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„Schlimm genug!" versette Vinetus.

„In einer einfamen Stunde nahm ich einst die Gelegenheit wahr, ihr mein ganzes Herz zu entdecken und sie mit furchtsam bebender Stimme zu fragen: ob sie mich liebe?"

Aloysia erwiderte: „Darf ich denn einen Menschen lieben, der tagtäglich im Weinhause sitt und sein Geld, seinen Verstand und seine Zukunft vertrinkt ?"

Diese Antwort hatte ich nicht erwartet. Beleidigt entgegnete ich: „Wenn das Alles wahr ist, was Sie sagen, so ist es nur für Sie und durch Sie geschehen!“

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‚Ach so!“ entgegnete sie erzürnter; glauben Sie denn, daß ich nur deshalb Sie bei mir leide, weil Sie meinem Vater den Wein abtrinken ?"

„Aloysia! Aloysia!" rief ich, „bringe mich nicht außer

mir!"

„Gehen Sie! in Gottesnamen gehen Sie!" erwiderte sie noch gereizter.

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Glauben Sie, mich beleidigen zu können, weil ich hier in einer Schenkstube bin? Was denken Sie von mir ?“

„Herr Vinetus, ich kann es Ihnen nicht verwehren, hierher zu kommen und Wein zu trinken, so viel Sie wollen; aber ich werde gehen, sobald Sie wiederkommen!"

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Mein Fräulein!" antwortete ich tief gekränkt, in diese Verlegenheit werde ich Sie nie sehen!" Mit diesen Worten nahm ich meine Müße und ging hinweg, um nie wiederzukommen.

„Das war brav und moralisch gehandelt!" entgegnete Sittewald; über das Thema der Selbstachtung werde ich Sonntag über acht Tage predigen!"

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Um mich zu betäuben," fuhr Vinetus fort, stürzte ich mich, wie ein Rasender, in das Studium der Jurisprudenz.

Die scharfe Logik der römischen Gesetzgebung machte meinen Kopf immer heller und mein Herz immer kälter. Nur zuweilen zuckte es, wie ein tiefer, verhaltener Schmerz, unwillkürlich in mir empor.

Die Straße, wo Aloysia wohnte, hatte ich von jener Stunde an vermieden. Nach einiger Zeit machte ich mein juridisches Examen und erhielt die rühmlichste Censur.

Da ich einiges Vermögen hatte, so glaubte ich nunmehr, mir zu meiner Niederlassung als Advocat den Ort auswählen zu können, der mir am Besten zusagte.

In dieser Absicht strich ich in den Gegenden umher, bis ich an einem Abende drüben über die Hügel herabkam und vor mir das freundliche Chorburg mit dem alten Wartthurme liegen sah. Einen unaussprechlich freundlichen und friedlichen Eindruck machte die ganze Gegend auf mich. Eine innere Stimme sagte mir: Hier wirst du glücklich sein, Vinetus! Hier, abgeschieden von der großen Welt, in diesem freundlichen Thale wirst du Ruhe finden!"

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Mein Entschluß war bald gefaßt. Ich stieß meinen Stab in die Erde und blieb hier. Gar bald machte ich Bekanntschaft mit dem Schöffer Thus, meinem nachmaligen Schwiegervater. Seine einzige Tochter, die nun jetzt meine liebe Frau ist, war damals in der schönsten Blüthe ihrer Jugend. Obgleich sie eine besondere Aehnlichkeit mit Aloysia hatte, so darf ich doch eingestehen, daß sie auf mein Herz, welches nun ganz mit Pandektentiteln und alten und neuen Jahrszahlen, mit dem Edictum perpetuum und dem ganzen prätorianischen Rechte, wie eine Vogelscheuche, ausgestopft war, nicht den geringsten Eindruck machte. In meiner jungen Advocatenpraxis lebte ich so hin, wie ein

Zugthier, das in eine Gabeldeichsel gespannt ist, ohne rechts noch links zu sehen.

Da erhielt ich einst gegen Abend durch den Postboten ein Packet aus der Universitätsstadt schwarz gesiegelt. Ich riß es bestürzt auf und das Medaillon, das ich bis jetzt auf der Brust trage, fiel daraus hervor."

Hier löste Vinetus eine Schnur, welche er verborgen unter seiner weißseidenen Weste trug, und brachte ein Medaillon zum Vorscheine, welches unter Glas ein Portrait, auf Elfenbein gemalt, zeigte. Der Diakonus wischte die Augen aus, zog die Gläser seiner Brille durch das Taschentuch und hielt, nachdem er den Blick geschärft hatte, das Bild an das Wachslicht. Alle traten zusammen und betrachteten es. Es stellte das Gesicht eines jungen Mädchens vor. Das Köpfchen war überaus einfach. Die braunen, reichen Haare waren alle zu einer Krone zusammengeflochten, welche mehr nach dem Hinterhaupte zu abwärts gedrängt war und weder dem schlanken Nacken, noch der schön gewölbten Stirne ein Löckchen gönnte. Das Gesicht selbst war edel und fast stolz gehalten. Die Augen waren sanft und dunkel, nur der Mund spröde, wie eine noch nicht aufgeblühte Rosenknospe.

Vinetus' Freunde waren alle von dieser einfachen Schönheit hingerissen, so daß der Doctor ausrief: „Den lezten Groschen hätte ich in der Schenke bei diesem Mädchen verzehrt; ich hätte meine Stiefeln auf das Leihhaus getragen und versett!"

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„Ich habe noch nie die Gutsherrschaft übervortheilt," rief der Inspector, aber das Mädchen hätte mich zu einem Spitzbuben machen können!"

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Nur der Diakonus seufzte und sagte: „Ja, die Ver

führung dieser Welt ist groß! Die Beeren an der Schlinge sind oft so verführerisch, daß auch der Beste dahinein gerathen kann! Wohl dir, Vinetus, daß du der Tugend treu geblieben bist! Selbstüberwindung ist hart, aber sie belohnt sich hundertfach bis in das tausendste Glied."

Vinetus entgegnete: „Trink, trink', Diakonus! Ich fage dir, trink'! und höre zu!" Mit diesen Worten hing Vinetus das Medaillon wieder um und verbarg es auf seiner Brust, indem er fortfuhr: „Ihr habt in diesem Portrait nur einen Schatten von der Schönheit der spröden Aloysia gesehen. Ihr könnt denken, wie ich bei dem Anblicke dieses Bildes betroffen war. Die alte Leidenschaft stieg wieder in meiner Seele riesengroß empor; ich sage Euch, mein Herz schlug empor, wie eine Feuerflamme.

Ich nahm endlich den Brief zur Hand und las, was mein Lebelang, wie ein Messerstich, in meiner Brust wühlen foll. Der Vater der armen Aloysia schrieb an mich:

„Vorgestern habe ich meine Tochter Aloysia begraben lassen. Seitdem Sie uns nicht mehr besuchten, war es,

wenn jede Freude von ihr gewichen gewesen wäre. Niemand ahnete die Ursache ihres Kummers, und jetzt wissen wir sie eigentlich noch nicht. Von Woche zu Woche jedoch siechte mein Kind mehr und mehr, bis es endlich auf das Krankenlager sank, um nicht mehr aufzustehen. Kurz vor ihrem Tode bat sie mich, Ihnen, Herr Rechtsconsulent, dieses Medaillon zu übersenden, welches ihr Portrait enthält, das ich einst auf Bitten eines armen Malers fertigen ließ. Um Ihnen zu zeigen, daß ich in keinerlei Weise Vorwürfe weder machen kann noch möchte, füge ich den Preiscourant der von mir frisch bezogenen Weine bei, mit der Bitte, darauf zu reflectiren, indem ich

stets auf vorgängige Bestellung mit der promptesten Lieferung und wie Sie finden werden, mit den billigsten Preisen zu Diensten stehe."

Vinetus schwieg jezt, in den Schmerz der Rückerinnerung versunken; Lindenschmied aber füllte leise die Becher. Nach einer Weile warf Vinetus die Frage auf: „Hat der Mensch Schmerz und Lust in seiner Gewalt ?"

Ohne Antwort abzuwarten, fuhr er fort: „Ich brachte nach Empfang dieses Briefes eine entsetzliche Nacht des Jammers und Leides zu. In der Raserei des Schmerzes hatte ich mich auf die Dielen der Stube geworfen und wüthete gegen mich selbst bis zum Anbruche des Morgens. Da stand ich auf. Meine Seele war bis zur Bewußtlosigkeit verfinstert. Ich eilte hinaus in die freie Natur und irrte im Walde herum, ohne daß ich die Last meines Herzens hätte loswerden können. Ich kehrte wieder in mein Zimmer zurück und warf mich in den Armstuhl, welcher an meinem Schreibtische stand. Da fiel mir der unglückliche Preiscourant, welchen mir Aloysia's Vater mit überschickt hatte in die Augen, und zugleich brach ich unwillkürlich in ein so unaufhaltsames Lachen aus, daß ich es nicht hätte bezwingen können, und wenn es mein Leben gekostet hätte. Ich schrieb an den speculativen Weinhändler und erhielt nach dem Verlauf einer Woche auf meine Bestellung eine Lieferung vom edelsten Rheinweine. So oft nun der Schmerz um Aloysia auftauchen wollte, griff ich zum Glase und fand immer schon auf dem Boden der zweiten Flasche eine unendliche Fröhlichkeit.

Als ich einst so bis spät in die Nacht hinein geschwärmt und vor mir einen frisch angefüllten Becher stehen hatte, in welchen ich träumend hineinblickte, war es mir auf ein

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