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sprechenden Gefühlen. Sofort schon das Gefühl der Achtung, in dem wir den Beginn der Religion finden zu können meinten, ist zwar aus dem abgeleitet, was bereits im Herzen des Menschen sich unter dem Eindrucke des Uebergeordnetseins von Eltern oder Stammeshäuptern ereignet hatte, aber es bekam einen eigenen religiösen Charakter, sobald es auf die geheimnisvolle Macht übertragen wurde, die, wie auch gedacht, doch immer etwas ganz anderes als die am höchsten geehrten unter den Mitmenschen war. Es mischte sich das eigenartig Mysteriöse hinein, das sich immer an vermeintliche Berührung mit dem Uebersinnlichen knüpft, und das deswegen auch ein bleibendes Kennzeichen aller religiösen Gemütsbewegung ist. Brachte der Mensch nun weiterhin seine Lebenserfahrungen in Verbindung mit der vorausgesetzten Beschirmung, Führung oder auch wol Bestrafung durch diese übersinnliche Macht, dann erwachten in ihm, als wesentliche Bestandteile seiner Religion, Gefühle der Dankbarkeit, des Vertrauens oder der Furcht, gewis verwandt, correspondirend denselbigen Gefühlen in Hinsicht seiner Mitmenschen, aber zugleich allezeit etwas anderes, weil das Object, worauf sie Beziehung hatten, ein ganz anderes war. Vorerst immer soviel höher und mächtiger als irgend ein Mensch, über das verfügend, was ausser dem Bereich aller menschlichen Macht liegt, und immer ein anderes, höheres Wesen; wie menschenähnlich auch gedacht, dennoch ein höheres Wesen. Wie wenig weit braucht z. B. der Mensch in der Entwicklung gekommen zu sein, um den Gedanken fassen zu können, dass sein Gott ihn auch im Dunkeln sehen kann, und wissen kann, was in seinem Innern vorgeht. Schon dies allein erhebt die Gottheit weit über alles Menschliche, und macht sie zum Gegenstande einer Verehrung, die Menschen niemals gewidmet werden kann.

So bildet sich im Menschen ein ganzes Gewebe von Ueberlegungen, Gefühlen, Gesinnungen, die seine Religion ausmachen, die sich wandeln, je nachdem er selbst im Denken, Fühlen und Wollen sich verändert, und die auch auf höherem Standpunkt den eigentlichen Inhalt des religiösen Lebens bildet.

Ist denn, so fragen wir nun, damit das Band gelöst, das, nach unserer Behauptung, das Religiöse mit dem Sittlichen verbunden halten. muss? Wie sollte man dies meinen können, wenn man nur bedenkt, dass der Stoff, woraus jenes Gewebe zusammengesetzt ist, doch niemals etwas anderes ist als das, welches für diesen Menschen das Sittliche, das Gute, und darum das Gotteswürdige war. Man kann doch nicht denken, dass jemand in seiner Verehrung der Gottheit hinsichtlich ihrer eine Gesinnung gehegt hätte, die er selbst als eine verkehrte ansah. Auf dem niedrigsten Standpunkt des Eudämonismus muss das Suchen zeitlichen Vorteils bei der Gottheit doch immer mit dem Glauben gepaart gewesen sein, dass es erlaubt, dass es sittlich sei, so etwas von

den Göttern zu fordern. So lange das Menschenopfer noch aus religiösen Motiven dargebracht wurde, hat man sich natürlich immer eingebildet, damit ein gutes Werk zu tun. Unsere rechtgläubigen Vorfahren hielten es noch für eine sehr sittliche Anerkennung Gottes, wenn sie ihn priesen, dass er sich selbst in dem ewigen Verderben der Verdammten verherrliche. Man muss sich nur von der unhaltbaren Vorstellung losmachen, dass für alle Zeiten und Völker ein fester Massstab der Sittlichkeit aufgezeigt werden könnte. Sittlich war und ist für jeden was sein Gewissen ihm zum Gesetze macht. Wenn man dies im Auge behält, dann wird man auch begreifen, dass die Bewegungen und Aeusserungen des Gemütslebens, in welchen man mit Recht das eigentlich Religiöse sucht, immer das zum Inhalt gehabt haben müssen, was für den Menschen im vorzüglichen Grade als sittlich galt. Daraus geht dann auch hervor, dass immer ein unverbrüchlicher Zusammenhang zwischen Religion und Pflichtbewusstsein gewesen ist. Denn die Unterscheidung von Gut und Böse, also die Bestimmung des Sittlichen, musste allezeit für jeden Menschen durch dessen eigenes Pflichtbewusstsein geschehen. Oder folgte er nur der in seinem Kreise herschenden Gewohnheit, dann tat er das, weil er nicht die Freiheit fand, davon abzuweichen, und es also als seine Pflicht ansah, sich daran anzuschliessen. Aber sei es, dass die Anerkennung der Pflicht selbständig geschah, sei es, dass sie sich nach dem Vorbild anderer richtete, das Pflichtbewusstsein musste doch immer ausmachen, was Pflicht war. Warum schwinden in der Verehrung der Götter allmählich Handlungsweisen, die zuerst in grossem Ansehen standen? Warum anders, als weil, unter dem Einfluss zunehmender Bildung, eine andere Unterscheidung von Gut und Böse durchdrang? Das Kinderopfer hört auf eine Pflicht und also auch eine Gottes würdige Huldigung zu sein, wenn das menschliche Gefühl diese Barbarei nicht länger zulässt. Stellvertretung durch das Tier oder symbolisches Blutvergiessen müssen nun das eigentliche Opfer vertreten, bis dass wieder ein höher entwickeltes Pflichtbewusstsein die Weihe des Herzens und Lebens als das einzige wahre Opfer erkennt nnd einen neuen, geistigeren Cultus begründet. So wird das Sittliche immer durch das Pflichtbewusstsein bestimmt, und bildet das Sittliche wieder den Grundton, den Inhalt der Gemütsaffectionen, in denen das eigentlich Religiöse wurzelt.

Es liegt deshalb nicht die mindeste Gefahr vor, dass durch die hier verteidigte Aufstellung die Religion in eine dürre Moralreligion aufgelöst werden müsste. Alles was mit Recht zu dem eigentlichen Lebenskreise der Religion gerechnet werden kann, behält hier sein Recht und seinen Wert. Aber dies ist dabei gewonnen, dass, durch Anerkennung des unverbrüchlichen Zusammenhanges von Religion und Sittlichkeit, ein Princip aufgestellt worden ist, welches als Prüfstein des wirklich Reli

giösen in allen Religionsformen dienen kann, und welches das Mittel an die Hand gibt, um die Krankheitserscheinungen im religiösen Leben, wie den einseitigen Intellectualismus und den krankhaften Mysticismus, zu unterscheiden und von dem normal Religiösen auszusondern.

§. 3.

Der Wert des unbedingten Pflichtbewusstseins als der Grundlage des religiösen Glaubens.

Bei der Beschreibung der Art und Weise, auf welche der Glaube an übersinnliche Macht und die sittliche Wertschätzung zu religiösem Glauben zusammenfliessen, stieg schon ein und das andere Mal die Frage bei uns auf, welchen Wert wir dem sittlichen Urteil zuschreiben können. Diese Frage musste dort noch unberücksichtigt bleiben. Wir hatten damals genug an dem Factum der Allgemeinheit und des unbedingten Charakters des Pflichtbewusstseins. Nun aber kehrt sie wieder, und lässt sich nicht abweisen. Wollen wir für das Gebäude, das wir aufzuführen wünschen, einen festen Grund legen, dann haben wir vor allem auf die Tragkraft der Materialien, die wir gebrauchen, zu achten. Wäre es uns nur darum zu tun, eine Beschreibung des Ursprunges und der Art des religiösen Glaubens zu geben, so könnten wir mit dem, was wir bis jetzt gefunden haben, uns genügen lassen, um uns nun ferner mit einer Entwicklung des Inhalts jenes Glaubens zu beschäftigen. Aber die Aufgabe der Philosophie der Religion reicht weiter. Sie hat auch das Recht des Glaubens zu untersuchen, nicht nur das Recht der Vorstellungen, die der religiöse Mensch sich von dem Uebersinnlichen bildet, sondern auch und vor allem das Recht seines Glaubens an die Wirklichkeit einer Beziehung zu dem Uebersinnlichen. Auch diese Aufgabe müssen wir antreten, und von ihr haben wir jetzt den Teil vorzunehmen, der auf den Wert des Pflichtbewusstseins sich bezieht.

Wir fanden, dass der religiöse Glaube entsteht, wenn die vorausgesetzte übersinnliche Macht in Berührung mit dem sittlichen Bewusstsein des Menschen kommt, und dadurch zur Gottheit für ihn wird. Der religiöse Glaube beruht deswegen auf der Synthese der Weltanschauung mit der aus dem Pflichtbewusstsein des Menschen abgeleiteten sittlichen Wertschätzung. Nun ergab sich uns schon, dass dies bei den verschiedensten Formen der Weltanschauung geschehen kann. Die Religion entstand als die Menschheit noch auf dem Standpunkt des Naturismus und Animismus war, und danach hat sie als Polytheismus, Pantheismus, deistischer und theistischer Monotheismus an all' den Aenderungen teilgenommen, denen die philosophische Auffassung des Ganzen der Dinge im Lauf der Jahrhunderte unterlag. Wir brauchen also nicht nach.

Einer bestimmten Weltanschauung zu suchen, die für diese Synthese erforderlich wäre, und ihr Recht zur Geltung zu bringen; denn die Erfahrung lehrt, dass nahezu jede Weltanschauung dazu dienen kann, und wenn eine da wäre, die sich hierzu nicht eignete, dann würde auch kein religiöser Glaube entstehen, und also auch die Frage nach dem Recht dieses Glaubens von selbst fortfallen.

Aber das andere Glied der Synthese, die sittliche Wertschätzung begründet im Pflichtbewusstsein, erheischt eine nähere Betrachtung. Dass wir aus unserm Pflichtbewusstsein ein Wertschätzungsurteil ableiten, ist ein Factum, und dass dies Wertschätzungsurteil in Verbindung mit der Weltanschauung gebracht, uns zu jener Verehrung von vorausgesetzter übersinnlicher Macht leitet, die den allgemeinen Charakter der Religion bildet, meine ich nachgewiesen zu haben. Aber welchen Wert können wir jenem Wertschätzungsurteil zuerkennen? Diese Frage führt uns zu dem Gegenstande zurück, der im vorigen Paragraphen schon genannt ward, aber damals noch nicht ausdrücklich behandelt werden konnte die Erklärung des Pflichtbewusstsein. Was ist dasselbe ? Ist es eine bloss subjective Auffassung, die in uns durch eine Ueberlieferung oder eine Umgebung geweckt wurde, unter deren Einfluss unsere Weise des Denkens und Fühlens eine bestimmte Richtung, eine gewisse Eigenart bekommen hat, die einigermassen zufällig genannt werden muss? Oder dürfen wir uns überzeugt halten, dass in dem Pflichtbewusstsein sich das eigentliche Wesen, die Natur des Menschen offenbart, dass wir darin was man ein metaphysisches Factum nennt vor uns haben, so dass auch was daraus korrekt abgeleitet wird von uns als im Wesen der Dinge begründet angesehen werden darf, und also auch dazu dienen kann, die Wirklichkeit zu interpretiren? Anders ausgedrückt: in allem religiösen Glauben liegt eine bestimmte Auffassung der Gesamtheit der Dinge. Zu dieser Auffassung kommen wir dadurch, dass wir aus unserm Pflichtbewusstsein ein Wertschätzungsurteil ableiten, welches wir auf die von uns erkannte oder vorausgesetzte Wirklichkeit anwenden. Das Recht, der Wert dieser Auffassung hängt deswegen, insofern sie Wertschätzung ist, von dem Werte ab, den wir dem Pflichtbewusstsein zuschreiben können. Dürfen wir dies als das Gesetz, das Naturgesetz unseres Wesens ansehen, dann erklären wir die Natur aus demjenigen, was wir als ihre eigene Wirkung in uns ansehen dürfen, so dass wir sagen können: sie interpretirt sich selbst auf solche Art in uns. Müssen wir dagegen in dem Pflichtbewusstsein ein beziehungsweise zufälliges Produkt einer Reihe von Umständen erkennen, bei denen man denken muss, dass wir dadurch ebenso gut etwas anderes hätten werden können als das was wir nun sind, dann schwindet uns auch das Vertrauen auf unser Recht, auf Grund unseres sittlichen Bewusstseins etwas in Betreff des Wesens der Dinge zu versichern.

Es ist bekannt, wie diese Frage, die gleicherweise für alle GeistesWissenschaft gilt, in neuerer Zeit mit erneuter Kraft in den Vordergrund getreten ist, durch die in der Naturwissenschaft beinahe allgemein herschende evolutionistische Theorie. Das gibt uns umsomehr Veranlassung, sie mit all' dem Ernst, auf den sie Anspruch hat, zu behandeln. 1)

Unsere Aufgabe ist hier nicht, diese evolutionistische Theorie an sich selbst zu beurteilen. Die einzige Frage für uns ist, inwiefern sie das Recht aufhebt, um in dem soeben genannten Sinne den Aussprüchen unseres sittlichen Bewusstseins zu vertrauen.

Ich meine diese Frage verneinend beantworten zu müssen. Zur Rechtfertigung dessen weise ich an erster Stelle auf die Notwendigkeit unseres Glaubens an uns selbst, d. i. die Notwendigkeit, die für uns vorhanden ist, auf dasjenige zu vertrauen, was sich als Gesetz unserer Anlage bei unserm Wahrnehmen, unserm Fühlen, unserm Denken und Urteilen geltend macht. Ich sage nicht: auf die Unfehlbarkeit der Vorstellungen oder Begriffe, die wir durch irgend eine Geistestätigkeit erhalten, denn die können entweder durch unvollkommene Erkenntnis oder durch verkehrte Anwendung der Gesetze des Geistes unrichtig sein. Wenn ich vom Glauben an uns selber spreche, dann denke ich nur an Vertrauen auf die Unfehlbarkeit der Gesetze, die unsere Anlage uns zwingt bei aller geistigen Tätigkeit zu befolgen und in Anwendung zu bringen. Betrachten wir diesen Gegenstand erst mehr im Allgemeinen, und dann bestimmter in Hinsicht auf das Pflichtbewusstsein und die ihm entnommenen Urteile.

Schon früher hatten wir Veranlassung zu bemerken, welch einen bedeutenden Bestandteil von allem, was wir als unsere Erkenntnis ansehen, der Glaube ausmacht. Selbst schon bei der sinnlichen Erfahrung: die vulgäre Auffassung, dass wir ein Wahrnehmungsvermögen besässen gleich einem Spiegel, in dem die uns umgebenden Gegenstände ihr Bild abzeichneten, und dass so die Aussenwelt sich direct in unserm Bewusstsein abspiegelte, kann nur noch unter denen Vertreter finden, die ohne weiteres Nachdenken den Schein für Wirklichkeit halten. Der einzige Stoff für unsere Wahrnehmung ist unser Bewusstseinszustand, und wenn wir dessen Inhalt und die Veränderungen in ihm als aus Eindrücken entstanden erklären, die wir von aussen empfangen, dann beruht diese Erklärung ausschliesslich auf unserm Glauben an die Wirklich

1) Hier kann verglichen werden was ich schrieb über „Empirisme en Idealisme volgens S. Hoekstra Bz." Theol. Tijdschr. 1868, S. 257-284. Auch Dr. Ph. R. Hugenholtz „Het wezen en het recht van den godsdienst" ebds. 1874, S. 410 ff. (Studien I, 42 ff.) und „Over de methode der wijsgeerige godsdienstwetenschap" ebds. 1882, S. 4-7 (St. II, 87 ff.).

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