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Zweites Hauptstück.

Der religiöse Glaube als Postulat des sittlichen Bewusstseins.

§. 1.

Die Lehre vom Postulat.

Wir müssen die Behandlung dieses Gegenstandes wieder mit einer Hinweisung auf Kant anfangen. Von ihm ist der hier gebrauchte Ausdruck,,Postulat" in seiner „Kritik der praktischen Vernunft" in einem bestimmten Sinne angewandt, den man kennen muss, um die Bedeutung zu begreifen, die das Wort allmählich in unserm Sprachgebrauche erhalten hat.

Wir finden diesen Ausdruck in der ,,Kritik der praktischen Vernunft" zuerst dort, wo er die Unsterblichkeit der Seele ein Postulat der reinen praktischen Vernunft nennt. Er lässt darauf folgen: „worunter ich einen theoretischen, als solchen aber nicht erweislichen Satz verstehe, sofern er einem a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetze unzertrennlich anhängt" (S. W. ed Hartenstein, 2. Ausg., V, S. 128).

Dürfen wir annehmen, dass er diese Bestimmung mit einiger Sorgfalt formulirt hat, so haben wir hier sofort eine ziemlich vollständige Umschreibung dessen was er mit dem Worte meint. Ein Postulat ist ein Satz und zwar ein theoretischer, d. i. ein solcher, der einen Gegenstand unserer Erkenntnis enthält, im Unterschiede von einem praktischen, der eine Regel für den Willen ausspricht. Aber es ist doch ein theoretischer Satz eigener Art, nämlich ein solcher, der als theore

tischer Satz nicht beweisbar ist. Man könnte sagen: alles was Gegenstand unserer Erkenntnis sein kann, muss beweisbar sein. Wie sollte es sonst Gegenstand der Erkenntnis sein können? Es würde immer Vermutung, Voraussetzung, Phantasie bleiben. Trotzdem scheint hier wirklich ein Gegenstand der Erkenntnis gemeint zu sein, etwas, das wir wissen können. Können wir es dann doch nicht beweisen, so muss die Meinung sein, dass der Inhalt dieses Satzes für uns Gegenstand des Wissens sein kann, aber dass seine Wahrheit nicht durch einen gewöhnlichen logischen Vernunftbeweis bekräftigt werden kann. Auf welchen Grund hin können wir ihn dann annehmen? Insofern er unabtrennlich mit einem a priori (nicht der Entfahrung entnommenen) absolut gültigen praktischen Gesetze zusammenhängt. Gibt es solch ein Gesetz, und kann dasselbe nicht gedacht werden, ohne dass dabei zugleich gedacht werde, was der Satz enthält, dann ist dieser das Postulat des Gesetzes, und gilt ebenso absolut wie das Gesetz, das ohne das was der Satz behauptet nicht bestehen könnte. Die Verbindung zwischen dem Gesetze und dem Postulat ist darum nicht analytisch, sodass das eine im andern beschlossen läge und daraus abgeleitet werden könnte, sondern sie ist synthetisch, sodass das eine dem andern hinzugefügt wird, jedoch in dem Sinne, dass die Synthese eine notwendige ist, dass, wenn das eine ist, auch das andere sein muss.

Bedarf dieses keiner Erklärung, so bedarf es doch gewis etwelcher Rechtfertigung. Unwillkürlich wird man beim Anhören dieser Bestimmung an das erinnert, was Kant 25 Jahre früher (1763) in seinem ,,Versuch, den Begriff der negativen Grössen in die Weltweisheit einzuführen“ (S. W. ed. Hartenstein, 2. Ausgabe, II, S. 103-106) über den Uuterschied zwischen einem logischen Grunde und einem Realgrunde schrieb. Dort heschwört er ironisch die Philosophen unter seinen Zeitgenossen, ihn über eine Schwierigkeit fortzuhelfen, die für sie nicht vorhanden zu sein scheint, und die er doch für unübersteiglich hält. Sie ist zu beweisen, dass, weil etwas ist, etwas anderes sein muss. Nicht: wie das eine der logische Grund des andern sein könne, denn das versteht sich von selbst. Dann liegt die Folge schon im Grunde beschlossen. Also auch nicht: wie die Dinge als Ursache und Folge zusammenhängen können, denn sobald ich etwas Ursache genannt habe, habe ich das Verursachte bereits darin gedacht. Sondern. wie das eine Realgrund von dem andern sein könne, in dem Sinne, dass ich sagen kann: da es das eine gibt, gibt es das andere auch. Z. B. es gibt einen göttlichen Willen, und weil es den gibt, gibt es eine Welt. Man kann doch, wie man auch den Begriff „göttlicher Wille" untersucht, darin keine vorhandene Welt finden. Wie kann dann der göttliche Wille der Realgrund der vorhandenen Welt sein?

Es ergibt sich nicht, dass Kant jemals über diese Schwierigkeit hinausgekommen sei. Im Gegenteil, was damals noch mehr im Vorbeigehen angedeutet als ausgeführt wurde, ist der Grundgedanke seiner späteren grösseren Werke geworden. Wie ist es dann aber mit dieser Lehre vom Postulat? Haben wir hier nicht buchstäblich dieselbige Behauptung: weil es ein a priori unbedingt gültiges praktisches Gesetz gibt, muss es Unsterblichkeit der Seele geben? Hier können wir auch fragen: ist denn die Unsterblichkeit der Seele in jenem Gesetze enthalten, so dass sie durch reine Analyse daraus abgeleitet werden kann? Und wenn nicht, wie ist dann jenes Gesetz der Realgrund für die Unsterblichkeit ?

Kant beantwortet diese Schwierigkeit in dem Abschnitt vom Fürwahrhalten aus einem Bedürfnisse der reinen Vernunft" (das. V, S. 148). Er unterscheidet hier Hypothesen und Postulate. Die Hypothese gehört zum speculativen Gebrauche der Vernunft und dient dazu, um im Denken immer höher in der Reihe der Gründe aufzusteigen, aber allezeit nur um der forschenden Vernunft Befriedigung zu schaffen, nicht um dem Vorausgesetzten objective Realität zuzuschreiben. Z. B. als Ursache der Zweckmässigkeit in der Welt eine Gottheit vorauszusetzen, ist eine sehr vernünftige Meinung, aber man kann damit nicht zu der Wirklichkeit des Daseins einer Gottheit kommen. Anders ist es jedoch bei der praktischen Vernunft. Hier ist die Grundlage eine Pflicht. Bin ich zu ihrer Erfüllung durchaus verpflichtet, dann muss auch dasjenige sein was allein diese Erfüllung ermöglicht. Z. B. bin ich unbedingt verpflichtet, das höchste Gut zu verwirklichen, uud ist das in diesem Leben unmöglich, so muss es für mich ein weiteres Leben geben, in dem ich meine Pflicht gänzlich vollbringen kann. Dabei macht es nichts aus, ob ich mit meiner theoretischen Vernunft die Unsterblichkeit beweisen kann. Das Postulat dient auch nicht zu dem einen oder anderen speculativen Zwecke, als ob es eine Hypothese wäre, sondern zu einem praktisch-notwendigen Zwecke der praktischen Vernunft, die hier nicht wählt, wie man eine Hypothese frei wählen kann, sondern die einem unabweislichen Vernunftgebot gehorcht, welches Gebot seinen Grund objectiv in der Beschaffenheit der Dinge hat. Das Postulat kann auch nicht auf Neigung gegründet werden, die etwas postulirt was bloss aus subjectiven Gründen gewünscht wird, wie z. B. ein gewisser Wizenmann behauptet hatte, dass, nach Kant's Auffassung, jemand, der sich in ein von ihm erträumtes Schönheits-Ideal verliebt habe, nun auch zu dem Schlusse kommen könnte, dass wirklich ein solches Object da wäre. Das Postulat muss ein Bedürfnis durchaus notwendiger Art sein, wie das allein bei dem möglich ist, was sich auf ein absolut gültiges Gesetz der praktischen Vernunft gründet.

Ist dies alles deutlich, so bleibt doch noch die Frage übrig, welcher Art dies Wissen durch ein Postulat ist. Ist das durch ein a priori durchaus gültiges Gesetz Postulirte, beruht es auch für uns nicht auf theoretischen, sondern auf praktischen Gründen, dennoch, wenn wir es einmal haben, ein Gegenstand des Wissens für uns? Z. B. weiss ein Kant nun doch, dass es Unsterblichkeit der Seele, dass es einen Gott gibt? Wenn ja, warum kann die theoretische Vernunft, hat sie es selbst auch nicht beweisen können, dies nun nicht als bewiesen annehmen und gebrauchen? Der Unterschied der theoretischen und praktischen Vernunft löst sich zuletzt doch wieder in der Einheit des menschlichen Geistes auf. Wie kann jemand auf die Länge dabei beharren: ich weiss zwar gewis, dass es einen Gott gibt, aber wenn ich nach dem Dasein Gottes gefragt werde, muss ich sagen, dass man davon nichts wissen kann, weil ich es nur praktisch weiss? Es ist nicht zu leugnen, dass hierin eine Schwierigkeit liegt. Es ist denn auch ein Punkt, wegen dessen Kant sehr heftig angegriffen wurde. So sagt Joh. Volkelt (,,Immanuel Kant's Erkenntnistheorie nach ihren Grundprincipien analysirt", 1879, S. 272):,,Mit Recht nennt Eduard Erdman dies "praktische Erkennen, das Erkennen ist, und dessen Inhalt sein Object genannt wird, obgleich es von seinen Objecten nichts weiss und nicht den geringsten Begriff hat"" eine Monstrosität." Fr. Harms (,,Die Philosophie seit Kant", 2. Ausgabe 1879, S. 247) macht die Bemerkung, dass es doch eigentlich ein Misverständnis ist, wenn die Freiheit des Willens, die Unsterblichkeit der Seele und das Dasein Gottes von Kant als Postulate der praktischen Vernunft dargestellt werden. Er erhält dadurch eine doppelte praktische Vernunft, die eine, die rein gesetzgebend, handelnd ist und dann eine andere die die Forderung der ersten zum Gegenstande des Wissens macht, dadurch, dass sie Postulate daraus ableitet. Diese Verwirrung muss dadurch fortgeschafft werden, dass man anerkennt, dass jene Postulate keine Postulate der praktischen Vernunft sind, sondern Postulate der theoretischen Vernunft in ihrem Erkennen der praktischen, handelnden Vernunft im sittlichen Leben des Geistes.

Diese letzte Bemerkung ist vollkommen richtig, und damit fällt der gemachte Unterschied zwischen praktischem und theoretischem Erkennen dahin, und deshalb auch der Grund, der nach Kant für die Gewisheit dessen, was wir durch praktische Erkenntnis wissen, vorhanden wäre.

Ehe wir gleichwol diese Schlussfolgerung, die gleichsam handgreiflich ist, ziehen, tun wir doch vielleicht gut, noch einmal zu fragen, ob Kant das nicht selbst eingesehen habe. Die Inconsequenz, der er dann durch seine ,,Kritik der praktischen Vernunft" gegenüber der „Kritik der theoretischen Vernunft" verfallen wäre, ist zu gross,

als dass man sich vorstellen könnte, sie sei seinem scharfen Blick entgangen.

Auch andere haben so gedacht. W. Windelband (,,Die Geschichte der neueren Philosophie", 1880, II, S. 121 ff.) sah es als ein Misverständnis an, wenn man Kant die Behauptung zuschreibt: das sittliche Leben ist ein Factum, dies Factum ist allein möglich unter Bedingung des Daseins der Freiheit und der übersinnlichen Welt, deshalb ist das Dasein derselben bewiesen. Kant hat an einen solchen eigentlichen Beweis nicht gedacht. Er bedient sich eines argumentum ad hominem und meint: ihr glaubt an die Notwendigkeit und die Allgemeingültigkeit des Sittengesetzes, dann müsst ihr auch glauben an alle Bedingungen, unter welchen allein sie möglich sind.

Ebenso meint Kuno Fischer Kants Meinung folgendermassen deuten zu müssen: Wir haben von dem Vermögen der Freiheit, von der Unsterblichkeit der Seele, von dem Dasein Gottes keine andere als eine moralische Gewisheit. Diese Gewisheit ist keine Verstandeseinsicht, also kein Wissen; sie ist nicht bloss annähernde, sondern vollkommene Gewisheit, also nicht bloss Meinung, sondern Ueberzeugung: sie ist Glaube, ein Glaube, der sich auf praktische Vernunft gründet, also reiner Vernunftglaube oder praktischer Glaube." (Gesch. der neueren Philos., 2. Ausg. 1869, IV, 173.)

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Es kommt mir vor, als wenn an der Richtigkeit dieser Auffassung nicht zu zweifeln sei. Schon an der zuletzt angeführten Stelle aus der ,,Kritik der praktischen Vernunft" (S. 149) hatte Kant den Menschen, der aus der praktischen Vernunft jene Postulate ableitet, sprechen lassen: ,,ich beharre darauf und lasse mir diesen Glauben nicht nehmen". Ausdrücklich aber wird diese Auffassung bestätigt durch den Paragraphen, den wir am Schlusse der „Kritik der Urteilskraft" finden: von der Art des Fürwahrhaltens durch einen praktischen Glauben" (Ed. Hartenstein, 2. Ausgabe, V, S. 481). Dort werden „Gegenstände, die in Beziehung auf den pflichtmässigen Gebrauch der reinen praktischen Vernunft (es sei als Folgen oder als Gründe) a priori gedacht werden müssen, aber für den theoretischen Gebrauch derselben überschwänglich sind, für blosse Glaubenssachen" erklärt. Bei diesen Glaubenssachen muss man nicht an Glaubensartikel, zu deren Bekenntnis man verpflichtet wäre, denken; denn es ist ein freies Fürwahrhalten, das einzige, welches mit der Sittlichkeit des Subjects vereinbar ist. Der hier gemeinte Glaube ist auch nicht zu verwechseln mit dem Glauben an das Zeugnis anderer hinsichtlich des einen oder des andern Factums. Der Inhalt des hier gemeinten Glaubens muss immer eine Idee sein, ein Begriff, der im praktischen Sinne objective Realität für uns hat, aber dessen objective Realität theoretisch nicht festgestellt werden kann. Es ist die moralische Denkungsart der Vernunft im Fürwahr

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