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Bauerschaften, namentlich die in den Jahren bis 1517 theils unwahr, theils flüchtig darüber hinwegeilend unvollständig dar. Eine der Folgen bestand darin, daß auch in die Geschichte der Bewegung, welche von Luther ausging, dunkle Stellen und falsche oder nur halbwahre Züge hineinkamen. Jeßt aber wissen wir von den früheren Verschwörungen und Aufständen der Bauerschaften zumal auch von denen der Jahre 1512 bis 1517 - von der Behandlung, welche die Bauern erfuhren, von dem zweideutigen Siege der Herren über sie, und von der Stimmung und der gefährlichen Lage der Dinge, welche unverändert blicben nach diesem Siege, genug, um mit Sicherheit sagen zu können, daß bei dem der Mehrheit unerträglichen und als unerträglich empfundenen Zustande, im Geistlichen und Weltlichen, Selbsthülfe, irgend eine gewaltsame Bewegung, eine, sehr wahrscheinlich vom gemeinen Manne ausgehende gewaltsame Bewegung unvermeidlich war. Ein gewaltsamer Ausbruch stand um so näher und gewisser bevor, je rascher sich Gedanken und Stimmungen der Art, wie sie einen solchen begünstigen, durch alle Stände verbreiteten. Alle Kreise wurden von dem bedrohlichen Gefühle ergriffen, es werde und müsse so etwas kommen. Allgemein sank das Vertrauen auf den Fortbestand der bestehenden Verhältnisse mit der Hoffnung, daß sie gebessert werden würden. Man gewöhnte sich an den Gedanken, bald etwas Neues, eine große Umkehr zu erleben, auf eigne Hand zu unternehmen, was sich wider die Uebel darbot. Wie diese ganze Stimmung auch auf Luther, ob mehr oder minder ihm selbst unbewußt, einwirkte, werden wir noch an den Ablaßthesen und den Erläuterungen derselben, an der ganzen Art seines Angriffs wahrnehmen können. Eben aus ihr kam es, daß wir ihn so ahnungsvoll fanden, daß er zum Angriffe schritt und so auftrat, in dem Lone sein Wort sprach, wie es geschah; und sie war es zum großen Theile, die ihm solchen Anklang gewann, die der von ihm ausgehenden Bewegung die Gewalt und die eigentliche Stüße gab. Es war gemeine Rede zu dieser Zeit: die Pfafferei müsse fallen, sonst sei der Christenheit nicht zu helfen.. Weithin, die Stimmung andeutend, gingen religiöse und politische Prophezeiungen von Mund zu Munde. So die bekannte, daß nach hundert Jahren der Huß wieder auferstehen werde, so eine ältere, es solle

einst eine Kuh auf dem Schwanenberge (in Franken) stehen- und da lungen und plarren, daß mans mitten in Schweiz höre. Zum Sprüchwort geworden, war sie dahin gedeutet, daß ganz Deutschland einst Schweiz, frei wie sie, werden würde. 1)

Fast man die Lage der Dinge um die Mitte des Jahres 1517 ins Auge, so wird man es geschichtlich vollkommen richtig finden, wenn sich Luther mehrfach (eine andre Stelle wird unten noch mitgetheilt werden) ausspricht, wie in einem an den Kurfürsten Johann gerichteten Bedenken von 1529. Aller Unkath sei aus der Geistlichen Mißbräuchen kommen. „Da aber solche Mißbräuche so unleidlich viel und groß, und nicht geändert wurden durch Die, so es billig thun sollten, begunnten sie von sich selbst allenthalben in deutschen Landen zu fallen, und die Geistlichen darüber veracht werden. Solchs Abfallen und Untergehen der Mißbräuch war bereit das mehrer Theil im Schwang, che des Luther's Lehre kam; denn alle Welt war der Geistlichen Mißbräuche müde und feind, daß zu besorgen war, wo des Luther's Lehre nicht drein komen wäre, damit die Leute unterricht von dem Glauben Christi und vom Gehorsam der Oberkeit, es wäre ein jamerlich Verderben im deutschen Lande entstanden; denn man wollte die Mißbräuche nicht länger leiden, und stracks eine Aenderunge haben, so wollten die Geistlichen nicht weichen odder nachlassen, daß da keines Wehrens gewest wäre. Es wäre eine unordige, sturmische, fährliche Mutation odder Aenderung worden (wie sie der Munzer auch anfing), wo nicht ein beständige Lehre dazwischen komen wäre, und ohne Zweifel die ganze Religion gefallen, und lauter Epicurer worden aus den Chriften." Aehnlich, und mit noch bestimmterer Beziehung auf die Folgen, welche von der Verbreitung der humanistischen Aufklärung zu erwarten gewesen sein würden, spricht sich Melanthon in einem Schreiben an Camerarius von demselben Jahre aus: ,,Siehe da, welch ein Urtheil unsern Feinden beiwohnt: sie lieben Erasmus, der die Saat vieler Lehren in seinen Büchern ausstreuete, die vielleicht einst viel schlimmere Aufruhre erregt hätten, wäre nicht Luther aufgestanden und hätte den Gemü

1) Simmermann, Gesch. d. gr. Bauernkriegs, I, 153 ff., 217 ff., 245 ff., 261 f., 275 ff., 324 f. 338 f. Ranke I, 217. Löscher I, 106, 160. III. 29

thern eine andere Richtung gegeben (studia hominum alio traxisset).')

Luther und Melanthon fassen indeß hier nur die religiöse Seite auf, während die geistlichen und weltlichen Zustände zugleich zum Aufstande hindrängten. Wie groß die Gefahr, wird erst dann noch recht deutlich, wenn wir uns vorhalten, was der ganzen Gestalt der Dinge nach am Wahrscheinlichsten zunächst in Aussicht stand. Dies war aber nicht etwa eine allgemeine Erhebung der Nation, die ihre geistige, kirchliche, politische Abhängigkeit fühlte, selbständig werden wollte, keineswegs aber ein bestimmtes Ziel deutlich aufgefaßt hatte. Bei den Bemühungen der Häupter, das Reich wieder in Ordnung zu bringen, hatten sich doch von Anfang bis jezt nur einzelne begabte Patrioten mitdenkend und rathend betheiligt, auch unter ihnen war keiner, der einen verheißungsvollen Befreiungs- oder Reformationsgedanken und zugleich die Kraft gehabt hätte, allgemein dafür zu gewinnen. Der allgemeine Drang nach Umgestaltung aller Verhältnisse verlor sich in lauter Einzelbestrebungen. Die mancherlei vorhandenen Oppositionen beweisen die Allgemeinheit jenes Dranges, allein er war unklar, die Nation wußte noch nicht deutlich was sie wollte und hatte noch immer keinen entschiedenen Willen. Was zunächst bevorstand war eine Empörung der niederen Volksklassen, nach den treibenden Gedanken und Absehen derselben und nach den Mitteln, welche ihr zu Gebote standen, eine gesellschaftliche und greuelvolle, zerstörerische Umwälzung. Rohheit und Vernichtungswuth würden ihre breite Stelle darin eingenommen, den besten Theil der mühsam in Jahrhunderten und neu gewonnenen, erst aufkeimenden und noch unbefestigten Bildung in ihrem Strudel hinweggerissen, Kirche und Staat zu Grunde gerichtet haben, während man neben ihnen die Bedingungen zum bessern Wiederaufbau der lettern vermißt. Das war das Schlimmste, daß die Bewegung keine Aussicht bot, daß etwas Neues und Gutes durch sie begründet, der Nation wahrhaft geholfen worden wäre, daß man vielmehr gerade das Gegentheil annehmen muß. Die Voraussetzungen eines günstigen Ausganges jener Art waren, daß entweder der Kaiser entgegenkam,

1) De Wette III, 439. Corpus Reformatorum, I, 1083.

die bessern und besten Absehen der Bauern hinauszuführen: aber daran war nicht zu denken; oder daß die niederen Volksklassen einen befähigten Führer, einen Führer fanden, der im Kriege leiten, der den erregten Haufen zügeln konnte, und sodann die Einsicht und Kraft des Ordnens und Schaffens besaß: der sich aber jegt und späterhin nicht fand; oder daß die übrigen Stände sich mit den untersten oder wenigstens nicht gegen sie vereinigten und über sie herfielen, oder doch so weit in die Absehen derfelben eingingen, daß sie das Billige`ihnen zugestanden, ihnen zugebracht hätten, was ihnen an höherer und edlerer Einsicht und Bildung fehlte. Aber wer könnte so etwas erwarten? Viele befanden sich bei dem Zustande, wie er war, vortrefflich oder doch leidlich, andre Mißmuthige hätten zwar ihre besonderen Klagen gern erledigt gesehen, dachten aber nur an sich selbst und begehrten nichts weniger als eine Umwälzung, durch welche ihre verhältnißmäßig günstige Lage gefährdet worden wäre. Die verschiedenen Stände waren so wider einander, in den höheren war überhaupt so wenig Gefühl für die Leiden und gerechten Klagen des gemeinen Mannes, so wenig politischer Ueberblick für das Große und Ganze, so viel Sonderung und Entgegensehung der Anliegen und Gesichtspunkte, daß sich trok aller Mißstimmung in fast allen Ständen dennoch keineswegs eine auf dem Nationalwillen beruhende Umwälzung, sondern, weil blos Empörung einzelner Stände, eben nur Zwiespalt und Verwirrung ohne Ende, ein Krieg Aller wider Alle erwarten ließ. So etwas, und die Reichsstände ohne Kraft, schon weil ohne Vertrauen zu ihrer Kraft, den Aufstand niederzuschlagen, und die mißliche Lage Deutschlands zwischen den Reichsfeinden fast auf allen Seiten. Schwerlich wäre die Nation der Erschütterung gewachsen gewesen. Hielt sie doch kaum, und nicht ohne große Einbußen, Nachtheile und Leiden die gemäßigtere der Reformation aus, in deren Zielpunkten so ziemlich die ganze Nation sich einigte. Man kann auch nicht annehmen, daß die Bewegung, welche jest bevorstand, einen ähnlichen leidlichen Verlauf und Ausgang gehabt haben würde, wie der Bauernkrieg von 1525. Zu dieser Zeit war die Reichsgewalt wieder erstarkt, es gab große, feste Parteien, ein beträchtlicher Theil der Klagen war beseitigt, in ganzen großen Gebieten fand man sich befrie

digt, hatte man ganz andre Zielpunkte ins Auge gefaßt, neues Vertrauen zu anderen Mitteln und Wegen gewonnen, die Neformation war dazwischengetreten, fie regte den Bauernaufstand mit an, verstärkte seine Kraft, schlug ihn dann aber mit noch größrer Gewalt nieder, einer Gewalt, wie sie 1517 noch gänzlich fehlte. ')

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Aus dem Zustande dieses Jahres ergab sich, daß eine stürmische Bewegung irgend einer Art nicht ausbleiben konnte. Sie kam, eben in der Reformation, beginnend von Luther's Angriff auf den Ablaßunfug. Ihm und dem gefunden, dem religiösen, edeln Sinne der Nation, der sich in diese mehr geistige und heilsamere Bewegung hineinwarf, anderen Führern den Rücken kehrte und Luther nachfolgte und redlich half, ist es zu danken, daß wir im Anfange des 16. Jahrhunderts, als alle Aussichten zu einer politischen und kirchlichen, Seitens der bestehenden Ge= walten einzuleitenden Reform zu Grunde gegangen waren, vor einer schlimmern, die ganze Gegenwart und Zukunft der Nation in Frage stellenden kirchlich - politisch-socialen, wenigstens zunächst nur auf finnliche Dinge gerichteten Umwälzung bewahrt blieben, vor einer Umwälzung ohne höheren Schwung und Charakter, ohne ordnende Gedanken und auferbauende Elemente. Zunächst ist nun zu berichten, wie es zu jenem Angriffe kam.

Fortgang des Ablasses 1517.

wickelung.

Anfang der Ver

In dem Vorhergehenden liegen die Gründe vor Augen, weshalb die Ablaßraubzüge ihren Fortgang haben konnten, ohne daß Jemand hinreichenden Willen, Muth und Macht besessen hätte, dem Unfuge Einhalt zu thun oder auch nur mit Nachdruck die Stimme dawider zu erheben, so unerträglich er sein mochte. Man hatte den Zehnten und Zwanzigsten und Funfzigsten zum Türkenkriege, und sah sich sogar gedrungen ihn zu begehren, weil man sich nicht anders zu helfen wußte. Er half aber nicht einmal. Man konnte keinen Türkenkrieg führen, nicht Frieden

1) Hagen, Bur politischen Gesch. Deutschlands, 169.

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