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Erstes Gebot.

Sein unverrücklicher Standpunkt ist, die Gebote evangelischgeistig zu deuten und alles Handeln nach ihnen auf die Gesinnung, als die Hauptsache zurückzuführen. Daher, daß er sogleich auch im Eingange vom äußerlichen Gebot: du sollst nicht andere Götter haben, in die tiefste Innerlichkeit hinüber leitet, wobei er von den bekannten paulinischen Aeußerungen über Gesch und Sünde den Ausgang nimmt und an ihnen weiter führt, so daß schon die ersten Säße die Summe seiner theologischen Begriffe enthalten, die sich dann durch das Ganze hindurchziehen. Er unterscheidet zwischen der Abgötterei im gewöhnlichen Sinne, der äußerlichen, die er nur berührt, und der innern, wobei er verweilt. Sie ist da, wo der Mensch aus Furcht der Strafe oder seines Nußens wegen äußerlich zwar die Kreatur nicht anbetet, innerlich aber fortwährend Liebe und Zuversicht zu ihr hegt, die Kniee vor dem Reichthume, Ehren u. s. w. nicht beugt, ihnen aber sein Bestes opfert, Herz und Seele. Sie herrscht in allen Menschen, denn nie kann Einer durch eigene Anstrengung und Kraft dahin gelangen, daß er fremde Götter nicht anbete, so daß Alle Uebertreter des ersten Gebots find, bis sie durch die Gnade im Glauben an Christum, der allein von aller Abgötterei frei macht, geheilt wird, was so geschieht, daß der Glaube alles Vertrauen auf eigene Weisheit, Gerechtigkeit und Lugend hinwegnimmt, indem er lehrt, daß Niemand sich selber und Niemanden eine Kreatur helfen könnte, wenn Christus nicht für den Menschen gestorben wäre und ihn bewahrte. Daraus folgt dann Verachtung aller Kreaturen.,,Hörst du und glaubst, daß er für dich gelitten hat, so entsteht in dir Zuversicht und eine süße Liebe zu ihm, es vergeht die Liebe aller anderen Dinge als unnüßlicher, du schäßest nur noch allein Christum als den allein nothwendigen, er bleibt dir allein und genügt dir völlig, so daß du an allen anderen Dingen verzweifelnd ihn allein habest, in welchem du Alles hoffest und den du deshalb über Alles liebest." Nun aber das Zeichen und die Bewährung, ob Einer dahin gelangt und von Abgötterei frei geworden. Sie liegen darin, daß er den zeitlichen Dingen abgestorben und in Christus so sicher geworden, daß ihn

Reichthum nicht aufblähet und Armuth nicht verzagt, Ehre nicht hoffärtig, Schmach nicht ungeduldig macht, daß er am Leben nicht Luft hat und vor dem Tode nicht erschrickt, sich nichts anfechten läßt, es gehe, wie es gehe, und stets genug hat, wenn er nur Christum hat, ja aus inniger Sehnsucht zu ihm des Lebens und seiner Freuden überdrüssig ist und Unehre, Leid und Tod liebt und begehrt.

Er erwartet hier die Gegenrede aus den mönchischen Begriffen, wonach die Ordensleute als die Vollkommenen von den übrigen Menschenkindern, weil Höheres vollbringend, unterschieden wurden: solche Forderung gehe nur die Vollkommenen an. Er hatte einst selbst etwas über die Räthe der Vollkommenen geschrieben. Jest ist er darüber hinaus. Alle Christen sind ihm im Gegensaße zu den Juden und er nannte so schon die Ordensleute, sehte sie also selbst eine Stufe tiefer die Vollkommenen. Allerdings ergehe an sie jene Forderung, entgegnet er, mildert aber die Strenge der lehtern, indem er sie für das vorgesteckte Ziel erklärt, dessen Nichterreichung - jedoch Die nicht verdammlich mache, die mit rechtem Ernst danach trachten, es zu erreichen, in Demuth ihre Unvollkommenheit erkennen und bei Gott Vergebung ihrer Schuld suchen.

Aberglaube.

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Um warnend zu zeigen, auf wie manchfache Weise das erste Gebot übertreten werde, geht er verschiedene Abgöttereien durch und kömmt so auf den Aberglauben, der ihm eine derselben ist.

Selbst die Köpfe der höheren Stände, der Gebildeten, der Gelehrten steckten voll Aberglauben. Das Licht der Philosophie und der Naturwissenschaften, das seine Herrschaft zerstören sollte, dämmerte erst auf. Luther war im finstersten Aberglauben herangewachsen, auch zu Erfurt durch einen Truttvetter hatte ihm nur eine halbe Aufklärung werden können. An das Alles wird nun hier nur in der Kürze erinnert, um den Uebergang davon zu den Bemerkungen zu nehmen, wozu uns seine Bestreitung des Aberglaubens in seinen Umgebungen veranlaßt. Wir finden in seinen dermaligen Ansichten, um die es hier sich handelt, ein

wunderbares Gemisch von Vernunft und Verfinsterung. Indem er den Aberglauben bestreitet, steht er als Aufklärer über seiner Zeit. Wie groß mußte aber der Umfang und die Macht des Wahns in dieser sein, da er selbst gleich anderen hellen Köpfen auch noch so sehr in dem lehtern befangen war.

Er beginnt damit, Diejenigen der Abgötterei zu beschuldigen, welche Waffen beschwören, um dadurch fest zu werden. Allein ein Zweifel, daß dies geschehen könne, kommt ihm dabei nicht in den Sinn. Er hat selbst einen jungen Menschen gesehen, der sich einen Degen an den entblößten Leib sette und mit aller Kraft darauf drückte, so daß die Spite sich bis zum Hefte bog und ihm dennoch kein Leides geschah. Wahrsager, Zeichendeuter, Tagewähler u. s. w. dünken ihm mehr närrisch als bös. Der Teufel äfft damit nur die Leute, allein aus dem Affenwerke kann ein schlimmer Ernst werden. An solchen geringen Dingen lernen die Leute Vertrauen auf die Kreatur (Weihwasser u. dgl.) sezen, woraus dann folgt, daß sie Gott auch nicht glauben in großen Dingen. Daß sie heilige Dinge, Zeichen, Worte zu unheiligen und teuflischen Sachen mißbrauchen, erscheint ihm als die größte Sünde. Bei gewissen Kuren und Kinderkrankheiten, in denen der Aberglaube seine Rolle spielte,,,einfältige Dorfpfaffen und Küster Zettel schrieben, den Kindern an den Hals zu hängen“ u. s. f. wünscht er wol, daß „die Kinder verständig wären und reden könnten, um den Müttern ihre große Narrheit zu verweisen", und zweifelt nicht, daß sie sich klüger zeigen würden, als die Mütter; räth ordentliche Arznei anzuwenden oder mit einfältigem Herzen Gott anzurufen. Dabei aber hält er es dann · doch wieder für unzweifelhaft, daß die Heren den Kindern „solch Leid anthun" (das war seiner Mutter Glaube), oder daß dasselbe von den durch die Zauberer beschworenen bösen Geistern herrühre.

Ueberall bemerkt man, daß er den Gegenstand nicht mit freiem philosophischen Denken prüft, sondern lediglich das Richtmaaß des gesunden Menschenverstandes daran hält und hauptsächlich von sittlichen und religiösen Erwägungen sich leiten läßt. Jener hilft ihm wesentlich, den gröbsten Unsinn zu erkennen, und findet er noch einen religiösen Grund, so dringt er zum vollen Lichte hindurch. Seine religiösen Begriffe leiten ihn oft für sich allein zum Licht, bestärken aber auch wol seine Befan

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genheit. Versuchen, Kinder durch abergläubische Mittel gesund zu machen, da man sich doch seines Kindes erbarmen soll? Nimmermehr. Man darf nicht aus Mitleid mit dem Kinde dem Teufel zu willen werden, und solche Mittel sind Teufelswerk. Man darf das Kind, das Gott erschaffen, dem bösen Feinde nicht darbieten, daß er es erhalte und gesund mache. Also Arznei, Gebet. Die Macht der bösen Geister, Kinder oder Aeltern zu peinigen? Sie steht ihm unzweifelhaft fest nach der heil. Schrift; der Wahn däucht ihm nicht Wahn, er hat religiöse Gründe ein,,heimliches und gerechtes Urtheil Gottes, daß er dadurch ihren und anderer Glauben prüfe oder einen mit dem andern strafe." In dem Gemische von Vernunft und Aberglauben überwiegt die erstere, hauptsächlich unter der Leitung des sittlichen Sinnes und der Frömmigkeit, aber auch der lettere ist noch bedeutend genug. Bisweilen erkennt er den Wahn im Wahne, weil derselbe in Seelengefahr verführt, und erkennt er ihn noch nicht, so verwirft er ihn doch aus demselben Grunde. Er sucht wenigstens den sittlichen Sinn zu wecken und auf eine höhere Stufe zu heben, der im Aberglauben so oft das Bestimmende und Leitende war, wie wenn nach dem lehtern Den zeitlicher Schaden traf, der muthwillig das wohlthätige Korn verderbte oder der der Hölle anheimfiel, der aus Gewinnsucht nach Schäßen grub. Nicht selten bekämpft er den Aberglauben durch Wig und Ironie, ein Zug in seiner Polemik, der hier, wenn nicht überhaupt zuerst, doch zuerst recht deutlich und reichlich hervortritt. Die Bestreitung des Aberglaubens, sofern er ihn nicht theilt, führt ihn gclegentlich auch zu Angriffen auf Irrungen und Mißbräuche in der gemeinen religiösen Denkweise, in der Lehre, im Kirchenwesen.

Es für Sünde halten, Arznei zu gebrauchen, weil man in einer Krankheit den Heiligen ein Gelübde gethan, erscheint ihm wie ein Gottversuchen mit einem närrischen Gelübde. ,,So eine Frau das heilige Del empfangen hat, darf sie ein ganz Jahr nur schwarz tragen, soll ein Jahr lang nicht tanzen u. f. f. Siehe, so gemein macht sich der Teufel mit den Weibern, daß er ihnen sein Geheimniß und Heiligthum offenbart, sein Gesetz eingibt und durch sie seinen Aberglauben ausbreitet, allerdings Gott zu= wider." Dann wieder die,,Tagewähler, die nehmen etlicher Lage wahr, an welchen es gut ist über Land zu gehen, Geschäfte

zu treiben. Diese möchten wol glauben, daß das Feuer im Winter tröstlicher sei als im Sommer, denn ein guter Pelz bekommt einem bas im Winter, denn im Sommer, und daß alle Morgen gut Ausgehen ist einem gesunden Menschen, der etwas zu thun hat; wiederum daß böse Ausgehen ist einem Kranken" u. s. w. „Manche Weiber ziehen die Maien, die man auf St. MarkusTag in der Procession auf den Weg gebreitet, über die besäeten Aecker, und halten sich darnach sicher, daß die Vögel den Früchten keinen Schaden thun mögen. Ja, ich glaube, das habe große Kraft, daß die Vögel der Saat nichts thun, nämlich weil die Weiber mit den Sträuchern bei den Aeckern stehen und wehren, und nicht länger. Wer mag doch, seht er hinzu, alle leichtfertige, lächerliche, närrische Dinge erzählen, so die Weiber treiben, damit sie der Teufel bald betrogen hat. Das ist ihnen von ihrer Mutter Eva angeboren, daß sie sich also äffen und betrügen lassen.“

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Sehr helle Ansichten äußert er über die Astrologie,,,die auch gerne eine Kunst sein wollte, wenn sie vor angeborner Narrheit dazu fommen fönnte." Er möchte die Astrologen,,,die sich dünken lassen, sie wüßten Gottes heimlichen Rath, der auch den Engeln verborgen ist," gerne subtile Narren sein lassen; aber sie machen es zu grob." Was ihn zur Geringschätzung der Astrologie führt, zur Erkenntniß ihrer Nichtigkeit, ist abermals sein religiöser und sittlicher Standpunkt. So findet er es von vorn herein verdächtig, daß man ́ am Himmel Zeichen finden will, wodurch bewirkt werde, daß einer ein Bader, Wechsler, ́ Fischer, keinen Stern aber, der anzeige, ob einer fromm oder böse, wahrhaftig oder ein Lügner sein werde, woran doch so viel mehr gelegen. Wenn gesagt wurde, die Sterne zwingen den Menschen nicht zur Sünde, sondern neigen allein dazu, so erscheint ihm das gottlos; denn sollte Gott die Kreatur darum erschaffen haben, daß sie zur Sünde neige, und nicht vielmehr zur Frömmigkeit leite, so doch alle Dinge dem Edelsten und Bes sten dienen sollen, und nicht zum Schaden?"

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Die Astrologie führt ihn auf manchfachen Aberglauben. Er meint, ausführlich darüber reden zu müssen, da „Etliche_gefunden werden, die nicht glauben, daß dergleichen möglich sei, und Andere, welche nur allzuviel glauben." Nun däucht es ihm so glaubhaft als bekannt, daß es alte Weiber und Heren gibt, die

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