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diesem Verhalten lag doch keinerlei Furchtsamkeit bei ihm zum Grunde. Als es zum Ausbruch gekommen war, mancherlei Unfug dann nicht ausblieb, von ihm nicht gänzlich gesteuert werden konnte, und Vielen so angst und bange machte, war er sogleich mit der Rede bei der Hand: „Das Evangelium wird dadurch nicht zu Grunde zehen, wenn einige von den Unsern kein Maaß halten; die sich deshalb vom Worte abkehren, hingen ihm nie von Herzen an." Henning Göde war eine lange Zeit sehr thätig, die Stadt Erfurt mit dem sächsischen Hause wieder auszusöhnen. 1516 gelang ihm ein Vergleich, dem zufolge die Vertriebenen und Flüchtigen wieder aufgenommen werden mußten. Er selbst wurde mit großem Pompe eingeholt. Auf diese Vorgänge bezieht es sich, wenn wir Luther im Herbst 1516 im Begriff sehen an Göde zu schreiben, ihm Vorstellungen zu machen. Er beklage es lebhaft, sagt er in einem Briefe an Lange, daß Göde nun seine Gegner mehr mit Uebermuth als Milde behandle. Er fürchte für ihn und gleicherweise, daß er vergeblich nach Erfurt gehen und Freude in Trauer werde verkehrt werden. Er kommt in noch einem Schreiben darauf zurück. Seine Aeußerungen zeigen, daß er lebhaften Antheil an Göde und der ganzen Angelegenheit nimmt, und wie viel er auf Bescheidung und die Selbsterkenntniß hält, die allein vor Ueberhebung schütze. ')

Ein Zeugniß, wie weit er selbst von der leztern entfernt war, und zugleich von dem Eindrucke, den er gemacht, haben wir in einem Briefe von ihm an Scheurl, der ihm große Lobsprüche ertheilt hatte. Er antwortet im Januar 1517:,,Eur Brief hat mich eben so hoch betrübt als erfreut. Angenehmer hätte mir

nichts sein können als daß Ihr Staupit, oder vielmehr Christum in seinem Werkzeuge preiset, denn nichts höre ich lieber, als daß Christi Stimme gepredigt, gehört, verstanden, zum Leben angenommen wird. Aber nichts Widrigers hättet Ihr schreiben können als daß Ihr meine Freundschaft sucht und mich mit eitelm Lobe überhäuft. Ich will nicht, daß Ihr mein Freund werdet, denn nicht Ruhm, sondern Gefahr wird meine Freundschaft Euch werden, wenn das Sprüchwort wahr ist, wonach Freunde Alles gemein haben. Wird nun Euer, was mein ist, so werdet Ihr

1) Motschmann, Fortsegg. IV, 508. De Wette II, 94; 1, 36 f.

nur reicher an Sünden, Thorheit und Schande. Ihr sagt frei lich, wie ich's vom Vater Staupig mit meiner Furcht und Ge= fahr hören muß, daß Ihr Christum in mir bewundert. Aber es ist der höchste Hochmuth sich einbilden Christi Wohnung zu sein und schwer ist, es glauben. Denn so elend ist dieß Leben, daß die Freunde uns um so mehr schaden, je mehr und enger sie uns verbunden werden. Denn je mehr Gunst bei den Menschen, desto mehr weichet Gottes Gunst von uns. Gott will allein oder gar nicht unser Freund sein. Der Menschen Haß ist nur einfache, ihr Lob doppelte Gefahr. Ich verachte Eur Wohlwollen nicht, muß aber auch mein gedenken. Ihr thut, was einem Christen geziemt, der niemanden verachten soll als sich selber, ich muß nun, um Euch zu gleichen, ein Verächter meiner selbst sein. Denn nicht Der ist ein Christ, der die Menschen wegen ihrer Gelehrsamkeit, Tugend, Heiligkeit und Berühmtheit hochhält, was auch die Heiden thun, sondern der die Armen, Thörichten und Sünder liebt. Was hoch bei den Menschen, ist ein Greuel bei Gott. Macht mich, bei Christo bitt ich Euch, nicht dazu, wenn Ihr mein Freund sein wollt, und also lobt mich weder ins Angesicht noch gegen Andre. Meint Ihr, daß Christus in mir zu preisen sei, nennt ihn allein, dessen Sache durch meinen Namen nur Schande und Schaden leidet."')

Ich habe die Stelle auch deshalb ausgezogen, weil man daraus sieht, daß er überall derselbe ist, daß dieselbe selbstentäußernde Hingebung an die Sache, die er treibt, und dieselbe mystisch ge= färbte religiöse Ansicht, wie in seinen öffentlichen, so auch in seinen vertrauten Aeußerungen sich ausspricht, und zwar ohne Unterschied, mag er an geistliche Standesgenossen oder weltlichen Freunden sich mittheilen. Sehr beachtenswerth ist hier auch noch ein anderes Schreiben vom 6. Mai 1517 an Scheurl, worin er sagt, er bedaure es, daß seine unbedeutenden Sachen sieht nicht, ob etwa die deutsche Theologie, die Bußpsalmen oder etwas verloren Gegangenes durch Staupit bei den Nürnber gern verbreitet würden, denn nicht ihnen, Leuten von der feinsten Bildung, wären sie ja bestimmt, sondern den ungebildeten Sachsen, denen die christliche Lehre nicht wortreich genug mund

1) De Wette I, 49.

man er

recht gemacht werden könne. Denn sollte er auch etwas erträglich Lateinisches zu schreiben im Stande sein, wie er es wol wünschte, so habe er doch jezt absichtlich dem gemeinen Manne dienen wollen, Scheurl möge die Schrift daher so viel möglich den gelehrten Freunden aus den Augen bringen. 1)

So tritt sein Bestreben, dem Volke durch eine noch vielfach verachtete deutsche Schriftstellerei zu nüßen, hinter den Ehrgeiz zurück, unter den tonangebenden Literaten zu glänzen, ja er selbst stellt die erstre, die sein Ruhm und seine Stärke zu werden anfängt, durch die er so viel mehr leisten sollte für die deutsche Literatur und die Bildung der Nation als die Humanisten, noch weit unter die lateinische und die Humanisten eine Stufe höher als sich selbst. Wir hörten oben seine Aeußerung, seine Klage, daß er so gar nichts leiste in der Rede Kunst, und wenn er ja ein wenig Latein schreiben können, daß er durch so langen Gebrauch der Schulschreibart zum Kinderstammeln zurückgebracht sei. Aehnliche Aeußerungen von ihm aus späterer Zeit wurden im ersten Buche angeführt. In einem Schreiben an Brenz aus dem Jahre 1530 hebt er den Mangel sogar ungebührlich hervor, in welchem Erasmus hinlänglichen Grund zu finden glaubte, vornehm auf den wittenberger Theologen herabzusehen. Indem fich Luther hier unter die Humanisten heruntersezt und sich wegen seiner deutschen Schriften entschuldigen zu müssen glaubt, erscheint er noch immer nicht völlig frei von dem gemeinen. Vorurtheile, das ihm einige falsche Scham einflößt; doch hindert ihn diese wiederum nicht, mit Selbstgefühl seine Richtung zu verfolgen und offen einzugestehen, das Selbstgefühl nicht, fremde Vorzüge bereitwillig anzuerkennen, und vollkommen fern ist er davon Vorzüge Andrer sich anzutäuschen. Er besaß zu viel Seelengröße, um eitel zu sein, uud überall ließ er seine Persönlichkeit zurücktreten, statt fie in den Vordergrund zu drängen. Dies war aber wieder nichts Anderes, als daß er die schwere Probe bestand, einer überlegenen, bewältigenden Kraft sich bewußt und aus tiefer Niedrigkeit zu einer erhöheten Stellung, Gunst, Ansehen, Einfluß, und zwar durch Verdienst gelangt zu sein, ohne der Neigung zum Hochmuthe und zur Herrschsucht zu verfallen. Vielmehr be

1) De Wette I, 54.

wahrte er sich bei allem Selbstgefühle die echte christliche De muth, Liebe und Menschenachtung, die lieber den Geringsten dienen, der Armen, Thörichten und Sünder sich annehmen, sie zu sich emporrücken, als sich selbst über Alle erheben und Ruhm erjagen will. Schon in jungen Jahren ist ihm gesagt, Gott werde einen großen Mann aus ihm machen, von mehreren Seiten ist die Prophetie in sein Ohr gedrungen, seine Erfolge bringen schon einen Theil der Erfüllung, mächtig ist auch das Gefühl seiner Kraft, sein Selbstbewußtsein gewachsen, er sicht einen großen Umschwung der Dinge kommen und fühlt sich vorausbestimmt zu einer Betheiligung, welche sie sein mag; auch noch in dem Schreiben an Scheurl, vom Januar, spricht die Voraussicht sich aus, die ihm jedoch nicht,,Ruhm" vorspiegelt, ihn nicht mit dem Vorgefühle leuchtender Rollen erfüllt, ihm nicht den Gedanken erregt, so Etwas vorzubereiten; die geahnte Betheiligung erscheint ihm unter dem Bilde der Gefahr," der Hingebung, des Märtyrerthums; und den Ruf dazu erwartet er von Gottes Walten, ob und wann es kommen soll, mit demselben Gleichmuthe, womit er es kommen sieht, `nach innerster Neigung wünschend, außer dem Spiele zu bleiben, doch auch, völlig bereit, aus dem Winkel auf den Plan hervorzutreten. Und eben hieraus, daß er so anspruchlos sich selbst, die eigne Person zurückstellte, erklärt es sich vornämlich, daß so Viele sich als Freunde und Vertraute ihm unterordneten, und daß troß aller Hiße der Meinungs- und der Gelehrten und Parteikämpfe, in welchen er seine Stellung in der Mitte der Kollegen und über ihnen errang und behauptete, so wenig Neid, Unfriede und Ungunst, Eifersucht und Eifersüchteleien durch oder gegen ihn entstanden. Seine Anspruchlosigkeit und Bescheidung wird uns im Nachfolgenden noch sehr häufig begegnen und so, daß sie im Ganzen vorherrschend bleibt. Sie wird so oft übersehen, wenn seiner gedacht wird, und wie Viele sind dann stets mit den Schmuckworten: Heftigkeit, Eigensinn, Halsstarrigkeit, Herrschsucht bei der Hand, als wäre das recht eigentlich seine Art. Mir däucht, es kommt sammt ähnlichen Mißverständnissen großentheils daher, daß man den früheren Luther nicht genau beobachtete, nur den Luther im zweiten Lebensabschnitte kennt und vor Augen hat, in welchem lehteren er freilich oft aus der Ruhe, Milde und Bescheidung herausge

drängt wurde. Diese aber, obwohl sie in der spätern stürmischen Entwickelung jeweilig auch zurücktrat, war gleichfalls, war sogar noch mehr seine eigentliche Art, und wer das nicht weiß, kennt auch den späteren Luther nicht. Wer es leugnet, erkläre, wie es zuging, daß Luther in der Nation zur Herrschaft, solcher Herrschaft gelangte, und sie -wenn auch nicht ihre Höhepunkte

über zwei Jahrzehende, bis an seinen Tod behauptete, ohne äußerc Machtmittel, in der Stellung eines Privatmannes. Die Antwort kann nur sein: es geschah durch seinen Einfluß auf das Volk, auf alle Stände. Freilich! und wir müssen noch hinzufügen: es war damit nicht etwa so was nur in einzelnen Augenblicken und Lagen der Fall war daß er gerüstete Haufen hinter sich gehabt, mit denen und deren Gewalt er gedroht und so seinen Willen durchgesezt hätte. Wir wissen, wie er stets Denen absagte und gegen Die losfuhr, die Gewalt übten oder zu üben gemeint waren. Ein Herrscherthum wie das lutherische, ein Herrschen im Volke und durch das Volk, wie das seine, errungen und behauptet in seiner Stellung, kann nie und nimmer gewonnen werden, geht in jedem Falle sehr bald wieder verloren, wenn der, der solche Herrschaft anstrebt oder erlangt, des Befehlerischen und dem Aehnlichen zu viel zeigt, wenn nicht in ihm die Hingebung und Bescheidung die Herrschsucht, die Haltung und Nachgiebigkeit die Leidenschaftlichkeit und den Eigenwillen, wenn nicht mit einem Worte die gewinnenden Eigenheiten weit, weit überwiegen. Am wenigsten lag es in der Art des damaligen, kräftigen, selbstwilligen Geschlechts, sich von einem wittenberger Lehrer und Prediger mit Hochfahrenheit mit Scharren und Pochen, wie Luther etwa sagen würde regieren zu lassen. 1)

Verhältniß zum Kurfürsten.

Wir hörten, wie Vieles sich vereinigte, um einen sehr günstigen Eindruck für den Landesfürsten bei Luther von Anfang hervorzubringen, und wie Friedrich seinerseits für Luther seit des=

1) De Wette IV, 149. Gervinus a. a. D. IV, 493. (An Ahnungen einer ihm bestimmten Prophetenrolle fehlte es doch in der That nicht.)

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