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hat, und in seiner Sprache, wenn auch etwas schüchtern, von Werthen, neuen Werthen und Umwerthungen reden; wenn man aber an diese Nachbeter und Bewunderer die Frage richtete, wer von ihnen der Naturgesetzlichkeit absagen wollte, so weiss ich nicht, ob überhaupt einer oder der andere von ihnen mit einem solchen Bekenntniss hervortreten würde. Nietzsche aber zieht die volle Consequenz. Naturgesetzlichkeit besagt, dass jedes Einzelwesen nur einerseits ein einzigartiges Individuum ist, andererseits aber ein Glied des lebendigen Universums, dessen Wesenheit der seinigen in einem bestimmten Masse eingepflanzt ist, so dass es insoweit allen derselben Kategorie angehörigen Einzelwesen gleich ist und nur gemäss dieser Kategorie und innerhalb der Grenzen derselben leben und wirken kann, somit in allem seinem individuellen Thun immer zugleich auch zu seinem Theile das Ganze, in einer unabänderlichen und gesetzmässigen Weise, verwirklichen muss. Dies aber ist gerade das, was Nietzsche nicht will, er will das völlig ungebundene, gesetzfreie Individuum, und darum muss die Naturgesetzlichkeit fallen. Es scheint zwar, dass er sich seinen Willen zur Macht" ebenfalls als einen einheitlichen Urgrund des Lebens denkt, aber diese Einheit wirkt nicht als eine die Individuen überragende und zusammenschliessende Totalität, sondern erschöpft sich in Individuationen, die sich wiederum selbst zerstören oder doch überwältigen, mit dem steten Ziele, in wenigen Individuen den Willen zur Macht zu immer höherem Ausdruck zu bringen. „Ein Volk", ruft er aus, ist der Umschweif der Natur, um zu sechs, sieben grossen Männern zu kommen," und an einer andern Stelle: ,,die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen stärkeren Species Mensch geopfert - das wäre ein Fortschritt". Welcher Art aber die Gipfel der Menschheit sind, zu denen

der Machtwille hinstrebt, ersieht man aus den angeführten Beispielen: Alcibiades, Cäsar, Napoleon I. Der brutalste Machtwille findet hier rücksichtslose Anerkennung: „man missversteht" heisst es einmal „das Raubthier und den Raubmenschen (zum Beispiel Cesare Borgia) gründlich, man missversteht die „Natur“, so lange man noch nach einer „Krankhaftigkeit" im Grunde dieser gesundesten aller tropischen Unthiere und Gewächse sucht; und an einer andern Stelle: ,,auf dem Grunde aller dieser vornehmen Rassen ist das Raubthier, die prachtvolle, nach Beute und Sieg lüstern schweifende blonde Bestie nicht zu verkennen." Es wird hier der „Natur" angedichtet, dass es ihr Wesen sei, Gewaltmenschen hervorzubringen, und dass nur darauf alle Entwickelung hinauslaufe.

Man könnte sich versucht fühlen, in dieser Denkweise nur eine pathologische Erscheinung, eine Philosophie des Grössenwahns, zu erblicken; allein damit würde man ihrer Bedeutung nicht gerecht werden, denn sie ist nicht ein isolirtes Phänomen, sondern die kühne Durchführung einer modernen Geistesrichtung bis zu deren letzten Consequenzen, die freilich nur dazu dienen können, die Widersinnigkeit der ganzen Richtung an den Tag zu bringen.

Im Grunde ist der „Wille zur Macht" das denkbar langweiligste und leerste: der Machtwille, der nur Macht will und immer von neuem Macht und darum unermüdlich ist im Ueberwältigen und Unterwerfen, in der fortlaufenden Selbstzerstörung, will eigentlich gar nichts. Man wird es daher nicht überraschend finden, dass der absolute Individualismus in dieser Gestalt sich vollends als Nihilismus erweist und in der Verneinung von Wahrheit, Moral und Recht hinter dem Stirnerschen Egoismus nicht zurückbleibt.

Wer von ,,Wahrheit" spricht, muss annehmen, dass die

einzelnen Dinge und Thatsachen vermöge eines allgemeinen lebendigen, alle Möglichkeit im Voraus in sich schliessenden Grundes sind, was sie sind, und dass sie vom menschlichen Geiste durch nachschöpferische Bethätigung dieser Lebensgrundmacht in ihrem Wesen und ihrer Nothwendigkeit erkannt werden können. Die Wahrheit ist die Erkenntniss der Dinge im Lichte des Universums. Wenn man aber das ganze Sein in Einzelnes auflöst, so kann es Wahrheit nicht geben, sondern nur empirische Thatsachen und immer neue Einzelerscheinungen, die eben so viele neue Offenbarungen sind; der menschliche Geist aber ist dann nichts, als die Funktion eines Individuums, die seinen Affekten oder dem in ihnen herrschenden Affekte dient und seine individuellen Strebungen kund giebt. Daher findet Nietzsche auch folgerichtig die Aufgabe seiner „Philosophen“ nicht darin, zu erkennen, was ist, sondern als „Befehlende und Gesetzgeber" zu bestimmen, was sein,,soll". „Sie bestimmen erst", sagt er, „das Wohin und Wozu des Menschen" und „Ihr Erkennen" ist Schaffen, ihr Schaffen ist eine Gesetzgebung, ihr Wille zur Wahrheit ist Wille zur Macht. Damit ist die Wahrheit entthront und die individuelle Willkühr an ihre Stelle gesetzt; und das geschieht noch deutlicher in Sätzen, wie dieser: „Das sind noch lange keine freien Geister: denn sie glauben noch an die Wahrheit," in dem Citat des Spruches des Assassinen-Ordens,,Nichts ist wahr, Alles ist erlaubt" und den hinzugefügten Worten: „wohlan, das war Freiheit des Geistes, damit war der Wahrheit selbst der Glaube gekündigt."

,,Nichts ist wahr, Alles ist erlaubt," dieser Satz führt in das Gebiet der Moral. Wie der Erkenntnisswille im Wahrheitsstreben das Einzelne aus dem Ganzen und das Ganze im Einzelnen zu verstehen trachtet, so ist auch der ethische

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Wille darauf gerichtet, in allen Handlungen mit der Bethätigung der eigenen Individualität zugleich den Bestand des Ganzen zu bejahen und alles fremde Leben nach Kräften zu fördern und niemals ohne Noth zu verletzen. Natürlich kann Nietzsche, der eine alles Einzelleben begründende und lebendig durchdringende Universalmacht überhaupt nicht anerkennt und darum auch die Naturgesetze verneint, dies nicht gelten lassen: bei ihm giebt es nur Individuelles und darum auch nur individuelle Selbstbejahungen, zudem bringt seine Entwickelungstheorie es mit sich, dass das Leben beständig darauf ausgeht, stärkere und vornehmere Species und Individuen hervorzubringen, die berufen sind, die Schwachen und Gemeinen auszubeuten und zu unterdrücken. „Der Egoismus", heisst es bei ihm, „gehört zum Wesen der vornehmen Seele, ich meine jenen unverrückbaren Glauben, dass einem Wesen, wie wir sind", andere Wesen von Natur unterthan sein müssen, und sich ihm zu opfern haben." „Alles ist erlaubt": man darf gegen die Wesen niedrigeren Ranges, gegen alles Fremde nach Gutdünken oder ,,wie es das Herz will" handeln und jedenfalls jenseits von Gut und Böse." Es giebt ein Pathos der Distanz,,,wie es aus dem eingefleischten Unterschied der Stände, aus dem beständigen Ausblick und Herabblick der herrschenden Kaste auf Unterthänige und Werkzeuge und aus ihrer ebenso beständigen Uebung im Gehorchen und Befehlen, Nieder- und Fernhalten erwächst." ,,Das Wesentliche an einer guten und gesunden Aristokratie ist aber, dass sie sich nicht als Funktion (sei es des Königthums sei es des Gemeinwesens), sondern als dessen Sinn und höchste Rechtfertigung fühlt, dass sie deshalb mit gutem Gewissen das Opfer einer Unzahl von Menschen hinnimmt, welche um ihretwillen zu unvollständigen Menschen, zu Sklaven, zu Werkzeugen herabgedrückt und vermindert

werden müssen. Ihr Grundglaube muss eben sein, dass die Gesellschaft nicht um der Gesellschaft willen da sein dürfe, sondern nur als Unterbau und Gerüst, an dem sich eine ausgesuchte Art Wesen zu ihrer höheren Aufgabe und überhaupt zu einem höheren Sein emporzuheben vermag." ,,Sich gegenseitig der Verletzung, der Gewalt, der Ausbeutung enthalten, seinen Willen dem des Andern gleich setzen, dies ist, als Grundprincip der Gesellschaft genommen, Wille zur Verneinung des Lebens, Auflösungs- und VerfallPrincip."

Es giebt Sklaven-Moral und Herren-Moral. Die erstere hält hoch, was geeignet ist, Leidenden das Dasein zu erleichtern, das Gutsein gegen Andere und das Verlangen nach Freiheit. Die Pflege dieser Moral ist die Sache der Schwachen und Gedrückten, weil sie dieselbe nützlich finden. Die Herren-Moral dagegen hat zu ihrem Gehalte das Handeln,,wie es das Herz will." Ihr bedeutet „gut“ und ,,schlecht" so viel wie „vornehm“ und „verächtlich".

,,Die vornehme Art Mensch fühlt sich als werthbestimmend, sie hat nicht nöthig, sich gutheissen zu lassen, sie urtheilt,,was mir schädlich ist, das ist an sich schädlich", sie weiss sich als das, was überhaupt erst Ehre den Dingen verleiht, sie ist wertheschaffend.

Es scheint nicht, das Nietzsche auf seinem Lebenswege einem jener Freien, die weder herrschen wollen, noch jemals sich einer andern Herrschaft, als ihrer eigenen, unterwerfen, denen die Herrschlustigen eben so verächtlich sind, als die Servilen, die sich feige unterordnen, schon begegnet ist oder doch ihn erkannt hat. Sollte er aber einmal den Versuch machen, einem solchen mit seiner angezüchteten Vornehmheit zu imponiren, so wird er auf ein ironisches Lächeln stossen und einen Misserfolg erleben; er wird finden, dass seine

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