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Nietzsche aber trägt in den Willen zum Leben ein neues Moment hinein, das der fortschreitenden Entwickelung, in der der Wille mittelst einer fortlaufenden Reihe von Ueberwältigungen, in denen immer Stärkeres über Schwächeres siegt, sein Wesen entfaltet und aufsteigend verwirklicht. Sein Wesen aber ist Macht, die in Individuum zu Tage tritt, die vermöge dessen berufen und befähigt sind, die Schwächeren zu beherrschen. Immer von neuem Ueberwältigen und Herrwerden ist Leben und das Wesen des Willens, der demgemäss bei Nietzsche auch seinen Namen ändert in Wille zur Macht".

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Diese Entwickelungstheorie stammt ersichtlich aus dem Darwinismus, von dem auch die Momente der Zuchtwahl und der Vererbung entlehnt werden, indem Nietzsche die Erscheinungen durchweg auf „Züchtung“, „Anzüchtung“ z. B. „Anzüchtung höherer Geistigkeit und Mächtigkeit“, „Artzüchtung“, „Herkunft, Vererbung, Forterbung und Einverleibung zurückführt, und dass ihm auch das Höchste nur auf diesem Wege entsteht, darüber lässt er keinen Zweifel, wenn er sagt:,,Für jede hohe Welt muss man geboren sein; ,,deutlicher gesagt, man muss für sie gezüchtet sein."

Nietzsche lehnt vielleicht - wie kann Einer auch wissen, was ihm alles angezüchtet ist? - seine Verwandtschaft mit dem Darwinismus ab: er nennt wenigstens Darwin (neben Stuart Mill und Herbert Spencer) einen ,,mittelmässigen Engländer" und blickt geringschätzig hinab auf die „Anpassung“, eine Aktivität zweiten Ranges, die man auf Kosten der eigentlichen Aktivität, nämlich „des Willens zur Macht", in den Vordergrund schiebe. Er hat auch zweifellos darin recht, dass er ein Princip besitzt, welches dem vulgären Darwinismus, sowohl dem naturwissenschaftlichen, als dem populären, sowohl dem buchmässigen, als dem journalistischen,

gebricht, nämlich eine innere, treibende, spontan aufstrebende Grundkraft, den Willen zur Macht. Allein, was er vom Darwinismus angenommen hat, ist gerade das, was dem Darwinismus überhaupt, bei Gelehrten und Ungelehrten, Gunst und Verbreitung geschafft hat, nämlich die Lehre einer von unten aufsteigenden Entwickelung, der Entstehung des Vollkommenern aus dem Unvollkommenern, der höheren Potenz aus der geringeren, im Wege des Naturprozesses, der Wirkung von Ding zu Ding. Diese Lehre ist ein neues Causalitätsgesetz, das, wie jedes Causalitätsgesetz, nicht empirisch ist, sondern allein aus dem Denken abgeleitet und begründet werden könnte, denn die empirischen Thatsachen sind nicht der Grund, sondern die Folge. Dass die Fachgelehrten sich darüber einfach hinweggesetzt haben, begreift sich leicht aus dem in diesen Kreisen weit verbreiteten Mangel an philosophischer Erkenntniss und Bildung; sie nahmen die darwinistische Causalitätshypothese unbesehen an, weil sie ihnen die erwünschte Alleinherrschaft der Naturwissenschaft und die absolute Bedeutung des mechanistischen Naturprozesses zu sichern schien, und behandelten diese Hypothese mit unerschütterlicher Naivetät gerade so, als ob sie auf exacter Forschung beruhte. Für einen grossen Theil der Laien genügte dieses Verdict der Naturwissenschaft, um sich gleichfalls zum Darwinismus zu bekennen, wenigstens für diejenigen, die, wenn zu ihnen im Namen der Naturwissenschaft geredet wird, sogleich hypnotisirt werden, auf die Knie fallen und anbeten, denn, nachdem sie den Glauben an eine göttliche Weltordnung verloren haben, stillen sie ihr Autoritätsbedürfniss durch einen blinden Glauben an die Naturwissenschaft. Das ist alles leicht verständlich, aber dem Philosophen Nietzsche hat es nicht entgehen können, dass ein Causalitätsgesetz nur aus dem Denken hergeleitet

Schell wien, Max Stirner und Friedrich Nietzche etc.

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werden kann, aus dem Thun des Geistes, mittelst dessen er nachschöpferisch das vorhandene Sein reproducirt. Bei dem darwinistischen Causalitätsgesetz ist eine solche Herleitung aber nicht möglich, es kann im Vorstellen und Denken nicht vollzogen, es kann nur in Worten niedergelegt werden. Wenn nun der Philosoph Nietzsche es dennoch angenommen hat, so verfährt auch er darin dogmatisch, und nur dies war es, was hier festgestellt werden sollte.

Was aber trieb ihn gerade in den Darwinismus? Es war das bewegende Princip all seines Denkens, der Individualismus, und, dass der Darwinismus durch und durch individualistisch, erkannte er besser, als der Darwinismus selbst, nämlich der naturwissenschaftlich recipirte Darwinismus. Es ist das Verhältniss des Darwinismus zur Naturgesetzlichkeit, das hier in Frage kommt. Die Naturwissenschaft weiss sehr wohl, dass die Naturgesetzlichkeit ihre eigentliche Lebensbedingung und die Eruirung von Naturgesetzen ihr wesentlicher Gehalt ist. Darum kann sie auf die Naturgesetzlichkeit unmöglich verzichten und redet deshalb immer in einem Athem von Naturgesetzen und Darwinismus, als ob beide im schönsten Einklang und Frieden wären. Allein das Gegentheil ist der Fall. Naturgesetzlichkeit kann, da es eine äussere, die Befolgung der Gesetze erzwingende Macht in der Natur nicht giebt, nur so gedacht werden, dass jedes einzelne Ding, unbeschadet seines einzigartigen Individualcharakters, nach einer inneren Nothwendigkeit einer Kategorie angehört, die all seinen faktischen und äusseren Verhältnissen zu anderen Dingen eine auf keine Weise zu umgehende oder zu überschreitende Regel vorschreibt, die nicht aus den empirischen Momenten seiner thatsächlichen Geschichte hergeleitet werden kann, sondern vielmehr diese beherrschen und massgebend durchdringen muss. Nur so kann es Natur

gesetzlichkeit geben: es kann ein Ding im Laufe seiner Geschichte oder, wenn es eine solche hat, seiner Entwickelung zum Vorschein bringen, was es vorher, in Ermangelung der erforderlichen äusseren Erregungen, nicht an den Tag gelegt hat, aber es kann niemals etwas werden, was es nicht seinem innern Wesen, seiner Potenz, nach schon ist (yévoi olos εooi), es kann seine naturgesetzlich bestimmte Wesenheit nicht ändern, es kann keine Eigenschaften erwerben, die einer andern naturgesetzlichen Kategorie, als der seinigen, angehören. Nun aber beruht ja die darwinistische Entwickelungstheorie gerade darauf, dass das letztere möglich sei; sie lässt die Dinge werden, was sie nicht sind, und aus einem bloss thatsächlichen Verlauf, einer äusseren Causalität, neue Arten entstehen, die aber natürlich auch nur thatsächliche sein, nur bis auf Weiteres, bis zu einer neuen Etape der Evolution Bestand haben können; stets beginnt die neue Entwickelung von einem rein individuellen Ausgangspunkt, sie verbreitet sich dann wohl durch Zuchtwahl und Vererbung, aber nur auf Zeit, bis zu einem neuen individuellen Anstoss; Alles ist hier bloss thatsächlicher Verlauf, Geschichte, die nur empirisch erkannt werden kann, eine naturgesetzliche Grundlage des Lebens und Geschehens giebt es nicht. Wie dem gegenüber die Naturwissenschaft die Naturgesetzlichkeit und den Darwinismus zugleich retten will, können wir füglich ihr selbst überlassen. Hier ist nur hervorzuheben, dass Nietzsche consequenter ist: er giebt die Naturgesetzlichkeit preis und behält einen folgerichtigen, rein individualistischen Darwinismus zurück. Hören wir ihn selbst:

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Man vergebe es mir als einem alten Philologen, der von der Bosheit nicht lassen kann, auf schlechte InterpretationsKünste den Finger zu legen: aber jene „Gesetzmässigkeit der Natur", von der ihr Physiker so stolz redet, wie als ob

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besteht nur Dank eurer Ausdeutung und schlechten ,,Philologie", sie ist kein Thatbestand, kein „Text", vielmehr nur eine naiv-humanitäre Zurechtmachung und Sinnverdrehung, mit der ihr den demokratischen Instinkten der modernen Seele sattsam entgegenkommt! „Ueberall Gleichheit vor dem Gesetz, die Natur hat es darin nicht anders und nicht besser als wir": ein artiger Hintergedanke, in dem noch einmal die pöbelmännische Feindschaft gegen alles Bevorrechtete und Selbstherrliche, insgleichen ein zweiter und feinerer Atheismus verkleidet liegt. „Ni dieu, ni maitre“ — so wollt auch ihr's: und darum,,hoch das Naturgesetz"! nicht wahr? Aber, wie gesagt, das ist Interpretation, nicht Text; und es könnte Jemand kommen, der, mit der entgegengesetzten Absicht und Interpretationskunst, aus der gleichen Natur und im Hinblick auf die gleichen Erscheinungen, gerade die tyrannisch-rücksichtenlose und unerbittliche Durchsetzung von Machtansprüchen herauszulesen verstünde, — ein Interpret, der die Ausnahmslosigkeit und Unbedingtheit in allem „Willen zur Macht" dermassen euch vor Augen stellte, dass fast jedes Wort und selbst das Wort „Tyrannei“ schliesslich unbrauchbar oder schon als schwächende und mildernde Metapher als zu menschlich erschiene; und

der dennoch damit endete, das Gleiche von dieser Welt zu behaupten, was ihr behauptet, nämlich dass sie einen „,nothwendigen“ und „berechenbaren" Verlauf habe, aber nicht, weil Gesetze in ihr herrschen, sondern weil absolut die Gesetze fehlen, und jede Macht in jedem Augenblicke ihre letzte Consequenz zieht. Gesetzt, dass auch dies nur Interpretation ist und ihr werdet eifrig genug sein, dies einzuwenden? nun, um so besser

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Nietzsche hat den Muth seiner Meinung. Man hört jetzt schon manche, die so zu pfeifen versuchen, wie er gesungen

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