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Denn nicht der Propst strafe, sondern Recht und Gesetz; er sei Diener, nicht Herr desselben. Er soll sich nicht irren lassen durch den Gedanken, daß er vielleicht ein eben so großer, wol gar noch größerer Sünder sei. Dies Gott gebeichtet ist genug. Hier auf Erden müssen wir zur Erbauung des Nächsten, zum gemeinen Nußen fast immer Sünder strafen, die besser find als wir selbst, Gelehrtere lehren, Würdigern vorstehen. Deßhalb soll der Propst gegen den Gefallenen Demuth und Lindigkeit des Herzens beweisen, zugleich aber thun was seines Amts. Die Gewalt, die ihm dieses gebe, sei nicht sein, sondern Gottes, während die Milde und Liebe bei ihm stehe. Zu kluger liebender Schonung räth er gleichfalls, als einst der Propst geklagt, die Sittenverderbniß nehme in seinem Kloster überhand. Ich meine, daß es in allen Klöstern eben nicht besser ist, und daß sie saumselig find, damit die zu Wächtern Gesetzten Wachsamkeit üben. Kannst Du daher nichts schaffen mit Frieden und im Guten, so rathe ich nicht, daß Du mit Schärfe und hartnäckig gegen den größten Theil Deiner Brüder streitest. Gieb Raum dem Zorne und laß das Unkraut mit dem Waizen wachsen. Es ist besser, Wenige mit Frieden zum Heile führen, als Alle um Vieler willen in Unruhe sehen; besser, Viele um Weniger willen tragen, als Wenige wegen Vieler verderben.“ 1)

Er durchschaut den Umfang des Uebels, die Tiefe der Verderbniß, namentlich auch in den Klöstern vollkommen, er hätte die erschlaffte Zucht gern wieder hergestellt und thut auch dazu bei jeder Gelegenheit. Allein eben, weil er so tief blickte, mochte er nicht zufahren, erwartete er von dem mit unterscheidender Beurtheilung nicht verbundenen Eifer eines Lange nur Lärm ohne eigentliche Ergebnisse, von Herstellung der äußerlichen Ordnung nur wenig. Er wollte gerade kein Wesen anfangen in der Kirche." Was er an den neustädter Konvent und in den zuleht angeführten Briefen an Lange und den Propst in Leikkau schreibt, das alles erinnert wieder an seine gleich zu Anfang seiner Vikariatsführung aufgestellte Forderung, daß Einer des Andern Last trage, an seinen geltend gemachten Grundsaß, daß auch die gute individuelle Meinung und Absicht dem Geseße sich

1) De Wette I, 34, 56, 64.

unterordnen müsse, wenn auch nur der Einzelne Nußen und Heil hoffen wolle; an den Ordnungssinn, der um des Ganzen willen. auch das Kleinste bedenkt; an die Fürsorglichkeit, mit welcher er als Oberer auch der Einzelnen, der Untauglichsten und Unwürdigsten sich annimmt. Dem Allen liegt die evangelische Anschauung, der Sinn für das Gemeinsame, für Unterordnung der Persönlichkeit unter dasselbe, für Zurückstellung des eignen Nußens, Beliebens oder Gelüstens hinter das gemeine Beste, mit einem Worte der bewußte Wille und die Fähigkeit und Kraft der Hingebung und Aufopferung zum Grunde, deren Spiße jener Glaube ist, der, um der Pflicht zu genügen, dem Pesttode sich darbietet und weder für sich noch für die Welt, die ausgestreute Saat, den Untergang der Person fürchtet. Ich hoffe die Welt wird nicht untergehen, wenn Bruder Martin zu Grunde geht."

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Das Vikariat warf ihn in einen wahren Strudel von Geschäften hinein, und um so bewundernswürdiger erscheint die Thätigkeit, welche er entwickelte, wenn man nun auch die übrigen Richtungen derselben ins Auge faßt. Zu der Zeit, als die Peft in Wittenberg um sich griff und solche Zeiten sind an

sich selbst aufregend, störend, vielfach zerstreuend sehen wir ihn nach allen Seiten thätig, in Anspruch genommen, überhäuft. „Ich bedarf fast zweier Schreiber," klagt er zu Ende Oktobers gegen Lange, doch in scherzhaftem Tone, ohne Spur von Ermüdung,,,thue ron Morgen bis Abend fast nichts als Briefe schreiben, weiß deßhalb nicht, ob ich mich nicht wiederhole. Ich bin Prediger im Konvent, Lektor (Ecclesiastes) bei Tische, werde täglich abgefordert in der Pfarrkirche zu predigen, bin Studiendirektor, Vikarius, d. h. elf Mal Prior, Verwalter unserer Fischteiche in Leigken; in Torgau bin ich herzbergischer Sachführer, ich lese über die paulinischen Briefe, den Psalter — und die meiste Zeit nimmt mir, wie gesagt, das Briefschreiben hinweg. Selten habe ich die völlige Zeit, die Horas abzuwarten, nicht zu reden von den eignen Versuchungen mit Fleisch und

Blut, Welt und Teufel. Schau, was für ein müssiger Mensch ich bin!" 1)

So hatte demnach jeht die Vielthätigkeit begonnen, die ihn und sein Leben sehr stark seit dieser Zeit bezeichnet; die Vielthätigkeit, womit er sich hineinließ und hineingezogen wurde in Kirchen, Staats- und Privatsachen, Angelegenheiten aller Art, die verwickeltsten Dinge; so daß ihm noch oft Anlaß zu ähnlichen Aeußerungen wurde, deren eine wir der angeführten zur Seite stellen wollen. Er schließt ein Schreiben an Link aus dem Jahre 1529:,,Du klagst, daß ich Deine Fragen nicht beantwortet. Wundere dich nicht: willst Du Antwort haben, so mußt Du noch ein Mal schreiben und erinnern. Denn ich werde täglich von Briefen so überschüttet, daß Tische, Bänke, Schämel, Pulte, Fenster, Kästen und alle Sachen voll liegen von Briefen, Anfragen, Akten, Klagen, Bitten u. f. w. Die ganze Last des Regiments der kirchlichen und weltlichen Dinge liegt auf mir, so wenig thun die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten ihre Schuldigkeit. Ihr zu Nürnberg sigt und spielt im Paradiese, weil Ihr einen Magistrat habt, der Alles ausrichtet und Euch von Sorgen und Geschäften befreit. Wir aber werden selbst von den Hoffachen geplagt, die nicht viel Kirchliches an sich haben." 2)

Jeht war er, woran wir doch erinnern müssen, auch noch immer ein,,eifriger Mönch", noch immer machten ihm „Anfechtungen" Noth, so stark und vielfach er in Anspruch genommen, von seinen innern Zuständen abgezogen wurde. Denn selbst die Verwaltung des Vikariats spornte feine innere und äußere Thätigkeit in andern Richtungen an. Der junge Docent und Prediger führte es von Anbeginn mit einer augenfällig überlegenen Festigkeit und Nuhe, Mäßigung und Geschäftsgewandtheit, ja mit einer Tüchtigkeit in Anfassung der Welt und der Menschen, die bei seinem Aufwachsen in so engen Verhältnissen und seiner klösterlichen Bildung um so mehr überrascht. Welch eine Anlage des Reformators zeigt er, welch ein Organisationstalent, und gerade ohne Heftigkeit oder Ungeduld, ohne alles Eifern, alles

1) De Wette I, 41.
2) De Wette III, 472.

Voreilen. Staupih hatte seine Anlage auch zu praktischer Geschäftsführung richtig erkannt, als er ihn eben in Geschäften nach Rom schickte, ihm das Vikariat übertrug. Wie groß würde er sicher auch als Staatsmann geworden sein, wenn er nach dem Willen des Vaters bei den weltlichen Studien geblieben wäre. Wir haben ihn den Doppelgänger Staupißens ge= nannt. Er ist es hinsichtlich der Milde, des Wohlwollens, der flugen Schonung, womit Staupit seinen Orden reformirt hatte und regierte. Aber freilich an nachdrücklicher allseitiger Thätigkeit thut es ihm Luther offenbar weit zuvor. Er zeigt hier plöklich ohne Vorbereitung bei eben so wenig Herrschbegier den Herrschergeist des Fürsten, der Staupit nicht gegeben war. Luther in seiner Vikariatsführung beobachtend, erkennt man den großen Geist, den geborenen Herrscher, indem er mit dem Größesten beschäftigt die geringsten Kleinigkeiten besorgt, wie wenn er eben nichts Anderes zu thun hätte; indem er von den heftigsten Empfindungen bestürmt und heiße Kämpfe führend denn das war gleichzeitig mit völliger Geistesruhe und Klarheit die dazu sich eignenden Sachen behandelt; indem seiner Kraft, seinem Eifer und Feuer eine mindestens eben so große Selbstbeherrschung, Festigkeit und Besonnenheit zur Seite steht; indem er unverrückt ein großes Ziel in großer Auffassung verfolgt. Anlage des Herrschers, nicht des Tyrannen zeigt er. Ist es schwer, keinen Despotism zu üben, Dem, der durch Geburt oder Stellung den Anspruch und das Vermögen der Herrschaft hat, so ist es doppelt schwer Dem, dessen Anspruch zu herrschen zugleich ein innerlicher ist, auf dem Besitz und Bewußtsein eines königlichen Geistes, bedeutender geistiger Ueberlegenheit ruht, und dem es nahe ge= legt wird, Die gering zu achten, die feinem Geheiß zu folgen haben. Wie nahe lag dies Lehtere für Luther jezt schon. Wie unmündig und unwürdig war der Haufe Derer, welchen er jezt zu gebieten hatte; Mönche waren es, zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet.

Sehr bedeutend war auch der Nußen, den er aus seiner Vikariatsführung zog. Es war nicht der einzige Vortheil, daß er Gelegenheit erhielt, auf die Ordensbrüder in der Weise wie bisher und in einem weit größern Maße einwirken zu können. Sein Einfluß und Ansehen in und außer dem Orden erhielten

einen wesentlichen Zuwachs. Sinn und Lust zu einem reforma torischen Eingreifen mußten über der Vikariatsführung in ihm erwachen, sie mußte sein Selbstgefühl erhöhen. Er bekam Veranlassung, reformatorische Thätigkeit in einem engern Kreise zu entwickeln, eine treffliche Vorübung für eine solche in größern. Das Vikariat wurde eine Schule für ihn, die seine Ausbildung nüßlich und nöthig nach mehr als einer Seite ergänzte. Genauer lernte er in ihr die gesammten äußern und innern Zustände der Klöster, der Kirche überhaupt kennen. Auf der Romfahrt hatte er für die Gebrechen derselben zuerst noch keine offene Augen, sodann doch nur halb offene gehabt. Aehnliche Wirkungen wie sie mußten seine Visitationsreisen haben, insofern um so größere, da sein Blick jeht so viel schärfer, sein Urtheil so vicl reifer geworden war. Daheim in Wittenberg, die Fäden des Ordensregiments in der Hand, dann auf den Visitationsreisen trat er mit den verschiedenartigsten Menschen in Verkehr, hatte er die verschiedenartigsten Geschäfte zu besorgen, war er genöthigt in die mannichfachsten Verhältnisse einzugehen. Vermehrte Menschen und Weltkunde und Geschäftsgewandtheit konnten nicht ausbleiben. Darin allein lag schon ein großer Gewinn. Es war eben Das, wozu auch die entschiedenste Anlage nicht völlig ausreicht, was ihm bei seiner klöfterlichen Bildung abgehen mußte, und ersehte es zum Theil. Wir hörten ihn mit Wahrheit sagen und sehen hier, er sagte aus eigner Erfahrung: „Wer ein Lehrer und Prediger in der Kirche sein will, der muß auch in der Welt sein gewesen, und derselbigen Händel gesehen oder je zum Theil selbst erfahren haben; denn es thut's nicht, daß ein Mensch etwas mit Klostergedanken regieren sollte."· Durch ihre Abwendung von der Welt wären die Väter, ein Hieronymus und Chrysostomus, auf Irrwege selbst in der Lehre gerathen. Es gilt wol auch von ihm selbst in einigem Maße und würde sicher noch weit mehr der Fall bei ihm gewesen sein, wenn er nicht durch Betheiligung bei den Händeln der Welt und selbst schon durch die Vikariatsführung aus den Klostergedanken herausgebracht worden wäre. Einst von den Juristen redend, sagte er, die Praxis schärfe sie, fürtrefflicher zu werden als die Professoren, die nur in Schulen, mit der Theorie und Kunst in Büchern umgingen. Er sezte hinzu: „Also gehet's in allen

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