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Erichson's, drehte sich, wie ein wunderliches Rad, ein unzählicher Schwarm von Möven und andern Seevögeln.

Nicht lange hatte Erichson so gespielt, als sich ein fremder Herr durch das Volk empor bis hinan zu dem höchften Gipfel, auf welchem Erichson saß, drängte und ihm zurief: Junge, willst du dein Glück machen, willst du mit nach England schiffen, so steig' herunter!"

Erichson gehorchte, der fremde Herr nahm ihn unter den Arm und zog ihn mit sich fort. Niemand folgte ih

nen.

Seit dieser Zeit wurde Punctum Colofonium_kopfhängerisch. Niemand brachte ihn mehr dazu, die Violine zu spielen, Niemand sah ihn mehr im Wirthshause auf seinem himmlischen Orchester. Dafür hatte er sich an den alten Küster und Schulmeister des Ortes angeschlossen, welchem er im Schulhalten beistand und Sonntags für ihn in der Kirche die Orgel spielte.

Nach und nach wurde sein früherer, weltlicher Lebenswandel zusammt dem jungen Erichson vergessen. Von dem Pfarrer, ja sogar zuweilen von der gnädigen Herrschaft auf dem Schlosse ward der geschmeidige Küsteradjunct, - die Leute sagten: Schulmeistergeselle," zu Tische eingeladen, und als endlich der alte Küster starb, war kein Besserer da, als er, der die Stelle hätte bekommen können.

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Die Tochter des Kanzlers, Helene, war unterdessen zur schönen Jungfrau erblüht. Viele reiche und mächtige Herren hatten um sie geworben, bis endlich ein deutscher Oberst, der ihre Bekanntschaft in Upsala gemacht hatte, ihre Hand errang.

An einem schönen Juliabend war das ganze Schloß erleuchtet; an langer, prächtiger Tafel, welche mit schwe

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ren, goldenen und silbernen Gefäßen besetzt war, prangten viele Herren und Damen, vor Allen aber die schöne Braut Helene, und zu ihrer Seite freudig und herrlich der Oberst, ihr Bräutigam.

Der alte Herr Kanzler war so aufgeräumt, wie ihn noch Niemand gesehen hatte.

Nach alter schwedischer Sitte fehlte bei dem Hochzeitsgelage nicht der Küster. Punctum Colofonium saß gar ehrbar an der äußersten Tafelecke, hier einmal als wahres Schlußzeichen und Punktum; wußte gar sittsam Messer und Gabel zu gebrauchen, und steckte so kleine Bißchen in den Mund, daß man ihn für ein Eichhörnchen im Großen hätte nehmen können. So sehr hatte er sich cultivirt!

Als jeßt der Kanzler sein Auge bis an den äußersten Horizont der Tafel den ehrlichen Punctum streifen ließ, schien ihm ein plötzlicher Gedanke durch den Sinn zu fahren. Der kluge Punctum Colofonium hatte es kaum ge= merkt, so neigte er den Rücken, drehte das feingepuderte Köpfchen, wie ein geschmeichelter Affe, schief, und zog den Beutel seines Mundes zu einem süßen Lächeln auf. Der Kanzler rief ihm zu: „Was meint Ihr wohl, geschätzter Küster, wenn ich Euch sage, daß ich vor Kurzem Euern Erichson gesehen habe, zu Upsala im königlichen Schloffe?!"

Dem Küster fielen vor Schrecken Messer und Gabel aus der Hand. Sprachlos stierte er den Kanzler an. Diefer aber fuhr fort: „Es ist wunderbar, wie oft in den niedrigsten Verhältnissen sich ein Talent entfaltet, das später die ganze Welt entzückt! An demselben Abende, wo ich die Freude hatte, am Hofe die Bekanntschaft meines lieben Schwiegersohnes zu machen, eröffnete uns unser gnädigster Herr und König, daß wir einen Virtuosen auf der Violine

hören würden, welcher nicht nur London und Paris, sondern auch die großen Städte Hollands und Deutschlands mit seinem Spiele begeistert hätte, und nun in seine Heimath zurückgekehrt sei, aus welcher er so unbeachtet und un-, bekannt fortgewandert wäre! Noch hatten wir kaum um seinen Namen fragen können, als Ruhe geboten wurde und aus der Nebenhalle hervor sich die Töne einer Violine_vernehmen ließen, so melodisch klingend, und dann wieder so schneidend und jauchzend, und wieder, wie in vielfachen, glühenden Kreisen, durcheinander laufend, daß uns fast der Athem verging. Das war keine menschliche Musik! Ich sah vor ihr manche Gesichter erbleichen und manche Thräne sich aus den Augen stehlen.“

„Das war der heillose Erichson!" flüsterte Punctum Colofonium wehmüthig für sich. Der Kanzler fuhr fort: „Wie nun das Spiel mit drei plötzlichen Strichen verflungen war" - (,,Das hat er doch noch von mir!" sprach leise Colofonium) — „und die Gesellschaft sich neugierig in die Halle drängte, sahen wir im hellen Kerzenlicht einen schlanken, bleichen Jüngling stehen, welcher mit seltsamen, großen, klaren Augen zu uns herüberschaute.

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Da nahm unser gnädigster Herr und König einen Pofal mit Wein, gab ihn meiner Tochter Braut und sprach sehr gnädig zu ihr: „Aus den schönsten Händen soll der Künstler die freundlichste Gabe haben!"

Wie aber meine Helene ihm den goldenen Ehrenbecher überreichte und er sie wie bekannt anredete, erschraf mein armes Mädchen so, daß er sie mit dem Arme auffangen mußte! Und als ich ihn selbst erkannte und den Knaben Erichson nun als einen so schönen Jüngling und als einen berühmten Künstler wiedersah, freute ich mich selbst

men.

recht herzlich. Ich habe ihn eingeladen, zu uns zu komKommt er, so soll ihm viel Gutes von mir geschehen! „Die Kunst und der junge Künstler sollen leben!“ Alle stießen mit an, bis auf Punctum Colofonium, welcher that, als wäre ihm die Serviette hinuntergefallen.

Bei diesen Reden war es fast Mitternacht geworden. Die junge Braut saß wie in tiefen Gedanken da. Während sie so für sich hinträumte, war es ihr, als hörte sie aus der Ferne etwas tönen, wie Wassertropfen, welche auf eine metallene Platte hoch und klingend herabfallen. Jezt verschmolzen sich die Klänge, wie zu einer Melodie, welche töuen mochte, wie die Weise bei einem Elfentanze, so heimlich süßlockend, dann wie Wehklage, Mark und Gebein durchrieselnd, und wieder wie milde und doch dringende Bitte.

Mit Gewalt suchte sie sich von diesen Tönen loszumachen, sie kamen immer wieder. Es war ihr, als klängen die Strahlen des Mondes, welche durch die gothischen, gemalten Fenster in bunten Farben hereinfielen, so wundersam auf sie ein und riefen ihr heimlich in die Seele: „Erichson ist da! Dein Erichson! Der arme, gute Erichson! Komm' doch, du Süße, du Liebe!"

Immer mächtiger wurden die Töne über sie, welche um sie webten und sich zu einem Neze verschränkten, das über ihrem Haupt zusammenschlug.

Jetzt war es ihr, als ginge die Thür auf weit weit, so daß sie hinübersehen konnte, ganz deutlich auf den mondbeschienenen Felsen, auf dem sie Erichson siten und die Bioline spielen sah. Hinter ihm empor stieg nebelhaft und gewaltig ein gespensterhafter Greis, welcher eine goldene Krone auf dem Haupte trug, mit zwei Sternenaugen zu ihr herüberblickte und ihr mit der Hand winkte.

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Da konnte sie nicht länger widerstehen. Sie stand geräuschlos von der Tafel auf und verschwand durch die Thür. Die Gesellschaft sah sich befremdet an. Alles ward im ganzen Saale still.

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Jezt hörte man deutlich aus der Ferne ganz eigene Violintöne, wie Wandervögel rufend, herüberziehen. Was ist das ?" rief der Kanzler. Punctum Colofonium sprang am Ende der Tafel plötzlich auf und rief, wie in Todesangst: „Das ist Erichson mit dem vierfach gestrichenen C, das ist das Königelfenstück, aber rückwärts gegeigt; ich kenne es! da verspielt er nun gar die Seele! aber er thut's ihr doch an, daß sie zu ihm muß!"

Auf diese Worte stürzte jezt Alles fort, die Braut zu suchen. In keinem Zimmer, keiner Kammer, nicht im Schloffe, nicht im Hofe war sie zu finden. Da eilte der Bräutigam schnell zum Thore hinaus. Kaum hatte er sich um den hohen Thurm hinumgewendet, so sah er auf dem Felsenkamme, dort, wo er von dem gegenüberstehenden Felsen am Meere wie gewaltsam abgerissen und zurückgedrängt war, und einem Abgrund Raum machte, eine weiße Gestalt händeringend im Mondscheine, weit vorgebogen, als zöge sie eine Geisterhand hinunter. In Eile hatte er sie erreicht. Es war Helene, welche ohnmächtig in seine Arme fant."

Hier brach der Erzähler, Haydn's Schüler, auf einmal ab, drehte sich zum Flügel um, auf dessen Claviatur er rückwärts mit der Hand schon längst dann und wann einen Ton angeschlagen hatte, sprach kein Wort mehr, sondern fing vielmehr das bekannte Lied „Adelaide“ an zu spielen und zu singen, und wie er damit zu Ende war, ließ er so seltsam die Töne jauchzend und tosend durcheinander lau

Jul. Mosen sämmtl. Werke. VII.

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