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mußten Dem, der einen ernsten Kampf beabsichtigte, wie Luther, offenbar genug als zweideutige, unzuverlässige Kampfgenossen erscheinen, sei es, daß sie persönlich betheiligt waren beim Fortbestehen des Mißbräuchlichen und bei der Fortdauer des Glaubens an die herrschende Lehre im Volke, oder daß sie sich selbstsüchtig und ohne hingebende ehrliche religiöse Gesinnung, furchtsam, als Maulhelden zeigten. Wir entnehmen es aus Dem, was Luther über Erasmus schrieb, er erkannte jezt schon, daß seine Wege und die ihrigen zuleht doch auseinander gehen mußten, wie denn auch die Geschichte der nächstfolgenden Jahre zeigt, daß er Recht hatte, daß nur die eine Hälfte der Humanisten mit ihm und der Bewegung fortging, die andre stehen blieb, unentschieden hin und her schwankte oder gar sich zurückwendete. Wie fremd und unverwandt bei aller Verwandtschaft mußte sich Luther ihnen fühlen, und wie wenig traute er ihnen doch am Ende zu, obwohl er eine bezügliche Ueberlegenheit ihres Ansehens und ihrer Bildung höchst bescheiden oder schüchtern anerkannte. Er sah, er empfand es wenigstens, selbst unter den bessern und besten, religiös und deutsch gesinnten Humanisten war doch kaum Einer, wenn ein Einziger, von welchem sich sagen ließe, er wäre im Stande gewesen, im Sinne und der Richtung auch der am edelsten und reinsten gedachten humanistischen Aufklärung und Absehen der Nation ein Ziel zu zeigen, würdig, mit aller Kraft danach zu ringen, wichtig und anziehend genug, um darin zu vereinigen von welchem sich sagen ließe, er wäre zugleich der Mann gewesen, vorangehend den Sinn und die Begeisterung in der Nation zu entzünden, die Arbeit und den Kampf um ein solches Ziel zu unternehmen und durchzuführen. Erasmus? er fürchtete sich und war kein Mann; man wird schwerlich mit Recht sagen können, was Hagen neuerdings behauptet, Erasmus habe den Geist der Zeit am tiefsten und in seinem eigentlichen Kerne gefaßt," weshalb er auch,,toleranter gegen jede abweichende Meinung gewesen." Was aber dies betrifft, so war eine solche Duldsamkeit der Geist der Reformationszeit keineswegs, ein heftiger Glaubenseifer war es, und ein mildes, weitgefaßtes Dogma traf am allerwenigsten in ihren Kern. Reuchlin? wie Fr. Schlegel (Vorlesungen über neuere Literatur) wol meinte er war alt, von jcher ängstlich gewesen, es war schon die Rede

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davon, daß er zum Führer nicht geeignet, ja er war so wenig Reformator, daß er in seinen späteren Lebensjahren der Reformation abgünstig wurde. Pirckheimer? es war ganz ähnlich mit ihm, und von allem Andern abgesehen, was ihm gebrach: er war jedenfalls kein genialer Mensch. Nur etwa der einzige Hutten bliebe übrig, der dies war, und der, wie Hagen gleichfalls meint, unter allen Häuptern der Opposition am meisten „zu dem Manne der Vermittlung“ getaugt hätte, was Muth und Entschlossenheit und freie Auffassung der reformatorischen Ideen betreffe (der vermeintlich wahren reformatorischen Ideen). Luther habe freilich die tieferen religiösen Elemente der Zeit in sich vereinigt, und auch eine Verwandtschaft mit der humanistischen Richtung gehabt, erscheine aber viel zu sehr als Partei, als daß er eine höhere Vermittlung der verschiedenen reformatorischen Richtungen hätte zu Stande. bringen können, womit eigentlich schon Alles verloren gewesen sei,,,denn sein Einfluß und seine Kraft war viel zu bedeutend, als daß irgend ein Andrer — wenn es auch nicht, außer etwa Hutten, an passenden Männern gefehlt hätte auch wenn er in jeder Beziehung dazu fähig gewesen wäre, gegen ihn hätte aufkommen können.“ So daß also Luther die Reformation nicht gemacht, sondern eigentlich nur verdorben hätte.1)

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Wie dem nun sei, es darf hier noch nicht genauer erörtert werden; wir haben nur zu ein paar kurzen Bemerkungen Veranlassung. Alles in Allem genommen war Hutten sicher allermindestens ebensowenig Mann der Vermittlung und ebensosehr Partei, wie Luther, und es hatte seine guten Gründe, daß er ,,von den ersten Männern der Opposition zu wenig unterstüt wurde," eine Thatsache, welche schon für sich allein Beweis in sich enthalten dürfte, daß er weit weniger als Luther die verschiedenen Zeitrichtungen in sich darstellte und zu einigen verstand; wie auf der anderen Seite die Thatsache des fast ganz allgemeinen Anklangs und Vertrauens, das Luther fand, beweist, daß Luther weit mehre und wesentlichere Eigenheiten der Nation in sich vereinigte, weit mehr wahrhafte Bedürfnisse befriedigte,

1) Hagen a. a. D. II, 28, 291; III, 37, 43, 47.

und weit mehr bedeutsame lebenskräftige Richtungen vertrat als Hutten. Allein, so viel universeller er sein mochte, er war auch nicht ohne Einseitigkeit, und wurde ohne Frage durch sie verhindert, eine noch völligere Vermittlung der humanistischen und der religiösen, seiner vorwaltenden, zu Stande zu bringen. Man hat dann aber auch zu bedenken, daß eine vollkommene Vermittlung derselben unmöglich war, weil sie auch durch schlechthinnige Gegenfäße, solche zum wenigsten, welche es für jene Zeit waren, aus einander gehalten wurden, wie sich dies aus dem Bisherigen ergibt. Sofern aber solche Gegensäße vorhanden, ist der Versuch des Ausgleichens nichts als hoffnungslose, nur beirrende Verkehrtheit, hervorgehend aus Mangel an Tiefblick, oder aus Charakterschwäche, ist es nur ganz in der Ordnung und nothwendig, wie heilsam, daß der Widerspruch anhebt. Endlich die Frage: wie kam es, daß Luther und Hutten einander stets so fern blieben, auch nachdem Verbindung zwischen ihnen angeknüpft war, und sodann, daß sie jezt und noch eine Zeit lang, wie es scheint, nicht einmal Notiz von einander nahmen? Auf das Erstere können wir erst späterhin eingehen; was aber das Lettere betrifft, so fällt es einigermaßen auf, da doch Luther und Hutten in mehrfachen Beziehungen Gleichdenkende und Strebende waren, Luther Hutten's, Hutten Luther's Geiste nach mehreren Seiten so nahe verwandt erscheint; da Beide mitten in der Zeitbewegung standen, und als Vorkämpfer so scharf umschauten, jedes Ereigniß, jede vorragende Persönlichkeit so sorgfältig beachteten, ja räumlich einander mehr als ein Mal so nahe gewesen waren, in Erfurt und dann in Wittenberg. Auch das hätte mindestens wol Beachtung veranlassen sollen, daß sie gemeinschaftliche Freunde hatten, vielleicht auch daß Luther den Ablaß und in ihm den Anstifter desselben und den Gönner Hutten's bekämpfte, mit einem noch ernsteren Kriege umging. Wurde in des Erzbischofs Umgebungen noch nicht davon gesprochen, so lenkte es doch Luther's Blicke nach Albrecht's Hofe hin. Sollte man annehmen können, dem scharfen Beobachter, dem umsichtigen mit solchen Plänen umgehenden Streiter, dem mehr und mehr so Wohlunterrichteten wäre es entgangen oder es hätte ihm keinerlei Gedanken gemacht, daß sich Albrecht mit solchen Geistern umgeben, daß Hutten beschüßt von ihm an seinem Hofe lebte, oder

daß er von Hutten's Schriften und Geistesrichtung nichts gewußt, der eine seiner Jugendarbeiten in Wittenberg geschrieben, dessen Name längst durch ganz Deutschland tönte, der schon eine europäische Person geworden war?1)

Es war eine unschätzbar günstige Fügung, daß die Nation in jenen Zeiten zwei solche Männer, zwei solche,,Wecker“ hatte, wie Luther und Hutten; es war ein schlimmes Verhängniß, daß die humanistische und religiöse, die weltliche und geistliche Richtung, daß Luther und Hutten einander nicht näher kommen konnten, als es geschah. Allein gerade wie Luther's Verhältniß zu den Humanisten in dieser Zeit, deutet auch schon sein Nichtverhältniß insbesondere zu Hutten auf innerste unversöhnbare Gegensäge der Richtungen, der Naturen, Zielpunkte und Bestrebungen hin. Sie werden sich aufs deutlichste zeigen, wo wir dazu gelangen, das Verhältniß Luther's zu Hutten näher in Be= tracht zu ziehen. Wir werden dort aufs klarste erkennen, der Grund davon, daß sie in dieser Zeit einander nicht, oder doch nicht sonderlich beachteten, daß es nie zu einer eigentlichen genaueren Vereinigung zwischen ihnen kam, liegt in der gegensätlichen Eigenthümlichkeit des Einen und des Andern. Wir sehen sie jezt die Blicke weit umherwerfen, auf große Dinge sinnen; während aber Hutten unruhig hierhin und dorthin griff, Alles hätte umfassen, überall kämpfen und wirken mögen, beschränkte sich Luther auf einen viel engern Kreis der Thätigkeit, sammelte Luther seine Kräfte weit mehr auf einen bestimmten Punkt, als Hutten dies that, schritt Luther ganz säuberlich vor, streitend und ausreutend, doch mehr noch pflanzend und begießend, bis er dies Melanthon lassen konnte und großentheils ließ. Während Hutten Sturm lief gegen die Zwingburgen des Scholasticism und des finsteren Mönchthums, war Luther rastlos, in Augenblicken aufbrausend, aber im Ganzen gehalten beschäftigt, die Schuttwälle hinwegzuräumen, womit das stille Licht des Evangeliums umbaut war, woran er sich nährte. Viel bewußter - zum wenigsten sprach er es deutlicher heraus - mit weit mehr und doch sich verrechnender Sicherheit war der Ritter beschäftigt ein

1) Gervinus a. a. D. II, 438.

Feuer anzuzünden, das zur rechten Zeit auflodre. Das Feuer aber, das der Mönch mit jezt noch viel minderem Kraftgefühl bei viel größerer Kraft entzündete, war gewaltiger, es loderte fort und wurde zur immer stärkeren Flamme, während das des Ritters erlosch. Meinte Hutten blos die Dunkelmännerbriefe, indem er von seinem Feuer sprach? Sie hatten ihre Wirkung gethan, als Luther seine lodernden Ablaßthesen in die Welt hineinwarf, eine Disputation wie die im September, bald nach ihr, durchaus ihr ähnelnd und sie doch zehn und hundertfach überbietend, doch ganz anders, ein Keulenschlag nach einem Hammerschlage, ein Angriff auf Tod und Leben, nach, wenn auch ernsten, doch vergleichsweis leichten Vorgefechten.

Aussichten.

Wie er dazu kam zu geschweigen wie es zuging, daß der an und für sich und für den Augenblick freilich sehr starke Schlag so unermeßliche, doch unerwartete und scheinbar unverhältnißmäßige Folgen nach sich zog ist eben so erklärlich als eigenthümlich.

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Die humanistische und reuchlinistische Bewegung, auf die wir noch ein Mal zurückblicken, hatte ein nächstes und entfernteres Ziel, die förmliche Freisprechung Reuchlin's und die Zulassung der Humanisten und ihrer Richtung an den Universitäten wie in der Literatur. Sie würde dabei allerdings schwerlich stillgestanden sein, griff schon jezt versuchend weiter und würde mit jedem Fußbreit Boden, den sie gewonnen, wieder weiter gegriffen haben. Bei allgemeinerer Verbreitung und zunehmender Entwickelung der humanistischen Gelehrsamkeit und Bildung hätten die Zustände überhaupt, die kirchlichen und politischen, nicht geradezu bleiben können wie sie waren. Allein die ,,stille Reformation," welche die humanistische Aufklärung herbeizuführen sich eignete, wäre unfehlbar unterbrochen, wie ihr denn schon Stürme naheten, wäre sicher nur geduldet, wenn sie zweideutig oder unzulänglich blieb; die Vertreter jener Aufklärung besaßen nicht Kraft und Ausdauer genug zu einem siegreichen

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