche ein Jahrhundert dem andern überliefert und aufdringt, wird aber nicht bloß schädlich, weil sie einzelne Irrtümer nährt, weil sie hartnäckig wie das Zeugnis schlecht beobachteter Thatsachen ist; nein, sie hindert auch jede großartige Betrachtung des Weltenbaus.“

„Während die gemeine Sinnlichkeit die leuchtenden Gestirne an ein krystallenes Himmelsgewölbe heftet, erweitert der Astronom die räumliche Ferne; er begrenzt unsere Weltengruppe, nur um jenseits andere und andere ungezählte Gruppen (eine aufglimmende Inselflur) zu zeigen. Das Gefühl des Erhabenen, insofern es aus der einfachen Naturanschauung der Ausdehnung zu entspringen scheint, ist der feierlichen Stimmung des Gemüts verwandt, die dem Ausdruck des Unendlichen und Freien in den Sphären ideeller Subjektivität, in dem Bereich des Geistigen angehört. Auf dieser Verwandtschaft, dieser Bezüglichkeit der sinnlichen Eindrücke beruht der Zauber des Unbegrenzten, sei es auf dem Ocean und im Luftmeere, wo dieses eine isolierte Bergspige umgiebt, sei es im Weltraume, in den die nebelauflösende Kraft großer Fernröhre unsere Einbildungskraft tief und ahnungsvoll versenkt.

Einseitige Behandlung der physikalischen Wissenschaften, endloses Anhäufen roher Materalien konnten freilich zu dem, nun fast verjährten Vorurteile beitragen, als müßte notwendig wissenschaftliche Erkenntnis das Gefühl erkälten, die schaffende Bildkraft der Phantasie ertöten und so den Naturgenuß stören. Wer in der bewegten Zeit, in der wir leben, noch dieses Vorurteil nährt, der verkennt, bei dem allgemeinen Fortschreiten menschlicher Bildung, die Freuden einer höheren Intelligenz, einer Geistesrichtung, welche Mannigfaltigkeit in Einheit auflöst und vorzugsweise bei dem Allgemeinen und Höheren verweilt. Um dies Höhere zu genießen, müssen in dem mühsam durchforschten Felde spezieller Naturformen und Naturerscheinungen die Einzelheiten zurückgedrängt und von dem selbst, der ihre Wichtigkeit erkannt hat und den sie zu größeren Ansichten geleitet, sorgfältig verhüllt werden."

„Wie die Weltgeschichte, wo es ihr gelingt, den wahren ursachlichen Zusammenhang der Begebenheiten darzustellen, viele Rätsel in den Schicksalen der Völker und ihrem intellektuellen, bald gehemmten, bald beschleunigten Fortschreiten löst; so würde auch eine physische Weltbeschreibung, geistreich und mit gründlicher Kenntnis des bereits Entdeckten aufgefaßt, einen Teil der Widersprüche heben, welche die streitenden Naturkräfte in ihrer zusammengesetzten Wirkung dem ersten Anschauen darbieten. Generelle Ansichten erhöhen den Begriss von der Würde und der Größe der Natur; sie wirken läuternd und beruhigend auf den Geist, weil sie gleichsam den Zwiespalt der Elemente durch Auffindung von Gesezen zu schlichten streben, von Gesezen, die in dem zarten Gewebe irdischer Stoffe, wie in dem Archipel dichtgedrängter Nebelflecke und in der schauderhaften Leere weltenarmer Wüsten walten. Generelle Ansichten gewöhnen uns, jeden Organismus als Teil des Ganzen zu betrachten, in der Pflanze und im Tier minder das Individuum oder die allgeschlossene Art, als die mit der Gesamtheit

der Bildungen verkettete Naturform zu erkennen; sie erweitern unsere geistige Eristenz und setzen uns, auch wenn wir in ländlicher Abgeschiedenheit leben, in Berührung mit dem ganzen Erdkreise. Durch sie erhält die Kunde von dem, was durch Seefahrten nach dem fernen Pole oder auf den neuerlichst fast unter allen Breiten errichteten Stationen über das gleichzeitige Eintreten magnetischer Ungewitter erforscht wird, einen unwiderstehlichen Reiz; ja wir erlangen ein Mittel, schnell den Zusammenhang zu erraten, in dem die Resultate neuer Beobachtungen mit den früher erkannten Erscheinungen stehen.

Man hat vielleicht mit einigem Rechte wissenschaftlichen Werken unserer Litteratur vorgeworfen, das Allgemeine nicht genugsam von dem Einzelnen, die Uebersicht des bereits Ergründeten nicht von der Herzählung der Mittel zu trennen, durch welche die Resultate erlangt worden sind. Dieser Vorwurf hat sogar den größten Dichter unserer Zeit zu dem humoristischen Ausruf verleitet: die Deutschen besihen die Gabe, die Wissenschaften unzugänglich zu machen.' Bleibt das Gerüste stehen, so wird uns durch dasselbe der Anblick des Gebäudes entzogen. Wer fann zweifeln, daß das physische Gesetz in der Verteilung der Kontinentalmassen, welche gegen Süden hin eine pyramidale Form annehmen, indem sie sich gegen Norden in der Breite ausdehnen (ein Gesez, welches die Verteilung der Klimate, die vorherrschende Richtung der Luftströme, das weite Vordringen tropischer Pflanzenformen in die gemäßigte südliche Zone so wesentlich bedingt), auf das klarste erkannt werden kann, ohne die geodätischen Messungen und die astronomischen Ortsbestimmungen der Küsten zu erläutern, durch welche jene Pyramidalformen in ihren Dimensionen bestimmt worden sind? Ebenso lehrt uns die physische Weltbeschreibung, um wie viel Meilen die Aequatorialachse unseres Planeten größer als die Polarachse ist: daß die südliche Hemisphäre keine größere Abplattung als die nördliche hat; ohne daß es nötig ist, speziell zu erzählen, wie durch Gradmessungen und Pendelversuche die wahre Gestalt der Erde, als eines nicht regelmäßigen, elliptischen Revolutionssphäroids, gefunden ist und wie diese Gestalt in der Bewegung des Mondes, eines Erdsatelliten, sich abspiegelt 1).“

Jeder denkende Mensch, der sich mit der Natur beschäftigt, sei es nun vom naturwissenschaftlichen oder vom ästhetischen Standpunkt, wird unwillkürlich auf die Frage geführt: Woher kommt denn das alles und wohin geht es? Wann war der Anfang der Welt? Wann wird ihr Ende sein?

Die Kirche nahm einen Anfang und ein Ende des irdischen Daseins an; aber wenn das auch zugegeben werden könnte, so würde doch dadurch die Frage nicht beantwortet, sondern nur um einen winzigen Schritt zurückgeschoben. Man würde nur zu der weiteren Frage veranlaßt: Wann hat das Dasein jener zahl= reichen Welten begonnen, welche wir durch unsere Fernröhre wahrnehmen? Wann werden sie zu Grunde gehen?

Wir brauchen uns aber durchaus nicht weiter in diese Frage zu vertiefen. Die Antwort kommt uns von einer ganz anderen Seite. Anfang und Ende sind Zeitbestimmungen. Nun kann man allerdings Anfang und Ende eines Geschehens in der Zeit angeben, so z. B. die Länge eines Menschenlebens oder der Regierung eines Fürsten. Niemals aber kann man Anfang und Ende alles Geschehens oder aller Zeit angeben. Man ist doch gezwungen zu der Frage: Was geschah denn vorher, vor allem Anfang und nach allem Ende? Es geht daraus hervor, daß die Zeit eine Anschauungsform ist ohne Anfang und ohne Ende, d. h. unendlich. Dasselbe Resultat ergiebt sich auch dadurch, daß die Reihe der Zahlen unendlich ist. Möchten wir auch von der Eins an Millionen oder Billionen Jahre fort=

1) Alerander von Humboldt. Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart und Tübingen (3. 6. Cotta) 1845. S. 17-30.

zählen, wir würden doch niemals an die lehte Zahl kommen, ja wir würden uns dieser nicht einmal annähern, denn wie weit wir auch zählten, so würden wir von der lezten Zahl doch immer noch eine ganze Ewigkeit entfernt sein.

Genau ebenso verhält es sich aber auch mit der räumlichen Ausdehnung der Welt. Denken wir uns mit der Geschwindigkeit des Lichtes durch das Weltall fliegend von Sonne zu Sonne, von Milchstraße zu Milchstraße, von Sternennebel zu Sternennebel. Wie viele Billionen von Jahren wir auch fliegen möchten; wir würden doch niemals an irgend ein Ende kommen, niemals an eine Grenze, ja niemals auch nur einen Schritt weiter vom Anfang und vom Ende, denn es giebt nirgends einen Anfang, nirgends ein Ende des Raums. Also ist auch der Raum eine unendliche Anschauungsform unseres Geistes ohne Anfang oder Ende. Die Zeit läßt sich darstellen in Form einer geraden Linie. Die Gegenwart ist ein mathematischer Punkt, von dem aus man die Zeit rückwärts als Vergangenheit und vorwärts als Zukunft bezeichnen kann.

Kant und Laplace haben höchst geistvolle und zweifellos in mancher Beziehung wichtige Ansichten ausgesprochen bezüglich der Bildung unseres Sonnensystems und vielleicht unseres gesamten sichtbaren Firsternhimmels. Sie nehmen an, daß ursprünglich die Himmelskörper aus feurigflüssigen oder gar gasförmig= heißen Massen bestanden hätten. Natürlich zogen diese Massen einander an und es entstanden um die Schwerpunkte oder Anziehungszentra solcher glühenden Gasmassen Anhäufungen derselben. Nun war nur zweierlei möglich: Entweder verdichteten sich jene Massen so lange, bis zwischen Anziehungskraft und Abstoßungskraft der Materie das Gleichgewicht hergestellt war und völlige Ruhe eintrat. Oder dieser Ruhestand der Materie wurde schon während der Anziehungsbewegung gestört durch irgend eine neu hinzutretende Kraft.

Daß nur das lehte der Fall sein kann, zeigt uns der Augenschein, denn alle uns bekannten Weltkörper zeigen Bewegungen: 1) um ihre eigene Achse; 2) um einen größeren Weltkörper; oder 3) bewegen sich zwei oder mehr Welt= körper um einen gemeinsamen Schwerpunkt. Ich glaube aber nicht, daß man hier nach einer besonderen Kraft zu suchen hat, sondern daß die seit ungeheuren Zeiträumen einwirkenden Störungen der gegenseitigen Anziehung der Massen, sei es durch winzige aus der Nähe wirkende Kräfte wie die Kometen, oder durch große aus der Ferne wirkende Kräfte wie andere Sonnensysteme, völlig genügen, um sowohl die Achsendrehung als die Umläufe um andere Körper zu erklären.

Indessen, dem sei wie ihm wolle. Die Sache ist ziemlich gleichgültig, denn derartige Bewegungen hatten die Weltkörper von jeher durch die ganze hinter uns liegende Ewigkeit. Wäre die Materie jemals durch das ganze Weltall hin= durch im Gleichgewicht und in der Ruhe gewesen, dann würde sie es auch noch sein und für immer bleiben, denn was wollte sie wohl aus dem Gleichgewicht bringen? Dafür würde doch eine Kraft nötig gewesen sein, die außerhalb der Materie läge. Dieser Annahme steht auch gar nichts im Wege, nur daß wir in der Erforschung der Naturvorgänge sie nicht anwenden dürfen. Sie gehört in das Gebiet der religiösen und ästhetischen Ideen.

Die Lösung dieser scheinbaren Schwierigkeit ist Kant gelungen durch seinen Nachweis, daß wir die Natur ohne die Brillen von Raum und Zeit als sinnliche Wesen nicht so zu erkennen vermögen wie sie wirklich sind, sondern gewissermaßen durch gefärbte Gläser, welche uns unrichtige oder wenigstens beschränkte Bilder vorführen). Durch die Anschauungsformen von Raum und Zeit vermitteln sich uns sinnliche Erscheinungen von den Dingen, aber nicht die Dinge selbst.

1) Man vergleiche, um sich darüber ausführlicher zu unterrichten, meine Kulturgeschichte: Buch II, Abschnitt 7, S. 78-90. Besser noch meine: Weltanschauung des Naturforschers. Jena 1875 und meine Schrift: Naturwissenschaft, Religion und Erziehung. Jena 1875.

Diese Thatsache unseres Seelenlebens ist von durchgreifender Bedeutung für die Aesthetik; denn gerade die Schönheit der Welt um uns her ist es, welche zwischen der Erscheinung und dem wahren Wesen der Dinge die Vermittlerrolle übernimmt. Wie das möglich ist, das wird ein späterer Abschnitt uns zeigen. Wir können aber schon jezt einsehen, daß es gar nicht anders sein kann, denn soviel wir bis jetzt schon vom Eindruck des Schönen wissen, wird er durch die in Raum und Zeit abgegrenzte Form (Gestalt, Harmonie, Takt) hervorgebracht und die Materie spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Nach demjenigen, was wir weiter oben über die sichtbare Welt erfahren haben, ist die ganze Frage nach Anfang und Ende derselben eine müßige, ja geradezu unsinnige. Es handelt sich hier nicht um ein ablaufendes Uhrwerk, sondern um eine ununterbrochene Veränderung der Anordnung und Verteilung der Massen im Raum, von jeher und in alle Zukunft.

Da der Raum nach allen Seiten unendlich ist, so muß es aus leicht begreiflichen physikalischen Gründen auch die Materie sein. Einen ganz leeren Raum giebt es wahrscheinlich gar nicht, denn auch da, wo er uns leer erscheint, wird er wenigstens mit dem Weltäther erfüllt sein, wie Enke das durch den Lauf des nach ihm benannten Kometen wahrscheinlich gemacht hat.

Man hat sich früher, nach echt anthropomorphistischem Wahn, wo sich der tleine Mensch mit allen seinen Erbärmlichkeiten für das höchste Wesen, für den Schlußstein des Weltgebäudes ansah, die Vorstellung gebildet von einer Ent= wickelung der Weltkörper und der Weltwesen. Nicht nur mit der wahren Naturwissenschaft im Kriege lebende Philosophen wie Schelling haben sich diesem Traum hingegeben, sondern noch jezt sind manche Naturforscher in ihm befangen. Das Wort Entwickelung hat aber nur für enge Gesichtskreise Bedeutung, so z. B. für das Sonnensystem, für die Bildung des Erdkörpers, für die Organismenwelt auf der Erde. Dagegen ist sie für das Weltganze völlig bedeutungslos. Da die unendlich große Masse der Materie im unendlichen Raum eine unendlich lange Zeit hin= durch ununterbrochen räumlichen Veränderungen unterworfen ist, so muß notwendig jede irgend mögliche Gestaltung und Gruppierung der Materie zu jedem Zeitpunkt irgendwo vorhanden sein. Es kann sich also nur um einen ewigen Kreislauf der Dinge, um eine ewige Verwandlung einer Form der Anordnung der Materie im Raum in die andere handeln. Wie sich nun die Sonnensysteme des Weltalls in Form eines gewissen Kreislaufs entwickeln, d. h. nach gefeßlicher Norm aus einem Zustand in den anderen übergehen, so ist dasselbe auch auf der Erde bezüglich der Organismen der Fall, was aber zunächst nur für diesen beschränkten Kreis Bedeutung hat, gar keine für das Weltganze. Andere Erden finden sich in anderen Stadien der Entwickelung wie die unsrige, andere Sonnensysteme auf anderen Entwickelungsstufen als das unsrige. Die Materie ist hier das Bleibende; nur ihre Anordnung und Verteilung im Raum wechselt beständig, aber nicht chaotisch, sondern nach strengen, mathematisch-physikalischen Geseßen. Dauerndes giebt es nirgends in der Welt als die (von uns mit Notwendigkeit vorausgesezte) Materie. Die Entwickelungskreise sind, auf unserer Erde so gut wie im ganzen Weltall, veränderlich und vergänglich. Formen treten auf, andere verschwinden, ganze Städte und Reiche entstehen allmählich, machen ihre Entwickelungsgeschichte auf der Erde durch und nach Jahrhunderten oder Jahrtausenden findet man ihre Spur kaum wieder auf; das ganze ungemein mannigfaltige Organismenreich hat eine Entwickelungsgeschichte auf der Erde durchgemacht vom Einfacheren bis zum Mannigfaltigeren. Aber früher oder später hat sich auch dieser Entwickelungskreis auf der Erde vollendet. Infolge tellurischer oder kosmischer Veränderungen_ist die Menschheit, die Tierwelt, die Pflanzenwelt von der Erde verschwunden. Der Erde steht früher oder später dasselbe Schicksal bevor, sei es, daß sie allmählich

sich wieder der Sonne, von der sie einst geboren wurde, annähert und sich mit ihr vereinigt; sei es, daß kosmische Veränderungen das ganze Sonnensystem in seiner jezigen Gestalt vernichten, um neuen Gestaltungen Raum zu geben.

Wenn nun die Materie ununterbrochenen Gestaltsveränderungen unterworfen ist, so ist man zu der Annahme gezwungen, daß diesen eine Ursache zu Grunde liegt, denn das Kausalgesetz ist eine unabweisliche Notwendigkeit unseres Seelenlebens. Eine solche beständig wirkende Ursache nennt man Kraft. Hier sind zwei Fälle möglich. Entweder wird die wirkende Kraft von der Materie selbst entwidelt, oder sie liegt außerhalb der Materie. Im ersten Falle haben wir es mit einer Naturkraft, im zweiten mit einer göttlichen Kraft zu thun, denn was außerhalb der Natur steht und sie belebt, muß auch über ihr stehen und kann nur ein persönliches Wesen sein.

Welche von beiden Möglichkeiten wird nun die Wahrheit enthalten? Prüfen wir sie beide.

Die Naturforscher haben gefunden, daß bei jeder Naturerscheinung eine ganz bestimmte Menge von Kraft aufgewendet werden muß und daß dieser Kraft eine ganz bestimmte Menge von Materie entspricht. So fand Newton, daß die Weltkörper sich anziehen im geraden Verhältnis ihrer Massen1) und im umgekehrten Verhältnis des Quadrates ihrer Entfernung. Will man eine bestimmte Wassermasse von bestimmter Temperatur um einen Grad wärmer machen, so gehört dazu ein ganz bestimmtes Quantum Heizmaterial. Wenn man ein Pfund Heizmaterial, z. B. Holz, verbrennt und die Verbrennungsprodukte, Asche, Kohlensäure und Wasser, genau stöchiometrisch bestimmt, so wiegen sie zusammen wieder ein Pfund. Es ist also von der Materie des Holzes nichts verloren gegangen, aber auch nichts hinzugefügt worden zu ihr. Die durch die Verbrennung der bestimmten Quantität (Masse) des Holzes entwickelte Wärmekraft ist, wie aus obigem Beispiel der Erwärmung des Wassers um einen Grad hervorgeht, fähig, eine ganz bestimmte Arbeit zu verrichten. Es hätte aber auch eine andere Arbeit sein können, so z. B. die Schmelzung einer ganz bestimmten Quantität Bleies, oder die Bewegung einer Maschine, z. B. eines Bahnzuges von bestimmter Schwere um eine bestimmte Strecke.

Mit einem Wort: zwischen Kraft und Materie besteht ein ganz konstantes Verhältnis. Beide, Kraft und Materie, können verschiedene Formen annehmen, aber in ihrer Quantität sind sie unveränderlich, d. H. die von einer bestimmten Masse eines Körpers entwickelte Kraft ist stets im stande, eine bestimmte Arbeit zu verrichten, ohne daß Masse und Kraft sich quantitativ im geringsten verändern.)

So sind wir denn offenbar zu dem Resultat gelangt, daß die naturalistische Auffassung *) der Welt die richtige ist. In der That haben wir es in unserer ganzen Naturforschung mit gar nichts anderem zu thun als mit der Untersuchung der Arbeitsverrichtungen der von der Materie ausgehenden Kräfte. Wir müssen uns auch wirklich völlig befriedigt fühlen mit der allmählichen Lösung unserer Aufgabe, so lange wir uns nur mit der Umwandlung der Formen in der Natur beschäftigen. Insoweit ist die Naturforschung sich selbst genug.

So wäre also die Annahme eines göttlichen Prinzips, einer translunarischen

1) Unter Masse eines Körpers versteht man das Produkt der Dichtigkeit desselben in sein Volumen, d. h. in den von ihm erfüllten Raum.

2) Diese Thatsache, welche man gegenwärtig mit dem Namen des Gesetzes der Erhal tung der Maße und der Kraft bezeichnet, war schon Newton bekannt; doch hat es in unserem Jahrhundert durch Robert Mayer, aber auch durch Helmholz u. a. Erweiterungen erfahren.

3) Ausdrücklich sage ich nicht „materialistische Auffassung“, denn das ist etwas ganz anderes. Der krasse Materialismus zerfällt als Narrbeit in sich selbst, wenn er alles Immaterielle ableugnet, denn die Kraft ist ja etwas Immaterielles. Er leugnet also die ganze Welt mit allen Bewegungserscheinungen ab.

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