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Der philosophische Pessimismus.

Diese Theorie wird indeß stets schon an der nicht wegzuleugnenden Thatsache des individuellen Bewußtseins scheitern. Ich weiß mindestens mich selbst als ein von dem Absoluten verschiedenes Einzelwesen und wenn dieses Bewußtsein auch eine noch so vorübergehende Erscheinung wäre, so würde es doch bewiesen haben, daß außer dem allgemeinen Naturwillen noch etwas Anderes da war. Gibt es aber überhaupt eine Wesens vielheit innerhalb der geistigen Welt, so ist nicht abzusehen, warum alles Unbewußte nur eine große Einheit bilden sollte. v. Hartmann, der dies beson= ders darzuthun bemüht ist, betrachtet doch die Organismen wenigstens als selbstständig arbeitende Mechanismen. Er findet, daß das „Unbewußte" sich durch die Maschinerie der Organisation ein für allemal die Arbeit leistet, die es sonst in jedem einzelnen Falle thun müßte, und bemerkt: „Um wie vielmehr die Klugheit dessen zu loben ist, der sich einer stets wiederkehrenden Arbeit durch die Construktion einer sinnreichen Maschine überhebt, als dessen, der dieselbe in jedem einzelnen Falle auf's Geschickteste selbst verrichtet, so müssen wir auch die Weisheit des „Unbewußten" weit mehr da noch bewundern, wo dasselbe sich einen Theil der Eingriffe durch eigens dazu hergestellte Mechanismen - erspart, als da, wo dasselbe die vorhandene Aufgabe durch fortwährendes, directes Eingreifen in vortrefflichster Weise löst. *)" Da er ferner den Stoff in Kraft auflöst, so daß, „was als Stoff erscheint, bloßer Ausdruck eines Gleichgewichts entgegengesetter Thätigkeiten, ein Conglomerat von Atomkräften, d. h. Willensakten des Unbewußten sei, von diesem Punkt des Raums in dieser Stärke anzuziehen, von jenem Punkte in jener Stärke abzustoßen," so werden die Organismen zu einer Vielheit geistiger Mechanismen oder einzelner Mittelpunkte von zweckmäßigen Thätigkeiten und Kräften, die zwar durch das Absolute gesezt sind, aber statt seiner arbeiten, also relativ selbstständig sind. Dies sind offenbar nichts Anderes als unbewußte Seelen, Entelechieen, von Gott zwar geschaffen, aber von Gott unterschieden. Wenn nun v. Hartmann nachweist, daß es auch im Menschen eine Menge geistiger Vorgänge gibt, von denen sein Bewußtsein nichts ahnt, so zeigt er nur, daß auch dem Menschengeist eine solche Entelechie als sein alter ego beigegeben ist, welches dem Bewußtsein viele Arbeit leistet, aber auch mit einer gewissen Selbstständigkeit unterstellt ist. Wie aber daraus die Unbewußtheit des Absoluten folgen soll, ist schwer zu begreifen. Man könnte mit demselben Rechte behaupten, daß die Uhr in meiner Tasche das Werk eines unbewußten Uhrmachers sei. Bekanntlich hat denn auch nicht das unbewußte Seelenleben jene Philosophen zu dieser Idee verleitet, sondern ihre pessimistische Weltanschauung.

*) Philosophie des Unbewußten, S. 522, vrgl. S. 323.

Wunder und Naturgeses.

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„Dem Pantheismus" sagt Schopenhauer ist die Welt eine Theophanie. Man sehe sie doch aber nur einmal darauf an, diese Welt beständig bedürftiger Wesen, die bloß dadurch, daß sie einander auffressen, eine Zeitlang bestehen, ihr Dasein unter Angst und Noth durchbringen und oft entseßliche Qualen erdilden, bis sie endlich dem Tode in die Arme stürzen. Wer dies deutlich in's Auge faßt, wird gestehen müssen, daß einen Gott, der sich hätte beigehen lassen, sich in eine solche Welt zu verwandeln, doch wahrlich der Teufel geplagt haben müßte.“ Und v. Hartmann: „Wir haben gesehen, daß in der bestehenden Welt Alles auf's Beste und Weiseste eingerichtet ist und daß sie als die beste von allen möglichen Welten angesehen werden darf, daß sie aber troßdem schlechter ist als gar feine. Hätte Gott wirklich ein Bewußtsein von der Schöpfung, so wäre diese ein unentschuldbares Verbrechen. Da ihr Daß nur als Resultat eines blinden Willens verzeihlich und begreiflich ist, so wäre der ganze Weltproceß eine bodenlose Thorheit, da sein einziges Ziel: ein starkes, selbstständiges Bewußtsein, schon ohne ihn vorhanden wäre." Solche Ansichten zu widerlegen ist nicht unser Zweck.

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Jedenfalls hat die theologische Abneigung vor den mystischen Phänomenen einen wesentlich einfachern Grund. Sie entsprechen nicht dem kirchlichen Wunderbegriff und geben, so lange man diesen festhält, nothwendiger Weise Veranlassung zu Verwirrung der religiösen Begriffe und zu den bedenklichsten praftischen Verwirrungen. Man suchte die Ursache davon in den Thatsachen, ohne zu fragen, ob sie nicht vielleicht in einem Fehler des dogmatischen Systems liege?

Der Begriff des Wunders hängt ab von der Bestimmung seines Verhältnisses zum Naturgeseß einerseits und zur Offenbarung andrerseits. Aus unserer Darstellung ergab sich schon, daß die mystischen Erscheinungen einer gewissen Gesezmäßigkeit unterliegen und wesentlich dem Gebiete des Seelenlebens angehören, so daß von einem eigentlichen Gegensaß derselben gegen die Naturgeseze nicht die Rede sein kann. In einen solchen wird aber das Wunder gewöhnlich gestellt. Noch Augustin leugnete denselben. „Wie ist gegen die Natur," ruft er aus, *) was dem Willen Gottes entspricht, da doch der Wille des Schöpfers eben die Natur eines jeden Dinges ist? Wenn Gott Wunder thut, so thut er nichts gegen die Natur. Nur uns scheint das Außerordentliche naturwidrig zu sein, aber nicht Gotte, der die Natur gemacht hat." Dagegen erklärte Thomas von Aquino: **) „Es genügt nicht zum Begriff des Wunders, daß etwas über die Ordnung eines

*) De civ. Dei XXI., 8. **) Summa I., 110, 4.

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bestimmten Naturgefeßes hinausgehe, sonst würde Jemand ein Wunder thun, wenn er einen Stein emporwirft. Vielmehr heißt etwas ein Wunder, weil es über die Ordnung der gesammten, geschaffenen Natur hinausgeht, in welchem Sinne Gott allein Wunder thut. Uns sind nicht alle Naturgeseze bekannt. Wenn also etwas gegen die Ordnung der uns bekannten Natur geschieht, so wird das wohl für uns ein Wunder sein, aber nicht an sich." Dieser absolute Wunderbegriff ist der herrschende geworden, er ist aber gleichwohl unhaltbar. Sehr gut hat dies Flügel gezeigt.*) Das Naturgeseß ist nicht eine ideale Norm, welche noch außerhalb des Naturgeschehens eristirt, wie etwa das Sittengesez, dessen Gültigkeit unabhängig davon ist, ob ihm das Verhalten der Menschen entspricht; sondern das Naturgeseß ist nichts als der begriffliche Ausdruck, mit dem wir die constante Art und Weise des Naturgeschehens bezeichnen. Wenn ein Naturereigniß von dem angenommenen Geseße abwiche, so wäre damit lediglich bewiesen, daß das Naturgesez als solches voreilig und mit Unrecht angenommen oder wenigstens unvollständig formulirt ist. Die Natur könne von ihren Gesezen abweichen, hieße behaupten, es könne unter denselben Bedingungen bald dies bald jenes geschehen. Damit wären sie für Bedingungen erklärt, die nichts bedingen. Mit der Unabänderlichkeit der Naturgeseße ist aber die Unmöglichkeit des Wunders im absoluten Sinne ausgesprochen. Denn wie würde Gott verfahren müssen, um eine Abänderung des geseßlichen Charakters der Natur zu bewirken? Man müßte entweder denken, die Allmacht könne gebieten, daß die Kräfte, welche den Atomen oder Atomcomplexen innewohnen, etwas wirken, was nicht in ihrem Begriffe liegt und umgekehrt. Dies heißt ebensoviel, als daß Gott einen rechten Winkel von 95 Grad schaffen könne. Oder man müßte sich vorstellen, daß Gott das eine Atom oder den Atom= compler seiner unabänderlichen Kräfte ganz berauben und mit andern behaften könne. „Dies würde etwa soviel heißen: Der Sauerstoff höre auf, die Kräfte oder Eigenschaften zu haben, die ihn zum Sauerstoff machen und äußere andere Kräfte etwa die des Kohlenstoffs u. f. w. Aber die Kraft ist nicht etwas von dem Stoffe Abtrennbares, nach dessen Abzug doch noch der Stoff als Anhaltepunkt für andre Kräfte übrig bliebe. Stoff und Kraft sind eins. Nun so möge doch, wird man sagen, der Stoff für einen Augenblick aufhören, das zu sein, was er ist und möge dann auch anders wirken als seiner Natur gemäß ist, hinterher könnte er immerhin seine alte Qualität wieder annehmen. Allein wer soll denn seine Natur ändern und dann wieder annehmen?

*) Vrgl. die Schrift von Flügel, Das Wunder und die Erkenn= barkeit Gottes, Leipzig 1869.

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Nun der Stoff! Der Stoff ist aber nichts ohne seine Natur, ist kein Behältniß, welches bald diese Natur bald eine andre in sich aufnehmen könnte. Die Zumuthung, der Stoff solle seine Natur ändern und doch derselbe Stoff bleiben, heißt nichts Anderes, als er soll sein das, was er ist, und wieder nicht sein, was er ist, und dabei zugleich auch sein, was er nicht ist. Man hat hier die berüchtigte Identität von Sein und Nichtsein in aller Strenge. Die Natur eines rechten Winkels ist eben die, daß er ein rechter ist. Nun kann er nicht unbeschadet seines Bestehens als rechter bald die Natur eines stumpfen, dann eines spißen und endlich wieder eines rechten annehmen. Man darf wohl Luthers Scherzwort: „Gott ist über alle Mathematik" nicht zu weit ausdehnen. Denn gibt man auch zu, bemerkt ein Scholastiker, daß bei Gott kein Ding unmöglich ist, so darf man dabei doch nicht an ein Unding denken." Die alten Dogmatiker haben den Begriff des absoluten Wunders als Aufhebung sämmtlicher Naturgeseze gefaßt. Darin liegt die Behauptung, daß wenigstens für die Zeit des Wunders überhaupt kein Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestehe. Auch geht man damit weit über das Ziel hinaus. Denken wir uns, das Wandeln Jesu auf dem Meere sei durch Aufhebung des Gesetzes der Gravitation hervorgebracht, so wäre nicht nur in demselben Augenblicke auf der ganzen Erde nichts ge= fallen, sondern die Erde selbst durch die Centrifugal-Kraft aus ihrer Bahn geschleudert. Am schlimmsten aber wäre, daß das Wunder selber nichts Außerordentliches mehr gewesen wäre, weil die übrigen Dinge ebenfalls daran theilgenommen hätten. Der geordnete regelmäßige Naturlauf ist als Folie für den Glanz des einzelnen Wunders eben unerläßlich. Wenn man, um dem zu entgehen, zu jedem Wunder noch ein zweites als Complement an= nahm, durch welches die gewöhnliche Ordnung wieder hergestellt wurde, so reicht dies doch offenbar nicht aus, da die Aufhebung eines Naturgeseßes geschweige aller sich im Universum ohne Zweifel schon in einem Momente bemerkbar genug gemacht haben würde. Nur in dem Gedanken einer Neuschöpfung ist der absolute Wunderbegriff zu halten. Die Allmacht müßte den Stoff gänzlich vernichten und an seine Stelle einen durchaus andern, mit neuen Kräften begabten, erschaffen. Wenn die Welt aus dem Nichts erschaffen und ihre Erhaltung selber nichts als eine fortgesette Schöpfung ist, so ist gegen die Möglichkeit solcher Allmachtsthaten an sich allerdings nichts einzuwenden. Dennoch wird man sich nur schwer zu einer solchen Annahme entschließen können. Es ist der naivsten Naturbetrachtung unmöglich, das große Gesez der Sparsamkeit zu verkennen, welches durch die ganze Natur geht und recht eigentlich die erhabene Harmonie des Weltganzen be= gründet, indem es mit den einfachsten und elementarsten Mitteln

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Ueberwindung des Naturgesezes.

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die wundervollsten Erfolge erreicht und in der unendlichsten Mannig faltigkeit die vollkommenste Einheit erkennen läßt. Damit hängt das ebenso schöne Geseß der Continuität zusammen. Die Natur macht nirgends Sprünge. Sie verbindet, vermittelt alle ihre Erscheinungen durch sanfte, oft kaum merkliche Uebergänge. Von radicalen Vernichtungen bestehender Substanzen und unvermittelter Erschaffung neuer gibt sie kein Beispiel. In der Auffindung dieses Alles verbindenden Causalzusammenhanges besteht die Naturwissenschaft. Behaupten, daß derselbe irgendwo abreißen könne, heißt sie zum Stillstand, zum Tode verurtheilen. Darum muß sie ein unversöhnlicher Feind des absoluten Wunders sein. „Nehmen wir an," sagt Kant, daß Gott die Natur bisweilen und in besonderen Fällen von ihren Gesezen abweichen lasse, so haben wir nicht den mindesten Begriff und können auch nie hoffen, einen von dem Geseze zu bekommen, nach welchem Gott alsdann bei Veranstaltung einer solchen Begebenheit verfährt. Hier wird nun die Vernunft wie gelähmt, indem sie dadurch in ihrem Geschäfte nach bekannten Geseßen zu erklären aufgehalten, durch kein neues aber belehrt wird, auch nie in der Welt davon belehrt zu werden hoffen darf. Sogenannte Naturwunder werden mit Begierde aufgefaßt, und ermuntern das Gemüth, da es hingegen durch die Ankündigung eines wahren Wunders niedergeschlagen wird. Denn die ersteren eröffnen die Aussicht in einen neuen Erwerb von Nahrung für die Vernunft. Sie machen nämlich Hoffnung neue Naturgesebe zu entdecken. Das zweite dagegen erregt Besorgniß, auch das Zutrauen zu den schon für bekannt angenommenen zu verlieren. *)"

Bei den neueren Dogmatikern ist denn auch eine andere Auffassung des Wunders vorherrschend. Man erklärt dasselbe aus dem Verhältnisse einer höheren Ordnung der Dinge zu einer niederen, bei welcher die Geseße und Kräfte der niederen nicht aufgehoben, sondern durch andere, höhere überwunden und so neue und eigenthümliche Wirkungen hervorgebracht werden. Das ist das relative Wunder. Eine höhere Naturordnung ist aber eine solche, welche sich nicht mit Nothwendigkeit aus der niederen entwickelt, sondern ein selbstständiges nur aus einem Schöpfungsakt herzuleitendes Daseinsgebiet bildet. Auf eine Neuschöpfung, welche die Continuität der Natur-Erscheinungen durchbricht, wird also das Wunder zwar auch hier zurückgeführt, aber nur mittelbar, sofern nicht jedes einzelne Wunder, sondern die ganze Ordnung der Dinge, welcher es angehört, einer unmittelbaren Allmachtsthat ihr Dasein verdankt. Definirt man das Wunder nur als Unterbrechung oder Suspendirung eines Gesezes, so hat man hiemit

*) Religion innerhalb der Gr. der bl. Vernunft II. St. Anmerk.

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