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die edelste oder wenigstens die innigste Frömmigkeit immer eine gewisse Neigung gehabt habe, das Herz abzuwenden von Natur und Weltordnung, als von dem Gebiet der ungöttlichen Mächte, um nur das allein zu suchen, was als ein Gewinn für die Seele erachtet werden kann. Kam auch dabei meistens die Aussicht auf eine zukünftige Seligkeit zu Hülfe, in der das hier gestörte Gleichgewicht zwischen Natur und Gnade hergestellt werden sollte, so blieb doch die Auffassung der sittlichen Ordnung in diesem Leben dabei dualistisch, da sie ein Reich des Geistes neben und gegenüber dem Reiche der Natur und Geschichte annahm.

Es ist kein Wunder, dass die ethischen Modernen, diesem Gedankengange folgend, zu ihrer Vorstellung gekommen sind. Scheint doch so die Unantastbarkeit der sittlichen Ordnung in dem aller Wissenschaft unnahbaren Heiligtume des sittlichen Bewusstseins sicher gestellt. Die innere Erfahrung, dass alle Dinge uns zum Besten dienen, waffnet gegen allen Zweifel, und wenn man so Gottes Stimme im eigenen Innern vernimmt, was kümmert es uns, ob man Seine Hand nicht in den Werken der Natur und dem Lauf der Weltbegebenheiten sieht?

Jemehr bei unserer Anschauung alles auf die Festigkeit der Grundlage des religiösen Glaubens, die in der sittlichen Ordnung zu finden ist, ankommt, um so viel ernstere Aufmerksamkeit verdient für uns diese Auffassung. Ist sie zu verteidigen, dann ändert der religiöse Glaube auch seinen Charakter gänzlich. Er bleibt dann wol Glaube an übersinnliche Macht auf sittlicher Grundlage, aber diese übersinnliche Macht löst sich in das auf, was Matthew Arnold nannte: „a stream of tendency which makes for righteousness". Sollte man auch für möglich halten, doch noch etwas mehr von Gott sagen zu können als das: „God a deeply moved way of saying conduct", so ist doch jede Vorstellung einer kosmischen Macht oder einer Weltregierung hinfällig, und man kann sich schwer verhehlen, dass der historische Zusammenhang mit den vorhergehenden Religionen, wenn nicht ganz abgebrochen, so doch nur noch sehr gering ist.

Woran soll man das Recht dieser Auffassung prüfen? Es gibt nur Einen sicheren Massstab. Es ist der der Wirklichkeit. Ist der Dualismus, den sie verteidigt, in der Wirklichkeit begründet? Ist in der Tat die sittliche Ordnung so unabhängig von der Naturordnung wie sie es darstellt, und stehen Natur und Geschichte so ausserhalb des Bereiches des Sittlichen, wie sie meint annehmen zu müssen?

Ziehen wir uns selbst zu Rate. Es ist gewis wahr, dass unser sittliches Leben eine relative Selbständigkeit gegenüber allen sinnlichen Empfindungen behaupten kann, dass es über alles was als Wirkung der Naturordnung in uns anzusehen ist seine Herschaft ausüben kann, aber das hebt nicht auf, dass wir auch als sittliche Wesen an die Natur

in uns und ausser uns gebunden sind, und dass, ob auch der Weg zur Vollkommenheit für uns immer durch den Gegensatz von Natur und Geist führt, unser Streben allezeit auf die Harmonie beider gerichtet bleiben muss. In dem alten Spruche: mens sana in corpore sano liegt eine Wahrheit, die niemals ungestraft verkannt wird. Hängt die Entwicklung des sittlichen Lebens aufs genaueste mit unserer Fähigkeit zusammen, von allem was die Gemütsstimmung bewegen und heiligen kann ergriffen zu werden, wie abhängig sind wir dann allein schon dadurch von dem sinnlichen Organismus, durch den jene Eindrücke in unser Inneres fortgepflanzt werden müssen! Störungen im Nervenleben setzen sich sofort in Störungen des Seelenlebens um. Und wenn wir den Zusammenhang zwischen der Natur des Gehirns und der Gemütsverfassung besser kennten, wie würde dann die pathologische Anatomie unser Urteil über vieles, das wir sonst als sittlich böse verabscheuten, ändern! Umgekehrt, was geht über sittliche Zucht, zur Beförderung der normalen Tätigkeit des sinnlichen Organismus? Ob man die Kette: Zellgewebe, Blutumlauf, Nervenfunction, Fühlen, Wollen, Denken an der einen oder an der andern Seite ergreift, die Glieder hängen immer an einander, und man kann kein einzelnes derselben bewegen, ohne dass die andern die Nachwirkung spüren. Wie sollte es dann nun möglich sein, das Sittliche in uns gänzlich von dem Sinnlichen los zu machen, oder zu dem Sittlichen in jemandes Innern durchzudringen, ohne dabei durch seine physische Beschaffenheit Förderung oder Hemmung zu erfahren? Noch deutlicher fällt die Untrennbarkeit beider ins Auge, wenn man an das Gemeinschaftsleben in Familie, Gesellschaft und Staat denkt. Will man z. B. in den sogenannten niederen Ständen die sittliche Ordnung über die feindlichen Mächte der Unmässigkeit, Unkeuschheit, Rohheit und Zuchtlosigkeit triumphiren lassen, so wird man bald bemerken, dass man nicht weiter kommt ohne bessere Wohnungen, bessere Nahrung, Gesundheitsmassregeln, Arbeitsregulirung und was sonst noch weiter dazu dienen kann, die physischen Lebensbedingungen zu verbessern. Darum wurde mit Recht von Dr. Slotemaker den ethisch-Modernen vorgeworfen: euer Gott kann nicht zu euch kommen. Wenn Erlkönig das Kind in den Armen des Vaters ängstigt, hat der Vater nichts weiter zum Troste zu bieten als das machtlose:,,sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!" aber wenn es dann in wilder Fahrt weitergeht, dauert es nicht lange und „in seinen Armen das Kind war tot!" (Theolog. Tijdschr. 1870, S. 387 ff.). Das ist keine Uebertreibung. Eine sittliche Ordnung, die, von der Naturordnung abgelöst, diese nicht zur Erreichung ihrer Zwecke in Dienst nehmen kann, würde mit vollständiger Machtlosigkeit geschlagen sein. Sie würde dem menschlichen Geiste Ideale vorzaubern können, Gefühle und Wünsche in ihm zu wecken vermögen, aber die Uebermacht der Sinnlichkeit und der un

aufhaltbare Gang der Naturgesetze würde jeden Versuch der Verwirklichung dieser Ideale vereiteln. Hermann Lotze lieh seinen Namen dem,,Evangelium der armen Seele" (Leipzig 1871), welches dann als höchste Weisheit und bester Trost übrig bleibt, aber man darf zweifeln, ob der Verfasser des Mikrokosmus selbst seine Befriedigung in diesem Wollen ohne Können, in dieser tätigen Liebe, die nichts Wirkliches tun kann, gefunden habe. Es ist ein Evangelium für Fromme, die von der Welt Abschied genommen haben, und deren Wehklage:

,,Ich schmachte, elend

Vom Schicksalslauf,

Wehmütig hoffend

Zu dir hinauf!" 1)

(Ik smacht, vermoeide
Van's levens loop,
Mijn hope is weemoed,

doch in der Tat keinen andern Namen lung an der sittlichen Ordnung selbst.

Mijn weemoed hoop!)

verdient als den der Verzweif

Darüber kann bei ernsthaftem Nachdenken kein Zweifel bestehen bleiben Glaube an die Wirklichkeit einer sittlichen Ordnung umfasst zugleich Glauben an die Macht dieser Ordnung, dass sie über die Mittel verfügt, ohne welche sie sich nicht durchsetzen kann. Dabei kann sogleich anerkannt werden, dass die Weise, auf welche sie jene Mittel ihren Zwecken dienstbar macht, die Wirksamkeit der sittlichen Ordnung in der und durch die Naturordnung für das Denken noch viele ungelöste Fragen übrig lässt, aber geht auch das wie in mancher Hinsicht über unser Begreifen, das dass kann deswegen nicht für zweifelhaft gehalten werden. Die Wirkung unseres Seelenlebens auf unsern sinnlichen Organismus ist uns ein unauflösliches Rätsel, aber niemand wird darum die Umsetzung von Gedanken in Bewegung leugnen. Die Frage: wie die sittliche Ordnung in der und durch die Naturordnung herschen kann, ist ganz derselben Art wie die nach der Herschaft des Nichtstofflichen im Menschen über den an feste Naturgesetze gebundenen stofflichen Leib. Wir werden später Veranlassung haben, hierauf noch zurück zu kommen. Für den Augenblick haben wir genug an der Bemerkung, dass die Unvorstellbarkeit der Immanenz der sittlichen Ordnung in der Naturordnung an sich selbst kein Bedenken gegen die Anerkennung derselben abgibt, in Anbetracht, dass dasselbe Bedenken bei mancher andern Beziehung gelten würde, an deren Wirklichkeit trotzdem niemand zweifelt. Unabhängig von der Möglichkeit, eine befriedigende Erklärung von der Weise zu geben, auf welche eine sittliche Ordnung ihre Zwecke in einer an durchaus unverbrüchliche Gesetze gebundenen Welt verwirklichen könne, halten wir, auf Grund des sittlichen Bewusstseins,

1) Aus de Génestet's Dichtungen (Siehe: Ausgewählte Gedichte von de G., Halle a. S., 1886, S. 58). A. d. Uebers.

fest an der Wirklichkeit und Herschaft einer sittlichen Ordnung, und an der teleologischen Weltanschauung, der Anerkennung eines Zusammenhanges von Mittel und Zweck in der Gesamtheit der Dinge, die in der Anerkennung einer sittlichen Ordnung uumittelbar beschlossen liegt.

In diesem Sinne können wir dann auch von sittlicher Weltordnung sprechen. Das Wort hat den Schein einer Anmassung, als ob wir das, was wir in uns selbst entdecken, zu gebrauchen wagten, um ein Urteil über das auszusprechen, was ausser dem Bereich unserer Wahrnehmung liegt. Aber wenn wir uns des Wortes nur bedienen, um auszudrücken, dass, wo die sittliche Ordnung herscht, sie auch in der und durch die Naturordnung herschen muss, ist kein Bedenken dawider, dass wir von Weltordnung sprechen.

Rufen wir uns nun noch einmal den Gedankengang zurück, durch welchen wir zu unserm Resultat gekommen sind. Unser Ausgangspunkt war der absolut geltende Charakter der Forderung des Sittengesetzes, die wir in unserm Innern vernehmen. Davon haben wir keine Erklärung gesucht, sondern das haben wir als ein Factum in uns hingenommen, und darauf haben wir dann die Theorie des Postulats angewandt, die dazu dient, um aufzusuchen, was notwendigerweise als wirklich vorhanden anerkannt werden muss, soll etwas anderes, das als wirklich anerkannt ist, bestehen können. So gestaltete sich in diesem besondern Falle die Frage für uns also: wenn uns die absolut und objectiv geltende Forderung des Sittengesesetzes feststeht, welcher Art muss dann die Beschaffenheit der Welt sein, damit in ihr Platz für diese Tatsache in uns sei? Die Antwort war: die Welt muss so sein, dass darin das Sittengesetz herschen kann, oder mit andern Worten: in der Welt muss eine sittliche Ordnung vorhanden sein. Darum erkannten wir eine sittliche Weltordnung als das Postulat der sittlichen Forderung in uns selbst. Bei näherer Untersuchung des Begriffs,,sittliche Ordnung" ergab sich uns weiter, dass darin die Vorstellung noch eines andern Zusammenhanges als des von Ursache und Wirkung beschlossen liege, nämlich die eines Zusammenhanges von Zweck und Mittel, so dass wir erkannten, die Thesis einer sittlichen Ordnung in der Welt sei unabtrennbar von einer teleologischen Weltanschauung, von Finalität, die in und durch Causalität wirkt. Endlich ergab sich uns, dass diese Finalität nicht als allein im Gebiet des geistigen Lebens vorhanden gedacht werden kann, sondern dass, wenn es sittliche Zwecke in der Welt gibt, die Naturordnung zu deren Erreichung der sittlichen Ordnung dienstbar sein muss.

So sind wir aus der Tatsache des sittlichen Bewusstseins des Menschen zu einer Auffassung der Welt als eines Organismus gekommen,

in welchem der Naturzusammenhang, der Zusammenhang von Ursache und Folge, als Werkzeug zur Erreichung von Zwecken dienen muss, deren Umfang und Richtung gewis kein Mensch zu bestimmen wagen wird, deren Art sich uns aber in demjenigen offenbart, was sich in uns als höchstes, ja als absolut geltendes Gesetz zu erkennen gibt.

§. 3.

Der Glaube an eine sittliche Weltordnung das Wesen des religiösen Glaubens.

Die Ueberschrift dieses Paragraphen gibt zu zwei Fragen Veranlassung:

zuerst, warum hier nur der Glaube an eine sittliche Weltordnung genannt wird, und ob nicht noch mehr, namentlich eine bestimmtere Vorstellung von etwas Uebersinnlichem, als Postulat des sittlichen Bewusstseins geltend gemacht werden kann;

sodann, ob in der Tat in dem Glauben an eine sittliche Weltordnung das Wesen des religiösen Glaubens erkannt werden kann.

Die erste dieser Fragen erhält durch den Vorgang Kant's ein besonderes Gewicht. Es ist bekannt, dass er in seiner „Kritik der praktischen Vernunft" zu beweisen versucht hat, das Postulat des sittlichen Bewusstseins reiche viel weiter als hier zugegeben wird. Nach ihm steht die Wirklichkeit der Unsterblichkeit, der menschlichen Freiheit, und des Daseins Gottes als Postulat der praktischen Vernunft fest. Aus unserer Verpflichtung das höchste Gut zu verwirklichen, folgt, dass auch dasjenige wirklich sein muss, ohne welches das höchste Gut in seinem zwiefachen Charakter als bonum supremum und bonum consummatum nicht bestehen kann. So muss für den Menschen eine weitere Zukunft nach dem irdischen Leben vorhanden sein, er muss frei sein, um seinen Beruf erfüllen zu können, und ein Gott muss da sein, dessen Allmacht ebenso die stoffliche wie die geistige Welt unterworfen ist, und durch den die hier stets mangelnde Harmonie von Tugend und Glück bewirkt und zur Geltung gebracht wird.

Es genügt, die Grundzüge dieses Beweises wieder in Erinnerung zu bringen, um sofort dem Leser ins Gedächtnis zu rufen, was von der Kritik dagegen vorgebracht wurde. In die Beschreibung des Objectes der Pflicht als des höchsten Gutes schleicht sich schon eine Zweideutigkeit ein, die nachher zur Unterscheidung zweier Seiten des höchsten

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