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Kapitel II.

Das Erkennen, die Wahrheit, die Sprache.

Man bezeichnet mit dem Worte Erkennen gewöhnlich eine Geistesthätigkeit höherer Art, welche von verhältnismässig wenigen Menschen geübt werde, in welcher sich ein hervorragender Verstand, ein besonderer wissenschaftlicher Sinn kund gebe. Es ist aber kein ausreichender Grund vorhanden, dem Erkennen nur auf einer gewissen Stufe seiner Entwickelung diesen Namen zu geben, und wenn durch unser Wesen selbst wir uns getrieben fühlen, die Trennung des Ich vom Universum für unser Bewusstsein aufzuheben, so ist auch dem Menschen als solchem schon das Erkennen zuzusprechen, wie ihm die Sprache ja auch den Namen des Denkenden (sskr. manu) gegeben hat.

Das mit dem Erkennen nicht das Kennen verwechselt werden dürfe, ist im Vorhergehenden bereits besprochen. Das Kennen für sich ist keine dem Menschen unterschiedlich von den Tieren zukommende Lebensäufserung. Es entspringt aus dem natürlichen Gebrauch der Sinnesorgane, wird, wie bei den Tieren, auch wohl von Lauten begleitet, bietet jedoch nur erst das Material für ein Erkennen, gerade wie die ihm eigenen Laute sich nur als Material verhalten zur Sprache. Mit dem Erkennen drückt die Seele ebenso ihrem Kennen wie ihrer Lauthervorbringung ihr Gepräge auf und artikuliert sie. Ohne die Laut-Produkte unserer Bildekraft würde dem Erkennen ein Körper fehlen, (1) wie ihn jeder geistige Akt zu seiner Verwirklichung verlangt. Durch diese Lautsprache schafft sich die erkennende Seele ihre besondere Welt, welche ihr eine wirkliche bedeutet.

Es fragt sich, ob Sprache immer ein Erkennen oder ein Erkanntes ausdrücke, da sie doch auch z. B. Wollen und Fühlen kund gebe und mitteile. Wenn wir die Frage durchaus bejahen, scheint doch eine Erläuterung nötig.

Gerber, die Sprache und das Erkennen.

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Das Erkennen der Seele kann sich auf jeden Vorgang richten, der ihrem Kennen unterliegt, also auch auf Akte ihres Wollens oder Fühlens, von denen sie unmittelbar, als sie bewegend, Kenntnis hat, welche sie fühlt. Indem aber diese Akte zu einem sprachlichen Ausdruck gelangen, werden sie geändert. Sie erhalten die Form, in welcher allein sie dem Bewusstsein zugänglich werden konnten, und die Unmittelbarkeit ihres Wirkens wird damit gebrochen. Kundgebung eines Wollens durch Sprache ist nicht die urwüchsige; das Begehren an sich würde keiner Sprache bedurft haben und hat keine geschaffen. Gebärde und Schrei würden das Objekt des Begehrens und das Begehren selbst bezeichnen können, aber der gebildete Mensch bedient sich der Sprache als Mittel, um alle Seelenakte zu äussern. Der Satz „ich begehre dies oder jenes" besagt: ich bin mir bewufst, dafs in mir ein Begehren ist, und ich bin mir bewufst, dafs ich das Objekt desselben als solches kenne. Und ebenso stellt die Sprache das Gefühlte nur dar als ein Erkanntes. Gefühle sind an sich unaussprechlich, und ihre Naturkraft schwindet, wenn sie in die Formen der Sprache eingehen, in die Helligkeit des Bewulstseins gestellt werden. „Ich fühle Schmerz" ist kein unmittelbarer Ausdruck des Schmerzes, sondern des um einen gewissen Zustand der Seele wissenden Bewusstseins. (2)

In der That wird der Zusammenhang der Denkakte mit dem Sprechen so unabweislich empfunden, dafs man von je her sie zu Einem Vorgang zusammenzufassen suchte. Móyos war den Griechen Seele und Körper Einer Wesenheit, Vernunft und Sprache, und so sagt Plato, Gedanke und Rede seien dasselbe, nur so, dafs jener dessen innerliche Seite darstelle, diese die äufsere. Wolle die Seele erkennen, so führe sie mit sich selber ein Gespräch, wenn auch unter Zurückhaltung der Stimme. (3)

Man führte jedoch diese Ansicht nicht durch, man trennte Sprache vom erkennenden Denken, und ging endlich bis zu völliger Entgegensetzung fort. Freilich boten sich hierfür gewichtige Gründe. Denn das erkennende Denken will die Wahrheit, aber die Sprache folgt diesem Wollen nicht immer und erscheint so nicht als Verwirklichung des Denkens, sondern nur als ein mehr oder weniger zufälliges Mittel, es darzustellen. Aristoteles sagte z. B. Beweise richteten sich nicht auf die äufsere Rede, sondern auf die in der Seele, die erstere lasse immer, die letztere nicht immer Einwände zu. So unterschieden auch die Stoiker zwischen dem λόγος ἐνδιάθετος und προφορικός, dem Gedanken

und dessen lautlicher Äufserung, jener göttlicher Art, diese auch den unvernünftigen Geschöpfen nicht versagt. (4) Diese Entgegensetzung ist von den Neueren immer stärker betont worden. Berkeley z. B. (Einl. zu den Princip. of Hum. Knowl.) redet von solchen (Locke), die den Rat geben, überhaupt beim Forschen nicht auf die Worte zu achten, da diese täuschen; und er selbst bittet den Leser, seine Gedanken rein als solche, ohne die entstellende Hülle der Worte aufzufassen. Hamann (Schriften, ed. Roth, T. 7) spricht (p. 29) von einem „Schlangenbetrug der Sprache", obwohl er (p. 151) andererseits dreimal wiederholen mufs: Vernunft ist Sprache, 2óyos." (5) Die Männer des Erkennens haben es denn auch an Lehren nicht fehlen lassen, wie man sich bei den Arbeiten des Erkennens vor dem unrichtigen Gebrauch der Sprachmittel zu hüten habe. Aristoteles z. B. wendet sich in seiner Schrift περὶ σοφιστικῶν ἐλέγχων besonders gegen die Trugschlüsse, welche durch unzulässige Verwendung der Wörter herbeigeführt werden, Lockes zehntes Kapitel des dritten Buchs seines Essay concerning human understanding handelt in 34 Paragraphen von dem Mifsbrauch der Worte, und das elfte in 27 von den Mitteln, die hiergegen anzuwenden seien, und Leibnitz' „Nouveaux essais sur l'entendement humain" begleiten diese Ausführungen an den entsprechenden Stellen mit ihren Bemerkungen. Locke ist anfänglich, wie er sagt, ohne Arg an die Untersuchung des Erkennens gegangen, hat aber später gefunden, dafs er notwendig vorher sich über das Wesen der Sprache und die demselben anhaftenden Unvollkommenheiten orientieren müsse, da das Erkennen es immer mit Sätzen zu thun hat, wenn es mit der Wahrheitsforschung sich beschäftigt. (6) So wurde denn auch gegen Kants Kritik der reinen Vernunft", also eine solche (Vorrede der ersten Auflage): „des Vernunftvermögens überhaupt in Ansehung aller Erkenntnisse, zu denen sie, unabhängig von aller Erfahrung, streben mag", die Sprache entgegengehalten, als welche notwendig in Ansatz zu bringen sei. Hamann (Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft, Schriften, T. VII, p. 5 ff.) bemerkt: „Die erste Reinigung der Philosophie bestand in dem Versuch, die Vernunft von aller Überlieferung, Tradition und Glauben daran unabhängig zu machen. Die zweite (Kant) ist noch transscendenter, und läuft auf nichts weniger als eine Unabhängigkeit von der Erfahrung hinaus." „Der dritte, höchste und gleichsam empirische Purismus betrifft also noch die Sprache, das einzige, erste und letzte Organon und Kriterion der

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Vernunft." Jakobi sagt (Allwills Briefsammlung. Zugabe, p. 109): Werde ich es sagen, endlich laut sagen dürfen, dafs sich mir die Geschichte der Philosophie je länger destomehr als ein Drama entwickelte, worin Vernunft und Sprache die Menächmen spielen?" Mehrere behaupten, es sei nun (nach Kant) das Ende (dieses Drama) schon gefunden und bekannt. Vielleicht mit Recht. Und es fehlte nur noch an einer Kritik der Sprache, die eine Metakritik der Vernunft sein würde, um uns alle über Metaphysik eines Sinnes werden zu lassen." Herder sagt (Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft, T. I., p. 451): „Der Bau menschlicher Sprache von ihrem Grunde aus vernichtet grundaus das Spielwerk eines gegenstandlosen Verstandes a priori." Er fragt (T. II, p. 56) in Beziehung auf Kants Paralogismen der reinen Vernunft": „Konnte, ja mufste die Vernunft, ihrer Natur nach, unvermeidlich fehlschliefsen; womit verbürgt der dialektische Kritiker sich, dafs nicht auch Er paralogisiere?" Er führt dann aus (p. 70ff.), dass die Sprache es sei, durch welche solche Paralogismen entständen, „die höchst unreine, dialektische Zank- und Kathedervernunft, die auf jedes Wort ein Gegenwort hat." Die kritische Philosophie besonders habe irreleitende Wortschälle" eingeführt.

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Da ist nun manches unklar. Wir haben nicht die Absicht, die einzelnen Meinungen zu besprechen, versuchen jedoch, die Punkte aufzuhellen, von denen aus Klarheit zu gewinnen ist. Offenbar befriedigen die Resultate unserer Wahrheitsforschungen uns nicht, sei es, weil sich ihnen zu häufig Irriges beimischt, sei es, weil sie überhaupt den Ansprüchen nicht genügen, zu denen. wir uns berechtigt halten. Vernunft und Sprache sind die Faktoren, durch welche uns jene Resultate erworben werden, und es fragt sich nun, wer von ihnen verantwortlich zu machen ist. Man kann sich vorstellen, dafs Vernunft, die reine, das Göttliche in uns, für sich die Wahrheit nicht verfehlen könne, ja sie in sich trage, dafs aber deren Verbindung mit der Sprache sie in schlimmer Weise beeinflusse, so dafs gröfste Vorsicht geboten sei in deren Verwendung, jedenfalls aber beim Erkennen mit Vernunft und Sprache getrennt zu operieren und die erstere möglichst unabhängig von der letzteren zu halten sei. Man kann jedoch auch der Ansicht sein, dafs in Wirklichkeit wir eben keine reine Vernunft besitzen, dafs also zwar auch Irrtum durch unangemessenen Gebrauch der Sprache allein sich erzeuge, dafs aber im wesentlichen unser ganzer Erkenntnisapparat nur von bedingtem Werte sei, dafs also durch Sprache nur deutlich werde, wie wenig die

subjektive Vernunft, der nur (nach Jakobi, Hume, über den Glauben, p. 194) die „unwandelbare, objektive" Halt verleiht, im stande sei, unser Streben nach Erkenntnis zu befriedigen. So schreibt Hamann (an Jakobi): „Ich denke ebenso von der Vernunft, wie St. Paulus vom ganzen Gesetz ich traue ihr nichts als Erkenntnis des Irrtums zu, halte sie aber für keinen Weg zur Wahrheit und zum Leben."

Und so erkennt Jakobi („David Hume, über den Glauben“) die Wichtigkeit der Sprache für Begriffsbildung an, „aber, sagt er, „diese aus endlichem Samen gezeugten Worte sind nicht wie die Worte dessen, der da ist". Lassen wir diesen unendlichen Unterschied aufser acht, so entfernen wir uns in demselben Augenblick von der Quelle aller Wahrheit, verlieren Gott, die Natur und uns selbst."

Wir werden die Begriffe der Wahrheit und der Sprache uns genauer ansehen, um Klarheit zu gewinnen.

Wir haben bisher den terminus „Wahrheit" nicht eingeführt, und wir besprechen ihn auch an dieser Stelle nur, weil eben als selbstverständlich gilt, dafs jedes Erkennen zur Voraussetzung habe, es wolle Wahrheit bringen, ohne welche es ebenso sinnlos wie nutzlos sei. In der That vollzieht sich jeder Akt des Erkennens unter dieser Voraussetzung, aber besser mag man sagen, sie fehle ihm nicht, denn als Zweck setzt er sie um deshalb nicht, weil er sonst „Wahrheit" als ein aufser ihm Liegendes fühlen und annehmen müfste. Aufser dem Akt des Erkennens ist aber kein hinter demselben liegendes Resultat zu verzeichnen; er selbst ist dieses Resultat. Mit dem Satze, in welchem es sich ausspricht, sagt das Erkennen: so also ist dies, denn so findet es sich in meinem Bewusstsein. Das Erkennen also will nicht unmittelbar die Wahrheit, ebensowenig, wie die Sprache, es hat sie in sich in seiner eigenen Bewegung. Wie verhält sich aber das Erkennen zur Wahrheit?

Protagoras sagte in einer Schrift, die wahrscheinlich ýa hiefs, es sei der Mensch das Mafs der Dinge, des Seienden, wie es ist, des Nicht-Seienden, wie es nicht ist. Hiernach wäre eine sogenannte „objektive Wahrheit" nicht vorhanden, nur eine subjektive Gewissheit, ein Meinen. (7) Aristoteles dagegen setzte die Wahrheit eines Gedankens in dessen Übereinstimmung mit dem Sein (8), und hierbei ist man im allgemeinen geblieben. Kant z. B. (Krit. d. r. Vern. ed. Erdm. p. 558) sagt: „ Wahrheit beruht auf der Übereinstimmung mit dem Objekte, in Ansehung

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