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daß dergleichen Ablaß gegeben und gelöset wird, was auch dabei von Geiz, Gewinnst und Wucher mit einschleichen, ankleben oder zu befürchten sein möchte. Vielleicht will sich Gott mit desto reichlicherer Barmherzigkeit der Verstorbenen erbarmen, weil er fieht, wie sehr dieselbe von den Lebenden verachtet wird, und der Papst kommt auf die angegebene Art und Weise wenigstens zu Hülfe." Die Nuhanwendung geht sodann dahin, wie man denken kann, daß man durch den Ablaß sich nicht zur sittlichen Trägheit verführen lassen, sondern vielmehr darauf bedacht sein solle, die Krankheit der Natur vollkommen zu heilen.

Schon Jakob von Jüterbock hatte ausgeführt, daß der Ablaß sich nur auf zeitliche und kirchliche Strafen beziehe, und war von diesem Punkte aus zu seinen weiteren Einwendungen vorgeschritten, wie wir es Luther ihm nachthun sehen. Er und Wessel und Wesel hatten das Meiste und Wesentlichste von Dem, was Luther einwendet, dargelegt, Zweifel gelöst, die Luther noch nicht zu überwinden wußte; sie waren viel weiter gegangen als er. Im Verhältniß zu ihren Ausführungen erscheint die seinige schwach und haltungslos. Aus seinem mühseligen Ringen nach einer größeren Gewißheit, die er bei ihnen gefunden haben würde, erhellt deutlich, daß er ihre den Ablaß betreffenden Schriften nicht kannte. Dies muß man im Auge haben, um das Maaß der Gelehrsamkeit und des Scharffinns zu würdigen, womit er in die Sache eingedrungen war, so daß er mit ihnen dann in wichtigen Punkten schon zusammentraf, was im Uebrigen ein Zeichen ist, daß die Ablaßtheorie an Grundgebrechen litt, die jeder stärkere, Wahrheit suchende, mehr oder minder unbefangen prüfende Geist entdecken mußte. Zu den voraussetzungslos und völlig unbefangen prüfenden gehörte Luther indeß keineswegs und daher daß er nur erst zu einer halben Einsicht und Klarheit gelangte. Allein alles Entdecken ist schwer und verdienstlich und es zeugt von einem gewissen Maaße schon errungener Geistesfreiheit und von einem ernstlichen Ringen nach ihr, daß er bereits gefundene, aber vergessene Wahrheiten wieder fand und an das Licht zog. Die größeste Geisteskraft ist die durch Glauben, Ehrfurcht, Pietät gebundene, die auch von deren Fesseln sich frei zu machen hat. Die Schriften der Jüterbock, Wesel und Wessel waren ohne Zweifel manchen Gelehrten bekannt, die jedoch entweder zu be

fangen waren, um ihre Ergebnisse sich anzucignen, oder zu gleichgültig, kalt oder furchtsam, um Gebrauch davon zu machen und ihr Licht in die Welt hinein leuchten zu lassen.

Dies ist es, was Luther jedenfalls vor allen Gelehrten und Gelehrteren seiner Zeit voraus hat, was ihn vor allen Denen auszeichnet, die die Sache eben so gut als er und vielleicht besser kannten, vor allen Denen, die neben ihm gegen den Ablaß auch auftraten. Was diese betrifft, so war Keiner unter ihnen, von welchem eine auch nur so dreiste und tief gehende oder wenn man will, schwache Gegenrede bekannt geworden wäre, wie er sie in der Predigt vom zehnten Trinitatissonntage führte. Er sagte selbst davon: „Betrachtet unser Exempel, wie gering und schwach wir anfänglich wider den Papst gewesen sind. Unser Seufzen war dazumal fast keinlich, daß wir ein solch groß Licht und Herrlichkeit nicht haben dürfen hoffen, wie wir heute sehen, daß das Evangelium so viel Menschen aus der Gewalt der Finsterniß erlöset.“1) Allein auf der andern Seite war doch Das, was er in jener Predigt sagte, übergenug, um die Dominikaner und ihren ganzen Anhang gegen ihn in Feuer und Flammen zu sehen. Dazu daß der Krieg jezt schon ausbrach, fehlte blos, daß Tehel oder einer seiner Genossen nahe genug war und Lärm schlug oder vielleicht, daß sich Luther um ein weniges unvorsichtiger äußerte, noch einen einzigen Schritt weiter ging. Wir werden noch sehen, daß es der freisinnigen Richtung seiner Predigten gegenüber auch in Wittenberg an Bedenklichen und Widersprechenden, an Gönnern der Ablaßtheorie wie Praxis nicht fehlte. Was für einen Eindruck seine Angriffe bei dem Kurfürsten machen mußten, war vorauszusehen, und er blieb nicht aus. Unter den Gelehrten faßte ein Theil, freilich vorerst noch immer nicht der zahlreichste, die Bedeutung und Aufgabe der Wissenschaft, daß sie voranleuchten solle, klar und fest auf, und nur in dem aus dem Volke hervorgehenden und ihm nahe stehenden Gelehrtenstande und im Volke selbst war genügende Empfänglichkeit, Kraft und Hingebung vorhanden, um darin bei einem ernstlichen Streite wider das Unwesen in der Kirche eine verläßliche Stüße finden zu können, wer sie zn bereiten und zu gebrauchen verstand. Es

1) Ausleg. d. Genesis, zu Kap. 41, B. 1-7; Walch II, 1948.

war daher nicht ohne Bedeutung, daß Luther seine ersten Schläge vor dem Volke führte und sich dabei nicht irren ließ durch die Bedenklichkeit, ob man das Volk in solche Dinge hineinziehen dürfe, eine Bedenklichkeit Vieler und doch eine seltsame, da das Volk doch von den Hierarchen und deren Anhange stets hereingezogen, ja unter Verheßungen hereingezogen war, um die geistliche Macht emporzubringen und gegen die Widerstrebenden zu behaupten, da es doch an die Ablaßkästen herangezogen, da seine Leicht- und Blindgläubigkeit doch ins Spiel gebracht und ausgebeutet wurde, während sich Luther an sein Denkvermögen und sein sittliches und religiöses Gefühl wendete. Auch das war nicht ohne Bedeutung, daß Luther's erste öffentliche Gegenrede gelehrt und volksmäßig zugleich war. Manches in der Predigt hatte in der That hinlängliche Klarheit und Belang nur für Gelehrte und Gebildete, allein das Ablaßunwesen konnte mit Erfolg nicht angegriffen werden ohne Zerstörung seiner Grundlage in der Theorie, und auch die Schwächsten bekamen genug für sie Verständliches und das bei ihnen ansprechen mußte, zu hören. Die Hinweisung darauf, daß es nur auf das Geld der Leute abgesehen sei, verstand Jeder und sie fand und mußte bei allen irgend Verständigen Anklang finden. Die Aufforderung, vor allen Dingen die Krankheit der Natur zu heilen, sprach zu eines Jeden Einsicht und sittlichem und religiösem Sinne.

Wenn Luther die Vergeblichkeit alles Widerspruchs, aller Kämpfe gegen die geistlichen Entartungen in ihrer Richtung auf Aeußerlichkeiten und den Grund seiner Siege darin fand, daß er es auf die Lehre abgesehen habe, so können wir auch den Sinn darin finden, daß seiner Arbeit das Gelingen gefolgt sei, weil er sich an die Volksmeinung, das Volk und dessen Führer in solchen Sachen, den im Volke stehenden Lehrstand, gewendet, jene gewonnen und die Sache zur Volkssache gemacht habe. Das hatten die Väter auf den Koncilien, die Bischöfe, die weltlichen Fürsten, die Gelehrten eben die Wesel und Wessel insbesondere beim Abnicht gewollt oder nicht vermocht. Wie richtig wurde Luther durch seine Einsicht, sein Gefühl, seine innerste Art ge= leitet zu ahnen wie denn der Genius so etwas ahnend weiß und stets ein Seher ist daß der Kirche in dieser Zeit nichts mehr werden solle durch große Päpste oder Bischöfe, den Deut

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schen abermals nichts werden solle durch ihre weltlichen Häupter, ihre Fürsten, ihren Adel, ihre Staatsmänner, ihre vornehmen Übergelehrten, daß die Befreiung, Besserung und Erneuerung kommen werde und müsse durch das Volk und die aus ihm hervorgegangenen, seiner Sache sich auschließenden, ihm vorantretenden Gelehrten, durch die auf dasselbe Ziel gerichtete Volkskraft und die leitende Einsicht der Wissenden. Wie fein und richtig empfand und handelte er, daß er durch seine Vikariatsführung und die Gewalt, welche sie in seine Hände legte, durch seine Stellung zu Staupit und dem Landesfürsten, durch seine Stellung zur Universität und gelehrten Welt und seine Erfolge in ihr sich nicht zu dem Gedanken verleiten ließ, etwas ausrichten zu wollen, sei es von einer zu ersteigenden noch höheren Höhe herab oder durch Einfluß bei Hofe, Bischöfen oder Doktoren, sondern daß er vor Allen gradehin an das Volk und die empfänglichen Gelehrten sich wendete und die meiste und beste Kraft daran sette, sie zu gewinnen und das Volk in Bewegung zu bringen, nicht freilich in dem gewöhnlichen Sinne zum Schwaßen oder Zuschlagen. ,,Die Reformation vollendete den engsten Bund zwischen dem Volk und seinen gelehrten Vorfechtern; jenes brauchte diese zur Leitung und Führung in dem großen erhabenen Kampf, diese brauchten jenes zum Nachdruck und zur Ausführung. Dies schlang das Band der Liebe und Verehrung um den Volksmann Luther und die Nation, und bald stand er wie der Mittelpunkt der deutschen Verhältnisse da, mit einer Wirksamkeit, die nur mit jener der alten Propheten und Religions- und Geseßstifter verglichen werden kann."1) Das nahm jezt seinen Anfang, und eben durch ihn kam auch vornämlich jener Bund zu Stande.

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Wahre und falsche Gerechtigkeit. Furcht Gottes. Gesetz und Evangelium.

Leiter.

Die geistlichen

In anderen Predigten der letten Hälfte des Jahrs kommen theils dieselben, theils ähnliche Gedanken vor wie in den bisheri

1) Gervinus a. a. D. III, 4; II, 441.

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gen. Er wird nicht müde, sie in neuen Wendungen, geftüßt auf neue Gründe, auf andre Weise erläutert, anschaulich ge= macht, den Zuhörern vorzuführen.

Am Andreastage deutet er das Schiff und die Neße, welche die Jünger des Herrn verließen, die leßtern auf die guten Werke, die eigne Gerechtigkeit, das erstre auf die Liebe dieser Eitelkeiten, deren der Mensch ledig werde durch das Kreuz und den Glauben. Die Gerechtigkeit ist nicht außer uns zu suchen, was nur zu Tugendstolz und Hoffarth führt, sondern innerlich im Herzen durch den Glauben; sie ist nicht durch Werke zu erlangen, sondern die Gerechtigkeit bringt die Werke hervor. Darauf kommt er stets wieder zurück.

Im Weihnachtsfeste redet er von der Furcht Gottes. Sie komme als eine dreifache vor. Ein Mensch fürchtet Gott um Gottes, ein anderer um Gottes und der Strafe, ein dritter um der Strafe allein willen. Auch dies steht wie so viel Ähnliches in unverkennbarem Zusammenhange mit seinem Widerspruche gegen den Ablaß. Wir hörten schon, wie er es mißbilligte, daß man dabei hauptsächlich der Strafe sich zu entziehen trachte. Er führt hier weiter aus, daß Die, bei welchen das Lehtere der Fall, nur Knechte sind. Wie die Furcht, so die Werke. Die erste Furcht läßt keine, die zweite einige, die dritte lauter Sünde zurück. Denn sie hält nur von der Begehung der Sünde ab, während sie die Sünde im Innern nicht anrührt. So fürchtet eine Ehebrecherin ihren Mann und liebt den Buhlen, theilt also die dem Manne allein gehörende Furcht und Liebe. Die in der Furcht Gottes zunehmen wollen, müssen Furcht und Liebe im mer mehr zu verbinden trachten, um von der Knechtschaft zur Freiheit, vom Buchstaben zum Geist, vom Tode zum Leben, von Mose zu Christo zu gelangen.

Dies hängt wieder mit einer verwandten Gedankenreihe zusammen, die in anderen Predigten in den Vordergrund tritt, Es handelt sich um den geseßlichen, in der Kirche wieder zur Herrschaft gelangten Standpunkt des Judenthums. Am Thomastage (kurz vor Weihnacht) seht er auseinander, wie das Evangelium (die neutestamentliche Lehre) das Gesetz (die alttestamentliche) erklärt, die Gebote desselben erweitert und so ans Licht stellt, daß Niemand das Gefeß ganz erfüllt, Niemand gerecht

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