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barer waren, daß Viele schon empfanden, da rede ein Mann, der dem Volke im eigentlichsten Sinne gehören solle und den Kern des Evangeliums wie kein Andrer erkannt und ergriffen habe. Genug, in ihm war das Bedürfniß lebendig, sich in deutscher Sprache vernehmen zu lassen; in der Nation lag, zusammenhängend mit dem bezeichnenden Drange der angehenden Neuzeit nach selbständiger nationaler Ausbildung der Völker, ein eben so tiefes und weitverbreitetes Verlangen, wie nach einer geläuterten religiösen Lehre, so nach einer deutschen Literatur. Beides traf zusammen, gerade auch in Luther's engstem Kreise. Scheurl überschte staupißische Schriften ins Deutsche, Spalatin ging mit einem ähnlichen Vorhaben um. Im December 1516 beantwortet Luther seine Anfrage, welche Schriften er zum Uebertragen ins Deutsche wählen solle. Wenn Luther nicht der erste war, der jenem Verlangen mit Erfolg entgegenkam, so befriedigte er es am vollständigsten und glücklichsten.

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Man hat bemerkt, daß die hervorragenden Punkte in dem Entwickelungsgange der deutschen Gesammtsprache stets mit einem Aufschwunge im Leben der Nation verbunden gewesen sind: ihre ersten Anfänge mit der Verbreitung des Christenthums; die Sprache des Mittelalters, die Dienerin des frischen sanglustigen Adels, mit der Blüthe Deutschlands unter den Hohenstaufen und dem ersten Erwachen geistiger Selbständigkeit; der Anfang des Neuhochdeutschen mit der Blüthe des Städtelebens, seine Feststellung mit der Reformation, seine Wiedergeburt mit dem Kampfe um geistige Unabhängigkeit, sein gegenwärtiger Bestand mit dem Aufschwunge der Wissenschaft, die endlich wieder mit Ernst daran denkt, sich eine Brücke ins Land des Lebens hinüberzuschlagen, wie sie es im Zeitabschnitte der Reformation, wesentlich unter. Luther's Vorgange, that. Die Bewegung im deutschen Volke, die in der Reformation ihren Höhepunkt erreichte, war eben so tief als vielseitig. Nie war das Nationalgefühl so stark angeregt ge= wesen. Es erhob sich gewaltig gegen das eingedrungene Romanische, die romanische Bildung, den romanischen Einfluß. Damit hing genau eine eben so starke politische Regung zusammen. Deutschland sollte frei werden von ausländischer römischer Beherrschung, geordnet zur Einheit und Zusammenfassung der Kräfte. Die politische Bewegung ging in eine sociale über; bis in die

untersten wurden alle Stände aufgeregt. Das Alles drückte in der Literatur sich aus. Blieb die nationale, politische und sociale Bewegung neben der religiösen unvollständig, so glich der letzten an Bedeutung die literarische. Wir erlebten in der Reformationszeit eine literarische Umwälzung, wie vielleicht nie ein anderes Volk.")

Diese Bewegung in ihrer Ganzheit und ihren einzelnen Richtungen hätte die Sprache ergreifen müssen, sie traf mit einem Aufschwunge derselben nicht bloß genau zusammen, sie hing selbst großentheils davon ab. Die nationale Bewegung konnte ihr Ziel nicht erreichen ohne Ausbildung der ureignen Sprache der Nation; eine allgemeine Sprache war ein allgemeines Bindemittel, ein Punkt der Einheit, des Zusammenfindens und Haltens, um so werthvoller und nöthiger, je mehr die Kräfte und Bestrebungen sonst auseinandergingen und je schwerer es war, sie zu einigen. Keine Nation kann frei werden, die eine fremde Sprache redet und die eigne nicht zu sprechen weiß. Die Masse der Nation konnte nicht zum Bewußtsein ihrer Kraft gelangen und die leßtre nicht gebrauchen ohne Bildung, und keine volksmäßige Bildung ohne Vermittlung der Nationalsprache. Die innersten Gedanken, Empfindungen und Bedürfnisse können bei Jedem den vollen Ausdruck und völlige Befriedigung nur in der Muttersprache finden. Eine Nationalliteratur ist an sich selbst undenkbar ohne eine ausgebildete Nationalsprache. Wenn zu jener Zeit unsre Nation mit irgend einer von ihren Bestrebungen zum Ziele gelangen, wenn in irgend einer Beziehung etwas aus ihr werden sollte, so mußte sie in einem umfassenderen Sinne Deutsch reden lernen. Daher denn auch seit einiger Zeit ein häufiger Gebrauch derselben in der Literatur, Bemühungen manchfacher Art und von mehreren Seiten sie auszubilden, ihr Geltung zu verschaffen. Doch griffen diese vereinzelten Bemühungen nicht durch, große Hindernisse standen ihnen noch entgegen, Vorurtheile der Gelehrten und Gebildeten gegen den Gebrauch der Vulgärsprache, Unbrauchbarkeit der letteren selbst in vielen Beziehungen, zu manchfachen Zwecken. Noch immer gab es doch Viele, welche sie als barbarisch verach

1) Nationalität und Sprache, in deutsche Vierteljahrsschrift 1842, 70. Gervinus a. a. D. II, 348.

teten. Selbst ein Bebel, sonst thätig für sie, schämte sich ihrer zum Theil noch. Sie war eben so ungelenk und unfügsam als ungekannt, wo es galt, Wissenschaftliches darzulegen, die Ergeb= nisse gebildeten Denkens und gelehrten Forschens der Nation mitzutheilen. Die Gelehrten und Gebildeten wußten sich nicht in ihr auszudrücken und sprachen, schrieben lieber Lateinisch, und so lange dies nicht anders wurde, blieb eine Kluft zwischen der Wissenschaft und dem Leben, den Gelehrten und den höheren Ständen einer und der Volksmasse andrerseits, der Bildung und der Ansichten dort und hier. Mit einem Worte, es war noch keine gemeinsame Sprache für das Gemeinsame vorhanden. Wimpheling schrieb seine Beschwerden deutscher Nation noch lateinisch, also nur für die Gelehrten und Gebildeten, in fremder Sprache klagte die Nation. Schon seit mehreren Jahren war es Hutten's Bestreben gewesen, auf alle Stände einzuwirken und doch schrieb er erst 1520 deutsch. Seine ersten deutschen Schriften waren Uebersehungen seines Sendschreibens an den Kurfürsten von Sachsen und seiner Klagschrift an alle Stände deutscher Nation. In der lettern sagt er, er habe bisher lateinisch ge= schrieben, um das gemeine Volk nicht aufzuregen, um der Geistlichkeit,, heimlich ihre Gebrechen anzuzeigen," er habe,,diese Ding dem gemeinen Haufen noch nit offenbaren wollen.“ der Klag und Vormahnung:

,,Latein ich vor geschrieben hab,

Das was ei'm jeden nit bekannt:

Jezt schrei ich an das Vaterland.“ 1)

In

An jenen Bemühungen nun, die deutsche Sprache auszubilden und ihr in der Literatur Geltung zu verschaffen, und an die Bedürfnisse und Strebungen, wovon dieselben ursprünglich ausgingen, knüpfte Luther an, schöpferisch, meisterlich und erfolgreicher als Einer vor, neben oder nach ihm, hier sich bekundend als die erste unter den bevorzugten Naturen in der Nation, in welchen die Keime des Herrlichen und Großen der anbrechenden neuen Zeit sich zuerst entwickelten. Es deutet sowohl auf

1) Erhard a. a. D. III, 150, 344 ff. Münch, Hutten's Werke, V, 3, 39, 66.

seine frühe Richtung als auf das hin, was gleich zuerst vornämlich Eindruck machte, daß namentlich von ihm gerühmt wurde, daß er sich in den Predigten so trefflich deutsch auszudrücken, daß er in den Vorlesungen so tapfer jedes lateinische Wort zu verdeutschen gewußt. Und wie groß wurde seine Wirksamkeit durch die Bildung, welche er der deutschen Sprache gab, und durch den Gebrauch, den er von ihr machte! Er löste den Deutschen durch seine Bibelübersehung, seine Kirchenlieder und Streitschriften die Zunge und lehrte sie zum zweiten Male eine gemeinfame Sprache, die stärker als je zuvor das Ganze beherrschte. Er entfernte und befreite sich gänzlich von der Manier und Gewöhnung, die selbst Hutten, dem in dieser Beziehung mit ihm bald so Gleichfühlenden und Strebenden, noch nicht auffiel, latinifirend deutsch zu schreiben und beim Deutschschreiben lateinisch zu denken. Er reinigte die deutsche Sprache von den Wacken und Klößen, und war er noch nicht mächtig genug das Vorurtheil gegen sie in der gelehrten Literatur und der Poesie völlig zu überwinden, so erschütterte er den Gebrauch des Lateinischen praktisch und tief und eroberte die deutsche Sprache für die Religion, wie nach ihm Opiß für die Poesie, Thomasius für die Wissenschaft 1).

An dies Alles wird hier nicht erinnert, weil es am Orte wäre, seine Verdienste um die deutsche Sprache zu erörtern, sondern nur, weil wir hier bei den Anfängen davon stehen, und weil daran gedacht werden muß, um die Bedeutung dieser Anfänge gehörig zu würdigen. Mit den Bedürfnissen der Herstellung einer gesunden Theologie, einer Erneuerung des religiösen und sittlichen Lebens, des erbaulichen Gottesdienstes und insbesondre der Predigt, des Jugendunterrichts sahen wir ihn bisher beschäftigt. Jest greift er auch dieses andre Bedürfniß auf, und sogleich mit Bewußtsein und mit einer Kühnheit und Sicherheit, die sich aufs Dreisteste über entgegenstehende Bedenklichkeiten hinweghebt. Schon aus der Vorrede zur deutschen Theologie sicht man klar, wie hell er den tiefen Zusammenhang der deutschen Sprache und des deutschen Gemüths ahnte. Wollte er bei Her

1) Vierteljahrsschrift a. a. D. 66. Gervinus a. a. D. II, 262; III, 154 f. 216.

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ausgabe jener Schrift, daß Niemand sich ärgre an den ungefränzten und ungekränzten deutschen Worten, so ging er einen Schritt weiter, indem er sich in einer eigenen ähnlichen Schrift vernehmen ließ. Er sagt im Vorworte zur Auslegung der Bußpsalmen : ,,Meine Vermessenheit aber, die Psalmen auszulegen, sonderlich ins Deutsche, befehle ich frei in eines Jeglichen Gutdünken zu urtheilen. Denn nicht mir noch dir, sondern Gott alleine Lob und Ehre ohne Ende." An Lange schreibt er: „Wenn meine deutschen Psalmen Niemandem gefallen sollten, so gefallen sie mir aufs Beste." Schon dasselbe stolze Gefühl, das er 1530 in seinem Sendschreiben vom Dolmetschen ausspricht: Weil ich gewußt und noch vor Augen sehe, daß ihr (der tadelnden Widersacher) keiner recht weiß, wie man dolmetschen oder deutsch reden soll, hab ich sie und mich der Mühe überhoben, sie um Hülfe und Beistand zu bitten. Das merkt man aber wohl, daß sie aus meinem Dolmetschen und Deutsch, lernen Deutsch reden und schreiben, und stehlen mir also meine Sprache, davon sie zuvor wenig gewußt; danken mir aber nicht dafür, sondern brauchen fie viel lieber wider mich. Aber ich gönne es ihnen wol: denn es thut mir doch sanfte, daß ich auch meine undankbaren Jünger, dazu meine Feinde, habe reden gelehrt." Sie wollten es freilich aus Parteileidenschaftlichkeit nicht lernen und schrieben noch lange lieber lateinisch oder schlechteres als das „lutherische “ Deutsch, konnten sich aber seinem Einflusse auf die Länge nicht entziehen und schreiben es-nun längst mit uns, eine der erfreulichen stillschweigenden Anerkennungen der nationalen Wirksamkeit Luther's 1).

Auch das ist zu erkennen und zu beachten, von welchem besonderen Punkte es ausging, daß er der deutschen Sprache fich annahm, für ihre Pflege und ihren Gebrauch so thätig wurde. Die Geistlichen nahmen sich für das Volk in Deutschland eifriger der innigeren Einpflanzung des neuen christlichen Glaubens an als anderswo. Nirgends, außer bei den Angelsachsen, verschafften sich die Quellenschriften so früh einen so ausgebreiteten Eingang in die Vulgärsprache wie bei uns. Hervorstehende Wahrzeichen dafür sind die gothische Bibelübersehung, in welcher

1) De Wette 1, 52. Watch XXI, 311. Billers a. a. D. II, 149.

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