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gesetzt. Die Freunde, ja auch persönlich ihm Unbekannte, bestürmten ihn mit Fragen und Briefen, wollten seine Ansicht hören. Er glaubte den Zudringlichen nicht sogleich Rede stehen zu dürfen, hielt eine Zeitlang zurück. Aber sie ließen nicht ab, trieben ihn mit scharfen Disputationen" in die Enge, die die Ehrfurcht gegen päpstliche Heiligkeit gefährdeten." Er spricht davon in einem Schreiben vom 22. Mai 1518 an den Bischof von Brandenburg. Man sieht, die Meinungen waren getheilt. Bei Manchem sträubten sich gesunder Verstand,. Einsicht und inneres Gefühl gegen die neuen Lehren," Manche, scheint es, ergingen sich in einem heftigen und ihm mißfälligen Widerspruche, der das Haupt der Kirche selbst nicht schonte, wogegen die Ablaßdoktrin oder Praxis, oder beide, von Andern doch noch in Schutz genommen wurden. Der Zusammenhang läßt erkennen, daß sie sich auf die päpstliche Autorisation und die päpstliche Untrüglichkeit beriefen, und darin war auch er so „gefangen,“ daß er sich fast zum Wanken gebracht sah und zu dem inständigen Wunsche gebracht wurde, was die Ablaßkommissäre predigten möchte nur Wahrheit sein. Allein zu mächtig waren seine entgegengesetzten Ueberzeugungen; er konnte sie nicht aufgeben; so groß seine Ehrfurcht vor der päpstlichen Heiligkeit und vor Leo sein mochte, er hatte Rom gesehen und mehr und mehr war ihm kund geworden, wie es da zuging, wie es mit dem gepriesenen Papste stand; er hatte die Untrüglichkeit der Kirche von der des Papstes und den Begriff des Papstthums von dessen jeweiligem Vertreter unterscheiden gelernt. In jedem Falle mußte er sich erklären, handeln. So konnte es nicht bleiben. Eine Vermittlung ließen die Gegensäße nicht zu, die so scharf in den Dingen wie in den Persönlichkeiten lagen. Die Anliegen und Leidenschaften der Wahrheit und des Geld- und Ehrgeizes, Mannesstolz und Inquifitoren-Hochmuth, Gott- und Papstvertrauen, Gewissensernst und sittliche Frechheit, Ansprüche entstammend dem äußerlichen Rechte und dem Rechte des Geistes, geradhin einander zuwiderlaufende Ansicht und Lebensziele, nicht aufzugeben, als mit dem Leben selbst! Luther zum wenigsten hätte es nicht können, Lehel konnte es nicht wollen. So entschloß sich Luther, innerlich und äußerlich gedrängt, die Sache zu einer Entscheidung zu bringen, eben wie Tezel Anstalten dazu durch

sein Anzünden von Scheiterhaufen, seine Drohungen mit Bann und Keßergericht traf. Wie Tezel aufregend den großen Haufen in das Spiel zu bringen, die rohe Volksgewalt aufzurufen oder sonst Gewalt gegen Vergewaltigung aufzubieten, kam ihm nicht von fern in den Sinn. Merkwürdig vereinigen sich in Dem, was er that, Leidenschaft, Feuer, Ungestüm und kluge Vorsicht, besonnene Ruhe, maßvolles Ansichhalten. ')

Entschluß zum Angriffe.

Anschlag der Ablaß

thesen, 31. Oktober 1517.

Die kluge Vorsicht, womit er zu Werke ging, liegt, obwohl noch lange nicht allein, in der Form, welche er für den Angriff wählte, zu welchem er sich um die Zeit, als er an die Bischöfe fchrieb und für den Fall entschlossen haben muß, daß die lehtern ihm kein Gehör gäben. Gegen das Ende des Oktobers liefen die abrathenden oder gar spöttelnden Erwiderungen ein, war die Frist verstrichen, bis zu welcher er auf die rückständigen geglaubt haben mochte warten zu müssen. Oder er hätte vielleicht noch länger darauf harrend gezögert, aber die Umstände und sein Feuer drängten. Es scheint, er wollte der Ausführung der tezelischen Drohungen durch eine That zuvorkommen. Dazu stand ein Tag nahe bevor, der ihm höchst geeignet zur Führung eines Schlags, ja der in Wahrheit dazu aufzufordern schien, den er ohne Krieg kaum hätte vorübergehen lassen können — Allerheiligen. Wir wissen schon, welch ein Zulauf da zu der mit Neliquien und Ablässen reich ausgestatteten Schloßkirche stattfand. An keinem anderen Tage im ganzen Jahre traten alle die mit solchem Zulauf und Wallfahren verknüpften widrigen Erscheinungen so gehäuft und grell hervor, die feinen Unwillen schon längst so sehr erregt hatten, über die er in den Predigten über die zehn Gebote so scharf sich ausgelassen. Julius II. hatte 1510 einen hundertjährigen Ablaß für alle Die erneuert, welche die Schloßkirche vom Montage nach Jubilate an besuchen und ihren Reliquienschatz verehren würden. Von Leo X. war nicht blos dieser Ab

1) De Wette I, 112.

laß 1516 bestätigt, sondern auch noch ein neuer auf das Allerheiligenfest angeordnet, und den Priestern der Schloßkirche das Recht ertheilt worden, selbst die schwersten Verbrecher loszusprechen, woran wir uns hier erinnern wollen. Die Nähe des päpstlichen Ablaßkommissariats, die stattgehabten Reibungen ließen erwarten, das Volk werde sich ungewöhnlich bewegt zeigen. Auch hatte Tezel feinen Ablaß sogar in die Schloßkirche verkündigen Lassen.

In Wittenberg schwankten die Meinungen über den Ablaß. Luther selbst war noch immer ungewiß. Disputationen waren es, worin man Entscheidung in Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten zu suchen pflegte. In ihnen hatte die Freiheit der Ansichten und Aeußerungen den weitesten Spielraum, den stärksten Schuß. Die hergebrachte Sitte ließ da die abweichendsten Behauptungen und deren Vertheidigung zu, sofern sie nur als blos individuelle Ansichten auftraten und ihre Urheber das Besserwissen der Kirche vorbehielten und deren Ausspruche sich unterwarfen. Fast genau vor hundert Jahren hatte Hieronymus von Prag zu Konstanz Gerfon's Vorwürfe wegen seiner Lehrmeinungen über die Allgemeinbegriffe, als wodurch er schon zu Paris Aergerniß gegeben haben sollte, durch Berufung auf seine Magisterwürde, die ihn berechtige, neue Lehrmeinungen zur Bestreitung aufzustellen, siegreich und mit leichter Mühe zurückgewiesen. Aehnliches war nicht selten vorgekommen. So entschied sich Luther für eine Disputation. In dem Schreiben an Papst Leo, vom 30. Mai 1518, sagt er, als die Bischöfe ihn abgewiesen, habe ihm gedäucht, er könne nicht anders thun, als wenigstens ganz fäuberlich (leniuscule) den Ablaßpredigern zu widerreden, das wolle sagen ihre Lehren anzuzweifeln und auf die Probe einer Disputation zu ziehen; daher habe er die Disputirsäße ausgehen lassen nebst Einladung an Gelehrtere, mit ihm die Sache durchzudisputiren. Aehnlich in dem Schreiben vom 22. Mai 1518 an den Bischof von Brandenburg. Nachdem er von so Vielen darauf angeredet und von den Ablaßfürsprechern in die Enge getrieben worden, habe er gemeint, der beste Rath sei, daß er weder den Einen noch den Andern beipflichte, sondern zunächst über eine so große Sache disputire, bis die heilige Kirche sich darüber aussprechen würde, was man zu glauben habe; deshalb

habe er die Thesen veröffentlicht und Jedermann zur Disputation eingeladen, auch durch Privatschreiben noch einige der' angesehensten Gelehrten gebeten, ihre Ansicht auszusprechen, da ihm gedäucht, die Lehren der Ablaßprediger würden unterstüßt weder durch die Schrift noch durch die Kirchenlehrer oder die Kanones selbst, einige wenige, doch ohne Text redende Kanonisten, und einige doch nur ihre individuellen Ansichten aufstellende und nichts beweisende Scholastiker ausgenommen. Denn ihm scheine nichts widersinniger zu sein, als daß in der Kirche Gottes Lehren gepredigt und gehört würden, von deren Grunde den Ketern keine Rechenschaft gegeben werden könne; das sei so viel als Christum und seine Kirche ihnen zum Gespött preisgeben. Es leide ja ferner keinen Zweifel, daß den Scholastikern und Kanonisten Glaube nicht gebühre, wenn sie nur ihre Meinungen vortrügen. Es heiße schandbar, wenn ein Jurist ohne Text rede, aber noch viel schandbarer sei es, wenn ein Theolog ohne Text rede, nämlich ohne wahren Text aus der Schrift, den Kanones und Kirchenvätern, denn aus dem Aristoteles werde allerdings nur viel zu viel geredet. Weiter habe er gemeint, es stehe ihm zu und sei Pflicht für ihn, über Lehren zu disputiren, die von allen die zweifelhaftesten und, wenn falsch vorgetragen, die gefährlichsten wären. Sei doch den Gelehrten bis jeßt sogar erlaubt gewesen, über die heiligsten und ehrwürdigsten zu disputiren, welche kein Christ die Jahrhunderte daher in Zweifel gezogen habe. Jeder müsse einsehen, daß die Bescheidung oder heilige Scheu Derer eine demüthelnde und selbstwegwerfende (humilis, dejecta religio) sei, welche forderten, man solle über die Gewalt der Kirche oder des Papstes nicht disputiren, sondern schweigen und Dank sagen, während sie selbst statt zu schweigen und Dank zu sagen, fortwährend vorwißig disputirten über die Macht, Weisheit und Güte Dessen, der jene Gewalt gegeben, und alles Verborgenste in der höchsten Majestät mit ihrem Aberwiß dermaßen bekleckten, daß sie in den Gemüthern die Liebe und Ehrfurcht gegen Gott fast gänzlich vertilgt hätten. 1)

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Dagegen lag das Kühne und Heftige im Inhalte der beab

1) Hofmann 85. Menzel, Gesch. der Deutschen, VI, 232. De Wette I, 120, 113 f.

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sichtigten Disputation, die, wie wir sehen werden, unmittelbar aus seinen theologischen Begriffen, nach deren neuester Entwicke lung, hervorgingen, an diese zunächst anknüpften und von der Doktrin aus dann auf die Ablaßpraris hinübergriffen, jene wie diese gleichmäßig und gleich tief, gründlich und nachdrücklich fasfend. Hierin lag das eigentlich Durchschlagende und für ihn selbst Gefährlichste, wie im Tone das Aufweckende. Die Thesen sehen sich nach ihrem Inhalt und Ausdruck wie ein Erzeugniß des erregten Augenblicks, der Begeisterung und Leidenschaft an, und sind es in der That. Aber eine genauere Betrachtung zeigt auch, daß sie fein, überlegt und sorgfältig ausgedacht und ausgearbeitet waren. Erkennt man in ihnen bei all ihrem Ungestüm deutlich seine Umsicht, so geht hieraus selbstredend hervor, daß er sich nicht verbarg, welch ein gefahrvolles Unternehmen er begann, obwohl er nichts gegen den Papst, die Kirche oder auch nur den Ablaß selbst beabsichtigte und vielmehr Alles so stellte, daß der Angriff nur Unberechtigtes treffen sollte. Er war sich bewußt etwas Rechtmäßiges und Nöthiges, aber freilich Unerhörtes und Gefährliches zu beginnen: die Antworten der Bischöfe waren in dieser Beziehung deutlich genug gewesen. Er hatte daher auch schwere Bedenken und nach allem Anscheine bis zum Entschlusse lange gezögert. Leicht finden wir darin auch den Grund, weshalb er nur zwei Bischöfen um ihnen den Ernst zu zeigen von dem Inhalte der beabsichtigten Disputation Kenntniß gab, und selbst gegen die Vertrautesten in Wittenberg, wie es scheint, nur sehr wenig, wol kaum Genaueres davon verlauten ließ. Niemand hätte ihm beigestimmt, Keiner neben ihm den Muth und Sinn in sich gehabt, ihn zu bestärken, die Meisten oder Alle würden abgerathen, ihn bestürmt, vielleicht ein heftiges Einschreiten veranlaßt haben. Entschlossen war er einmal. Er konnte hoffen durch die Kühnheit der That, wenn sie einmal geschehen war, die Meisten fortzureißen, aber nur Beirrungen erwarten, je mehr er vorher davon sprach. Wir werden dies noch bestätigt sehen. Er fühlte jest ohne Zweifel, was er späterhin mehrfach sehr bewußt empfunden hat, daß der Starke am mächtigsten allein ist. Es war Nachwirkung davon, daß er, als die Gefahr über ihn kam, weder vom Kurfürsten noch sonst von einem Menschen ge= schüßt sein wollte, und 1530 zu Koburg den Wunsch aussprach,

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