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Einleitung.

Zur Einleitung in mein hier vorliegendes Werk scheint es mir dienlich, einige Bemerkungen über die Anlage desselbigen vorauszuschicken.

Die Religionsphilosophie berührt sich, durch die Gegenstände welche sie zu behandeln hat, einerseits mit der Dogmatik, andererseits mit der Religionsgeschichte. Aber beiden gegenüber kann und muss sie ihre Selbständigkeit sich wahren.

Dass Religionsphilosophie eine andere Art der Wissenschaft ist als Dogmatik, bemerkt man sofort, wenn man bedenkt, dass diese allezeit eine nähere Bestimmung erfordert, die jener nicht hinzugefügt werden kann. Wer von Dogmatik spricht, muss dabei stets erklären, welche er meint: jüdische oder christliche, protestantische oder katholische u. s. w.; während jemand der z. B. christliche Religionsphilosophie gelehrt haben wollte, damit sofort zu erkennen geben würde dass er nicht begreift, was Religionsphilosophie sein muss. Bei allem was die beiden gleicherweise behandeln können, besteht doch zwischen ihnen ein Unterschied der Art. Dogmatik ist immer die Beschreibung einer bestimmten Glaubensform, welche von der mit dem Glauben untrennbar verbundenen Voraussetzung der Realität des Objects des Glaubens ausgeht. Das hindert den Dogmatiker nicht, auch für das Recht dieser Voraussetzung zu plädiren, wol aber hindert es ihn, dies Recht zu leugnen: denn darin würde enthalten sein, dass dieser bestimmte Glaube nur eine Illusion wäre, von der darum auch keine Dogmatik, im Sinne einer rechtfertigenden Beschreibung, geliefert werden könnte. Keine Dogmatik ohne Glaubensbekenntnis als Voraussetzung; und deshalb kann es keine allgemeine Dogmatik geben, sondern nur eine solche, die einem bestimmten Glauben seinen wissenschaftlichen Ausdruck verleiht. Dagegen erfordert die Religionsphilosophie von ihrem Bearbeiter, gewis keine Gleichgiltigkeit gegen ihr Object, wol aber jene Unabhängigkeit des Geistes die ihn in den Stand setzt, jedwede vorkommende Frage als eine offene zu behandeln. Er hat nicht einen gegebenen Glauben zu beschreiben und soviel wie möglich zu rechtfertigen, sondern er muss Rauwenhoff, Religionsphilosophie.

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die Erscheinung der Religion, so wie sie sich in allerhand verschiedenen Formen in der Menschheit zeigt, psychologisch zu erklären versuchen, um dann den relativen Wert desjenigen zu bestimmen, was er als Glauben hinsichtlich des Uebersinnlichen auf den verschiedenen Entwicklungsstufen der Religion antrifft. Dies letzte ist ein Wertbestimmungs-Verfahren, bei dem allezeit der Besitz eines Massstabes vorausgesetzt werden muss. Die Wertbestimmung muss dem vernünftigen und sittlichen Urteil entnommen werden. Für das erstere kann Anspruch auf Gemeingiltigkeit erhoben werden, während eine solche für das zweite, wenigstens in gleichem Masse, nicht zu erlangen ist. Darum bleibt man bei dem sittlichen Urteil allezeit auf das beschränkt, was auf einem bestimmten Standpunkte sittlicher Entwicklung als giltig anerkannt wird. Aber unter diesem Vorbehalt ist es dann doch ein Massstab, der ebenso sehr auf jedem andern wie auf dem religiösen Gebiete gebraucht wird, und der deswegen gegenüber jedweder Glaubensvorstellung eine gewisse Objectivität besitzt, die sich merklich von der Voraussetzung unterscheidet, von welcher der Dogmatiker bei seinem Urteil ausgehen muss. Also ein Art-Unterschied ebensowol in der Weise der Bearbeitung wie in dem Gegenstande der Untersuchung!

Die Folge davon ist, dass ein System der Religionsphilosophie ganz anders veranlagt und bearbeitet werden muss als ein System der Dogmatik. Wenn man nun bedenkt, dass in Niederland die Religionsphilosophie als selbständiges Fach erst seit 10 Jahren an den Universitäten gelehrt wird, so kann man sich nicht wundern dass unsere Litteratur bis heute noch kein Original-System auf diesem Gebiete aufweist. An allerlei Beiträgen dazu hat es nicht gefehlt. Man wird diese im Verlauf der Darstellung angeführt finden. Aber es liegt in der Natur der Sache dass man nicht leicht zum Entwurf, und noch weniger leicht zur Ausarbeitung eines vollständigen Systemes kommt, wenn man nicht dazu veranlasst wird durch die Verpflichtung, das Fach in seinem ganzen Umfange zu lehren. Man nimmt dann lieber einen oder den andern Hauptpunkt heraus, oder beschränkt sich auf methodologische Fragen. So ist in neuerer Zeit bei uns vieles von Belang über diesen Gegenstand geschrieben, aber ein ausgeführtes System der Religionsphilosophie hatten wir bis jetzt noch nicht. Ich habe diese Lücke umsomehr empfunden, weil alles was die fremde, vor allem die Deutsche Litteratur mir bot, bei all den hohen Verdiensten die ich daran zu würdigen hatte, doch durch principiellen Unterschied der Denkweise mir zu fern stand, als dass ich darin ein Muster oder einen Leitfaden für meine eigene Behandlung der Sache hätte finden können. Ueberdies ist das meiste was in Betracht hätte kommen können erst erschienen, nachdem die Grundzüge meines Werkes lange festgestellt waren. Ich habe in einer Abhandlung unter dem Titel: Uit de nieu

were werken over wijsbegeerte van den godsdienst (aus den neueren Werken über Religionsphilosophie) in der,,Theologisch Tijdschrift" von 1887 eine Uebersicht der bedeutendsten Werke über Religionsphilosophie aus den letzten Jahren gegeben. Es schien mir besser, diese Werke besonders zu besprechen, weil sonst diese Einleitung zu sehr angeschwollen sein würde. Aber ich beschränkte mich auf eine allgemeine Charakteristik der Systeme, mir vorbehaltend, die Discussion über die Denkweise der Autoren so weit dies nötig sein würde in meinem eigenen Werke weiter aufzunehmen. So wird man hier und dort eine Seite finden, die ich in die Abhandlung in jener Zeitschrift aufgenommen habe, die aber hier nur zur Einleitung für die mehr sachliche Auseinandersetzung meiner Auffassung dient. Zieht man nun jene Uebersicht in der,,Theologisch Tijdschrift" zu Rate, so wird man spüren, dass ich mich keinem der darin beschriebenen Systeme so anschliessen konnte, dass ich seine Grundlage oder seine Methode hätte annehmen können. Wol sind nur wenige unter diesen Büchern, aus denen ich nichts gelernt hätte, und gegen einige unter ihnen fühle ich eine dankbare Verpflichtung, aber kein einziges ist dabei, das mir meinen Weg hätte zeigen können. Den musste ich selber suchen, und es hat mich vieles Schwanken und viele Anstrengung gekostet, ehe ich darüber bei mir selbst zu genügender Klarheit kam. Ich schmeichele mir auch nicht, sofort eine einigermassen allgemeine Anerkennung zu ernten, aber ich hoffe doch, dass das, was ich zu geben habe, der Mühe des ernsten Nachdenkens wert befunden werden wird.

In jener Abhandlung der Theolog. Tijdschrift 1887 S. 18 ff. habe ich, in Veranlassung von Pfleiderer's „Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage", unter anderem auch die Frage besprochen: ob seine Methode, eine Grundlage für die Religionsphilosophie in der Religionsgeschichte zu suchen, und zu dem Zwecke beide Fächer in gemeinschaftlicher Behandlung zusammenzufassen, allgemeine Empfehlung verdiene. Ich habe dabei auf den verschiedenen Gesichtspunkt gewiesen aus dem man die Frage betrachten kann. In abstracto müssen Geschichte und Philosophie sicher vereinigt bleiben, denn sie sind nur die zwei Seiten der Einen Religionswissenschaft. Sodann kann, auch wenn sie getrennt werden, die Trennung stets nur eine relative sein. Der Historiker kann ohne Philosophie nicht zu einer organischen Verbindung der Tatsachen gelangen; der Philosoph hat fortdauernd die Geschichte als Grundlage und als Prüfstein seines Systemes nötig. Ist dies in abstracto wahr, so kann es auch niemals ohne Schaden in praxi vergessen werden. Wie weit ihre Wege auch auseinanderlaufen, die Detailuntersuchung und die Speculation müssen einander stets im Auge behalten; und wie unerreichbar auch dies vorderhand sein möge, das Ideal der Religionswissenschaft bleibt dennoch: Einheit von Geschichte und Phi

losophie. Aber eine andere Frage ist es, ob es geraten sei, schon jetzt nach dem Ideal auszuschauen, und historisches und philosophisches in der Religionswissenschaft in Einer gemeinschaftlichen Behandlung zusammenzufassen. Wenn man die Werke derer die dies versucht haben zu Rate zieht, empfängt man den Eindruck, dass bei dieser Behandlung annoch mehr nur Aneinanderfügung als wirkliche Einheit herauskommt. Wie ist das auch anders möglich? Das erste Erfordernis für eine wirkliche Einheit würde eine so vollständige und zuverlässige Kenntnis der Religionsgeschichte sein, dass die Speculation über das Wesen der Religion überall ihre Stütze und ihre Bekräftigung in festen Resultaten finden könnte; und dem gegenüber eine psychologisch - philosophische Auffassung des Wesens der Religion von solch unbestreitbarer Wahrheit, dass man sie, ohne Furcht des Irrtums, auf alle Teile der Religionsgeschichte anwenden könnte. Wieviel von diesem Erfordernis auf beiden Seiten noch mangelt, brauche ich nicht zu sagen. Kann niemand leugnen, dass das Studium der Religionsgeschichte, wenigstens hinsichtlich einer sehr grossen Partie, noch im ersten Stadium des Aufsuchens und Ordnens des Materials steht, aus dem später die Geschichte aufgebaut werden kann, so können sich die, welche sich mit Religionsphilosophie beschäftigen, unmöglich verhehlen, dass ihre Systeme noch zu sehr den Charakter des Versuchs einer Lösung tragen, als dass sie bereits als sicherer Leitfaden zur Erklärung des Ursprungs und der Entwicklung der Religion dienen könnten.

Bei diesem Stande der Sachen scheint mir die Zusammenfassung der zwei Teile noch unzeitgemäss. Ohne mich an eine Würdigung dessen was von andern versucht ist zu wagen, möchte ich doch fragen: ist es wol wahrscheinlich, dass man von jemandem, der in beiden Abteilungen gleicherweise tätig wäre, solch ein selbständiges, ursprüngliches Werk bekäme dass dadurch die Wissenschaft wesentlich gefördert würde? Schon der Umfang jedes der beiden Teile würde ein Recht zu dieser Frage geben. Um nur etwas zu nennen: welch ein Reichtum von linguistischem und ethnologischem Wissen muss bei dem Gelehrten der die ältesten Religionen untersucht vorausgesetzt werden, wenn man seine Resultate mit Vertrauen soll annehmen können. Wird der, der sich dieser Aufgabe widmet, auch noch ein selbständiges Studium der Philosophie leisten können? Aber es ist nicht allein der Umfang, welcher Arbeitsteilung ratsam macht. Solch eine Geschmeidigkeit des Geistes, wie sie notwendig wäre um in beiden Teilen gleich sehr productiv zu arbeiten, ist zu selten als dass man darauf bei der Bearbeitung einer Wissenschaft rechnen könnte. Wir wählen unsern Arbeitskreis gemäss unserer persönlichen Veranlagung. Aber weiterhin ist es grossenteils der Arbeitskreis, der die Entwicklung unserer Veranlagung bestimmt. Wie das Auge sich dem Gesichtskreise adaptirt, so bildet

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