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sichten gewährender, freilich langer Weg dar. Doch kenne ich keinen kürzern für Den, der eben ein völliges Verständniß wünscht, und er bietet sich so natürlich, ja als der einzig sichere und als der nothwendige dar. Die mündliche Disputation sollte das aphoristisch, epigrammatisch, parador Angedeutete und Hingeworfene ausführen, begründen, ins Licht sehen. Niemand erschien zu ihr. Die Kollegen stimmten in den theologischen Grundbegriffen fast alle mit Luther überein, noch mehr im Urtheile über die Ausschreitungen Lehel's und seiner Gehülfen. Wenn diese ihren Anhang hatten, so hätte sich doch nicht leicht ein tüchtiger Gelehrter und Ehrenmann dazu hergegeben, öffentlich auf ihre Seite zu treten. Untergeordnete Geister mochten es mit Luther nicht aufnehmen. Sie scheuten den Schimpf. Man kann denken, daß die Kühnheit, das Überraschende der Thesen im ersten Augenblicke die Freunde Tezel's und auch Die außer Fassung brachte, die mit Luther in manchen Punkten verschiedener Meinung waren. Es kam hinzu, wer ihm irgendwie bei dieser Sache entgegentrat, sette sich dem Scheine aus, daß er für Tezel Partei nehme. Endlich war es gefährlich mit Luther etwa über einige seiner Säße zu streiten und die Richtigkeit andrer zuzugestehen. Es hieß für ihn Partei nehmen oder konnte doch leicht so gedeutet werden, war fast nicht weniger als sich mit in seine Gefahr begeben. Wie, wenn seine Dialektik dazu nöthigte, sich zu ent scheiden, wo man gern unentschieden blieb, öffentlich einzuräumen, was gefährlich einzuräumen war? Mit einem Worte, Nicmand mochte sich mit der Sache befassen oder gegen ihn auftreten. Allein ihm genügte das nicht. Er wollte die Sache zu einer Entscheidung gebracht wissen, und wenn er sich für den Augenblick auch nur an die nächsten Kreise wendete, so lag doch der Gedanke schon in ihm oder kam ihm sehr bald, auch die Entfernten aufzurufen, alle Welt zur Theilnahme herbeizuziehen, seine Behauptungen nach allen Seiten zu rechtfertigen. Daher, daß er gleichzeitig mit der Disputation oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung unter dem für dergleichen Schriften ge bräuchlichen Titel „Resolutionen" Erläuterungen und Beweise der Thefen schrieb, worin ér diese nun eben so begründete und weiter ausführte, wie er es beim Disputiren gethan haben würde. Sie sollten sofort im Druck erscheinen, indeß ließ er sich von ih

rer Veröffentlichung bis in's nächste Jahr zurückhalten, nachdem er sie im Laufe desselben schon in der Handschrift dem Bischofe von Brandenburg, Staupit, Leo X. und ohne Zweifel vielen Näherstehenden mitgetheilt hatte. Sie sind seine Hauptschrift vom Jahre 1518, kommen aber jezt schon in Betracht, weil sie seinen eigenen Kommentar zu den Thesen enthalten, diese also am besten erklären, weil sie ihrem wesentlichsten Inhalte nach zugleich mit den Thesen, die eben nur der zusammengedrängte Kern seiner Gedanken, gedacht sind und seine ganze dermalige Entwickelung allseitig vor Augen stellen. Ich werde sie daher benuhen, so weit mir ihre Berücksichtigung zu einem genaueren Verständniß der Streitfäße nöthig erscheint. ')

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Die fünf und neunzig Streitfähe und die Erläuterungen. 2)

Er stellt den Erläuterungen eine Protestation voran, welche seinen Standpunkt zu genau bezeichnet, als daß wir sie übergehen dürften. Weil es sich, sagt er darin, um eine theologische Disputation handle, so wolle er die in den Schulen gebräuchliche Protestation zur Besänftigung der Gemüther wiederholen, welche durch den nackten Text der Disputation (die Thesen) vielleicht verlegt wären. Er erkläre erstlich, daß er schlechterdings nichts sagen oder behaupten wolle, was nicht als bewährt angenommen sei und werden könne zuerst aus der heiligen Schrift, sodann aus den von der römischen Kirche recipirten Vätern von unbezweifel

1) In einem Briefe an Truttvetter sagt er, fast Alle ständen auf seiner Seite. Der Brief ist indeß im Mai 1518 geschrieben, wo die Meinung schon vorgeschritten war. Unten mehr über die jeßige Stimmung der Kolle= gen. De Wette I, 108, 114.

2) Resolutiones disputationum de virtute indulgentiarum ad Leonem X, bei Löscher II, 183 ff., deutsch bei Walch im 18. Bande. Vergl. Vorr. dieses Bandes 290 ff. Neuerdings hat Otto von Gerlach in einer Auswahl der lutherischen Hauptschriften sie mit einer Einleitung wieder ab= drucken lassen. Kurz vor dem Drucke erhielten sie noch einige auf Einreden Tehel's gegen die Thesen sich beziehende, hier noch nicht zu berücksichtigende. Zusäße, die sich leicht als solche erkennen Lassen.

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tem Ansehen und endlich aus den Kanones und Dekretalen. Was hieraus weder bewiesen noch umgestoßen werden könne, betrachte er als disputirlich, doch stets vorbehaltlich der Entscheidung aller seiner Obern. Jedoch das Eine nehme er für sich nach dem Rechte der christlichen Freiheit in Anspruch, die ohne Text und Erweis aufgestellten bloßen Meinungen der Scholaftiker und Kanonisten nach seinem Gefallen zu verwerfen oder zu billigen, gemäß dem Ausspruche des Apostels, prüfet Alles und das Gute behaltet. Wohl sei ihm das Vorgeben einiger Thomisten bekannt, wonach Thomas in allen Stücken von der Kirche approbirt sein solle; zur Genüge aber sei bekannt, wie weit Thomas' Authorität gelte. Diese Erklärung werde hinlänglich sein zu zeigen, daß er zwar irren könne, aber kein Keher sein werde, wie auch anders Meinende und Begehrende zürnen und toben möchten.

Aehnliches spricht er, wie wir uns erinnern, in seinem Schreiben vom 22. Mai 1518 an den Bischof von Brandenburg und wiederum in einer den Ablaßthesen doch nicht den ersten

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hinzugefügten,,Protestation" aus. Es wird zur

weiteren Erläuterung dienen, wenn ich anführe, was er in leßterer sagt.,,Obwohl mich weder diese unsre berühmte und belobte Universität noch die weltliche oder kirchliche Obergewalt verurtheilt hat, sind dennoch, wie ich höre, Vorwitige, die sich unterstehen mich einen Keher zu nennen. Wie zuvor schon oft rufe ich nun aber um des christlichen Glaubens willen Jeglichen. auf, mir entweder einen besseren Weg zu zeigen, wo Jemandem ein solcher von Gott offenbart ist, oder seine Ansicht dem Urtheile Gottes und der Kirche zu unterwerfen. Denn ich bin nicht so verwegen, daß ich meine Meinung derjenigen aller Andern vorziehe, aber auch nicht so unverständig, das göttliche Wort den von menschlicher Vernunft ersonnenen Fabeln nachsehen zu lassen."

Wir hören ihn hier zum ersten Male von der christlichen Freiheit sprechen, für welche er längst angefangen sich zu erheben. Aber noch immer ist der Grundsah unklar und schwankend bei ihm. Allerdings und ganz offenbar bildet die Ueberzeugung von dem obersten theologischen Ansehen der Schrift den Hintergrund der fünf und neunzig Streitfäße, bezeichnet die Acußerung, wonach er das göttliche Wort den von menschlicher Vernunft ersonnenen Fabeln nicht nachgesett wissen wollte, sei

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nen theologischen Standpunkt, mit welchem er auf ein der empirischen kirchlichen Autorität überzuordnendes leßtes und unbedingtes Princip zurückging, das göttliche Wort, wie er es hier nennt, das Princip, welches dem römischen von der Ueberordnung der päpstlichen Kirche über die Schrift fortan so folgenreich entgegentreten sollte. Es war schon seit geraumer Zeit sein theologischer Ausgangs- und Anhaltspunkt gewesen, er sollte es bald bestimmter fassen lernen, ohne damit freilich jemals auf das Reine und aus dem Begriffe herauszukommen, den er aus dem Katholicism herausbrachte. Jezt ist er mit der Auffassung und Ausbildung des Princips noch immer nicht weiter gekommen, als damals, wo er es in der für den Propst von Leizken aufgeseßten Rede aussprach. Wie er dort die „heiligen Ausleger“neben das ,, reine Evangelium," obwol dieses voranstellte, will er in der Protestation, womit er die Erläuterungen beginnt, seine Behauptungen nur zuerst der Schrift unterwerfen, dann aber auch den Vätern von unbezweifeltem Ansehen, den Kanones, Dekretalen, ja den zukünftigen Entscheidungen der kirchlichen Oberhäupter: eine ganz folgewidrige Beschränkung des Grundsahes vom höchsten Schriftansehen, die er freilich wir kommen bald darauf in den Erläuterungen abermals beschränkt. Diese lehtern Beschränkungen werden uns deutlich zeigen, wie fest doch schon jener Grundsaß in ihm stand, wie entschieden er innerlich mit dem Ansehen der empirischen Kirche bereits gebrochen hatte und daß er darüber zu einem halben, doch auch nur zu einem halben Bewußtsein gekommen, daß er in einer Selbsttäuschung befangen war, wenn er meinte, er seße sich nur über die unberechtigte Autorität der ohne Text oder Beweis redenden Lehrer hinweg. In dem oben schon beiläufig erwähnten Sermon von Ablaß und Gnade werden wir ihn das Princip vom höchsten Schriftansehen noch bestimmter aussprechen hören, volle Bestimmtheit aber auch dort nicht finden. Er will sich von dem kirchlichen Boden nicht trennen, steht noch vollkommen darauf nach seinem Bewußtsein, fühlt doch aber, daß ihm dieser Boden unter den Füßen wankt und weicht, daß er Ueberzeugungen in sich trägt, die er nimmer einem verdammenden Ausspruche der Kirche unterwerfen würde. Die Kirche die ideale echte kann einen solchen Ausspruch nicht thun, das ist ihm gewiß; aber die wirkliche steht weit ab

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von der Idee, auf welcher sie erbaut ist, sie muß und wird gegen ihn entscheiden, wenn sie sich auf die Idee nicht zurückführen läßt. Sie wird sich auf die Idee zurückführen lassen, wenn ihr diese nur gewiesen wird: wie groß ist die Liebe und Ehrfurcht, welche er ihr fort und fort bewahrt hat, wie groß sein Vertrauen auf die Kraft der Wahrheit, wie stark sein Glaube an den der Kirche verheißenen göttlichen Geist. Allein sein Blick ist zu hell. Sie wird es nicht! sagt ihm eine innre Stimme, und dann !? Er wagt es noch nicht, auch nur sich selbst die Folgen deutlich zu denken, offen zu gestehen; er schwankt zwischen Hoffnung und Furcht; er mag sich selbst, seiner klaren Einsicht nicht trauen, will Gelehrtere, die Kirche selbst hören, um,,rechten gewissen Bericht" von der Sache zu erhalten; er erklärt, er sucht sich selber einzureden, daß er nur über zweifelhafte Lehrmeinungen nach Schulgebrauch und Recht disputire, doch kann er sichs nicht verbergen, wie hoch und tief er eingreift, weit über das Gebiet der Schule hinaus; wie wenig es der Kirche jemals Ernst gewesen, solche wahrhafte Freiheit der Meinung und Rede, wie er sie sich nimmt, zu dulden, wie sie stets Keßerei und nur Keßerei darin erblickt und den Bannstrahl dawider geschleudert, alle Macht dawider aufgeboten; er durch= schaut die ganze Größe und Tiefe der Verderbniß, die in hoch. müthiger Sicherheit aller Selbsterkenntniß und Besserung widerstrebt: mit unsäglicher Herzensangst und dialektischer Mühe sucht er auf dem kirchlichen Boden zu fußen, der ihm entweicht: nichts lassen die Erläuterungen deutlicher erkennen. 1)

Er beginnt die Disputation nicht etwa mit einer Bestreitung der Theorie vom Kirchen- und Ablaßschate. Man hat schon sehr früh bemerkt, daß die Reformation, die man von den fünf und neunzig Thesen datirte, gerade wie das Evangelium selbst von der Bußpredigt und Lehre und mit denselben Worten. ihren Anfang genommen habe, indem auch die ersten lutherischen · Disputirsäße die Buße zu ihrem Gegenstande machten. In der That drehete sich in Luther's Theologie und ganzem Bestreben Alles um Zurückwendung und Zurückführung auf das Evangelium, und wir hörten, wie bedeutsam Buße und Gnade für

1) Schenkel a. a. D. 21 f.

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