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sich aneignete, so daß sie fortan lutherisch hießen: Wer nicht liebt Wein, Weib und Sang, der bleibt ein Narr sein Lebenlang; Wer nicht Luft hat an einem raschen Pferd, nicht Lust hat an einem blanken Schwert, nicht Luft hat an einem schönen Weib, der Mann der hat kein Herz im Leib! Wahlsprüche, in welchen der Gegensatz der mönchisch beengten und verdüsterten Empfindung, die ihm einen großen Theil seiner Jugend- und früheren Mannesjahre verdarb und deren Spur sich bei ihm nie wieder verlor, in welchen das Gefühl seiner schöneren Stunden, der männlich - ritterliche Sinn, die kräftige Lebensfrische sich ausdrückt, welche seit dieser Zeit Raum bei ihm gewann, wo dem beobachtenden Blicke wohlthuend ihre ersten Zeichen begegnen. 1)

Gewinnende Eigenheiten.

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Andre vor ihm hatten die Theologie, die er emporzubringen suchte, folgerichtiger und schärfer ausgebildet, ohne ihr allgemeinere Geltung verschaffen zu können. Wir finden wie geistreich, gelehrt und belesen er sich zeigt seine Theologie in dieser Zeit doch in der That sehr mängelreich, seine wissenschaftliche Bedeutsamkeit nicht gar zu groß. Die letztere nahm zu, erreichte den höchsten Punkt doch aber nie, wie bedeutend er auch als Theolog werden mochte. Melanthon mußte hinzutreten, damit die protestantische Theologie systematisch zu Stande kommen konnte. Doch war es Luther, der hauptsächlich für sie gewann, ihr in so weiten Kreisen das Gewicht und den Einfluß errang, und Wittenberg war schon für ihre Anfänge und Erstlinge, ih= ren Kern in dermaliger noch roher Gestalt gewonnen; eben in dieser Zeit, da an Melanthon hier noch Niemand dachte. Wir sahen Luther mehrfach reizbar und heftig, und doch gewann er für seine Richtung, beugten sich ihr und ihm selber stolze Geister, hartnäckige Gelehrte; doch war er offenbar nicht blos der herrschende Geist an der Universität, sondern insbesondre auch die Seele der befreundeten Genossenschaft, der Tonangeber im Freundeskreise. Er wurde - es sollte bald anheben — in seinem öf

1) De Wette I, 271. zu V. 18, Walch V, 1167.

Watch XXI, 631. Auslegg. des 90. Pfalms

fentlichen Auftreten, in seinen Schriften noch viel reizbarer, heftiger, bis zu vernichtender Schonungslosigkeit, zum ́ hartnäckigsten Eigenfinn, und er gewann noch mehr, nach Wittenberg die halbe Welt.

Es lag in der großen Empfänglichkeit der Zeit, in seiner frischen Begeisterung, seiner unermüdlichen Rührigkeit, seiner gewaltigen Thatkräftigkeit, darin, daß er ein mächtiges Genie da= stand inmitten vieler vielfach Tüchtiger, die aber nur Talente waren. So war es jeht in Wittenberg, späterhin verhielt es sich ähnlich in der Nation. Allein wie dem sein mochte, wie groß sein Genius war, wie tief und allseitig seine Ueberlegenheit empfunden wurde: er wäre dennoch nicht zu seinen Erfolgen, seiner eigenthümlichen Stellung gelangt, und noch viel weniger bei den angedeuteten Eigenheiten oder Mängeln dazu gelangt, die Empfindung seiner Ueberlegenheit hätte manchmal eher Befeindung als Befreundung erzeugt, feine Kraft hätte gewirkt, ohne für ihn und ohne so für seine Richtung, seine Sache zu gewinnen, wenn nicht eine Zauberkraft in seiner Persönlichkeit gelegen hätte, die sich mit einem einzigen Worte nicht bezeichnen läßt, aber so ziemlich von Jedem empfunden wurde, der in ihren Bereich, in seine Nähe kam. Sie hatte sich schon an Staupiß und Pollich, dem Kurfürsten, den wittenberger Studenten, der Gemeinde, den Ordensbrüdern, den Kollegen erwiesen. Die Vielheit, die treue Anhänglichkeit und freie Hingebung seiner Freunde, das Eigenthümliche seiner Wirksamkeit, seine jezt anfangende ,,Prophetenstellung," sind eben so viele Zeichen und Beweise von ihr. Sie erklärt sich vornämlich daraus, daß ein solcher Verein der manchfachsten und verschiedensten Eigenschaften in ihm war und unter diesen wieder neben großen und Bewunderung erzeu= genden, neben herben und abstoßenden, so manche versöhnende und gewinnende. Es fühlte sich, zumal im näheren Umgange, die Schale war rauh, der Kern war süß. Wenn er, wenn sein derbes, scharfes Wort, seine eckige Persönlichkeit Scheu oder Aerger erregen konnten, er fesselte doch, der Gesammteindruck war Achtung, Vertrauen, Bewunderung, Zuneigung, Behagen. Urban Rhegius hatte ihn gesehen und schrieb dann einem Freunde: ,,Nie in meinem Leben habe ich einen angenehmeren Tag verlebt. Luther war mir immer groß, jezt ist er mir der Größeste. Ich

sah und hörte, und es läßt sich auf keine Weise beschreiben. Ich muß icht sagen, Niemand kann ihn hassen, wer ihn kennt. Man urtheilt über seinen Geist nach seinen Schriften, er ist aber in der Nähe größer als sein Ruhm" u. f. f. Auch in seinem zweiten Lebensabschnitte bemerkte man, daß er so „sanftmüthig“ im Umgange als erzürnlich in seinen Schriften und stets mild, friedlich und versöhnend war, wo es nicht dem,,Glauben" galt, der Sache, die er führte. So etwas schreibt auch Melanthon über ihn an Erasmus. Melanthon hatte manchmal von seiner Heftigkeit, seinem Herrsch- und Rechthabesinne zu leiden gehabt, und ihn nicht immer richtig beurtheilt und genommen, nicht immer erkannt, daß Luther nicht selten Recht hatte, wo man ihn rechthaberisch nannte, daß ihm oft nichts übrig blieb, als seine Ansichten oder Absichten so zu sagen gewaltsam zu behaupten und durchzusetzen, indem er tiefer durchschaute, nicht gehen lassen, der Mäßigung und Milde Melanthon's und Andrer nicht nachgeben durfte, weil sie genau besehen nichts weiter als verderbliche schwankende Halbheit und in der That eben so eigensinnig war. Vielleicht doch immer noch unter einigem, ob auch unbewußtem Einflusse eingetretener Verstimmung hält ihm Melanthon die Leichenrede, und weiß dennoch zum Ruhme seiner gewinnenden Freundlichkeit und Güte im Umgange und der Denkart kaum Worte genug zu finden. Sie zeigte sich selbst in den öffentlichen Disputationen, die so sehr zum Reizen und Aufstacheln angethan sind. In Heidelberg 1518 vertheidigte er seine Disputirsäße, wie Bucer an Beatus Rhenanus darüber schrieb, mit,,wunderbarer Milde und unvergleichlicher Geduld im Anhören der Gegner." Von seinem Verhalten bei Disputationen überhaupt wird gesagt, er sei gern schwachen Opponenten zu Hülfe gekommen, habe ihnen den bessern Ausdruck geliehen, ihren schlechten Argumenten Schick gegeben und die Erörterung zu einem Ausgange geleitet, daß Jedermann zufrieden gewesen und sich gestanden über alles Erwarten gelernt zu haben; wogegen Melanthon, milder und behutsa= mer in Schriften, im Disput leicht hißig wurde. Ebenso zeigte er sich uns auch in den Briefen, die er als Vikar schrieb. Wie viel er da zu rügen hat oder wenn er einen Freund, wie Spa= gelassen, fällt nie in ei

latin, tadelt oder belehrt, er bleibt stets

nen schulmeisterlichen oder anmaßend-herrischen Lon. Er machte

feine Ueberlegenheit geltend, ohne sie unangenehm fühlbar zù machen. Er ließ auch Andre und Andrer Vorzüge gelten, gab sich mit Vertrauen hin. Er nahm sie gern in Rath, so namentlich Amsdorf, den er den Studenten rühmte, in dessen Vorlesungen er dieselben wies. Es wurde gesagt, Karlstadt gehe zwar in seine Ansichten ein, werde aber nicht lange dabei bleiben, denn er sei ein unbeständiger Mann. Er wollte das schlechterdings nicht glauben. Wir sahen, wie fürsorglich er sich als Vikar der Einzelnen annahm und seine Armuth mit ihnen theilte, um ihnen die Mittel zum Studiren zu verschaffen. Er schaffte sich aber ein noch viel weiteres Feld zur Bethätigung einer unermüdlichen Gefälligkeit und Dienstfertigkeit, einer Herzenswärme und unverwüstlichen Gutmüthigkeit, die ihm nicht selten auch den Kopf einnahm: jener Liebesanlage und Kraft, die seiner Anlage und Kraft des Glaubens so leuchtend zur Seite steht. Keinen unbedeutenden und nicht den unmerkwürdigsten Theil der Sammlung seiner Briefe bilden die, welche dadurch veranlaßt wurden, daß sein Mitgefühl stets rege und sein Einfluß so groß war, daß sich Bedrängte und Bedürftige aus allen Gegenden und Ständen in den verschiedensten Sachen an ihn wendeten, oder daß ihre Noth, ihre Anliegen ihm sonst kund wurden. Er ging dann in das Fernste und Kleinste mit Theilnahme ein, schrieb dann an Personen aller Art, bittend, drängend, mahnend. Er konnte mit Recht in einem Schreiben aus dem Jahre 1538 (an Unruhe, Richter zu Torgau) sagen: „Danke euch, mein lieber Antoni judex, daß ihr der Margaretha Dorsten hülflich gewesen, und die adeligen Hansen nicht der armen Frau Gut und Blut hinnehmen lasset. Ihr wisset, Doctor Martinus ist nicht Theologus und Verfechter des Glaubens allein, sondern auch Beistand des Rechts armer Leute, die von allen Orten und Enden zu ihm fliehen, Hülfe und Vorschrift an Obrigkeiten von ihm zu erlangen, daß er genung damit zu thun hätte, wenn ihm sonst keine Arbeit mehr auf der Schulter drückte. Aber Doctor Martinus dienet den Armen gern, wie Ihr es auch gewohnt seyd" u. s. f. Er fing schon jegt an, der,,Beistand des Rechts armer Leute" zu werden. Es haben sich ein paar Zeilen von ihm an Spalatin aus dem Jahre 1517 erhalten, wodurch die lange Reihe seiner Fürbitt-Schreiben eröffnet wird. Er verwendet sich darin für einen wackeren jun

gen Menschen, dem er bis dahin, so gut es hatte gehen wollen, ,,um Gottes willen" in seinem Kloster Unterhalt gegeben, vermuthlich seinen nachmaligen treuen Famulus Wolfgang Sieberger, an den er in Koburg 1530 die scherzhafte Klagschrift der Vögel richtete und dessen er auch noch in seinem Testamente als seines,,Wolfs," wie er ihn zu nennen pflegte, gedacht hat. Ein solcher Feuerkopf, eine titanische Kraft und ein so kindliches Gemüth! Es entfaltete sich am reichsten in seinem Familienleben. Die ersten Spuren seines Daseins in ihm gewahren wir in diefer Zeit. 1)

Die Kraft, der Sturmdrang und das warme Herz mit dem unversieglichen Strome der Liebe, waren ihm Mitgaben der Natur: angeeignet aber hatte er sich eine gleich große Selbstbeherrschung und Bescheidung, die ihn wol noch höher heben. Haltung, Maaß, Milde und Würde selbst beobachtend, dem Unordentlichen, Wüsten und zu Scharfen feind und als Vikar entge= gentretend, suchte er natürlich ebenso auch sonst in seinem Kreise zu wirken. Manche Unebenheit mag, wir können sagen, muß er da ausgeglichen, Manchen zu Besonnenheit und Schonung zurückgeführt, manches Ausschreitende, Ueberkecke mit Klugheit niedergehalten haben, und einzelne Spuren davon finden sich auch. Er predigte gegen den Heiligendienst und Aehnliches, fand Zustimmung und nicht das Mindeste kam vor, daß in der Gemeinde, im rohen Haufen, unter der so leicht aufbrausenden Jugend auch nur 'eine entfernte Neigung entstanden wäre, eigenmächtig irgendwie zuzufahren: er warf sich dem Strome entgegen, der etwa im Durchziehen der Geistlichkeit oder sonst überfluthen wollte. Es regte sich gewaltig in den Köpfen der jüngeren Gelehrten, die Funken, die er aussprühete, hatten Feuer bei ihnen gefangen, sie dachten in Disputationen loszubrechen, und wer könnte sagen, was geschehen wäre, hätte er sie nach ihrer Weise gewähren lassen; da trat er selbst an die Spite, ließ unter seiner Anleitung die Streitfäße zusammenstellen, übernahm selbst den Vorsiß und die Verantwortlichkeit, behielt aber den Ausgang in der Hand. Und

1) Villers a. a. D. I, 43; II, 80. Centifol. Luther. 420. Span= genberg, Adelsspiegel, II, 91. Wider die himmlischen Propheten, Plochm. XXIX, 194. De Wette V, 119; I, 53. Walter a. a. D. 7.

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