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Es ist sonach ein grundfalscher, wenn auch durch ein graues Alter geheiligter und zum Dogma erstarrter Glaube, daß der Mosaismus der Propheten uns im Wege der „Männer der großen Versammlung" vermittelst der „mündlichen Lehre", des Schlüssels zum Verständnis der „geschriebenen", wie sie uns in der talmudischen Literatur aufbewahrt vorliegt, überkommen ist. Denn der Geist dieser mündlichen Lehre" ist ein ganz anderer als jener der Propheten und der Weisheitslehrer. Das Richtige vielmehr ist, daß der universalistisch gedeutete Mosaismus der Propheten schon im dritten vorchristlichen Jahrhundert mit dem Strom der in die griechischen Länder gezwungen oder freiwillig auswandernden Juden mitgezogen war, um dort zur ungeahnten Entfaltung zu gelangen; während er daheim, als nach den Makkabäersiegen die nationale Begeisterung all beherrschend und der ideale Sinn durch die Politik verdorben wurde, sich immer mehr verengte und schließlich der Verkümmerung anheimfiel.

Aber, so fragen die Theologen hüben und drüben, diese unnatürliche, erzwungene, oft gewalttätige Schriftauslegung des jüdischen Hellenismus, kann sie die richtige, kann sie dem ursprünglichen, von den Propheten in das unbegrenzte Meer des Universalismus geleiteten Strom der sinaitischen Offenbarung entflossen sein? Und wäre es nicht sinnlos, sich für eine derartige, oft alle natürlichen Schranken durchbrechende Exegese zu begeistern? Gewiß! Und auch ich, dem man eine solche Begeisterung wiederholt, und sehr mit Unrecht, zum Vorwurf machte, gestehe offen, daß die allegorische Schriftauslegung, wie sie uns in dem philonischen Schrifttum überliefert vorliegt, mir lange höchst unsympathisch war, und daß es mich viel Überwindung kostete, mich mit ihr vertraut zu machen. Ich gestehe offen, daß mir die pharisäische Schriftauslegung, die ich freilich mit der Muttermilch eingesogen, ungleich sympathischer war und ungleich natürlicher schien, obgleich auch sie nicht frei von Gewalttat ist, wo es gilt, Berge von rituellen Satzungen an ein Haar zu hängen. Gleich den übrigen jüdischen Theologen sah auch ich in der pharisäischen Traditionslehre" den einzigen und untrüglichen Schlüssel zu dem richtigen Verständnis für die Religion Mosis und der Propheten und hatte gleichfalls für die dieses Schlüssels entbehrenden Laientheologen des jüdischen Hellenismus nur ein mitleidiges, ja verächtliches Lächeln. Aber schließlich mußte ich mir doch die Frage vorlegen, welche Ziele

beide, die jüdisch-hellenistische und die pharisäische Schriftauslegung, verfolgten, und zu welchem Ende man hüben und drüben. oft ganz barbarisch mit dem Schriftwort umsprang? Und die Antwort mußte ganz entschieden zugunsten des jüdischen Hellenismus lauten: der Pharisäismus deutete die Schrift im partikularistischen, der jüdische Hellenismus im universalistischen Geiste aus. Jener türmte vermittelst der Bausteine, die ihm das mosaische Zeremonialgesetz lieferte, ein unübersteigliches Bollwerk um die Nation auf, das sie von der großen Welt völlig abschloß und ihre Mission: das Licht der Völker zu werden, zum Verlöschen brachte; dieser hingegen riß alle einengenden und trennenden nationalen und zeremoniellen Schranken nieder, unentwegt das Ziel vor Augen: den Mosaismus zur Weltreligion, zur gottgeoffenbarten Philosophie auszubauen. Und das war wahrlich kein leichtes Stück Arbeit. Sollte das große Werk gelingen, dann mußte Gewalt angesetzt werden. Die Ethik mußte über das „Gesetz", der Geist über den Buchstaben, der Universalismus über den Partikularismus siegen. Der Sieg aber, wenn er ein vollständiger und kein zweifelhafter sein sollte, mußte mit Hilfe des göttlichen Gesetzes selbst errungen, dieses in seinen Tiefen erfaßt, der Kern aus der Schale befreit werden, damit die in ihr latente Weltreligion zum Durchbruch gelange, das Reich Gottes erstehe, in das jeder eindringen könne, der Gewalt tue". Wer dieses hohe Streben des jüdischen Hellenismus verfolgt, die Riesenarbeit, die er verrichtet hat, in die später Andere gekommen, um die Ernte zu halten, zu würdigen versteht; den wird es kleinlich dünken, mit ihm über seine Interpretationskünste, vermittelst deren er den Mosaismus zur Höhe einer gottgeoffenbarten Philosophie empordeutete, zu rechten.

Und endlich, wer will sich unterfangen, dem Weltgeist die Wege vorzuschreiben, die er zur Erreichung seiner Ziele verfolgen solle? Der Weg, den er zur Bildung einer Weltreligion genommen, führte das lehrt die Weltgeschichte mit zwingender Deutlichkeit nicht von den Propheten über die schmale, von den „Männern der großen Versammlung" erbaute Brücke der mündlichen Traditionslehre, sondern über den breiten Strom der schon unter den ersten Ptolomäern begonnenen und in der Folge immer mächtiger anschwellenden jüdischen Auswanderung in die griechischen Länder und Inseln. Die Diaspora der Hellenen war es, die der

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Weltreligion im Heidentum den Pfad bereitete, die das Licht der Völker" geworden war.

Wir Juden von heute aber, noch immer in dem engen pharisäischen Gesichtskreis befangen, glauben, obgleich eine zweitausendjährige Geschichte uns eines bessern hätte belehren sollen, dennoch, wie einst unsere pharisäischen Vorfahren vor zweitausend Jahren, als die griechische Bibel bereits Gemeingut weiter heidnischer Kreise geworden war, es glaubten, in der sogenannten Traditionslehre den unveräußerlichen Schlüssel zu dem „geschriebenen Gesetz“ zu besitzen. Wir gleichen darin dem Träumenden, der die Hand voll von Kleinodien zu haben wähnt und dieselbe krampfhaft geschlossen hält, beim Erwachen aber betrübten Gemüts sieht, daß sie leer. Wir jedoch vermögen uns nicht zu ernüchtern und träumen noch immer weiter von dem in unserm ausschließlichen Besitz befindlichen Kleinod, die Hand immer noch geschlossen haltend, während es doch längst in den Besitz einer ganzen Welt gekommen ist, die unsern Schlüssel als unbrauchbar verworfen hat. Und nicht darauf kommt es an, wie wir die Bibel auffassen und was sie uns ist und bedeutet, sondern darauf, wie die Welt sie auffaßt und was sie ihr bedeutet. Diese aber hat auf unsere „mündliche Lehre" verzichtet, dafür jedoch verständnisvoll nach der Schriftauslegung des jüdischen Hellenismus gegriffen, mit deren Hilfe alle nationalen und rituellen Satzungen aus dem Mosaismus ausgeschieden und die ewigen Werte desselben in sich aufgenommen.

Diesen Weg wandelten noch vor der Entstehung des Christentums auf palästinensischem Boden die Apokalyptiker, die fast durchwegs über das Zeremonialgesetz mit Stillschweigen hinweggingen und auf dessen Zinnen die Trikolore des Glaubens, des Messianismus und der Barmherzigkeit aufpflanzten. Denselben Weg wandelte der Pfadbereiter des kommenden Messias, der Täufer, und der ihm auf dem Fuße folgende Messias selbst, der jedoch nicht mehr stillschweigend über die üppigen Wucherungen der pharisäischen Traditionslehre und des alle Glaubensfrömmigkeit erstickenden Zeremonialgesetzes hinwegschritt, sondern sie mit ehernem Fuße zertrat, die Losung ausgebend: „Alle Pflanzungen, die mein himmlischer Vater nicht pflanzte, die werden ausgereutet!" der mit seinem Blute den Boden düngte, in den er die Saat der aus dem Glauben kommenden Frömmigkeit legte, aus der das Reich des Himmels hervorsprossen sollte. Vollends aber räumten

hinweg die Trümmer, welche nach der heldenmütigen Erstürmung der pharisäischen Burg umherlagen und noch immer Kraft genug hatten, den Aufbau des Himmelreichs zu verhindern: Paulus und seine jüdisch-hellenistischen Mitarbeiter, der vierte Evangelist, der Verfasser des Hebräerbriefs, Apollos und viele Andere, so daß nunmehr jeder, der nur ernstlich wollte, eindringen konnte. - Und hiermit schloß — ob endgiltig, wagen wir gegenüber dem Rätsel des fast zweitausendjährigen weitern Bestandes des Judentums nicht zu entscheiden die Weltmission des Judentums, und jene des Heidentums nahm ihren Anfang, trübend den lautern Quell der Lehre Jesu durch fremdes Wasser und schaffend einen andern, dem ersten nicht unähnlichen, weltlich gerichteten Pharisäismus.

Bis hierher nun, WO wir es mit ausschließlich jüdischer Missionsarbeit zu tun haben, zu der selbstredend jene des ganzen Neuen Testaments zu zählen ist, erstreckt sich unsere Darstellung der religiösen Bewegungen innerhalb des Judentums im Zeitalter Jesu.

Nun höre ich auch schon da und dort in Kreisen meiner Glaubensgenossen den Vorwurf laut werden, daß ich die Taufe predige. Allerdings, wenn man unter der Taufe das Symbol der inneren Umwandlung und der Wiedergeburt versteht, dann predige ich diese Taufe aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele; da eine solche allein uns aus tausendjähriger innerer Blindheit und äußerer Schmach erlösen kann. Versteht man aber darunter lediglich den Übertritt zur Kirche, an welchem Herz und Überzeugung keinen Anteil haben, den Übertritt zur Kirche von heute, die nicht minder einer gründlichen Läuterung entgegenharrt, wie das Judentum von heute; dann muß ich mich mit aller Entschiedenheit gegen eine solche Unterschiebung verwahren. Denn einen solchen Übertritt halte ich nicht nur, für frivol nnd tempelschänderisch, sondern auch für völlig nutzlos, vollzöge er sich in großen Massen: Er würde zur Bildung eines judenchristlichen Ghetto auf dem Boden des autochthonen Christentums führen, wo der Pharisäismus die Proselytenmassen aus dem Judentum ebenso für minderwertige Christen zweiter und dritter Ordnung halten würde und hier mit vollster Berechtigung, da ja diese innerlich toten Massen der Neubekehrten nicht ein einziges fruchtbares Samenkorn der Kirche zuführen könnten wie vor zweitausend Jahren der jüdische Pharisäismus und nicht minder derjenige der urchristlichen Ge

meinde zu Jerusalem die Proselyten aus dem Heidentum, die er eben nur tolerierte, nicht als ebenbürtige Schößlinge der „Pflanze der Auserwähltheit" ansah. Die Taufe, die ich predige, sie ist die echt jüdische, zur Buße und Sinnesänderung auffordernde Taufe des Johannes, des wiederkehrenden Elia, dessen Aufgabe es ist, die Menschen für den bevorstehenden großen Tag des Herrn vorzubereiten, die einander entfremdeten Herzen zu versöhnen und für die Aufnahme der himmlischen Saat empfänglich zu machen. Sie ist die Pfadbereiterin des von den Propheten zum Heile der gesamten Menschheit prophezeiten und von den griechischen Juden geistig geschauten, ewig wiederkehrenden, die Menschen immer höher zu sich emporläuternden Messias, in dessen Bereiche es keinen Juden noch Griechen, keinen Knecht noch Freien gibt, nicht Mann noch Weib, denn sie allzumal sind eins in dem Messias, und darum Abrahams Same und nach der Verheißung Erben.

Diese Idee der ewigen Wiederkehr des Messias nun fanden die gesetzesfreien Messianisten und mit ihnen allmählich die ganze Kulturwelt in Jesu verkörpert, der sich für dieselbe geopfert und erkannten in ihm den verheißenen Messias, der sich durch Überwindung der Welt auf den Thron der Herrlichkeit Gottes emporgerungen und sich und allen ihm Nachstrebenden einen Platz im Himmelreich erworben hat.

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Weil aber die Binde des Gesetzes vor den Augen unsere pharisäischen Ahnen klar zu sehen verhinderte, sollen wir späten Enkel, Kinder einer philosophisch geläuterten Zeit, blind bleiben müssen? Weil unsere Väter vor zwei Jahrtausenden saure Trauben aßen, sich von dem Sauerteig der Pharisäer" nährten, sollen unsere Zähne noch heute stumpf bleiben müssen? Selbst das als hart verschriene Alte Testament läßt die Schuld der Väter im dritten und vierten Geschlecht gesühnt und erloschen sein; warum aber leiden wir bis ins hundertste Geschlecht? Sollte die Schuld wirklich ausschließlich an unseren Verfolgern und nicht auch fortlaufend an uns selbst liegen? Was uns unsere Rabbiner darüber zu predigen wissen, darauf wollen wir gar nicht reagieren; das ist ihres Amtes, und sie werden dafür bezahlt, daß sie uns ewig Liebkind nennen. Allein selbst nichtrabbinische, gebildete Laienkreise, sogar jüdische, mit akademischen Würden bekleidete Männer sind nach wie vor in dem Wahne befangen, daß das Judentum unschuldig leide, und das Schlagwort, das dabei ausgegeben und blind nachgebetet wird,

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