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auch die Volksmassen von der Predigt Jesu mächtig ergriffen und in Erstaunen versetzt: „denn er predigte gewaltig und nicht wie die Schriftgelehrten.")

Schon an der Wiege der neuen Religion, in der urchristlichen Gemeinde, sehen wir den Kampf zwischen der gesetzestreuen, von den unmittelbaren Jüngern Jesu vertretenen, und der gesetzesfreien Richtung der Diaspora ausbrechen und die letztere bald über die erstere prävalieren. Dies zeigt sich am eklatantesten in der gesetzesfreien Predigt des Stephanus, des Pfad bereiters des gesetzesfreien, nachgerade bis zur Gesetzes feindlichkeit sich steigernden Paulinismus. Zutreffend urteilt hierüber Harnack, wenn er bemerkt:

„Nach der Apostelgeschichte war die älteste jerusalemische Christengemeinde aus zwei Elementen zusammengefaßt, dem palästinensisch-hebräischen und dem Element der Diasporajuden. Zwischen beiden trat frühzeitig eine Spannung ein; sie führte zur Einsetzung der sieben Armenpfleger, die der zweiten Gruppe angehörten und sämtlich griechische Namen trugen. Innerhalb dieser Gruppe, die wir uns im Ganzen als freisinniger, d. h. als minder streng in der buchstäblichen Gesetzesbeobachtung denken dürfen, trat Stephanus, der Armenpfleger, besonders hervor. Die Anklage gegen ihn vor dem Synhedrium lautete, daß er fortgesetzt blasphemische Reden führe gegen den heiligen Ort" und das Gesetz, indem er behaupte, daß Jesus den Tempel zerstören und die Sitten, die Moses geboten, ändern werde. Diese Anklage wird in der Apostelgeschichte als erlogen bezeichnet, aber, wie die Rede des Stephanus beweist, war sie an sich begründet, erlogen war nur die Tendenz, die man den Worten gab. Stephanus hat nicht wider den Tempel und das Gesetz gesprochen, um ihren göttlichen Ursprung zu bestreiten, sondern er hat die begrenzte Dauer dieser Einrichtung behauptet. Damit setzte er sich allerdings in Widerspruch mit dem vulgären Judentum seiner Zeit, aber schwerlich in Widerspruch zu allem, was jüdisch war. Daß es im Judentum, vornehmlich in dem der Diaspora, bereits Richtungen gab, die den Tempelkultus und in diesem in erster Linie die blutigen Opfer, für unwesentlich, ja für bedenklich hielten, steht fest. Ebenso

1) Math. 7,28.29: ἐξεπλήσσοντο οἱ ὄχλοι ἐπὶ τῇ διδαχῇ αὐτοῦ· ἦν γὰρ διδάσκων αὐτοὺς ὡς ἐξουσίαν ἔχων, καὶ οὐχ ὡς οἱ γραμματεῖς. cf. Marc. 1,22. Luc. 4,32. Joh. 7,46.

Friedländer, Religiöse Bewegungen.

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gewiß ist aber auch, daß aus äußeren und inneren Gründen in manchen jüdischen Kreisen die äußerliche Gesetzesbeobachtung nicht hochgeschätzt wurde, bezw. hinter der Moral mehr oder weniger zurücktrat. Es ist demnach historisch und psychologisch wohl verständlich, daß ein für das Evangelium gewonnener Diasporajude die souveränen und exklusiven sittlichen Momente, welche dasselbe darbot mit schon bestehenden Dispositionen in bezug auf die relative Wertlosigkeit des Tempels und des Zeremonialgesetzes verband und das Ergebnis zog: der Messias Jesus wird den Tempelkultus abschaffen und das Zeremonialgesetz ändern. Man beachte dabei das Futurum; die Apostelgeschichte scheint hier sehr genau zu berichten: Stephanus hat nicht zu Änderungen aufgefordert erst der als Messias wiederkehrende Jesus wird Wandel schaffen — sondern er hat diese Änderungen prophetisch vorhergesagt und damit allerdings den Unwert der bestehenden Ordnungen behauptet.

Stephanus wurde gesteinigt und starb, wie Huß, für eine Sache, deren Konsequenzen er noch nicht überschaute; seine Steinigung ist nicht auffallend diese Art von Jesusgläubigen konnte das orthodoxe Judentum am wenigsten vertragen. Auch die Anhänger des Stephanus wurden verfolgt grell war ja auf einmal die kleine Christenschar in ihrer Gefährlichkeit beleuchtet ; sie mußten Jerusalem verlassen, nicht aber die Apostel; diese haben sich also mit Stephanus in dem Punkte der Anklage noch nicht solidarisch erklärt."')

Man wird zugeben, daß diese Auffassung Harnacks im allgemeinen eine ebenso unbefangene als einleuchtende ist. Allein wie klar er auch hier sieht, die volle Konsequenz, die sich aus dem Bericht der Apostelgeschichte ergibt, zieht er nicht. Man darf doch billig fragen, wie es in dieser „Christen"-Verfolgung, wofern dieselbe in Wirklichkeit von dem „orthodoxen Judentum“ ausgegangen und wofern sie tatsächlich den Messiasgläubigen als solchen gegolten, gekommen ist, daß die Häupter und Führer dieser Gemeinde nach wie vor unangefochten in Jerusalem verbleiben durften, während die Gemeinde selbst ins Exil zu gehen gezwungen war? Allein diese Verfolgung ging mitnichten von dem „orthodoxen Judentum aus und kehrte sich auch nicht gegen die Messias

1) Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten p. 33 f.

gläubigkeit der Gemeinde in Jerusalem. Der Aufruhr brach vielmehr in den Diasporasynagogen zu Jerusalem aus, in denen ein neuer Glaube aus großen religiösen Gährungen sich herauszuklären begann. Hier traten unter den Verkündern der neuen Lehre die scharfen Gegensätze zutage, die sich um die Frage drehten, ob das mosaische Opfer- und Zeremonialgesetz noch ferner Geltung habe oder nicht. Mit dieser Bewegung innerhalb der urchristlichen Gemeinde hatte das „orthodoxe Judentum" vorerst nichts zu tun. „Das Volk, die Ältesten und die Schriftgelehrten", welche die Apostelgeschichte hier herbeizieht, wurden nur als die herrschenden Faktoren zur Bestrafung etwaiger Gotteslästerungen angerufen. Das besagt unzweideutig ihr Bericht, der also lautet: „Stephanus aber, voll Glaubens und Kräfte, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volke. Da standen etliche auf von der Synagoge, die da heißt der Libertiner und der Kyrenäer und der Alexandriner und derer, die aus Kilikien und Asien waren, und befragten sich mit Stephanus. Und sie vermochten nicht zu widerstehen der Weisheit und dem Geiste, aus welchem er redete. Da richteten sie zu etliche Männer, die sprachen: Wir haben ihn gehört Lästerworte reden wider Moses und wider Gott. Und bewegten das Volk und die Ältesten und die Schriftgelehrten, und traten herzu und rissen ihn hin und führten ihn vor den Rath.")

Also nicht von dem „orthodoxen Judentum" sondern von der nationalgesinnten gesetzestreuen Fraktion der messiasgläubigen Diasporajuden wurde Stephanus dem Gericht überliefert. Bei Verfolgung des Stephanus und seines Anhangs handelte es sich keineswegs um Bestrafung antipharisäischer oder christgläubiger Tendenzen, sondern ausschließlich um eine Verfolgung des hellenistischen Antinomismus, gegen welchen sich die gesetzestreuen, wenn auch antipharisäischen Apostel Jesu nicht minder auflehnten als das orthodoxe Judentum. Daher kam es denn auch, daß jene von dieser Christen"-Verfolgung unberührt blieben, während Stephanus gesteinigt wurde und sein Anhang zum Wanderstab greifen mußte.Harnack fühlt gar wohl die große Schwierigkeit, die der Bericht der Apostelgeschichte, wonach sich nach dem Tode des Stephanus „eine große Verfolgung über die Gemeinde zu Jerusalem erhob und sich alle zerstreuten außer den Aposteln", 2) der

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Erklärung bietet. Er empfindet die Schwierigkeit um so mehr, als ihm der Bericht sehr wichtig" erscheint, der zugleich die Treue der Berichterstattung der Apostelgeschichte an diesem Punkte bezeugt", und er sucht sie dadurch zu beheben, daß er folgert: Verfolgt wurden augenscheinlich die Christen damals mit Auswahl; unbehelligt blieben solche, deren Devotion gegenüber dem Tempel und Gesetze zweifellos war, also zunächst auch noch Petrus und die andern Apostel. Diese haben sich also mit Stephanus in dem Punkte der Anklage noch nicht solidarisch erklärt.“

Diese Auskunft aber reicht nicht aus. Das richtige vielmehr ist: daß sich die Apostel Jesu in dem Punkte der Anklage mit dem orthodoxen Judentum" solidarisch fühlten, da sie wie dieses gesetzestreu waren, daß aber die Gemeinde selbst in ihrer Mehrheit bereits national indifferent und gesetzesfrei war, und daher von der herrschenden Partei wie nicht minder von den noch gesetzestreuen Messianisten verfolgt wurden.

Dasselbe wiederholte sich später in Jerusalem, als Paulus dahin kam und dort im Geiste des vormals von ihm verfolgten Stephanus ein gesetzesfreies Christentum predigte. Auch diesmal waren es nationale und gesetzestreue und christgläubige griechische Juden, die mit ihm, wie vordem mit Stephanus über das Gesetz disputierten und ihn aus dem Wege zu räumen trachteten. Wiederum entstand eine große Gährung in der Gemeinde, die sich erst legte, als Paulus von den Brüdern aus Jerusalem entfernt wurde. Das berichtet uns die Apostelgeschichte mit den klaren Worten: „Da aber Saulus gen Jerusalem kam, versuchte er, sich zu den Jüngern zu tun; und sie fürchteten sich alle vor ihm, und glaubten nicht, daß er ein Jünger wäre. Barnabas aber nahm ihn zu sich und führte ihn zu den Aposteln und erzählte, wie er auf der Straße den Herrn gesehen, und er mit ihm geredet, und wie er zu Damascus den Namen Jesu frei gepredigt hätte. Und er war bei ihnen, und ging aus und ein zu Jerusalem und predigte den Namen des Herrn Jesu frei. Er redete auch und befragte sich mit den Griechen, aber sie stellten ihm nach, daß sie ihn töteten. Da

1) Daß diese der messianischen Gemeinde angehörten, die an der gesetzesfreien Predigt des Paulus Anstoß nahmen, geht ganz unzweideutig aus Galat. 2,4.5. hervor, wo Paulus von ihnen sagt: διὰ δὲ τοὺς παρεισάκτους ψευδαδέλ

das die Brüder erfuhren, geleiteten sie ihn gen Cäsarea, und schickten ihn gen Tarsus. So hatte nun die Gemeinde Frieden durch ganz Judäa und Galiläa und Samarien, und baute sich, und wandelte in der Furcht des Herrn, und ward erfüllt mit Trost des heiligen Geistes.')

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Man hat sich aber daran gewöhnt, Gesetzestreue stets mit Pharisäismus zu identifizieren, ohne zu bedenken daß ja am Ende auch der Sadduzäismus gesetzestreu war, da er ja die Verbindlichkeit des geschriebenen Gesetzes mit allem Nachdruck betonte und gleichwohl von den Pharisäern, als diese an der Macht waren, verfolgt wurde. Gesetzestreu und nationalgesinnt waren auch die. konservativen Elemente des Diasporajudentums und ebenso das jüdische in den Uraposteln verkörperte Christentum, das, weit entfernt, pharisäisch zu sein, allen Pharisäismus vielmehr mit Ingrimm bekämpfte. Daß es aber früher zwischen diesen und dem orthodoxen Judentum" zu blutigen Zusammenstößen gekommen wäre, wird nirgends berichtet. Erst als zu Beginn der christlichen Ära, wo die gesetzesfreie hellenistische Richtung in den von den Pharisäern verachteten Volksmassen, den Am-haarez, bereits herrschend geworden war, der Geist der Diaspora sich mächtig auf palästinensischem Boden zu regen und aggresiv vorzudringen anfing, da gerieten im engen Raume die religiösen Gegensätze, die sich im Laufe von anderthalb Jahrhunderten zwischen der pharisäischen und hellenistischen Weltanschauung und Auffassung des Mosaismus herausgebildet hatten, hart aneinander, mit eruptiver Gewalt explodierend. Auf ihren Trümmern baute sich, nachdem die römische Zerstörung Jerusalems alle nationalen Hoffnungen grausam vernichtet hatte, die Weltreligion, deren Reich nicht von dieser Welt, auf.

φους, οἵτινες παρεισῆλθον κατασκοπῆσαι τὴν ἐλευθερίαν ἡμῶν ἣν ἔχομεν ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, ἵνα ἡμᾶς καταδουλώσωνται· οἷς οὐδὲ πρὸς ὥραν εἴξαμεν τῇ ὑποταγῇ κτλ.

1) Act. 9,26-32.

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