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Genuß entgegen. Es giebt allerdings auch Beispiele, wo das rein praktische Bedürfnis der Ernährung zur Entdeckung einer wohlschmeckenden Speise die nächste Veranlassung gab; und hätte nicht der zürnende Hunger, der niemands Freund ist, mit Krebsen und Meerspinnen, mit Austern, Schildkröten und Vogelnestern das erste Experiment gewagt, so wüßte jezt wohl schwerlich ein Aldermann sie unter die Leckerbissen zu zählen. Allein die eigentliche Leckerei ist nicht die Erfindung eines Hungrigen, sondern eine Folge des Nachdenkens über einen gehabten Genuß, ein Bestreben der Vernunft, die Begierde darnach durch andere Sinne wieder zu reizen; und es war sicherlich kein geringer Fortschritt im Denfen von der Sorge für den Magen, zu der Sorge für den Gaumen! Es ist immer schon viel gewonnen, wenn das Nervensystem auch nur bei dieser Veranlassung und nur zu diesem Endzweck seine höheren Uebungen beginnt. Das Gedächtnis erhält doch neue Eindrücke; die Einbildungskraft brütet darüber; und selbst die Beurtei= lungsgabe kann in einem größeren Kreise der zu vergleichenden Vorstellungen wirken. So entwickeln sich fast unmerklich die Begriffe des Nüßlichen, Guten und Schönen nebst ihren Gegenbildern, und die Schwingungen des Hirns werden immer feiner und schneller, bis man endlich gar ein Wohlgefallen daran findet, zu denken, bloß um gedacht zu haben; eine Beschäftigung, womit die Menschen auf der höchsten Stufe der Bildung sich entweder die Langeweile vertreiben, oder weil die Ertreme wieder zusammen kommen - sich ihr Brot zu verdienen suchen.

Urteilen wir ferner, wie billig, von der Wichtigkeit und dem Wirkungskreis einer Ursache nach den Folgen, die wir vor Augen sehen, so wüßten wir keine von so ausgebreitetem Einfluß wie die Befriedigung des Gaumens. Die eigentümliche Beschaffenheit verschiedener Gattungen organisierter Körper, das Verhältnis ihrer Menge und Anzahl gegen einander, und mit demselben das äußerliche Ansehen der Natur, ist durch diese mächtige Triebfeder menschlicher Handlungen verändert worden. Ohne der Viehzucht und des Feldbaues zu erwähnen, weil sie sich nur in wenigen Fällen auf die Leckerei beziehen, ist schon die Jagd, bei gesitteten Völkern, sowie die Zucht des zahmen Geflügels, die Bienenzucht und der Anbau der Fruchtbäume aller Art an sich eine Folge der Verfeinerung jenes Sinnes. Allein welche künstliche Metamorphosen gehen nicht mit den Tieren und Pflanzen selbst vor, um sie für den Genuß einer üppigen Zunge zuzubereiten? Dringt nicht das Messer in die Eingeweide unserer Hühner, um sie zu Kapaunen und Poularden zu verstümmeln? Versteht nicht der Sizilianer, und bei uns der Jude, die grausame Kunst, den Gänsen eine ungeheure Leber wachsen zu machen? Und wer zählt die endlosen Varietäten unseres Obstes, deren jede an Größe, Zeitigung und Geschmack verschieden ist, und die alle ursprünglich von einigen wilden Stämmen mit herben, kaum eßbaren Früchten abgeleitet sind? Wie viele andere Pflanzenarten hat nicht ihr Anbau verdrängt, und wie manche Tierart ist nicht in einigen Ländern ausgerottet worden, damit Rehe und Hasen für uns allein übrig blieben. Doch wie sollten die Menschen auch die Wölfe und Füchse verschonen, da sie um eines Leckerbissens willen im stande sind, einander aufzu= opfern. Wir haben zwar keinen römischen Pollio mehr, der seine Muränen mit Sklaven fütterte, damit sie ihm desto köstlicher schmeckten; hingegen treiben wir den Negerhandel, um ein paar Leckereien wie Zucker und Kaffee genießen zu können. Von den attischen Feigen rühmt ein Grieche, daß sie ein Hauptbeweggrund waren, weswegen Xerres die Athenienser bekriegte: und wie noch jezt der Akajou im eigentlichen Vaterland ein Zankapfel der brasilianischen Völker ist, so haben auch die Spanier, Portugiesen und Holländer um den Besitz der Gewürze blutige Kriege geführt. Gleichwohl dürfen diese zerstörenden Wirkungen geringfügig heißen, wenn man daneben den Zusammenhang des großen politischen

Räderwerks, und auch hier noch die Zunge als bewegende Feder erblickt. Die Leckerhaftigkeit unseres Weltteils unterhält Geschäftigkeit und Betrieb im ganzen Menschengeschlecht. Der ganze Handel von Westindien und Afrika und ein großer Teil des Handels im Mittelländischen Meer beruht auf der ungeheuren Konsumtion von ausländischen Leckereien im Norden; und es ist ein ebenso zuverlässiges als für die Zukunft bedenkliches Faktum, daß das Gold und Silber, welches die Bergwerke von Peru und Meriko liefern, durch die dritte oder vierte Hand für Theeblätter nach China geht. So gewiß aber die Verhältnisse der Nationen gegen einander aus diesen und ähnlichen Ursachen sich ändern und ihre Thätigkeit auf andere Gegenstände und in andere Kanäle lenken werden, so zuverlässig dürfen wir doch den Ausspruch thun, daß Bewegung und Handlung, Entwickelung, Verfeinerung und Aufklärung, mit allen ihren sonderbaren Erscheinungen, von so reizbaren Organen, wie die unsrigen, stets unzertrennlich bleiben, und immer wieder aus dem Schutt veralteter Verfassungen hervorgehen müssen; dahingegen die geringste Umgestaltung, wie etwa nur eine knorpelartige Zunge, uns schlechter= dings zu anderen Wesen umschaffen würde."

Die Geschmacksempfindungen werden, wie bereits früher gesagt wurde, in das verlängerte Mark projiziert, unterhalb der Projektionsstelle für das Gehör 1).

Geschmack und Geruch erlangen beim Menschen oft eine erstaunliche Feinheit. Für den Geruch erzählt Muratori ein höchst auffallendes Beispiel nach dem Verfasser der Geschichte der antillischen Inseln. Es soll dort Neger geben, welche, um zu unterscheiden, ob Neger oder Franzosen in einer Gegend gewesen, diese Gegend nur zu beriechen brauchen. Im siebenten Buche De rebus Alphonsi regis wird von einem blinden Jäger erzählt, welcher vermittelst seines Geruches die Lager der Hirsche, Rehe und ähnlicher Tiere ausfindig machte 2).

§ 3. Die Tastempfindung.

Die sensibeln Nerven endigen auf verschiedene Weise in Zellen der äußeren Oberhaut, auch der Oberhaut innerer Organe, und leiten daher Druckwirkungen von der Körperperipherie zu den Zentralorganen, wo sie Empfindungen vermitteln. Man kann diese Empfindungen allgemein als Tastempfindungen bezeichnen; mögen sie nun durch Druck, d. h. durch den Widerstand gegen äußere Materie, oder durch Wärme, Elektrizität u. s. w. eingeleitet werden. Man spricht hier wohl auch von einem Ortsfinn. Das ist aber nur Folge unvollständiger Isolierung des Beobachtungsmaterials, denn das, was man hier Ortssinn nennt, ist keineswegs bloße Empfindung, sondern ein sehr verwickelter, aus verschiedenen Elementen zusammengesezter Vorgang, bei dem das Urteil eine wichtige Rolle spielt. Einen Ortsfinn als einfache Empfindung giebt es nicht. Was man so nennt, das ist erst durch lange Uebung und Erfahrung erworbene Fertigkeit. Da der Ortssinn für unseren Zweck gar keinen Wert hat, so schließen wir ihn ganz von der Betrachtung aus. Daß die Lokalisierung einer Tastempfindung erst durch Uebung erworben wird und in der Empfindung gar nicht mitenthalten ist, sieht man besonders daran, daß man bei juckenden Hautempfindungen während des Schlafes oder in schlaftrunkenem Zustand über die betreffende Hautstelle meistens großen Irrtümern unterworfen ist.

') Der Bau des Gehirns ist ganz hübsch allgemeinverständlich für den Laien dargestellt in J. V. Rohon, Bau und Verrichtungen des Gehirns. Heidelberg (C. Winter) 1887. Die seelischen Vorgänge wären freilich besser unerörtert geblieben. Vgl. auch: Albert v. Bezold, Das Leben der Nerven. Westermanns Illustr. deutsche Monatshefte, Bd. 11, Nr. 66, März 1862.

2) Muratori a. a. D. T. 1, S. 136. 137.

Die Empfindlichkeit unserer Haut, nämlich die Fähigkeit der sensibeln Nerven= endigungen in der Haut, empfangene Eindrücke im Gehirn als Empfindungen von bestimmter Stärke hervortreten zu lassen, ist keineswegs dem auf die Haut ausgeübten Druck proportional. Das sogenannte Webersche Gesez) hat also hier feine Gültigkeit. Ein sehr leiser Druck oder eine schwache Reibung bringt meistens eine hochgradige Empfindung, einen heftigen Kigel hervor, während ein stärkerer Druck oder eine stärkere Reibung eine weit schwächere Empfindung erzeugt. Der Kizel, besonders in der Form des Juckens, ist eine höchst merkwürdige Thatsache, worauf schon Plato aufmerksam macht, welche aber seltsamerweise von keinem unserer neueren Physiologen Beachtung gefunden zu haben scheint. In den Handbüchern von Ludwig, Fick und Wundt wird sie gar nicht erörtert und niemand scheint bis jetzt einen Versuch zu ihrer Erklärung gemacht zu haben.

Die Annahme einer verschiedenen Empfindungsfärbung an verschiedenen Hautstellen zur Erklärung der Lokalisation der Tasteindrücke ist eine zur Zeit völlig überflüssige, jedenfalls verfrühte Hypothese. Hier sind erst weit vollständigere und genauere histologische Untersuchungen über die Endigungen und über die Leitung der sensibeln Nerven notwendig. Webers Annahme, daß die Lokalisierung der Eindrücke sich aus der Lagerung und Verzweigung der Nervenfasern müsse erklären lassen, hat bei weitem die größte Wahrscheinlichkeit für sich. Unentbehrlich ist aber vor allen Dingen die Entwickelung der Raumvorstellung überhaupt und die Orientierung an unserem eigenen Körper durch Uebung mit Hilfe des Gesichts und des Tastgefühls. Bei Blindgeborenen erlangt begreiflicherweise durch gesteigerte Uebung die Empfindlichkeit des Taftgefühls einen weit höheren Grad.

Beschränkt man auf eine sehr kleine Stelle einer nervenarmen Hautgegend, wie z. B. am Rücken, einen Reiz, so kann man nicht unterscheiden, ob derselbe durch Berührung oder durch Temperaturveränderung bedingt wird. Daraus hat man gelegentlich den Schluß ziehen wollen, daß es für Tastempfindung und Wärmegefühl keine besonderen Nervenelemente gebe; doch dürfte dieser Schluß noch verfrüht erscheinen. Thatsache ist aber, daß man über den Unterschied zwischen Tastempfindung und Wärmegefühl nichts weiß. Daß das Druckgefühl nicht Folge des Druckes überhaupt ist, sondern nur Folge des Druckunterschiedes an verschiedenen Hautstellen, ist selbstverständlich, denn sonst müßten wir ja beim Schwimmen auch den Wasserdruck empfinden.

Für die Schönheitsempfindung hat das Tastgefühl, ebenso der Kizel, das Wärmegefühl u. s. w. nur rein negativen Wert. Soll ich von der Naturschönheit Genuß haben, so muß ich mich behaglich fühlen. Alle heftigen Gefühle von Druck, Wärme, Kälte, Kizel, Jucken, Schmerz u. s. w. stören den Naturgenuß. Es hört unter solchen Umständen die Gemütlichkeit auf.

Zweiter Abschnitt.

Wärme und Kälte, Schmerz und Kikel, Hunger, Durst und Sättigung, allgemeines Behagen und Anbehagen.

Der einfache, nicht durch theoretische Erwägungen beeinflußte Mensch zweifelt keinen Augenblick daran, daß es ein besonderes Wärme- und Kältegefühl giebt, von der Tastempfindung verschieden. Die Natur kennt weder Wärme noch

1) Die angeblichen Grundlagen der sogenannten Psychophysik sind gründlich kritisch beleuchtet und widerlegt worden von A. Elsas, Ueber die Psychophysik. Physikalische und erkenntnis-theoretische Betrachtungen. Marburg (N. G. Elwert) 1886.

Kälte; sie kennt nur Wellenbewegung des Aethers. Daß es Fälle giebt, in denen Tastgefühl und Wärmegefühl nicht unterschieden werden, beweist natürlich nichts gegen das Vorhandensein eines besonderen Wärmegefühls, denn mit demselben Recht müßte man auch die Lichtempfindung ableugnen, weil sie durch einen Druck auf das Auge erzeugt werden kann, oder die Gehörempfindung, weil Druckverhält= nisse im Gefäßsystem Tonempfindungen bewirken können. Daß das Wärmegefühl aber ein ganz eigentümliches, für sich bestehendes ist, geht schon daraus hervor, daß ihm ein Kältegefühl gegenübersteht. Die Natur weiß nichts von Kälte. Sic kennt nur hohe nnd niedere Temperaturgrade. Die Empfindung des Menschen hat aber so großen Einfluß auf sein Urteil, daß er von Wärmegraden und Kältegraden spricht. Die Unsicherheit unseres Urteils in manchen Fällen rührt auch wohl daher, daß unser Wärmesinn niemals durch Uebung und Aufmerksamkeit ausgebildet wird. Man überläßt das der täglichen Erfahrung, ohne seine Beobbachtung diesem Punkt zuzuwenden.

Giebt es, wie es nicht unwahrscheinlich ist, für das Temperaturgefühl besondere Nervenelemente, so müssen dieselben fast durch alle Körperteile verbreitet sein. Der Wärmesinn hat etwas gemeinsam mit dem Geruchssinn, was noch nicht in dem wohlverdienten Grade die Aufmerksamkeit der Nervenphysiologen erregt hat, nämlich den Einfluß der bewegten Luft. Liegt z. B. in einem Zimmer die Temperatur an der Grenze des Behaglichen oder wenige Grade unterhalb dieser Grenze, so fühlt man noch kein Unbehagen, so lange noch die Luft vollkommen in Ruhe ist. Im Herbst sigt man gern im ungeheizten Zimmer, wenn auch der Thermometerstand bis 15° C. herabsinkt. Sobald man aber zu heizen beginnt, ist selbst eine Temperatur von 20° C. nicht zu hoch, denn die durch den Ofen hervorgerufene Luftzirkulation läßt den Temperaturgrad weit niedriger empfinden, als wie er in der That ist. Behaglich fühlt man sich schon bei 15° C. im geheizten Zimmer, wenn die Zirkulation aufgehört hat, wenn z. B. mit einem großen Berliner Ofen geheizt wurde, während man bei Heizung mit einem eisernen Zirkulierofen sich selbst bei 20° C. noch unbehaglich fühlt. Diese Erfahrung macht man keineswegs bloß bei minimalen, sondern auch bei marimalen Temperaturen. An sehr warmen Sommertagen erscheint mir ein plöhlicher Windstoß oft glühend heiß im Gegensatz zur ruhenden Luft, wenn auch das Thermometer nachweist, daß er genau dieselbe Temperatur besißt wie diese. Am be= quemsten macht man diese Beobachtung in den Alpen, wenn der Föhn zu wehen beginnt. Als ich eines Morgens im Herbst 1864 im Weißbad in Appenzell aufbrach, um mich auf eine der nächstliegenden Höhen zu begeben, schlug mir hinter jeder Felswand ein heißer Luftstrom entgegen.

Man darf übrigens nicht vergessen, daß derartige Beobachtungen mit großer Vorsicht anzustellen sind, weil sie leicht mit einer bedenklichen Fehlerquelle behaftet jein können. Diese Fehlerquelle liegt in der Verdunstung. Hat man sich an einem heißen Sommertage stark bewegt und ist in Schweiß gebadet, so wird natürlich auch ein heißer Luftstrom durch die von ihm erzeugte Verdunstungskälte als kühl empfunden.

Aus dem Vorstehenden folgt, daß die gewöhnliche Annahme, die Empfindung von Wärme und Kälte hänge von dem Unterschied zwischen unserer Hauttemperatur und der Außentemperatur ab, großer Einschränkung bedarf, da mir im ungeheizten Zimmer eine Temperatur von 15° C. noch als behaglicher als eine Temperatur von 20° C. im geheizten Zimmer erscheinen kann, während meine Hauttemperatur in beiden Fällen die nämliche ist.

Ueber die Grenzen der Temperaturempfindung sind die Physiologen sehr verschiedener Ansicht. Nach C. Ludwig empfangen wir Temperaturempfindungen nur, wenn sich innerhalb der Grenzen von +10° C. bis + 47° C. die Tem

peratur unserer Haut ändert'). Ueber oder unter die angegebenen Grade erwärmt, soll die Haut Schmerzempfindung hervorbringen. Dieser Angabe widerspricht die tägliche Erfahrung. Wer an kalte Waschungen gewöhnt ist, der kann sich sehr gut im Wasser mit schmelzendem Eise waschen ohne eine andere als Kälteempfindung. Ebenso wird bei Eisumschlägen die Hauttemperatur sicherlich weit unter 10° C. herabgejezt, ohne daß man Schmerz dabei empfindet. Während des großen Feldzuges gegen Nana Sahib in Indien im Juli 1857 mußte das 78. Regiment der schottischen Hochländer unter General Henry Havelock mit dicken wollenen Röcken bei einer Hiße von 56° R. marschieren und kämpfen 2). Sollte dabei ihre Haut, soweit sie den Sonnenstrahlen ausgesezt war, nicht über 47° C. erwärmt gewesen sein?

Ueberhaupt ist die Temperaturempfindung keineswegs an allen Körperteilen die nämliche. Eine Suppe von 50° C. genießen wir mit Wohlbehagen. Gießt uns aber jemand dieselbe Suppe auf den Arm, so haben wir ein Hißegefühl. Die Nervenerregung, welche in uns die Empfindung der Wärme oder Kälte hervorruft, ist nicht unbedingt von der absoluten Temperatur außer uns abhängig, ja nicht einmal unbedingt von der Temperatur überhaupt.

Nach Weber kommt es bei der Temperaturempfindung weniger auf die absolute Temperatur als auf Temperaturunterschiede an. Nach seinen Versuchen fann man 15° C. von 15,4° C. ebenso gut unterscheiden wie 30° C. von 30,4° C. Die Temperaturempfindung ist abhängig: 1) von der Geschwindigkeit des Temperaturwechsels; 2) von der Hauttemperatur; 3) von der Größe der dem Unterschied ausgesetzten Hautflächen; 4) von der Stelle des Körpers, wo die Temperatur einwirkt. Außerdem hängt aber die Empfindlichkeit für Temperaturunterschiede von der Nervenstimmung ab.

Es giebt eine Mitteltemperatur, welche uns in jedem Lebensmoment die zuträglichste und angenehmste ist. Diese Temperatur schwankt jedoch zwischen, wenn auch nicht sehr weiten, Grenzen. Die angenehmste Lufttemperatur liegt im allgemeinen zwischen 15° und 20° C. Wie sehr verschieden aber das Urteil ausfällt je nach äußeren Umständen und nach der augenblicklichen Stimmung eines Menschen, das geht hervor aus dem Umstand, daß, wer zu baden gewohnt ist, eine Tempe= ratur von 30°-35° C. im Wannenbad recht angenehm findet und sie nicht er= niedrigt haben möchte, während er im Flußbad mit einer Temperatur von 20° bis 22° C. nicht nur durchaus zufrieden ist, sondern sie nicht erhöht haben möchte. Bewegung des Schwimmens im zweiten Fall und die geringe Beweglichkeit in der Wanne ist die Hauptursache dieses Unterschiedes.

Der ästhetische Genuß verlangt, daß die herrschende Temperatur unserer Umgebung die für unseren Körper am meisten in diesem Augenblick zusagende, unsere Lebensenergie erhöhende sei. In besonderen Fällen aber wirkt die Temperatur durch den Kontrast. So z. B. gehört die milde, laue Luft unbedingt zum ästhetischen Genuß eines Frühlingstages, nachdem des Winters Rauheit überstanden ist; ebenso ist des Waldes Kühle angenehm, wenn wir am heißen Sommertag ihn betreten; nicht minder erhöht die eiskalte Luft unser ästhetisches Behagen, wenn wir am hellen Mondscheinabend über die spiegelglatte Eisfläche dahinfliegen.

Außer der Empfindung von Wärme und Kälte haben wir noch andere, welche wir als Schmerz, Kizel oder Erregung überhaupt bezeichnen, je nachdem sie unangenehm, angenehm oder überhaupt belebend einwirken. Ihre Zahl und

1) C. Ludwig, Physiologie. 2. Aufl. 1858, 1861. Bd. I, S. 416.

2) Julius Althaus, Soziale Bilder aus England. Bd. 1. Hamburg (Nestler u. Melle) 1863. S. 252. Es ist hier selbstverständlich die Sonnentemperatur gemeint, nicht die Schattenwärme.

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