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echte Königelfenstück, an dem ich zeitlebens studirte - mein Requiem mir doch wieder ausgesonnen, noch einmal gespielt, noch einmal gehört habe. Sollte meine Sterbestunde so austönend hinaufklingen zu dem Schloß, so bitte fie, daß sie bete für die Ruhe meiner Seele!"

Da Erichson sein Gesicht jetzt mit den Händen bedeckte und nicht mehr sprach, entfernte sich Punctum Colofonium. Ob er die Bitte des Armen der hohen Frau eröffnet haben mochte, weiß ich nicht, da er in seinem ganzen Benehmen gegen das Haus seines Gönners, des Kanzlers, gar vorsichtig und diplomatisch war. Doch sah man seit einiger Zeit öfters Helene mit ihrem kleinen Sohne auf dem Balcone stehen und gedankenvoll hinunterblicken auf die Hütte, in welcher der unglückliche Geiger lebte.

So saß sie auch einst dort oben auf dem Balcone, neben ihr der Kanzler, ihr Vater, und vor ihnen Punctum Colofonium, ein dickes, aufgeschlagenes Buch in seinen Händen, worin er dem Knaben der schönen Wittwe Bildnisse der Nordlandsrecken und wilde Thiere und Drachen zeigte.

Eben neigte sich die Sonne zum Untergange nach dem Meere, das in gluthrothen, langen Wogen ihr entgegen zu athmen schien. Wie durch, einen rosenfarbenen Meerhimmel, zogen die Fischernachen mit weit aufgeblähten, weißen Segeln, wie Schwäne, dem Ufer zu. Eine große, feierliche Stille hatte sich über die ganze Natur gelagert.

Da schien es, als begönne die Luft in sich selbst hinein zu singen und zu klingen. Alle horchten auf. Wie ein süßer, selig gewordener Schmerz, wie fromme Pilger, erlöst von aller Qual der Erde, himmelan zur ewigen Heimath,

Hand in Hand, lobpreisend und singend aus dem Erdenthale, wallten die Klänge empor.

Helene weinte unaufhaltsam, Punctum Colofonium aber legte seinen Zeigefinger an die Nase und sprach zu seiner eigenen Genugthuung: „Das ist das echte Stück, das er spielt! Nun wird er sterben können."

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Der Kanzler stand auf, faßte Helenens Hand und sprach: Welche Schuld auch Erichson tragen mag an jenem wunderbaren, schrecklichen Einfluß, welchen an jenem Abende sein Violinspiel auf dein Gemüth äußerte, so laß' uns doch mit ihm versöhnen, der sich zur wahren Harmonie zurückgefunden hat und wohl bald dem ewigen Frieden entgegen geht."

Helene nahm ihr Söhnchen auf den Arm und sticg mit ihrem Vater in das Thal hinunter; mit sich selbst in sanften Handbewegungen gesticulirend, folgte hinterdrein Punctum Colofonium. Wie sie sich so der Hütte und der Musik selbst näherten, war es ihnen, als träten sie ein in eine große, altgothische Kirche, deren Pfeiler krystallen und klingend zum Himmel aufstiegen und oben sich zusammenwölbten in eine große, flammende Rose.

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Ausnehmend schöne, präcise Uebergänge!" flüsterte Punctum Colofonium für sich, „kräftig mit langem Bogenzug vorgetragen, in guter, alter Manier! Ich muß nur meine alte Violine wieder einmal vornehmen! O, ich bin noch nicht alle Tage todt!"

Als sie eintraten in die Hütte, sahen sie Erichson auf seinem Lager aufrecht sizen und das geliebte Instrument spielen. Er bemerkte die Eintretenden nicht. Seine Augen waren halb geschlossen und wie nach innen gekehrt.

Helene beugte sich mit dem Kinde zu ihm nieder. Da

that er den letzten Strich, legte das Instrument neben sich, schlug die Augen auf und blickte in das himmlische Angesicht Helenens. Ein kindliches, unschuldiges, seliges Lächeln flog über sein Antliş. „Helene!" rief er, aber wie er die Arme zu ihr emporheben wollte, sank er auf sein Lager zurück. Seine Hände falteten sich, wie zum Gebete, seine Augen schlossen sich; er war entschlafen.“

„Haydn's junger Freund schwieg jest. Da auch die Gesellschaft, mehr oder minder gerührt, das Schweigen nicht unterbrach, that dieser einige wilde Griffe auf dem Instrumente, hörte wieder auf, summte einen musikalischen Gedanken, welcher in ihm jezt aufsteigen mochte, vor sich hin und verließ, ohne sich zu verabschieden, zerstreut und wie im Traume die Gesellschaft.

„Der Arme hatte in prophetischer Vorahnung fast sein eigenes Schicksal erzählt.“

„Darf ich, Robert, deinen Erzähler errathen?" fragte ich. Er war es!" erwiederte Robert.

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In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür; der längst erwartete Graf Joseph trat langsam und feierlich herein. Mit hervorstürzenden Thränen rief er: „O, dieser Schmerz! Heute hat die Erde wieder einen großen Mann verloren. Bor einer Stunde starb Ludwig van Beethoven!"

Der Abt dankte im Namen des Ordens dem Novizen für seine Erzählung und beschloß mit der Aufforderung, daß jegliches Mitglied bei Vermeidung strenger Buße den Maskenball besuchen solle, welcher im Hôtel de Pologne auf nächsten Dienstagabend angesetzt war, die Situng.

Die meisten Brüder verließen den Saal, es waren nur

noch vier bis fünf zurückgeblieben, welchen ein junger Franzose, Namens Leclerc, ein Gast der Gesellschaft, eine französische Carnevalsgeschichte zu erzählen versprochen hatte:

Le Bal Beaudouin.

„Mein Vater," begann Leclerc zu erzählen, „ist ein reicher Seidenhändler in Paris, ich und meine Schwester Lucie sind seine einzigen Kinder, die Mutter haben wir in den ersten Jahren unserer Kindheit verloren, der Vater hat sich nicht wieder verheirathet. Ich wurde im väterlichen Hause, meine Schwester im Kloster erzogen. Wie es gekommen ist, weiß ich nicht, doch hatte ein Student der Medicin, Robert Lesailles, Gelegenheit gefunden, sich ihr bekannt zu machen und einen Liebeshandel mit ihr anzuspinnen. Ihre Liebe mochte in der schönsten Blüthe stehen, als mein Vater sie aus dem Kloster nahm und mit einem alten, reichen Geschäftsfreunde verlobte. All' ihr Bitken, sie nicht zu dieser Verbindung zu zwingen, all' ihr Jammern, ihr noch Zeit zu gönnen, rührte nicht sein Herz. Deine Mutter," war die einzige Antwort, hatte vor ihrer Verheirathung mit mir gleiche Grillen, und doch sind wir miteinander glücklich geworden; denn sieh', liebes Kind, ein Ehestand, welcher sich auf Vermögen gründet, ist ein Haus, das guten Grund hat, es fällt nicht leicht ein." Nach der Fastenzeit sollte die Hochzeit sein. „Wohl denn,“ sagte meine Schwester zu mir, so gehört der Carneval noch mein." Ich mußte ihr versprechen, heimlich sie auf den bal Beaudouin zu führen. Es war Aschermittwoch,

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und viele Hunderte Eckensteher liefen gegen Abend auf den Boulevards herum mit transparenten Ankündigungen: „Le bal Beaudouin!" Ich war einer der Ersten, welche die Kette bei dem Villetverkaufe machten, und konnte schon Abends acht Uhr meiner Schwester Lucie hinter dem Rücken unseres Vaters die beiden Billete zeigen. Um elf Uhr füßte der Vater Lucie die Stirne, gab mir die Hand zur guten Nacht, und ging zu Bette, wir Beide auch, doch nur um wieder aufzustehen, und uns in die Maskencostume zu werfen, welche wir in Bereitschaft hatten, und unter dem Schutze des Portiers aus dem Hause zum Balle zu eilen. Als wir dort Arm in Arm ankamen, fanden wir das Haus bereits von unzähligen, abenteuerlichen Maskenfiguren belagert; denn noch waren die Thüren, welche sich erst um Mitternacht öffnen sollten, verschlossen. Noch war es im Theater todtenstille, selbst das Brausen der Volksmenge davor glich einem Walde vor dem Sturme mit unheimlichem Flüstern, so daß man die hämmernden Zimmerleute und Tapezierer, welche noch im Saale beschäftigt waren, wie pickende, pochende Spechte, vernehmen konnte. Zuweilen schlich sich auch ein Ton vom Stimmen der Instrumente heraus; Lucie zitterte, wie voll Angst, an meiner Seite. Jetzt hörten wir von Nôtre Dame die zwölf Schläge der Mitternachtsstunde metallen, langaustönend und dräuend, wie die zornige Stimme eines Fastenpredigers, durch die Luft zittern, einen jeden Glockenschlag begleitete die harrende Volksmenge mit einem höllischen, doch noch halbunterdrückten Jubelschrei, mit dem zwölften Schlage sprangen die Thüren des Theaters auf, und wie ein Strom geschmolzenen, flüssigen Erzes bei einer Feuersbrunst in ein Bassin, so quoll der tolle Schwarm hinein und platte dort in einzelne Gruppen im tausend

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