3. Drei Paare und Einer. Du hast zwei Ohren und einen Mund; Gar vieles sollst du hören und Wenig drauf sagen. Du hast zwei Augen und einen Mund; Mach' dir's zu eigen! Gar manches sollst du sehen und Manches verschweigen. Du hast zwei Hände und einen Mund; Lern' es ermessen ! Zweie sind da zur Arbeit und Einer zum Essen. RÜCKERT. 4. Schäfers Sonntagslied. Das ist der Tag des Herrn! Ich bin allein auf weiter Flur ; Anbetend knie' ich hier. O süsses Grau'n, geheimes Weh'n! Der Himmel nah und fern So ganz, als wollt' er öffnen sich. UHLAND. 5. Lorelei. Ich weiss nicht, was soll es bedenten, Dass ich so traurig bin: Ein Mährchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl, und es dunkelt, Die schönste Jungfrau sitzet Sie kämmt es mit goldenem Kamme, Den Schiffer im kleinen Schiffe Er sieht nicht die Felsenriffe, Er schaut nur hinauf in die Höh'. Ich glaube, die Wellen verschlingen 6. Der König in Thule. Es war ein König in Thule Gar treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab. Es ging ihm nichts darüber, Er leert' ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus. Und als er kam zu sterben, Zählt' er seine Städt' im Reich, Gönnt' alles seinem Erben, Den Becher nicht zugleich. Er sass beim Königsmahle, Die Ritter um ihn her, Dort auf dem Schloss am Meer. Dort stand der alte Zecher, Er sah ihn stürzen, trinken, GOETHE. 7. Erlkönig. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht ?— Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif ? Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. "Du liebes Kind, komm, geh' mit mir! Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, "Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? "Meine Töchter sollen dich warten schön; "Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn, "Und wiegen und tanzen und singen dich ein." Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort "Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; "Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt." Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids gethan! Dem Vater grauset's, er reitet geschwind, GOETHE. 8. Mein Herz, ich will dich fragen. Mein Herz, ich will dich fragen: Was ist denn Liebe, sag'! "Zwei Seelen und ein Gedanke, "Zwei Herzen und ein Schlag!" Und sprich, woher kommt Liebe ? "Sie kommt und sie ist da!" Und sprich, wie schwindet Liebe ? "Die war's nicht, der's geschah!" Und was ist reine Liebe ? "Die ihrer selbst vergisst!" Und wann ist Lieb' am tiefsten? "Wenn sie am stillsten ist!" Und wann ist Lieb' am reichsten ? "Das ist sie, wenn sie gibt!" Und sprich, wie redet Liebe ? "Sie redet nicht, sie liebt!" HALM. |