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Moscherosch eine Schrift, die zweifellos im Geiste Fischarts ausgefallen wäre; gerade in seinem Freundeskreise regte sich warmer Sinn auch für unsere Taufnamen.'

So tritt Fischart mit nationalem Stolz gegen Tendenzen auf, deren undeutscher Grundzug keinem Zeitalter klarer werden mußte als dem Jahrhundert der Reformation. Der Sieg der vaterländischen über die lateinischen Taufnamen war freilich dem Eifer und der Begeisterung der protestantischen Vorkämpfer des Deutschtums nicht gleich. Der Erfolg lehrt, daß die alten katholischen Vornamen zu tief eingewurzelt waren. Aber das danken wir jener großen Zeit und ihren großen Männern, daß unsere altehrwürdigen Namen nicht völlig der Vergessenheit anheimgefallen sind. Unsere Dichterfürsten des 18. Jahrhunderts haben die Vornamen Wolfgang, Friedrich, Gotthold, Gottlieb, Gottfried, Heinrich, Wilhelm die hervorragenden Vertreter des 16. Jahrhunderts führen die Taufnamen Martin, Philipp, Johannes, Desiderius, Nicodemus, Egidius, Sebastian, Thomas. So kommen durch die protestantische Bewegung die deutschen Taufnamen wieder in Ansehen; in den protestantischen Landschaften und Kreisen erfreuen sich bis heute die altgermanischen Namen einer weit größeren Verbreitung als in den katholischen.

Auch die Mode der Humanistennamen ist keineswegs mit dem Jahrhundert der Reformation abgetan. Der Geist des älteren Humanismus bleibt bei uns bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, wo die Blüte einer schönen Literatur uns Deutschen das echte Wesen des klassischen Geistes erschließt. Ehe sie erschien, wurde ein anderer Einfluß für Deutschland verhängnisvoll, und der Muttersprache drohte von ihm eine um so größere Gefahr, als er von einem benachbarten Kultur

* Vgl. die puristische Schrift der deutschen Sprache Ehrenkranz', Straßburg 1644 und dazu Erich Schmidt in der Zsch. f. d. A. XXIII 78; über Fischart vgl. Alemannia I 124.

volk ausging, das durch glückliche Lebensbedingungen früh zur geistigen Herrschaft über das ganze Abendland berufen schien. Schon einmal hat derselbe Feind unsere Sprache bedroht. Im Zeitalter der höfischen Dichtung waren große maßgebende Gesellschaftsklassen und die für sie bestimmten literarischen Erzeugnisse in den Zugeständnissen an das Französische über das Maß des Erlaubten hinausgegangen. Aber die Gefahr war damals eine geringe und wuchs erst später in demselben Maße, als sich mit der Erfindung der Buchdruckerkunst die sprachlichen Wirkungen der Literaturwerke stetig steigerten. Was im Mittelalter der Sprache exklusiver Kreise Spuren aufdrückte, mußte fortan für die Sprache aller Schichten verhängnisvoll werden. Und um so gefährlicher war jetzt der alte Feind, als unsere Schriftsprache erst in ihren Anfängen stand. Noch war der Kampf um dieselbe nicht in allen Gebieten unseres Vaterlandes endgültig entschieden; noch war das Deutsche nicht reif, um für einen großen Gehalt gleichwertige Formen zu bieten; noch huldigten die Gelehrten der Sprache des Mittelalters. Inmitten dieser gärenden Zeit wirkt der neue Einfluß so zerseßend wie ein scharfer Giftstoff, der sich rasch durch alle Gewebe eines Organismus hindurch frist.

9. Ideal und Mode.

Luther und seine deutsche Bibel hatten die Sprache Obersachsens über alle Literaturdialekte erhoben. Das Ansehen dieser Sprache, die für große Teile Deutschlands eine religiöse Weihe besaß, steigerte sich durch das ganze 17. Jahrhundert, und noch im 18. Jahrhundert ist es sicher und fest. Was im Sturm und Drang der religiösen Erhebung entstanden war, das wird durch den Sturm und Drang einer dichterischen Revolution eingeschränkt. Wenn sich Goethe im Hinblick auf

seine Leipziger Studienjahre beklagt, daß Deutschland lange unter dem Druck einer sprachlichen Einseitigkeit gelitten habe, so ergibt sich klar, wie hoch er die Vorherrschaft Meißens in sprachlichen Dingen einschätzte. Sein Lehrer Gellert und dessen überlegener akademischer Kollege Gottsched waren ganz im Banne des Meißnischen. Der letzte große Schriftsteller, den Obersachsen gezeugt hat, ist Lessing, der schon den Bann bricht. So lange gilt das gleiche Ideal und die Fortdauer dieses Jdeals spricht für die Einheitlichkeit unserer sprachlichen Entwicklung von Luther bis Lessing.

Wie gleichmäßig klingt durch zahllose Schriften dieses ganzen Zeitraums die Anerkennung des Meißnischen. Wie man in der Zeit unseres höfischen Minnesangs mit dem Schlagwort 'vlæmischen' d. h. Flämisch reden', Flämisches in Lauten und Worten nachahmen' auf ein nordwestliches Ideal hindeutete, so hörte man jetzt in Oberdeutschland von der Mode des meichsnerens'. Man konnte damit ein Ideal bezeichnen, das voll berechtigt war. Aber zugleich gestattete der Ausdruck einen höhnenden, spöttischen Gebrauch. 2

2

Ein solches Schlagwort wurde mit der Zeit immer berechtigter. Luther ist lange nicht in demselben Maße wie die Folgezeit sprachlich von Obersachsen abhängig. Sein Deutsch zeigt starke Zugeständnisse an Oberdeutschland. Und darin erkennen wir eben sein hervorragendes Verständnis für die

· Der meißnische Chronist Nivemontius sagt von seinem Heimatsdialekt, es bedürfe keines Beweises, daß das Meißnische allerwärts in Deutschland angesehen sei; es würden Meißner im Auslande wegen ihrer Sprache zu Ehren gebracht, und Meißnische Prediger höre man überall am liebsten (neue meißznische Chronik S. 638). Diese Angaben erhalten eine schöne Bestätigung durch die Tatsache, daß im Jahre 1562 ein aus Mecklenburg stammender Maler seinen jüngeren Bruder von Schwerin zu sich nach Meißen einlud, „damit er besser die meißnische Sprache erlerne.“ 2 ich meichsner 'misnisso' Albertus Ostrofrankus, Teutsch Grammatik oder Sprach-Kunst. 1573 (Neudruck von Müller-Fraureuth S. 96).

sprachlichen Erfordernisse seiner Zeit, daß er oberdeutsche Bestandteile in seine Sprache aufnahm. Aber nachdem das Ansehen seiner Bibelübersetzung das Jdeal Obersachsens gesichert hatte, treten stärkere obersächsische Farben in der Sprache unserer Literatur auf. Während Luther die Diminutivbildung -chen literarisch zugunsten einer südlichen endung -lin gemieden hatte, erhebt sich immermehr die Vorliebe für -chen.

Ein Zeugnis gleicher Art steckt in der Ableitungssilbe -enzen wie in faulenzen, das eigentlich nach faulem riechen oder schmecken" bedeutet. Von Bildungen der Art hat Luther nur judenzen d. h. sich jüdisch benehmen. Aber nach Luther mehren sich die Zeugnisse dieser Wortbildung endlos.1 Noch Thomasius gebraucht wiederholt pabstenzen, d. h. nach dem Papsttum schmecken. Und Gottsched bezeichnet mit brittenzen einen neuen literarischen und sprachlichen Geschmack, der auf Engländerei hinauszulaufen schien. So zeigt im 17. Jahrhundert die Sprache obersächsischer Schriftsteller stärkere Einmischung ostmitteldeutscher Eigenart, als man bei Luther findet. Und die angesehensten unserer Dichter beugen sich vor der Herrschaft, auch wenn sie in anderen Landschaften heimatsberechtigt waren. Deshalb kann der Schlesier Opitz einen elsässischen Freund brieflich warnen, von seinem elsässischen Literaturdialekt Gebrauch zu machen: hoc tamen nunc habe, veluti ego Silesiaca dialecto non utor, ita neque vestra Alsatica uti te posse. Est quoddam, quasi Atticum apud Graecos, genus quod Lutheranum vocitare per me potes, hoc nisi sequaris, erres necesse est. 2

Wie für Opitz Lutherdeutsch und Schriftsprache eins ist, so kehrt auch sonst der Vergleich des Meißnischen mit der Stellung des Attischen innerhalb der altgriechischen Mundarten

1

Vgl. mein etymologisches Wörterbuch (6. Aufl.) unter faulenzen. 2 Opiß an den Straßburger Venator (4. 7. 1628) bei Reifferscheid, Quellen zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland während des 17. Jahrhunderts I 321.

öfters wieder. Allerdings war man sich vielfach bewußt, daß die mundartliche Aussprache des Obersächsischen, weil von der herkömmlichen Rechtschreibung stark abweichend, nicht gerade als musterhaft galt. Aber es handelt sich in der Geschichte unserer Sprache während des 16. und 17. Jahrhunderts noch nicht um eine Einigung oder auch nur ein Ideal in bezug auf die Aussprache, vielmehr geht für die ganze Zeit das Streben nur nach einer Einigung auf dem Papier. Das tritt 3. B. klar zutage in dem Zeugnis eines Östreichers und Katholiken, dem das Ansehen des Meißnischen eben so hoch steht wie dem Dichter Opitz. Scioppius sagt 1626 in der ,,Consultatio de prudentiae et eloquentiae parandae modis in adolescentis cuiusdam Germani usum.":,,Inter principes familiam ducit et primas obtinet dialectus Misnica, quae Germanis idem est quod Graecis Attica, Italis Florentina, Gallis Aurelianensis, Hispanis Toletana; Misnenses enim optimis et probatissimis vocabulis ac phrasibus utuntur, quamvis in pronunciandis diphthongis et consonantium nonnullis risum caeteris Germanis merito moveant. Verbi gratia cum dicunt Heebt pro Haubt, Zeeberer pro Zauberer, Jott pro Gott, Gar pro Jar. Jott jeb euch ein jutes naues Gar." Solche Zeugnisse stehen in großer Fülle zur Verfügung: Meißnisch und obersächsisch sind für diese Zeit mit Lutherdeutsch gleichbedeutend. 2

Wenn aber Athen unbestritten der Mittelpunkt des Attischen war, so bestand doch keine Übereinstimmung darüber, in

1 Pfeiffer Germania XI 320 f.

2 Vgl. z. B. Francisci, Alleredelste Kunst etc. (Frankfurt 1670) S. 123 f.: über die Abweichung der Idiomaten oder Land-Sprachen von der rechten, reinen (verstehe obersächsischen) Sprache.“ Schnabel, Insel Felsenburg (Neudr. I 75): „Meine Verwunderung war ungemein, da ich etliche 30 ansehnliche Männer in frembder doch recht guter Tracht um uns herum sahe, sie umarmeten mich alle ordentlich nach einander, und redeten so feines Hochteutsch, als ob sie gebohrne Sachsen wären.“

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