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stimmigen, wüsten Geschrei auseinander. Es war eine tausendgliedrige Masse, grölzend, brüllend, wiehernd, springend, kugelnd, bockend, in gräßlichem Gelächter durcheinander, eine Republik der Narrheit, zusammengewürfelt aus Robert Macaire's, Pierrot's und Pierretten, Polichinelle's, Matrosen, Fischermädchen, Hidalgo's, Rosenmädchen, Banditen und Schäferinnen! Die ganze goldene Jugend des Jahres stak in diesen Masken. Bald waren nicht nur der Saal, sondern auch die Logen, die Corridors, das Foyer gefüllt. Im Hintergrunde des Saales, hinter der Draperie brennendrother Vorhänge saß das Orchester so verborgen, daß man nur den Herenmeister Beaudouin auf seinem erhöhten Tritte mit dem Taktirstocke in der Hand stehen sah. Lucie hatte mich in die Loge gezogen, welche wir sonst bei der Oper abonnirt hatten. Dort trafen wir die schlanke, schwarze Figur eines jungen Mannes, welcher auf der Brust einen Todtenkopf von weißem Zeuge aufgenäht trug. Er begrüßte uns und gab sich zu erkennen. Es war Lesailles, der Geliebte meiner Schwester. Nach einer Stunde," sagte er lächelnd, „führe ich Ihnen meine Tänzerin hierher zurück, lieber Bruder!" und verschwand mit ihr. In diesem Augenblicke hob Beaudouin den Taftirstock, ein gellender Pfeifenruf, ein Trommelwirbel, und im krampfhaftem Zittern scheint unten im Saal die Gesellschaft gebannt zu sein. Es wickelt sich aus ihr ein Fandango heraus; es sind die spanischen Ballettänzer mit ihren Tänzerinnen bei der großen Oper, Castagnetten schlagend, auf den Zehenspizen pirouettirend, sich einander bald fliehend, sich verfolgend, bald sich wieder vereinigend, hingießend Leib zu Leib, jetzt sich anstarrend, wie in tödtlicher Lust, und nun kommt der groteske Cancan, dieser wahnsinnige, gliederverdrehende, gesichterschneidende Tanz

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Aller zugleich, durcheinander, scheußlich romantisch in arabeskenartiger Willkührlichkeit der aus der Schlaffheit zu Verzuckungen aufgestachelten, sündhaften Glieder. Die verrückte Musik scheint Glied von Glied zu emancipiren, Alles dreht sich, wie besessen, im Wirbel herum. Jetzt fällt ein Kanonenschuß, Sturmgeläute, wieder ein Kanonenschuß, lautlose Stille überall und nun der Ruf einer Stentorstimme: „Die Hugenottenquadrille!" Die Galoppade beginnt. Die Musik wird zu einer teuflischen Malerei in Tönen; man wähnt die stürmenden, Glocken und das Geschrei: „Zu den Waffen! Zu den Waffen!" zu hören dazwischen abge= brochene Sätze aus Psalmenmelodien, knatternde Flintenschlösser, Gewehrfalven, Triumphgeschrei der Mörder, das Angstgeschrei der Verfolgten, das Winseln der Sterbenden und immer wieder ein ängstlich klingendes Horn, als rufe es: „Coligny! Coligny!" Durch allen diesen Wirrwarr der Töne hört man die zielenden Schüsse des eisernen Gewehres Karl's IX., welcher aus seinem Fenster unter das Volk schießt, begleitet von einem Pickelflötenkichern seiner Mutter, Katharina von Medicis. Aus allen diesen Elementen besteht die Quadrille; sie ist ein getanzter Bürgerkrieg. Wie die Colonnen durcheinander stürzen! Selbst das Gebäude geräth in die Schwingungen des bacchantischen Tanzes, der sich, wie ein Treibrad, um sich selbst dreht. In diesem Zauberringe wirbeln sich die äußersten Leidenschaften von ganz Paris, Frankreich's Zukunft in einem verzerrten Vorspiele, seine glänzendste Jugend in zerrissenen Kleidern, es flattern die Locken der Mänaden, ihre Augen haben nur noch einen starren Blick. Die Musik selbst ist nur noch ein wüthendes Volksgeheul, ein Orkan im Walde, man hört das Zusammenbrechen der Bäume; dort stürzt ein

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Tänzerpaar, die wüthende Colonne fliegt theils darüber hinweg, theils verwirrt sie sich und verwickelt sich in den Fall. War das nicht Robert Lesailles mit dem Todtenkopfe vor der Brust, der Gesellschafter meiner Schwester, der wahnsinnige Vortänzer, welcher zuerst stürzte? Ich eile in den Saal hinunter, Beaudouin hat mit einem Taktschlage die Musik und die Galoppade beendigt; mitten im Saale liegt ein todter Mensch Lesailles, Lucie neben ihm knieend, die kleinen, weißen Fäuste in die Augenhöhlen gedrückt. Ein Polichinell ist mit ihm beschäftigt, er bricht ihm die geschlossene Hand auf, ein Fläschchen rollt auf den Boden, es erhebt sich ein tausendstimmiger Ruf: „Er hat sich vergiftet." So war es. Mitten im Tanze hatte er die Phiole, welche er vorher zu sich gesteckt haben mochte, ausgeleert. Ich bemächtigte mich meiner Schwester und brachte sie heim. Sie ist seitdem geistesabwesend. In einem kurzen, hellen Momente erzählte sie, daß sich plötzlich die Hand ihres Tänzers eiskalt angefühlt, sie jedoch noch einmal mit ihm durch den Saal getanzt habe, bis er starr niedergestürzt sei.

„Mein Vater hat mich auf drei Jahre aus Paris verbannt. Was sollte mich von dort sonst vertreiben? Doch hinweg mit allen trüben Gedanken, noch bin ich jung und die Welt gehört der Jugend!"

Der Sonntagmorgen war angebrochen. Benedict beredete die Freunde zu einem Spaziergang in das Freie. Die Gefilde lagen bereits von Schnee und Eis befreit, nur hier und dort sah man noch schmale, weiße Streifen, wie Kreidestriche auf einer schwarzen Tafel. Die Sonne war

über den Wald emporgetreten, und die Flur schimmerte mit ihren überreiften Bäumen und Büschen, wie das Fenster eines Juweliergewölbes. Am Himmel hoch oben zog eine Wolkenlämmerheerde vor dem bleichen Gesichte der Sonne einher; die Thäler waren frei vom Nebel, welcher sich in langen Streifen an den Bergwänden der Hoflößnit hingelagert hatte. Die Luft war frisch und erquickend, wie Brunnenwasser.

Als die munteren Gesellen die Höhe hinaufstiegen, und die Aussicht nach der sächsischen Schweiz ihre Zauber ausbreitete, rief Johannes: „, wann wird der Morgen der Freiheit in der Welt einst anbrechen ?!"

So seid Ihr,“ versezte Benedict, dessen Augen und Gesicht von Lebenslust glühten, selbst die Natur ist Euch nicht gut genug, um sie als Gleichniß für eine Idee zu verpuffen. Meinst du nicht, daß jedes Ding ein Recht hat, für sich selbst Etwas zu sein? Muß man denn immer durch die Brille die Welt angucken?"

„Ich kenne diese Redensarten," entgegnete bitter Johannes, und alle Variationen auf Goethe's Worte: Pfui, ein politisch Lied!"

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„Als ob ich," entgegnete Benedict, verkennen wollte, „daß jede erhabene Idee ein Moment der Begeisterung für den Dichter sein könnte, nur muß sie Fleisch und Blut geworden sein, um aus seinem Gemüthe, wie eine Blume, emporzuwachsen. Meinetwegen besinge die Freiheit, wie sie in einer Menschenthat zur Erscheinung gekommen ist, singe von der Liebe, wie sie in einer geliebten Seele ihre Arme um dich breitet, oder vom Frühling, wie er dich aus dem Kelche der Blume anblickt, in den Baumwipfeln flüstert oder aus der Brust der Nachtigall in einer Mondnacht

flötet, singe alle Töne heraus, nur laß' die fanatische Kopfstimme aus dem Spiele! Doch laß' uns vor allem Freunde bleiben!"

So waren sie oben auf der Anhöhe angekommen, wo fie die Linie der neuen Eisenbahn, wie sie sich zur Residenz im Thale hinaufzog, mit ihren Blicken verfolgen fonnten.

Benedict hatte ein Fernglas bei sich, er schob es zurecht und schaute lange hindurch. Bei dem günstigen Wetter dieser Tage hatte die Arbeit wieder begonnen. Man sah Hunderte von Arbeitern an verschiedenen Stellen beschäftigt. Hier erblickte man einen Brückenbogen über einen Seitenweg wölben, die Maurer und ihre Handlanger, die auf und abgehenden Aufseher, dort weiter zurück die lange Reihe von Schiebkarren, welche die Erde von einer Stelle zur andern schafften, da stampfende, dort grabende und schaufelnde Arbeiter. Man sieht wohl im Sommer Ameisen über den Weg in tausenderlei Beschäftigungen auf einer Linie durcheinander wimmeln, ein gleiches Bild von lebendiger Beschäftigung gab hier die Aussicht auf die Ar beit an der Eisenbahn.

Benedict ließ endlich das Fernrohr vom Auge sinken und sagte: „Hier siehst du einen Gedanken, welcher Raum und Zeit überwindet und Städte, Länder und Völker aneinanderkettet und sich als gewaltiger, feuerschnaubender Drache der vorwärtseilenden Zeit vorspannt, und dennoch ist er kein politisches Gedicht in deinem Sinne. Du kannst mit deinen rhetorischen Versen viel nüßen, aber diesen eifernen Gedanken überbieten sie nicht, denn er ist eine That geworden."

„Mir ist," entgegnete Johannes, „als lernte ich dich

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