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stemmte sich der Gottlosigkeit des Volks wie der Ungebundenheit der religiösen Ansichten und Ueberzeugungen entgegen, während er das mehr oder minder klar empfundene Verlangen nach einer festen sittlichen und religiösen Lehre und nach der Freiheit der Gewissen von den todten Sagungen einer, der Religion nicht achtenden und mehr und mehr in Verachtung gerathenden Priesterschaft aufs Trefflichste befriedigte, und eben deßhalb fand er fo großen Anklang bei der Bürgerschaft in Wittenberg und dann bei der Nation, eben dadurch hielt er eine gewaltsame überstürzende Auflchnung zurück, die im Anzuge war und nur Unheil verkündete.

Bei der Gewaltsamkeit und den wirren Verhältnissen der Zeit war Zucht, Ordnung und Gehorsam das dringendste Bedürfniß, nicht freilich der knechtische Gehorsam und die mechanische bürgerliche Ruhe, die der geistlose Despotism, sondern der selbstbewußte Gehorsam und die Organisation, welche ein ordnender echter Herrschergeist schafft, sei es daß er in Einem, Mehreren oder Vielen vorhanden. Von Auflehnung und Gewalt der Volksmassen war so wenig für die politische als religiöse Reformation etwas zu erwarten. Das war jest wie späterhin seine Ansicht. Nicht erst im Bauernkriege wies er die Einmischung des großen Haufens ab. Auch jest schon tritt er den ordentlichen Obrigkeiten zur Seite. Er will das Volk wohl haben, aber ein besonnenes, ernstes, wohlgesinntes, religiöses. Das in leerem Räsonniren sich ergehende, gar nicht oder nur halbgebildete und zu ewigem Besserwissen vorwißige, das leichtfertig spottende, unverständig scheltende, leidenschaftlich gereizte, zumal das mit den Priestern die Kirche und mit dieser die Religion verhöhnende und verwerfende, von der Priesterlehre sich abwendende und auf die evangelische auch nicht hörende Volk will er nicht haben; er verweist es unbedingt zur Ruhe. Das ungebesserte Volk soll nicht bessern, das unheilige Volk nicht die unheiligen Priester schelten wollen. Er war jezt schon in der schweren gefahrvollen Arbeit begriffen, die Religion den Priestern und ihrer vermeintlich nothwendigen Vermittlung zu entreißen und jedem Einzelnen zurückzugeben. Kein Anderer trat so wie er für die Rechte, die Befähigung der Laien, der Gemeinden Mann für Mann, zum Miturtheilen und Handeln in Glaubens- und

Kirchensachen in die Schranken, wie kein Anderer neben ihm so viel that, die Laien, selbst die Vielen, zu rechtem Gebrauche der Macht und Freiheit heranzubilden, die er ihnen zusprach. Widersetzte er sich daneben wie kein Anderer gleich ihm auf seine Weise wüsten Pöbel- und Haufeneingriffen, so mißfiel dies sicher Vielen. Allein er fesselte die Meisten und zumal die Besten und Kräftigsten an sich, unwiderstehlich, durch Das, womit es zusammenhing, woraus es entsprang, durch sein Lehrganzes, seinen,,Glauben" und dessen bewältigende Wahrheit und Kraft, sein offenbares Bestreben, dem Zeitübel an die Wurzel zu kommen; ein Bestreben, das zumal darin sich zeigt, daß er nicht etwa Scheu trägt die verdorbenen Zustände anzugreifen, daß er mittelbar die Geistlichkeit schonen, den weltlichen Häuptern hofiren möchte, indem er mancherlei Tadel von ihnen abwehrt. Seine Rede ist nicht: werdet Ihr nur besser, damit es besser werde, seid nur selbst Christen, statt die Priester zu schelten, bekämpft nur den Türken im eigenen Busen statt die Fürsten zu tadeln, daß sie nicht wider ihn kriegen. Er spart auch den öffentlichen Zuständen, in welchen die Verderbniß anderntheils Nahrung und Haltpunkte findet, den weltlichen und geistlichen Häuptern, von denen Ähnliches gilt, keine Rüge, fordert nicht minder ihre Besserung, wie wir noch mehr und mehr wahrnehmen werden. 1)

Fünftes Gebot.

Bei seinen Erörterungen über das fünfte Gebot läßt sich noch leichter und deutlicher zeigen, wie innerlich - evangelisch seine ganze Anschauung geworden war und wie er sie wider den Gegensaß der herrschenden äußerlich - geschlichen geltend, und seinen Zuhörern klar und annehmlich zu machen suchte, womit denn von selbst was aus ihr folgte aufleben und was an dem Gegensahe hing fallen mußte. Auch hier geht er davon aus, daß die zehn Gebote nicht blos Böses verbieten, sondern auch das entgegengesette Gute befehlen, daß im Sinne Christi nicht blos böse That

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1) Gervinus a. a. D. II, 421. Leo, Lehrb. d. Universalgesch., III, 78. Mathesius, 12. Predigt.

verboten oder gute geboten sei, sondern daß Gott auch die böse Gesinnung verwerfe und die gute fordere, und daß also, da diese ein Gnadengeschenk, und da kein Gebot ohne die Gnade erfüllt werden könne, die Erfüllung nur angenehm sei mit ihr. Demnach werde in dem Gebote: Du sollst nicht tödten! nicht blos verboten, den Nächsten nicht zu beschädigen, sondern es werde gar trefflich darin geboten, daß wir gegen den Nächsten sollen milde und von Herzen sanftmüthig, geduldig, ruhig und friedfertig sein. Wer sich ohne die Gnade des Tödtens enthalte, sündige, wiewohl nicht nach dem Buchstaben, sondern nach dem Geiste, da ein Mensch ohne die Gnade nicht ohne Zorn und ohne Neigung zum Zorn sein könne.

Von diesem Standpunkte aus erschien ihm dann gleich dem Pharisäism die Scholastik mit ihren Glossen, als eine geistesdürre, Buchstaben und Traditions - Theologie voll nußloser Spißfindigkeiten, nur darauf hinauszulaufen, das Volk zu dessen Verderben an Sittlichkeit und echter Christlichkeit zu lehren, daß das Meiden der bösen That Gott schon genüge, äußerliche Erfüllung des Gesezes schon hinlänglich sei zur Seligkeit. Ganz pharisäisch nennt er Die, welche nach scholastischen Meinungen und Glossen lehrten, es sei des Gesetzgebers Meinung nicht, daß man die Gebote in der Liebe halten solle, es sei denn, daß man durch sie zum ewigen Leben eingehen wolle, weil sonst folgen würde, daß Derjenige sündige, der nicht tödtet und Todtschlag ohne Liebe unterläßt; oder das Gebot du sollst nicht tödten sei von der Zeit zu verstehen, wo Einer von Niemanden beleidigt werde, denn wer ungereizt zürnen wollte, würde allerdings sündigen, woraus denn folgte, daß Der nicht sündige, der zürnte, wenn er gereizt worden u. s. f.

Er läßt jedoch die Polemik hinter positiver Begründung seiner Lehre zurücktreten. Er entwickelt dabei großen Scharfsinn, der aber wiederum hinter der Gemüthsinnigkeit, der Begeiste= rung zurücksteht, womit er spricht. Wie schön an hundert Stellen, vom Zorne wider den Nächsten u. s. f.

Sechstes Gebot.

Keuschheit. Die menschliche Sündhaftigkeit.

An den beredten Schluß der Vorträge über das fünfte, schließt sich nicht minder beredt und von der innigsten Frömmigkeit und Herzenswärme zeugend der Anfang der Erläuterungen des sechsten Gebots an. Es handelt sich hauptsächlich um das Thema von der Unkeuschheit, und er beleuchtet es von allen Seiten mit einer wahrhaft erstaunlichen Welt- und Menschenkenntniß, Feinheit und Zartheit wie mit einem Freimuth, der weder der Gemeinde noch dem eigenen Stande oder den Höhen der Gesellschaft das Mindeste schenkt, „Fürsten und Obern, die da zulassen und nicht wehren, und nicht entschuldiget sind, wenn sie sich auch selbst des Lasters enthalten.“

Man kann das Ganze, insbesondere auch diesen Abschnitt, nicht lesen, ohne der Bemerkung Raum zu geben, daß es ein so tiefes als lebendiges und erleuchtetes sittliches und religiöses Gefühl und Herzensanliegen ist, wodurch er getrieben wird sich mehr und mehr in den theologischen Begriffen zu befestigen, die er sich angeeignet, und so lebhaft die in der Schule herrschenden und die großentheils an ihnen hängenden kirchlichen Gebrechen und Entartungen zu bestreiten. Die Bestreitung ist namentlich hier stets erst das Zweite, aus dem Bedürfniß hervorgehend, zu Dem die Bahn sich zu säubern, was zu erbauen, zu bessern geeignet, wobei er am längsten und liebsten verweilt. Gewaltig redet er bei diesem Gebot dem Volke ins Gewissen. So verbreitet er sich mit Ausführlichkeit und eben so großer Wärme, die tägliche Erfahrung erschöpfend, jede Entschuldigung, jeden Einwand berücksichtigend, die bessern Empfindungen durch jeden edeln Beweggrund aufregend, der nur Wirkung versprechen mochte, über die Sünde, in Gegenwart von Kindern unzüchtige Reden zu führen. Er läßt dabei die Gelegenheit nicht vorübergehen, einen Lieblingsgedanken wenigstens kurz zu wiederholen,,,Daher der große Fall der Christenheit, daß die Kinder verführt werden. Und soll die christliche Kirche wieder aufkommen, so muß der Anfang gemacht werden mit rechter Unterweisung der Kinder."

Bei der Geschichte seiner Kinder- und Mönchsjahre wurde.

bemerkt wie er nach seiner Anlage und mehrfachen Veranlassun. gen überall und zumeist in sich selber Sünde erblickte. Es hatte wesentlich zu seiner Hinwendung nach den harten augustinischpaulinischen Lehren von der Erbsünde und Gnade » mitgewirkt, worin er sich um diese Zeit mehr und mehr vertiefte, wie wir unten sehen werden. Hier ist wahrzunehmen, wie er auch durch eine reifere und ruhigere Welt- und Menschenbeobachtung darin bestärkt wurde, und wie geeignet auch seine schroffen Begriffe in seiner Behandlung waren zu Antrieben einer lebenvollen, prak tischen gesunden Sittlichkeit und Frömmigkeit gemacht zu_werden. Bei einem solchen Reichthume an Beobachtungen, so tiefen Blicken in das menschliche Herz, einem so durchdringenden sitt. lichen Ernste, diesem steten Zurückgehen auf die zur Aehnlichkeit des Urbildes umzuwandelnde Gesinnung kann man sich in der That nicht wundern, wenn er auch jezt überall, obwohl in einem geänderten Sinne, Sünde erblickt und am lebendigsten von der fort und fort und auch hier wiederkehrenden Ueberzeugung durchdrungen ist, die Menschheit sei von Natur verderbt, der Wille bös, unfrei, der ganze Schaden nur durch die Gnade zu heilen, der vollkommene heilige Gott nicht durch Werke des unheiligen Menschen, sondern nur durch eine der seinigen gleiche Reinheit zu versöhnen, die des Sohns, an welchem die Menschheit sich emporzurichten habe zu einem, dem Vater wohlgefälligen Wesen. Wo sind nun Die, ruft er aus, die so viel auf den freien Willen halten? Warum entschlagen sie sich nicht der bösen Anfechtung nach ihrem Willen? Ja, warum können sie das nicht wollen? Warum konnte St. Hieronymus und St. Paulus nicht entrinnen dem Stachel des Fleisches? Hätten sie es gewollt, so wäre es geschehen: aber sie vermochten das nicht genug wollen; darum hatten sie einen Willen wider ihren Willen. Es ist eine gleiche Sache mit dem Zorn. Warum stillen die Zornigen nicht alsbald ihren Zorn, wenn sie können oder wenn sie wollen? Aber sie vermögen das nicht, auch wollen sie nicht, darum, daß ihr Wille anderswohin gezogen und gefangen ist." Allein das Alles stimmt ihn weder düster noch zur Härte oder Ueberstrenge. Zwar wiederholt er unter Anderem gleich darauf seine Klagen über die Ueppigkeit, Zuchtlosigkeit und Unfitte hinsichtlich der Kleidertrachten fast in noch stärkeren Ausdrücken, er

III.

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