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Die mystischen Erscheinungen.

und in einem so berühmten Theile der Welt geschehen sind, daß die Entdeckung einer Täuschung unvermeidlich wäre Umstände welche sämmtlich erforderlich sind, um uns eine volle Sicherheit für das Zeugniß der Menschen zu geben." Diese Argumentation, welche für die populäre Denkweise jedenfalls die eigentlich durchschlagende ist, kann offenbar nur durch den Nachweis widerlegt werden, daß ihre Vorausseßung unrichtig und unbegründet ist, daß allerdings auch außerhalb der heiligen Geschichte Wunder und zwar in großer Anzahl constatirt sind. Aber ist das möglich?

Die zuversichtliche Sprache der Wunderleugner scheint freilich das Gegentheil zu beweisen, aber sie erklärt sich nur aus Unkenntniß der Thatsachen. Wer sich ein wenig mit dem mystischen Gebiete der Geschichte beschäftigt hat, der muß in der That erstaunen über die Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit, mit welcher die Vorgänge desselben von der Aufklärung abgefertigt, über die tendenziöse Voreingenommenheit, mit welcher sie dargestellt, über die Beharrlichkeit, mit der sie geflissentlich ignorirt werden. Wir werden dieselben unter dem Namen der mystischen Erscheinungen zusammenfassen, nicht um sie in einen unhaltbaren Gegensatz zu den Wundern der Bibel zu stellen, sondern nur um sie kurz von denselben zu unterscheiden. Man hat diese Bezeichnung angefochten, weil der historische Sprachgebrauch unter Mystik nur eine bestimmte, theologische Richtung verstehe, die mit jenen Dingen nichts zu schaffen habe. Allein mit Unrecht. Denn einmal ist der wörtliche Sinn des Ausdrucks für die Sache völlig angemessen, sodann hat allerdings gerade die theologische Mystik durch die unglaubliche, geistige Anstrengung der Contemplation und Askese, womit sie nach einem unmittelbaren Schauen und Erfahren des Göttlichen strebte, viele der in Rede stehenden Erscheinungen hervorgebracht. Solche Erscheinungen wurden zunächst vielfach bei den wilden Naturvölkern, sowie bei den halbkultivirten Völkern des Orients beobachtet. Berichterstatter der verschiedensten Art: Reisende, Missionare, Militärs bezeugen, daß in der bei diesen Völkern verbreiteten Zauberei keineswegs Alles nur das Werk blinden Aberglaubens sei, sondern daß dabei thatsächlich Dinge geschehen, die auch dem vorurtheilsfreien und skeptischen Beobachter unerklärlich sind. In den Zeiten der höchsten Civilisation des klassischen Alterthums lebte der Wunderglaube in voller Kraft, und Männer von der geistigen Bedeutung eines Sokrates, Plato, Plutarch, Livius, Cicero, Tacitus u. a. theilten denselben unbedenklich. Oeffentliche Institutionen von größter politischer Wichtigkeit und jahrtausendelanger Dauer wie die Orakel bestanden durch ihn. Der radikale Umschwung der antiken Denkart durch das Christenthum ließ diesen Glauben unangetastet. Die mystischen Erscheinungen wurden zwar christlich gedeutet, aber nicht bezweifelt. Das ganze

Die mystischen Erscheinungen.

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Mittelalter ist voll von göttlichen und dämonischen Wundern und zwar feineswegs nur auf kirchlichem Gebiete. Bis tief in die neuere Zeit zweifelten die berühmtesten Aerzte nicht an dem Vorhandensein dämonischer Krankheiten,*) die durch Erorcismen bekämpft werden müßten, und Wunderheilungen durch Gebet, Wallfahrten und Reliquien geschahen in großer Zahl. Im Gerichtsverfahren dienten Ordalien, wie die mystische Feuer- und Wasserprobe zu Beweismitteln und im Herenprozeß waren es mystische Verbrechen verschiedener Art, die mit einem qualvollen Tode bestraft wurden. Fragt man, wodurch ein so allgemeiner Glaube erschüttert wurde, so zeigt sich, daß es keineswegs sachliche Zweifel, sondern praktische Rücksichten der Religion und der Menschlichkeit waren. Gerade die Greuel des Herenprozesses gaben den Anstoß. Das öffentliche Gewissen forderte immer entschiedener das Aufhören desselben, aber die Realität der Hererei wurde zunächst keinesweges bestritten. Auf diesem Standpunkt stehen Friedrich von Spee und Tho= masius. Da man aber die mystischen Erscheinungen dabei nur aus einem Bunde mit dem Teufel abzuleiten wußte, so mußten sie doch immer für ein strafbares Verbrechen gelten, so lange ihre Realität überhaupt anerkannt wurde. Diese also zu leugnen, lag im Interesse der Humanität, mit welcher sich die beginnende Aufklärung verband. In diesem Sinne schrieb Balthasar Becker sein berühmt gewordenes Buch: „Die bezauberte Welt," in welchem er die physische Macht des Teufels bestritt und alle mystischen Erscheinungen natürlich erklärte. Dieselbe Tendenz hat Hauber: Bibliotheca; acta et scripta magica. Beide waren Theologen. Der Protestantismus fühlte sich ferner getrieben, die Wunder der Heiligen zu leugnen, welche das Papstthum mit Ostentation für sich geltend machte. Der Canonisationsproceß der Curie wirkte in dieser Beziehung ähnlich wie der Herenprozeß. Aber troß der immer entschiedeneren Wunderleugnung hat es dem Zeitalter der Aufklärung bis in die Gegenwart hinein so wenig an mystischen Vorfällen gefehlt als irgend einem andern. Der Unterschied ist nur, daß das Entseßen oder die Anbetung, womit sie früher aufgenommen wurden, nach einem psychologischen Geseze in Spott umschlug. Wir erinnern nur an die Ereignisse unter den Inspirirten im Sevennenkriege und unter den Jansenisten auf dem Grabe des Abbé Paris, an Swedenborg, an die Erscheinungen des Somnambulismus und Lebensmagnetismus sowie an den modernen Spiritismus: Es ist also keineswegs zu viel gesagt, daß mystische Erscheinungen aus allen Zeiten und Ländern der Welt berichtet werden und daß die Zweifel an ihrer Realität nur der europäischen Aufklärung der

*) Siehe den Nachweis bei Leubuscher: Der Wahnsinn in den vier lezten Jahrhunderten.

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lezten beiden Jahrhunderte angehören. Die übrige Menschheit fennt sie nicht.

Welches ist denn nun die Stellung der Aufklärung zu unserer Frage? Am weitesten verbreitet ist die bloße, platte Verneinung ohne Angabe von Gründen und ohne deutlichen Begriff von dem, was man bestreitet. So sagt Voltaire irgendwo: „Wenn ich auf dem Tuilerienplage in Paris stünde und 10000 Menschen mit mir und vor unser Aller Augen geschähe ein offenbares Wunder und keiner zweifelte daran, so würde ich doch eher meine sehenden Augen für blind und alle 10000 für Narren halten, ehe ich daran glaubte." Ein solcher Standpunkt ist natürlich unanfechtbar. Man muß aber daran erinnern, daß es nicht nur einen Köhlerglauben, sondern auch einen Köhlerunglauben gibt, über welchen selbst ein Humboldt klagte*) und der eigentlich nur die Kehrseite des ersteren ist. Er besteht in der Beschränktheit, welche unfähig ist, sich mit Gedanken zu befreunden, welche außerhalb des breiten Gleises ihrer gewohnten Vorstellungen liegen. Dazu kommt dann jener ungesalzene Spott, den Fichte einmal treffend mit den Worten charakterisirt **): „Sie sagen blos wörtlich wieder, daß da und da das und das gesagt sei und ohne weiter von dem Ihrigen etwas hinzuzuthun, lachen sie eben und jeder Höfliche lacht zur Gesellschaft mit; keineswegs als ob der Erste oder irgend Einer seiner Nachfolger innerlich in seinem Gemüthe von einer lächerlichen Vorstellung, welches ja ohne einen Begriff durchaus unmöglich ist, wirklich angeregt sei, sondern lediglich zufolge des allgemeinen Paktums; und so lacht bald die ganze Gesellschaft, ohne daß irgend ein Einziger eines Grundes zum Lachen sich bewußt wäre, jeder aber denkt, sein Nachbar möge wohl einen solchen Grund haben."

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Wir kommen zu den Argumenten gegen das Wunder. Wenn Hume meinte, es sei bisher kein Wunder hinreichend bezeugt, so geht Zeller so weit zu behaupten, dies liege schon in dem Begriffe desselben. Ein Wunder ist ein Vorgang, welcher mit der Analogie aller sonstigen Erfahrung in Widerspruch steht, und eben dieses ist das Wesen und der Begriff des Wunders. Was mit unsern anderweitigen Beobachtungen und daraus abgeleiteten Gefeßen übereinstimmt, das nennen wir kein Wunder. Wenn es sich daher um die Glaubwürdigkeit einer Wundererzählung handelt, so heißt das mit andern Worten: Was ist wahrscheinlicher, daß hier in Wirklichkeit etwas geschehen ist, was der Analogie unserer ganzen Erfahrung widerstreitet, oder daß die Ueberlieferung, welche ein solches Geschehen berichtet, falsch ist? Mit dieser Fragestellung

*) Kosmos I. S. 140.

**) Anweisung zum seligen Leben. S. 326.

Zeller. Argumente der Aufklärung.

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ist aber auch die Antwort gegeben. Denn da sich die Wahrscheinlichkeit einer Annahme eben nur nach ihrer Uebereinstimmung mit andern, als wahr erkannten bemessen läßt und da uns in unserer Erfahrung von ungenauer Beobachtung, ungetreuer Ueberlieferung, absichtlicher und unabsichtlicher Erdichtung, überhaupt von ungetreuer Berichterstattung zahllose Beispiele vorliegen, von einem nachweisbar nicht aus dem natürlichen Zusammenhange der Dinge hervorgegangenen Erfolge kein einziges, so läßt sich kein Fall denken, in welchem der Historiker es nicht ohne allen Vergleich wahrscheinlicher finden müßte, daß er es mit einem unrichtigen Berichte, als daß er es mit einer wunderbaren Thatsache zu thun habe."*) Diese Deduktion erinnert an den Beweis jenes Logikers für die Unmöglichkeit der Bewegung: „Wenn ich mich bewege, so muß ich mich bewegen, entweder wo ich bin oder wo ich nicht bin. Nun kann ich mich nicht bewegen, wo ich bin, denn so lange ich bleibe, wo ich bin, ist daselbst keine Bewegung. Ich kann mich aber auch nicht bewegen, wo ich nicht bin, denn ein Wesen kann nicht handeln, wo es nicht ist.“ Mit Zellers Schlußfolge kann man die absolute Unmöglichkeit jeder neuen Entdeckung beweisen. Sie stände ebenfalls in Widerspruch mit der Analogie unserer gesammten Erfahrung und würde deßhalb keinen Glauben verdienen. Eine so einfache Thatsache, wie die Existenz eines fliegenden Fisches, würde nicht bewiesen werden können, weil der erste Mensch, der einen solchen sah, eine allgemeine Erfahrung wider sich hätte und dieses Argument könnte bei einem jeden folgenden Zeugen wiederholt werden. Soll aber unsere gesammte Erfahrung“ nicht blos diejenige eines beschränkten Kreises, sondern die ausnahmslose Erfahrung der gesammten Menschheit bedeuten, so ist offenbar, daß die ganze Argumentation sich in einem Zirkel bewegt, denn was erst bewiesen werden soll, wird schon vorausgeseßt, nämlich daß Wunder nie beobachtet worden sind. So einfach wird das Wunder nicht zu beseitigen sein. Da der größte Theil von Allem, was wir wissen, auf dem Zeugniß anderer Menschen beruht, so wird es nichts gegen dasselbe beweisen, wenn es auf demselben Wege zu unsrer Kenntniß gelangt.

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Man muß nachweisen, daß die Zeugnisse und Berichte über geschehene Wunder aus andern Ursachen als der Wirklichkeit zu erklären sind. Dieß geschieht durch die Theorie von der bewußtlos dichtenden Mythe oder Sage. Die Alterthumskunde sieht sich zwar nach Entzifferung der Hieroglyphen in Egypten, der Keilinschriften in Ninive, der Funde im Moabiterlande, der Schliemannschen Ausgrabungen in Troja und Mykenä genöthigt,

*) Vorträge und Abhandlungen 1865 in dem Auffah über die Tübinger Schule.

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das Feld des Mythischen und Sagenhaften einigermaßen zu beschränken; aber auf die Ansichten über das Wunder hat das keinen Einfluß. Wir geben dieselben hier mit den Worten eines neueren englischen Schriftstellers. *) "Auf gewissen Stufen der Gesellschaft und unter gewissen Einflüssen bildet sich stets eine Menge von Wundererzählungen um jede hervorragende Person oder Institution. Wir können die allgemeinen Ursachen analysiren, welche die Menschen zum Wunderglauben getrieben haben. Wir können zeigen, daß diese Ursachen niemals verfehlt haben ihre Wirkung hervorzubringen und wir können die allmäliche Veränderung der Geisteszustände auffinden, welche stets das Sinken dieses Glaubens begleiten. Wenn die Menschen des kritischen Geistes noch bar sind, wenn der Begriff des gleichförmigen Gesezes noch nicht erwacht ist und wenn sie noch unfähig sind, sich zu abstrakten Ideen zu erheben, dann werden stets Wundergeschichten gebildet und immer auch geglaubt werden, und sie werden fortfahren zu blühen und sich zu mehren, bis diese Zustände sich geändert haben. Die Wunder hören auf, sobald die Menschen aufhören, sie zu glauben und zu erwarten." Die Leichtfertigkeit dieser Säße ist in der That bezeichnend für den Standpunkt der Aufklärung. Denn so ziemlich von allen den Dingen, welche der Kritiker mit so großer Bestimmtheit zeigen zu können versichert, läßt sich vielmehr leicht das Gegentheil zeigen.

Es ist nicht wahr, daß die Wunder aufhören, sobald sie aufhören geglaubt zu werden. Der kurze, geschichtliche Ueberblick, den wir gegeben haben, beweist, daß sie inmitten unseres wunderleugnenden Zeitalters noch ebenso häufig berichtet werden, wie in vergangenen Zeiten. Es ist nicht wahr, daß man die geistigen. Veränderungen nachweisen kann, welche das Sinken des Wunderglaubens stets begleitet haben, denn dieses Sinken hat in der ganzen Geschichte der Menschheit nur einmal, nämlich in Europa seit ca. 200 Jahren stattgefunden. Es ist nicht wahr, daß Wundererzählungen sich stets um jede hervorragende Person oder Institution gebildet haben. Der Kritiker kann selbst nur religiöse Personen oder Institutionen meinen. Nun gibt es aber eine Menge solcher Personen, z. B. Confucius, Sackyamuni, Muhamed, in der christlichen Kirche Johannes den Täufer, die größten Kirchenväter, die Reformatoren, von welchen trok des Wunderglaubens ihrer Zeit keine Wunder berichtet werden. Die hervorragendste Institution des Mittelalters ist das Papstthum, aber während seiner fast 2000jährigen Geschichte haben sich keinerlei Wunderberichte um dasselbe ge= rankt. Nur wenige Wunderthäter sind überhaupt Personen von

*) Lecky, Geschichte der Aufklärung.

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