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religiöse Glaube ganz auf dieser Linie liegt; dass auf derselben ganz andere Bedingungen der Gewisheit gelten, und eine ganz andere Art von Gewisheit erlangt wird als die, welche man auf der Linie des Verstandes durch den logischen Beweis sucht; dass darum auch Glauben niemals mit Etwas-für-wahr-halten vereinerleit werden kann; dass religiöser Glaube nicht eine Meinung ist, sondern eine Tat; dass, um alles in Ein Wort zusammenzufassen: das Wesen des religiösen Glaubens nicht ist Glaube an eine oder die andere Religionslehre, sondern nur Glaube an eine sittliche Ordnung.

Hiermit nimmt der Glaube den Platz wieder ein, den er allezeit im Herzen und Leben derer inne gehabt hat, die als die grossen Vorgänger in der Religion anerkannt werden. Bestände das Wesen des religiösen Glaubens in der Anerkennung eines höheren Wesens, dann hätte ja jeder neue Anfang im religiösen Leben der Menschheit von solchen ausgehen müssen, die durch eine vernünftigere Auffassung der Gottheit eine reinere und allgemeinere Anerkennung ihres Daseins bewirken konnten. Die Philosophen hätten die grossen Religionsstifter sein müssen. Aber wann ist das je geschehen? Das neue Licht, an dem auch wir uns noch erfreuen, tagte nicht in Alexandrien, sondern stralte der Menschheit von den Hügeln Galiläa's. So ist es immer gewesen. Religionsstifter wurden die, für welche die Wirklichkeit der sittlichen Ordnung solch eine viel höhere Evidenz bekommen hatte, dass sie dieselbe ihren Zeitgenossen als wie von neuem greifbar machen konnten. Stand ihr Gottesbegriff, aus dem Gesichtspunkt der Vernünftigkeit, immer so viel höher? Es konnte sein, wenn sie zugleich bessere Denker waren. Aber es war nicht allezeit so. Was sie besser wussten, war nicht was Gott war, sondern: was Gott für den Menschen sein wollte und was der Mensch für Ihn sein musste, das ist, mehr philosophisch ausgedrückt, was es bedeute, mit Herz und Seele in der sittlichen Ordnung zu leben. Wenn Jesus zu Gott als dem Vater hinaufschauen lehrt, dann ist damit für die Metaphysik nichts gewonnen, aber das Gesetz der Liebe ist als Geheimnis der sittlichen Ordnung offenbart, das Geheimnis, welches Weisen und Verständigen verborgen bleiben kann, während es den Kindern sich erschliesst.

Hiermit aber erhält auch in unserm Gemütsleben der religiöse Glaube den Platz, von dem aus er seinen begeisternden und heiligenden Einfluss auf unser ganzes geistiges Dasein ausüben kann. Wenn das Wesen dieses Glaubens in die Anerkennung des Daseins eines Gottes gesetzt wird, dann kann daraus weiter wol abgeleitet werden, dass Er der Gegenstand unserer Verehrung, unseres Vertrauens, unserer Liebe sein muss, aber dieser Glaube streckt sich dann nach etwas Ueberirdischem aus, und erhält dadurch, hinsichtlich dessen was in unsern Herzen vor sich geht und uns mit unsern Mitmenschen verbindet, alle

zeit den Charakter eines Correktivs. Man muss seine Pflicht vollbringen, weil Gott es will, man muss die Wahrheit sprechen, weil Gott es hört, man muss das Böse meiden, weil Gott es straft. Das alles mag der Sittlichkeit sehr förderlich sein, aber es ist doch nicht zu verkennen, dass auf diese Weise die Religion etwas bleibt, das über das Leben eine Aufsicht ausübt, aber nicht in das eigentliche Leben durchdringt. Und ist es nicht in der Tat so bei vielen, die als Gläubige wünschen angesehen zu werden?

Wird dahingegen das Wesen des religiösen Glaubens in den Glauben an eine sittliche Ordnung gesetzt, und zwar, wie nach allem Voraufgehenden von jedem zu verstehen ist, nicht in einen theoretischen Glauben daran, dass eine sittliche Ordnung da sei, sondern in den Erfahrungsglauben, der auf eigener Teilhaberschaft an dieser sittlichen. Ordnung beruht, dann wird auch der religiöse Glaube der Mittelpunkt, um welchen sich alles was zu dem sittlichen Leben gehört natürlich und ungezwungen gruppirt, und aus dem es fort während Unterstützung und Nahrung und Begeisterung empfängt. Es wird in der öffentlichen Meinung eine verhängnisvolle Unterscheidung und sogar Scheidung gemacht zwischen christlichen, d. h. dann religiösen, und bürgerlichen Tugenden, die auf einer völligen Verkennung des Wesens des religiösen Glaubens beruht, und diesen als etwas zu den für alle unentbehrlichen bürgerlichen Tugenden hinzu kommendes erscheinen lässt. Liebe zum Vaterlande, Hingebung an das allgemeine Interesse, Treue im Umgang, Eifer im Wirkungskreise, Ehrbarkeit in der Familie, Gewissenhaftigkeit in den Geschäften, Barmherzigkeit gegen Unglückliche, das kann man von jedem verlangen, denn das sind gesellschaftliche Verpflichtungen, denen kein Glied der Gesellschaft sich entziehen darf. Und was bleibt dann für die religiösen Tugenden übrig? Das fragen gerade die, welche das Gute wollen, welche sich zwar vor dem Sittengesetze beugen und ihr Vertrauen auf dessen unwiderstehliche Macht setzen, die sich aber gewisse Vorstellungen der Gläubigen über das Uebersinnliche nicht aneignen können. Welchen Wert können sie und können wir dem zuschreiben, was jene Gläubigen von ihnen unterscheidet dass diese meinen das Dasein eines Gottes anerkennen zu müssen, Ihm Verehrung schuldig zu sein, und Alles was Menschen- und Bürgerpflicht ist Ihm zu Willen, als Verpflichtung gegen Ihn, vollbringen zu müssen?

Setzen wir nun dem gegenüber, dass das Wesen des religiösen Glaubens im Glauben an eine sittliche Weltordnung zu finden ist, dann können sich damit Vorstellungen in Betreff des Uebersinnlichen verbinden, die nach Verschiedenheit der Erziehung und Entwicklung für den einen mehr Bedeutung als für den andern haben können, aber dann ist jener Gegensatz von religiöser und bürgerlicher Tugend weg

gefallen. Dann ist alles, was mit dem Namen der bürgerlichen Tugend bezeichnet wird und worin sich die ganze reiche Verschiedenheit des sittlichen Lebens entfaltet, von selbst verbunden, vereinigt mit diesem Glauben als dem Mittelpunkt, dem Herzen, von dem aus das lebenspendende Blut durch alle Adern des Organismus strömt. Dann bleibt ja jene Tugend nicht mehr gesetzliche Pflichterfüllung, sondern findet ihre Triebfeder und ihre Beseelung in dem Central - Bewusstsein, an eine sittliche Ordnung gebunden zu sein, das Organ dieser Ordnung abzugeben, und durch Gehorsam gegen sie wiederum ihre Macht in der Menschheit zu verstärken. Religion und Sittlichkeit, Religion und Leben sind dann wahrhaftig eins, und es gibt nichts im persönlichen, häuslichen, gesellschaftlichen, staatlichen Dasein, das als ein fremdes Gebiet gegenüber dem Religiösen angesehen wurden dürfte.

Setzen wir du stehst jemandem gegenüber, der dein Mitleid erregt, und dem du deswegen Liebe beweisen willst. Ein Gläubiger in dem Sinn, den wir nicht empfehlen, fragt dich, warum du das tust. Du antwortest: aus Liebe. Er wird sagen: gut dass du wenigstens solche Liebe kennst, aber das ist das Rechte nicht. Wenn du Glauben hättest, würdest du diesen Menschen in Gott lieb haben, denn du würdest in ihm ein Geschöpf Gottes sehen und um Gottes willen ihm deine Liebe beweisen. Du deinerseits würdest ihm das Recht nicht bestreiten wollen, seine Mitmenschen als Geschöpfe Gottes anzusehen, noch würdest du misbilligen, dass er die wahre Liebe zum Nebenmenschen in Verbindung mit der Vorstellung Gottes als der höchsten Quelle aller Liebe bringt. Vielleicht würdest du ihm selbst deine Zustimmung zu dieser Anschauung bezeugen können. Aber nachdrücklich würdest du leugnen müssen, dass erst durch die Weihe dieser Auffassung das Liebeswerk den Charakter einer Glaubenstat empfange, und dass es ohne sie nur unreligiose, ungläubige Liebe sei. Denn du könntest ja antworten, es sei ganz gewis für dich eine Glaubenstat, weil sie bei dir nicht aus einer halb sinnlichen Gutherzigkeit hervorgehe, sondern aus dem Glauben an die sittliche Ordnung, die dich dem Unglücklichen mit heiligen Verpflichtungen ihm gegenüber verbindet, und deren dich ganz beherschender Macht du es verdankst, dass in deinem Herzen die Liebe spricht und dich treibt, jene Verpflichtungen gegen ihn zu erfüllen. Und wenn der andere dabei bliebe: alles gut, aber es ist nicht der rechte Glaube, es ist keine rechte Religion, erkühne dich dann, ihm zu antworten: „der Vater will auch haben, die ihn also anbeten."

Es gibt Dinge, die man besser einmal zu viel als einmal zu wenig sagt. So will ich noch einmal wiederholen, dass dies alles in keiner einzigen Hinsicht dem Recht der Vorstellungen vom Uebersinnlichen, die der religiöse Mensch sich bilden kann, Abbruch tut. Diese bleiben

hierbei gänzlich an ihrem Platze und in ihrem Werte. Aber wenn nach dem Wesen der Religion und des religiösen Glaubens gefragt wird, dann kann der Schwerpunkt nicht in das Vorhandensein gewisser Vorstellungen hinsichtlich des Uebersinnlichen gelegt werden, sondern allein in dasjenige, von dem alle Anerkennung von etwas Uebersinnlichem abhängt. Dann muss es gesagt werden: dass religiöser Glaube nicht Verstandesglaube an das Dasein eines Gottes ist, sondern Gewissensglaube an eine sittliche Ordnung, und dass die Grenzlinie zwischen Glauben und Unglauben nicht durch die Annahme oder die Verwerfung eines oder des andern deistischen oder theistischen oder pantheistischen Glaubensbekenntnisses bestimmt wird, sondern durch die Annahme oder die Leugnung jener religiösen Weltanschauung, die in der Welt die Herschaft einer sittlichen Ordnung anerkennt und respectirt.

Drittes Hauptstück.

Rechtfertigung des religiösen Glaubens als des Glaubens an eine sittliche Weltordnung.

§. 1.

Zweckmässigkeit in der Welt von der religiösen Weltanschauung vorausgesetzt.

In welchem Sinne kann ein Bedürfnis nach Rechtfertigung des religiösen Glaubens als des Glaubens an eine sittliche Weltordnung sich ergeben? Wäre dieser Glaube eine wissenschaftliche Behauptung, so würde er logischen Beweis erfordern. Aber davon kann hier keine Rede sein. Wenigstens dann nicht, wenn die vorhergehende Beschreibung des Wesens dieses Glaubens als richtig anerkannt werden darf. Dann beruht er ja auf einem Factum in uns, das wir nur hinzunehmen haben, wenn wir den Glauben an uns selbst nicht preisgeben wollen, und dessen Postulat von uns ebenfalls anerkannt werden muss, gerade weil es das Postulat davon, das will besagen, weil es mit ihm unzertrennlich verbunden ist. Was gibts dabei zu rechtfertigen? Die wissenschaftliche Arbeit bestand in der genauen Bestimmung der Art und in der Geltendmachung der Ursprünglichkeit des Pflichtbewusstseins, in dem Nachweis der Notwendigkeit des Glaubens an uns selbst, angewandt auf unsere Wertschätzungs-Urteile, in der Feststellung des Begriffes einer sittlichen Weltordnung als des Postulats des sittlichen Bewusstseins, in der Rechtfertigung der Auffassung vom Wesen des religiösen Glaubens als des Glaubens an eine sittliche Weltordnung. Diese Aufgabe haben wir nach Kräften vollbracht, und wir würden nur das Gesagte wiederholen

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