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entgegenstellen zu können. Das Neue hatte nichts nöthiger als Vertrauen. Mit einer ganz neuen, alle Väter, auch Augustin aufgebenden Theologie hätte Luther schwerlich Das ausgerichtet, was er eben jezt noch auszurichten hatte und mit einer Theologie ausrichtete, die er alt nennen konnte und der ein altes Ansehen zur Seite stand wie der augustinischen und der des deutschen Theologen. Ebenso stüßte Erasmus seine Neuerungen in der Lehre auf einen der angesehensten Väter. Dann fehlte auch die völlige Geistesfreiheit, die nur bei Frieden und Muße gewonnen werden kann. Aber eben an Muße und Frieden war bei Luther nicht zu denken. Zunächst war daran gelegen die herrschende ausschließliche Wissenschaft zu beseitigen und hier leistete er sichtlich schon mehr, wobei nicht außer Acht zu lassen ist, daß er nicht einmal einen regelmäßigen akademischen Kursus durchgemacht hatte, in der Scholastik großen- oder größtentheils Autodidakt und, was noch hinderlicher, geschult war, statt einen lebendigen Unterricht empfangen zu haben, der auf Selbstdenken und Kritik hingeleitet hätte, worauf er selbst kommen mußte und noch dazu unter dem Eindrucke, große Sünde daran zu thun, kam. Kein Andrer neben ihm drang nur von fern so tief in die Schwächen der Scholastik ein, kein Andrer wußte dieselben so wie er aufzudecken, und vor Allem hatte nur er den Verein von Gelehrsamkeit, Scharfsinn, Feuer, Muth und Ausdauer, das Zerstörungswerk zu beginnen und fortzuführen. Hier sehen wir ihn tüchtiger und wirksamer als im theologischen Aufbauen, was die Dogmatik betrifft; denn bedeutend zeigt er sich schon wieder auf dem Felde der praktischen Theologie, welche die Glanzseite seiner Theologie überhaupt bildet, wie an seiner gesammten Wirksamkeit das Hervorstechendste und Durchgreifendste in der Begeiste= rung, Kühnheit und Beharrlichkeit liegt, womit er eine große Richtung verfolgt, eine neue Bahn zeigt, auf derselben vorangeht, Träge und Zaudernde nach sich zieht, helle, kräftige Gedanken und Gesinnungen ins Leben hineinzuführen mit kaum glaublichem Erfolge bemüht ist. Denn was ihm geworden, soll Gemeingut werden, die Welt will er für seine Ideen erobern, Wittenberg ist ihm längst zu enge, längst begnügt er sich nicht mehr in diesem beschränkten, ob auch lebendigen Kreise, neben Gleichgesinnten und Zuneigenden, mit einem frischen und fried

lichen Würken für die Wissenschaft unter dem Schuße eines deren Blüthe und Freiheit schirmenden Fürsten, wie Friedrich von Sachsen. So weit nur seine Stimme trågt, ruft er die Freunde zu seinem Kampfe. In höchster Spannung beobachtet er den Eindruck in der Ferne, bei den Gegnern, den Ungewissen. Nicht Frieden will er, sondern Krieg im Reiche der Geister. Herausfordernd wendet er sich hierhin und dorthin. Einige Zeit nach Karlstadt's Disputation ist er angelegentlich mit der Vorbereitung mehrerer Kandidaten zum Magisterexamen beschäftigt, mit dem Absehen und der Hoffnung, wie er schreibt, unter ihnen und sonst dem Aristoteles so viel Schmach und Feinde als möglich zu erwecken." Auch an andern Universitäten, Mund gegen Mund, Aug im Auge mit den Abgeneigten will er seine Ueberzeugung vertreten, persönlich dafür einstehen. Es deutet zugleich darauf hin, wie sehr sein Selbstgefühl und seine persönliche Bedeutung zugenommen hatte bis zu dem Zeitpunkte seines größeren Streits, der jest nahe bevorstand. Für diesen war seine wissenschaftliche Entwickelung, war insbesondre die genauere Kunde des innern Zusammenhangs und der Grundlagen, bezüglich der Zusammenhangslosigkeit und der falschen Begründung des kirchlich-scholastischen Lehrsystems, wozu sie ihn führte, von wesentlichster Bedeutung. Sie befähigte ihn mehr und mehr, den Ablaßunfug in seiner eigentlichen Wurzel, statt bloß von dem Standpunkte des gesunden Menschenverstandes aus oder von der Seite seiner freilich offenbaren Verderbtheit für das Zeitliche, wie für Frömmigleit und Sittlichkeit, anzugreifen. Wir werden sehen, daß seine Angriffe darauf sogar unmittelbar mit seinen theologischen Fortschritten verknüpft sind 1).

1) De Wette 1, 59. Hagen, Deutschlands Verhältnisse, II, 255 ff.

Fünftes Hauptstück.

Persönlichkeit, Verhältnisse und Beziehungen.

Stimmung.

Die befreundete Genossenschaft, Freunde nah und fern, vielfache Verbindungen, Lebensweise. Gewinnende Eigenheiten.

Verhält

niß zum Kurfürsten. — Beziehungen zu Erasmus. — Verhältniß zur Reuchlinistenfehde, den Humanisten (Luther und Hutten.) — Aussichten.

Stimmung.

Bei der Betrachtung von Luther's Leben muß unser vornehmstes Anliegen sein, in den Kern seiner Art und Eigenthümlichkeit einzudringen, sein Lebensganzes zu erfassen, sein eigentlichstes Wesen. Es wird so oft verkannt und Luther falsch beurtheilt, weil es so vielseitig sich äußerte, weil er die Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten der verschiedensten Stände wie Naturen in sich vereinigte. Einzelne Äußerungen seines Wesens werden einzeln aufgefaßt und man schließt dann von ihnen auf die Lebenswurzel, auf den ganzen Mann. Auch daher eine solche Verschiedenheit der Urtheile über ihn. Oder der Grund dieser Verschiedenheit liegt eben in der Fülle des Urtheilsgegenstandes selbst, der stets anders erscheint oder an welchem man immer wieder Anderes und Neues entdeckt, je wiederholter oder von je verschiedenern Standpunkten aus man ihn betrachtet. Die Gegensätze der Urtheile über Luther zeigen, daß er nicht leicht völlig zu fassen

ist. Damit wir von den Außenseiten der Erscheinungen seiner Art zum Kerne, von der Mannichfaltigkeit der Äußerungen seines Wesens zur Einheit, von den Gegensäßen zum Mittelpunkte gelangen, müssen wir um so mehr das ganze Gebiet jener Erscheinungen überblicken. In der bisherigen Darstellung konnte Manches von Dem noch nicht berührt werden, was ihn in dieser Zeit bezeichnet. Zur Vervollständigung des Bildes von ihm in den Jahren 1516 und 1517, seit er die Vikariatsführung übernahm, bis in die letzten Monate vor dem Ausbruche des eigent= lichen Ablaßkriegs des Bildes von ihm, das uns aus der Betrachtung seiner verschiedenen Thätigkeiten geworden ist gehören hinzukommend einige Züge, die sich ergeben werden, wenn wir noch Einiges über seine Stimmung und Persönlichkeit und mehrfache Verhältnisse und Beziehungen nachholen, wovon sich freilich nur eine dürftige, aber doch einige Kunde erhalten hat.

Es wurde angeführt, daß er in Wittenberg ein eifriger Mönch blieb, sich einschloß, um nachzuholen, wenn er über seiner Vielthätigkeit Horen versäumt hatte, worauf dann ekstatische Zustände sich einstellten; daß er Stunden und Tage lang betete, über dem Beten und Studiren Schlaf und Speise und Trank vergaß. Es wurde ihm so sauer aus den Mönchsgedanken, der Neigung zum Grübeln und Insichgekehrtsein, aus übersteigerter Stimmung und Empfindung herauszukommen. Die Mystik nährte sie doch auch. Dazu dann sein angestrengtes Arbeiten: es hätte allein schon eine jeweilige Abspannung herbeiführen müssen. Im Jahre 1538 geschah es, daß ein „, feiner geschickter Student in Wahnwig fiel, sich matt und ableiblich machte und arbeitete mit stetem Wachen und Reden. Die Ursache seiner Krankheit war, daß er gar zu sehr über den Büchern gelegen und ein Mägdlein lieb hatte." Luther,, ging mit ihm aufs allerfreundlichste um“; er meinte, die Liebe sei in diesem Falle die vornehmste Ursache der Krankheit, das Studiren hätte nur bei sehr Wenigen diese Würkung, wie denn ihm,im Anfange des Evangelii schier Dergleichen geschehen wäre." Er befand sich in fortwährenden Gemüthsbewegungen, Gemüthssache war ihm Alles, was er vornahm, mit dem Gemüthe arbeitete er nicht weniger als mit dem Kopfe. Bei solchen Kämpfen geht es ohne Leidenschaft nicht ab, nicht ohne gespannte Erwartung, Wechsel das Hoffens und Verzagens.

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Wehe that ihm, was er bekämpfte, die Mißgestalt, die Verderbnisse der Schule und Kirche, wehe, daß er sich davon losreißen und dawider erheben mußte. Sein Geist war in stetem Arbeiten, Empfangen und Schaffen, bis zur Erschöpfung, sein Herz dabei stets betheiligt, bis zur Überfülle. Um so erklärlicher ist es, daß seine Stimmung bisweilen so weich war bis zur Schwermuth, wie in den Briefen an die Ordensbrüder, und daß von Zeit zu Zeit die alten oder ähnliche Anfechtungen ihn quälten, wovon uns Spuren in seinen Briefen vorkamen, daß wir ihn bis in das Jahr 1517 in die Zeit seiner frischesten Thätigkeit und seiner sichtlichsten Erfolge, indem alle Zeichen auf ihn als den wirksamsten Lehrer und Prediger, den bewegenden, vorantretenden Mann in Wittenberg hinweisen und sein Einfluß noch täglich zunimmt, sein Name alle andern an der Universität mehr und mehr verdunkelt, - daß wir ihn bis in diese Zeit und Zustände hinein dann und wann von Trübsinn beherrscht finden.. So schreibt er im Juli 1517 an Lange:,,Empfiehl mich den Vätern und Brüdern, daß sie für mich Elenden beten, der ich unter den besten von Tag zu Tage wunderwürdig zunehmenden Brüdern nun abnehme, so daß das Wort wahr wird, fie müssen wachsen, ich muß geringer werden." Ein Schreiben an den Propst in Leikkau aus demselben Jahre schließt er: „Endlich bitte ich Dich inständig, bete für mich zum Herrn, denn ich bekenne Dir, mein Leben nähert sich von Tag zu Tage dem Todtenreiche, denn ich. werde täglich schlimmer und elender." Und dann unterschreibt er sich:,,der verbannte Adamssohn M. Luther," ähnlich wie er mehrere Briefe dieser Zeit,, aus dem Klosterwinkel" oder „, aus meiner Wüste" (ex Eremo) datirt, das Letre wol eine doppelte Anspielung, auf sein Gefühl der Einsamkeit oder seinen Zustand der Abgetrenntheit von der Welt und darauf, daß er vom Orden der Augustiner Eremiten war. 1)

Doch nur von Zeit zu Zeit beschleicht ihn eine so getrübte Stimmung. Es ist ein gemessener und gehobener Ernst, der auch in seinen Briefen durchaus vorherrscht, derselbe Ernst, der sich in seinen Predigten, Vorlesungen und Schriften ausspricht. Vornämlich in den Briefen wird der Ausdruck auch wol kräftig

1) Tischreden, Walch XXII, 2276. De Wette I, 58, 64.

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