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die Liebe eine erzfaule, ja nichtige genannt, die erst helfen will, wo die äußerste Noth vorhanden ist. Wir haben den Saß aus Niemandem genommen, als aus Dem, der da spricht: Was Ihr wollet, daß Euch die Leute thun sollen, das thut Ihr ihnen auch. Wann wird denn die Liebe nach ihrer Lehre zu thun haben? Wer bestimmt es, wann die äußerste Noth vorhanden? Das sind die Mißgeburten (portenta), die Bernhardi erregten, weil er von mir dergleichen gehört hatte.“1)

Der in der Scholastik aufgehäufte schlechte Wust war so groß, daß selbst die Gelehrten schwer durchfanden. So tief war die einfache evangelische Wahrheit unter Schulmeinungen vergra= ben oder so sehr durch sie entstellt, daß ein glücklicher Wurf, eine gesunde Anlage dazu gehörte und daß es mit großer Mühe und Gefahr verbunden war zu ihrer ursprünglichen Gestalt wieder hindurchzudringen und dieselbe an das Tageslicht zu ziehen. Wir sehen dies gerade hier recht anschaulich und müssen es im Auge haben, um diese evangelischen oder exegetischen Entdeckungen Luther's und sein Heraustreten damit, um die Geistesfreiheit gehörig zu würdigen, womit er sich innerlich von der Tyrannei der Schule losrang und äußerlich ihr sofort auch Krieg machte. Die Disputation erregte großen Anstoß in Wittenberg und schien die Kollegen ganz aus der Fassung gebracht zu haben. Ebenso ging es in Erfurt. Der Sah von der Liebe überraschte selbst Lange. Indeß ließ sich Luther nicht irre machen. Er schrieb dem Lettern: ,,Sag Deinen sich wundernden oder vielmehr wunderlichen Theologen, mit mir sei nicht zu disputiren, was Gabriel (Biel), Raphael oder Michael gesagt haben." Es war der Grundsah, den er in Wittenberg geltend zu machen strebte. Er wollte von keiner Schulautorität mehr wissen, von keinem Menschenansehen mehr gebunden sein.

Die Disputation enthält noch einen starken Beleg dazu. Er stürmt gegen die Angelpunkte des herrschenden Lehrsystems, auf welchen doch das Pönitentialwesen, der Ablaß und was nicht Alles ruhete - er verkündet die Grundzüge eines Lehrsystems, wodurch das Herkömmliche mit Allem, was daran hing, aufgelöst werden, zerfallen mußte. Aber hiermit nicht begnügt, wie um die Fol

1) De Wette I, 35.

gen, wohin das Alles führen werde, auch den Kurzsichtigen dicht vor Augen zu rücken, werden noch ausdrücklich die gangbaren Vorstellungen von den Heiligen und deren Verdienst und Macht bestritten. Der Widerspruch geht aus von Schriftststellen, wie Matthäus 21 V. 22, 1. Korinther V. 22. Alles, was ihr bitten werdet in meinem Namen, das werdet ihr empfangen - Es ist Alles cuer, es sei Leben oder Tod, Gegenwärtiges oder Zukünftiges. Hat er uns nicht Alles in Christo geschenkt? Luther drückte nun sein richtiges Verständriß so aus: alle Dinge find Dem, der da glaubet, durch Christum und in dessen Namen, Kraft und Macht möglich, und zog den Schluß daraus: wenn die Gläubigen schon hier Alles ausrichten können, desto mächtiger werden sie es anderswo zu thun im Stande sein, wo Gott Alles in Allem sein wird, es ist also abergläubisch, nach menschlichem Ermessen dem einen Heiligen diese, dem andern jene hülfreiche Kraft, oder aber, den einzelnen Heiligen besondere Kräfte, statt allen Heiligen ein Gesammt - Vermögen zu helfen zuzuschreiben. Aus der augustinisch gefaßten Lehre von der Gnade ergab sich dasselbe. Wenn Gott den Gläubigen in Christo Alles schenkt, wozu die Hülfe der Heiligen, die sich ein besonderes Verdienst bei Gott nicht erwerben konnten, wenn die Gnade Alles und des Menschen Thun nichts ist.

Obsiegen der Nichtung Luther's an der Universität.

Ueber den Verlauf der Disputation ist nichts, über ihren nächsten Erfolg nur wenig bekannt. Man muß annehmen, daß der Zweck so ziemlich erreicht wurde, den Anbellern den Mund zu stopfen, denn von einer nachdrücklichen Gegenrede, einem ernstlichen Unternehmen von Widersachern würden sich Nachrichten erhalten haben. Es war nun schon viel, daß die Entwickelung in ihrem ruhigen Gange ungestört blieb. Das Vertrauen zu der neuen Richtung und deren Vertretern mußte wachsen, da sie von Niemandem hatten überwunden werden können. Bernhardi's offenes Hinzutreten machte ohne Zweifel auch Andern Muth. Das Aufsehen war bedeutend und an sich selbst ein Gewinn. Es lenkte die Aufmerksamkeit auf diese Gegenstände und Erörterungen mehr

hin, so daß im Jahre darauf die Ablaßthesen sich um so rascher verbreiteten, um so begieriger und vorbereiteter gelesen wurden. Man wunderte sich in den wittenberger gelehrten Kreisen, war überrascht, unwillig und verdrießlich, Einzelne zürnten auf Luther. Allein schon nach kurzer Zeit begannen sich Spuren einer gänz lichen Umkehr der Meinung zu zeigen. Er konnte an Lange schon im Oktober melden, Anfangs habe sich auch Amsdorf gewundert, es sei aber jeht nicht mehr der Fall, und nach wenigen Monaten finden wir den Sieg seiner Richtung in Wittenberg entschieden, woraus doch wol zu schließen ist, daß die Disputation nachhaltige Eindrücke zurückließ. Wir erinnern uns, daß ihm seine Kollegen Anfangs lebhaft widersprachen, allmählig aber zu ihm hinübertraten; sie wurden namentlich durch häufige Disputationen überwunden, weshalb man auch wol den Sah durchzuführen gesucht hat, daß die Reformation durch Disputationen angefangen und fortgepflanzt sei. Natürlich wirkten indeß seine übrigen Bestrebungen mit, und sehr wesentlich. Die Docenten hörten auch seine Vorlesungen, seine Predigten. Die Hälfte der Theologen bestand aus Augustinern, was ihm seine Mühe erleichterte. Allein die Augustiner waren doch immer Ordensleute und durch die Schule gebildet. Am schwersten hielt es bei den eigentlichen Doktoren, den Inhabern von Kanonikaten am Stift, die die andere Hälfte der theologischen Fakultät bildeten; und es ist niemals eine Kleinigkeit, Fachmänner und Würdenträger aus ihrem angewöhnten Gedankengange und Wissen herauszubringen. 1)

Wir sahen Karlstadt schon in der lutherisch-augustinischen Richtung mit Eck streiten. Am 18. April 1517 schlug er hundert und funfzig Thesen zur Vertheidigung des Augustinismus an und traf Anstalten die Disputation so feierlich und entschei dend als möglich zu machen. Sie sollte mehrere Tage dauern, er schickte die Thesen auch nach Hofe und suchte durch Spalatin den Kurfürsten zu veranlassen, Abgeordnete zu dem gelehrten Wettkampfe zu bestellen. Das scheint denn doch darauf hinzudeuten, daß er jegt in volles Feuer gekommen, ganz gewonnen,

1) Neubauer, Diss. de ref. disputationib. incoepta et propagata, 11. Löscher I, 315. De Wette I, 34.

durch Bernhardi's Disputation lebhaft angeregt war, auch einen Schlag führen, vielleicht es Luther noch zuvorthun wollte, wie das Alles ganz seiner bekannten Art gemäß ist. ')

Luther nahm eifrigst Theil. Am 6. Mai schickte er die Thesen Karlstadt's, nebst einem über die Denkfaulen sich ausLassenden Schreiben an. Scheurl nach Nürnberg, der sie Link und Andern mittheilen soll, denen solche Leckerbissen (deliciae) behagen."

,,Sie sind, schreibt er, meines Erachtens nicht Cicero's Paradora, sondern unsers Karlstadt's, ja des heiligen Augustinus seine, so viel trefflicher und wunderwürdiger, als Augustinus, ja Christus, höher als Cicero steht. Es werden aber solche Paradora aller Derer Trägheit oder Unwissenheit an den Tag bringen, denen sie mehr parador als orthodor vorkommen, daß ich Derer geschweige, die sie mit Dummkühnheit vielleicht kakodor nennen werden, weil sie weder den Augustin noch den Paulus lesen, oder so lesen, daß sie nicht verstehen und sich und Andre zugleich verwahrlosen. Karlstadt's Thesen sind also den Bescheidenen und Denen, die sie noch nicht kennen, Paradora, Denen aber, die sie kennen, Eudora und Kalodora, mir selbst Aristodora. Gott sei gepriesen, der das Licht aus der Finsterniß wieder hervorleuchten läßt!")

Gleichfalls im Mai schreibt er an Lange: „Unfre Theologie und St. Augustinus haben glücklichen Fortgang und regieren an unsrer Universität durch Gottes Beistand. Aristoteles kommt allmählig ins Abnehmen, neiget sich schon zum ewigen Darniederliegen. Die Vorlesungen der Sententiarier erregen den gröBesten Ekel (mire fastidiuntur), Keiner kann auf Zuhörer rechnen, der sich nicht zu jener Theologie, das ist, zur Schrift oder St. Augustin oder einem andren Lehrer von kirchlichem Ansehen bekennen mag" (profiteri velit).3)

Der Zusammenhang ist leicht zu durchblicken. Es ging, wie es schon die Jahre daher gegangen war. Luther's Kollegen waren

1) Löscher I, 846. Füeßlin, Andr. Bodenstein sonst Karlstadts Lebensgesch. 8 ff.

2) De Wette I, 55.

3) De Wette I, 57.

noch im Sommer 1516 erzürnt über seine kritischen Entdeckungen, waren überrascht durch seine und Bernhardi's Disputirsäße, stritten gegen ihn, überlegten und gaben ihm zuleht Recht, wie sie es mehr und mehr gethan, ließen sich von ihm und dem Strome fortreißen, er war der herrschende Geist an der Universität, seinem Einflusse war nicht zu widerstehen. Es wollte nicht wenig sagen, war noch an keiner Universität nur von fern erreicht, daß die Vorlesungen im alten Sinne aufhören mußten, weil sich keine Zuhörer mehr für sie fanden, daß fast sämmtliche Lehrer der an sich unerhörten Neuerung beitraten, das aristotelisch-scholastische System aufzugeben, ja einen auf seinen Sturz berechneten offenen Krieg zu beginnen. Es hatte freilich noch immer einzelne Anhänger. Sie wagten sich indeß kaum hervor und vermochten nichts. Von unberechenbarer Wichtigkeit war es, daß Luther die ganze Universität für seine Richtung, seine Theologie gewann, daß er nach dem Ausbruche des großen Krieges auf die Universität sich stüßen, auch darauf sich berufen konnte, er lehre seine Streitfäße, sofern sie von der Gnade und den Werken handelten, nicht allein, ja nicht einmal zuerst, Amsdorf, Karlstadt, Lupin, und wie sie weiter hießen, die tüchtigen Schulgelehrten selbst, ja alle in allen Fakultäten, mit alleiniger Ausnahme M. Sebastian's, wären da beständig seiner Meinung. Wie hätten sie, einig mit ihm in den theologischen Grundbegriffen, ihn so leicht fallen lassen können? Seine Sache war doch theilweis ihre eigene, als er den Gewaltangriff auf den Ablaßunfug gewagt. Der Angriff ging freilich viel weiter als jene Grundbegriffe, stüßte sich aber auf sie. Sie mußten bestritten werden, wenn man ihm in irgend einem Punkte etwas anhaben wollte, und jeder Angriff auf ihn und seine Ablaßthesen traf daher die ganze Universität mit, so daß auch die lettre in den Streit hineingezogen werden und selbst wider Willen an seiner Seite fam pfen mußte. Daß er die Nation einmal wahrhaft aufrüttelte und in eine so heilsame Bewegung gegen die römische Beherrschung und so verderbliche und schimpfliche Unbilden in Harnisch und zu Thaten brachte, daß er weithin das Orakel der Zeit wurde für die Theologen und Laien, daß man auf seine Worte schwur, daß man was an dieser Stelle insbesondere in Betracht kommt zu seinen härtesten, eigensinnigsten Dogmen sich

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