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kann dagewesen sein, das in dem einfältigen und darum jedem. Aberglauben von allen Seiten offenstehendeu Naturmenschen solchen Eindruck zuwege brachte! Ein blosser Zufall konnte bewirken, dass das eine oder das andere, das er in dieser grossen geheimnisvollen Welt sah oder hörte, auf einmal etwas für ihn wurde, was es für einen anderen nicht war. Könnten wir in den Gedanken unserer Kinder in den Zeiten lesen, da sie beginnen, sich von dem zu unterscheiden was sie umgibt, und da sie anfangen Vorstellungen mit ihren Empfindungen zu verbinden, wir würden ohne Zweifel ähnliches bei ihnen finden. Aber bei dem Kinde unserer Tage folgen die Eindrücke einander so schnell und in so bunter Abwechselung, dass von den früheren Bewusstseinsformen in späteren Zeitabschnitten keine Erinnerung zurückbleibt. Bei dem Naturmenschen, der noch so wenig in seinem Innern zu bewahren und zu verarbeiten gehabt haben wird, muss auch solch ein Achtung weckender Eindruck länger geblieben sein und nachgewirkt haben, so dass sich an ihn auch ein bleibenderer Kreis von Vorstellungen heften konnte.

Ist nun dies Gefühl der Achtung bei dem Menschen geweckt, dann ist auch das Object, die Macht, das Wesen was soll man sagen? für ihn etwas anderes geworden. Die ganze Natur ist für ihn voll von Mächten, bewohnt von höheren Wesen, aber dies ist das seine,

mit dem er zu tun hat. Das heisst mit andern Worten: dies ist sein Gott geworden. Und damit verbindet sich unmittelbar etwas anderes. Alles religiöse Bewusstsein ist bilateral. Gegenüber dem, was Gott für mich sein kann, steht allezeit das, was ich für Gott sein muss. So auch hier. Die Achtung setzt sich unmittelbar um in ein Gefühl der Verpflichtung. Mag es Verpflichtung sein zu den unsinnigsten Praktiken der Hülfserweisung, oder zu den für einen vernünftigen Menschen unwürdigsten Beweisen von Gehorsam, das tut nichts zur Sache. Es ist darin doch immer ein Gefühl der Verpflichtung als Reflex der Achtung, eine Idee der Gebundenheit an ein gewisses Müssen, weil dies Müssen von dem Achtung erweckenden Object der Verehrung gewollt wird.

Wer sieht nicht, dass wir hiermit auf ein ganz anderes Terrain gekommen sind, als wohin eine der früher von uns behandelten Erklärungen uns bringen konnte? Wenn wir nämlich nicht bei der ersten, so wenig erhabenen Form stehen bleiben, in der diese Religion sich geoffenbart haben muss, sondern wenn wir nach dem Charakter, der Art dieser Combination von Achtung und Idee der Verpflichtung fragen, dann entdecken wir darin den allerersten Anfang von etwas Sittlichem. Ist das nicht sittlich, sich ergriffen zu fühlen durch etwas, das Achtung einflösst, und sich dadurch an eine Verpflichtung gebunden zu erachten? So erhalten wir hier das Resultat: dass der Anfang der Religion zusammenfällt mit der ersten Entwickelung des Sittlichen im Menschen.

Schon an sich selbst liegt in dem Gefühl der Achtung etwas höheres als das blos Sinnliche. 1) Sie ist noch nicht voll und ganz: Ehrfurcht, worin schon ein sich-Rechenschaft-Geben von den Gründen liegt, um deren willen man etwas verehrt, aber sie grenzt doch so nahe daran, dass das eine fast unmerklich in das andere übergeht. Vielleicht könnte man behaupten, dass alle Sittlichkeit mit Achtung beginnt, nämlich mit Achtung vor etwas, das als Gesetz auftritt. Aber immer muss man in der Achtung die Empfänglichkeit anerkennen, durch andere als nur sinnliche Motive bewegt zu werden. Und wenn nun dieser Eindruck nicht auf eine zeitweise Rührung beschränkt bleibt, sondern sich sofort in die Idee der Verpflichtung, etwas zu tun oder etwas zu lassen umsetzt, dann ist es doch nicht zu viel gesagt, wenn man erklärt, damit auf das Gebiet des Sittlichen gekommen zu sein. Fängt damit die Religion an, dann muss auch der Ursprung der Religion erklärt werden aus dem Zusammentreffen des sittlichen Bewusstseins im Menschen mit der naturistischen oder animistischen Naturanschauung.

Eine gleiche oder ähnliche Erklärung ist vorgetragen und wiederholt verteidigt von Dr. Ph. R. Hugenholtz (vgl. Studien II, 108 ff., 174 ff.). Auch von ihm wird als Ausgangspunkt anerkannt „eine Achtung, die, sobald sie nicht mehr nur Furcht vor physischer Uebermacht, sondern ein gewisses Gefühl von innerlicher Gebundenheit durch ein überwältigendes Ansehen, und dergestalt durch eine an Rang und Würde höhere Macht ist, auch sogleich etwas Sittliches in sich schliesst". Er gebraucht dabei auch den Ausdruck Pietät, als zunächst für das Verhältnis zu Eltern und Oberen gültig, und dann auch zu übertragen auf das Verhältnis zu der verehrten höheren Macht.

Es war mir eine angenehme Ueberraschung, diesem Ausdruck, und darin einem Beweis von Annäherung an die hier verteidigte Ansicht, in der zweiten Ausgabe von Pfleiderer's Religionsphilosophie zu begegnen. Gemäss der jetzt (II, S. 28 ff.) von ihm gegebenen Beschreibung, ist der Ursprung der Religion ebenso wenig in sittlichen wie in unsittlichen Motiven zu suchen, sondern allein in religiösen, die im Keime bereits das höhere Gottesbewusstsein in sich schliessen. Der Kern aller Religion ist: „jene Lebensbeziehung auf die weltbeherschende Macht, welche zur Lebensgemeinschaft mit ihr werden will". Das Object dieser Beziehung ist vorerst noch nicht Geist, sondern Naturmacht, als wollendes und handelndes Wesen gedacht. Darum ist auch diese Macht noch nicht als absolut gedacht. Aber doch ist sie bereits für den

1) J. G. Fichte sagt: „Achtung ist das zunächst und wol in jedem Menschen sich äussernde wunderbare Gefühl, das aus der ganzen sinnlichen Natur desselben sich nicht erklären lässt, und auf einen Zusammenhang mit einer höheren Welt unmittelbar hindeutet." Versuch einer Kritik aller Offenbarung. Sämmtl. Werke V, 29.

Menschen die Macht, gegen welche er nichts vermag, aber mit welcher er mächtig wird. Darum erst ein Gefühl von Scheu, das jedoch übergeht in Vertrauen. Dies Vertrauen wird ihm eingeflösst durch die immer wieder gemachte Erfahrung von freundlichen, rettenden Naturmächten. Daraus folgt dann Verlangen nach Gemeinschaft, weiter Gefühl der Verpflichtung, das mit nichts von dem, was die Menschen untereinander verbindet, mehr übereinkommt als mit der Pietät. Das Pietätsgefühl ist die Wurzel aller sittlichen Verpflichtung. Gerade dieselbe Einheit von Fürchten, Vertrauen und Lieben, die das Wesen des kindlichen Pietätsgefühls ausmacht, ist auch das Wesen des religiösen Gefühls und ursprüngliche Motiv des religiösen Handelns.

Man sieht, völlige Uebereinstimmung zwischen Pfleiderer und mir herscht noch nicht, aber es sind doch viel mehr Berührungspunkte da als bei der Darstellung in seiner früheren Ausgabe. 1)

Vorerst bleibt das Bedenken, dass wiederum allein an die Naturerscheinungen, die auf den Menschen den Eindruck freundlicher, woltätiger Mächte machen können, gedacht ist. Könnte darauf geantwortet werden, dass diese allein das Verlangen nach Gemeinschaft zu erregen vermögen, so nimmt dies doch das Bedenken nicht weg, dass auch, was in der Natur feindlich erscheint, als Macht angesehen und geehrt sein muss, und dass sich darum eher erwarten liesse, dass die ältesten Vorstellungen der Gottheit einen dualistischen Charakter hätten, als dass ursprünglich allein gute, gnädige Götter gewesen sein sollen. Wenn man Pfleiderer, nach einer lebendigen Schilderung, wie der Naturmensch beim Unwetter die himmelstürmenden Dämonen, Riesen und Titanen durch die guten himmlischen Mächte in die Flucht geschlagen. und vertrieben sieht, nun sagen hört: so ist sein Heil unzertrennlich, wie jeder Tag aufs neue ihm zeigt, mit dem Dasein und Wirken der Götter verbunden, so möchte man geneigt werden, zu fragen: ob in jener Zeit die Unwetter stets ohne Unheil anzurichten vorübergezogen seien? War die älteste Religion ganz auf der Erfahrung von Rettung, Erfüllung der Wünsche, und Lebensfreude begründet, dann werden wahrscheinlich jene Stammeltern unseres Geschlechts ebenso wie wir mehr in der Welt gefunden haben, was sie in ihrem Glauben erschüttern, als was sie darin bestärken konnte. Gewis, das leugnet auch Pfleiderer nicht. Im Capitel über den Engel- und Teufelglauben (S. 306 ff.) behauptet er, dass der Dualismus guter und böser höherer Mächte in den Religionen aller Naturvölker vorkommt, und dass, bei allem Unterschied, dem wir darin bei den verschiedenen Völkern begegnen, auch den bösen

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1) Vergl. hiermit, was ich in der Abhandlung: Uit de nieuwere werken over wijsbegeerte van den godsdienst (aus den neueren Werken über Religionsphilosophie) mitteilte: Theol. Tijdschr. 1887, S. 21.

Mächten ein Cultus geweihet war, um die von ihnen drohende Gefahr abzuwenden. Aber wenn dem so ist, wie kann dann der Ursprung der Religion ausschliesslich aus dem Entstehen der Gefühle von Freude, Dankbarkeit, Gemeinschaft hergeleitet werden, die durch die woltätigen Naturereignisse erweckt worden sein sollen? Müsste die Religion, wenn sie ursprünglich nichts anderes ist als Reflex der Naturmächte in der Seele des Menschen, nicht auch sogleich einen zwiespaltigen Charakter gehabt haben, den der Hoffnung auf die guten, der Angst von den bösen Mächten? Und finden wir dies nicht in der Tat in den ältesten uns bekannten Religionen nahezu überall?

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Aber ausser diesem bereits früher vorgebrachten Bedenken ist in der jetzt von Pfleiderer vertretenen Vorstellung etwas, das, wie es mir vorkommt, ein tieferes Nachdenken immer unbefriedigt lassen wird. Die Beschreibung ist so schön, dass ein gewöhnlicher Leser sich dadurch leicht hinreissen lässt, aber wenn man nach dem Genuss dieser schönen Form zu der Vorstellung selbst sich wendet, um sich deutlich zu machen, wie sich nun die Sache eigentlich zugetragen haben müsse, dann ergeben sich Schwierigkeiten, auf die man zuerst nicht geachtet hatte. Derjenige Mensch, der mit solch einem Gemisch von Achtung, Liebe und Vertrauen die weltbeherschende Macht all' ihre Güte und Herrlichkeit am Himmel und auf der milden Muttererde entfalten sieht, der sie sich selbst und sich ihr verwandt fühlt, und in dem das Verlangen erwacht, sich an sie anzuschliessen und mit ihr in Lebensgemeinschaft zu treten, wer ist das? Ist das der Kind-Mensch, der noch in einem der ersten Stadien des Uebergangs vom tierischen in das menschliche Leben steht? Ist das Auge, das dies alles schon in den Naturereignissen zu sehen gelernt hat, das eben erschlossene Auge, das sich beim Aufnehmen der Bilder der endlosen Verschiedenheit des Besonderen noch zu üben hat, bevor es darin etwas Allgemeines entdecken kann? Wie sollen wir uns doch diesen Menschen denken, in welchem die Religion entsteht, mit solch einem die Gesammtheit der Dinge umfassenden Blick, mit solch einem gewaltigen Flug der Phantasie, mit solch einer Empfänglichkeit für die tiefsten und edelsten Gefühle? Hat die Menschheit und hat die Religion in der Menschheit damit begonnen? Würde man auch kein Bedenken tragen, um mit Pfleiderer als verborgene Triebkraft, als „Entelechie" schon bei dem primitiven Menschen vorauszusetzen, was ihm zufolge später sich als Fleischwerdung der göttlichen Vernunft im menschlichen Herzen zeigen wird, man wird. doch zugeben müssen, dass dasjenige, was in seiner Anlage verborgen lag, erst, und auch für sein Bewusstsein erst, offenbar werden konnte nach dem Verhältnis des bereits von ihm erworbenen Masses von Entwicklung seiner geistigen Vermögen. Und ist es denn nicht gerade so wahrscheinlich, dass er damit begonnen hat, sich in einem weit kleineren

Kreise erst umzusehen, und weit mehr kindlich zu träumen, und viel weniger hoch und tief zu fühlen? Wie lange noch, bevor er bei dem Götterstreit am Himmel seine lichten Wesen mit seinen Sympathien in ihrem Ringen mit den Mächten der Finsternis unterstützte, wird er beim Aufsteigen eines Unwetters ängstlich in eine Höhle gekrochen sein, in Gesellschaft des ihm noch so nahe verwandten unvernünftigen Tieres; und doch, wie kann auch auf dem niedrigen Standpunkt bereits allerlei in seiner menschlichen Seele sich ereignet haben, wofür das Tier nicht empfänglich war, und worin man einen ersten Anfang der Religion erkennen muss! Konnte er nicht in einer zufälligen Stimmung der Angst oder Freude durch etwas berührt sein, das, gerade weil es ihm in dieser Stimmung begegnete, für ihn eine besondere Bedeutung bekam, als ob es etwas für ihn wäre, das ausdrücklich für ihn sich da zeigte, das dem entspräche, was er gerade suchte, und das dadurch ein Gefühl von Achtung in ihm weckte, ein ähnliches Gefühl, wie er es möglicherweise auch unter dem Auge seines Vaters oder in der Gegenwart eines verehrten Stammhauptes empfunden hatte? Das: tolle lege! ist überall zu hören, wo nur zufällig ein Eindruck von aussen mit unserer Empfänglichkeit des Verstehens zusammenstimmt. Der Naturmensch kann das seine gehört haben in den unbedeutendsten Ereignissen, die aber für ihn eine solche Bedeutung empfingen, wie für keinen andern in jenem Augenblick, weil sie für ihn persönlich etwas zu bedeuten schienen. Nach Jahr und Tag wird er, was damals in seiner Seele erweckt ward, auf den weiteren Kreis übertragen, in dem sein Auge dann sich wird zurechtgefunden haben, und er wird mit Achtung, die nunmehr zum Vertrauen sich gesteigert hat, dem Streite folgen, den seine Götter auch in seinem Interesse gegen die Mächte der Finsternis führen, aber dann liegt die Geburtsstunde seiner Religion schon weit hinter ihm, so wie dann bereits aus seinen ersten kindlichen Naturträumen sich die Naturpoesie der Mythen entwickelt haben wird.

Diese Bedenken bleiben bei mir bestehen, auch nach der Aenderung, die Pfleiderer in der neuen Auflage mit seiner Erklärung hinsichtlich des Entstehens der Religion vorgenommen hat. Dem will ich aber sofort hinzufügen, dass diese Bedenken nicht die Hauptsache in seiner Erklärung betreffen. Die Hauptsache ist die psychologiche Grundlage, auf der er die Religion entstehen lässt. Das so eben Vorgeführte kann geändert werden, ohne dass sich darum die Hauptsache ändert. Ich meine damit, dass Pfleiderer die Religion jetzt ableitet aus einem Gefühl der Pietät als Zusammenfassung von Eindrücken der Achtung, des Vertrauens, der Liebe, des Verlangens nach Gemeinschaft, und des Gefühls der Verpflichtung. Der Name Pietät ist dafür mit Recht gebraucht, wenn man nur im Auge behält, dass damit nicht schon der erste Anfang bezeichnet werden kann, sondern dass der Gemütszustand, die

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