ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

aber ihn und seine Anhänger tadeln und schelten, daß sie diese Unbefangenheit nicht hatten, zeugt von einer Verkennung, welcher entweder Unkunde oder eine nur ganz oberflächliche Ansicht der wirklichen Persönlichkeit Luther's und der Geschichte seiner Zeit zum Grunde liegt, oder die aus dem ungeschichtlichen Verfahren hervorgeht, nach viel neuern oder ganz individuellen Begriffen eine frühere Geschichtsperiode zu messen, zu konstruiren, zu misdeuten. 1)

Bei den Gesichts- und Zielpunkten, welche Luther und die Lutherischen hinsichtlich der Lehre nahmen, und bei dem Verfahren, welches sie demgemäß einschlugen, wurden allerdings Abwege nicht vermieden. Von allem Anfange lag dabei die Gefahr nahe, das Christenthum abermals nur als Lehre aufzufassen, sein Ziel in die Ausbildung eines Lehrbegriffs zu sehen, alles Heil von diesem als Rechtgläubigkeit abhängig zu machen, und so in den Katholicism zurückzuverfallen, der das Christenthum in cine Lehrsumme als alleiniges Kennzeichen der Christlichkeit verwandelt und dadurch zugleich die religiöse Freiheit und das christliche Leben zerstört hatte. Diese Wendung wurde im Lutherthume nicht vermieden, bis zum Aeußersten trat sie ein in der dogmatischen Theologie des 17. Jahrhunderts, welcher die lutherische Kirchenlehre für absolute Wahrheit galt, weil sie der Meinung nach mit der Schriftlehre vollkommen zusammenfiel. Das hatte Luther steif und fest von seiner Auffassung geglaubt, es wurde ihm nachgebetet, um so mehr, da er selber schon auf den Weg hinlenkte, die Bürgschaft für die Einheit und den Bestand der Kirche überwiegend in der Einheit der Lehrbestimmungen, nicht des Grundfaßes, des Geistes und Glaubenslebens zu suchen. Er besaß nicht die Kraft, die dahin drängende Macht der Verhältnisse und zugleich des in den ihm Anhängenden, den Mitarbeitern und ihm selbst neu erwachenden Geistes des Katholicism und Scholasticism zu überwinden. Doch erstarb der lebendige Glaube über dem Trachten, die Lehre von demselben festzustellen, bei ihm selbst nicht. Eins der Zeichen davon ist eine andere Irrung, in welche er sich gleichfalls durch den Gefichtspunkt hineinführen ließ, nach welchem ihm die Lehrherstellung so wichtig

1) Kirchenpostille, Watch XII, 1535. Plochm. IX, 208.

erschien. So sehr war und blieb er davon durchdrungen, daß aus dem Glauben in seinem ursprünglichsten religiös - praktischen Sinne alles wahre Heil erwachsen und hierdurch auch die Kirche, als die lebendige Gemeinschaft der Gläubigen werde gebildet werden und müssen, so sehr vertraute er der Kraft des Glaubens und der Kraft der Lehre, ihn mehr und mehr zu erzeugen und zu beleben, und so hohe Begriffe von der Wirksamkeit des Glaubens, der Beschaffenheit der Gläubigen erfüllten ihn, daß er fort und fort seine beste Kraft nur daran sehte, die evangelische Lehre und mit ihr den Glauben herzustellen, die evangelische Gesinnung durch sie zu wecken, zu beleben und zu stärken, als die ihre Formen und Organe schon finden und sich schaffen werde; daß er es versäumte, ernstlich an die Aufstellung einer neuen Kirchenverfassung zu denken, daß er alle Auffoderungen dazu zurückwies und immer und immer meinte, die Leute dazu noch nicht zu haben.“ Er hätte hinzuseßen können, daß er auch den geordneten staatlichen und Rechtszustand dazu nicht habe. Sein Vertrauen auf die Kraft des Glaubens und der Lehre ließ ihn dabei übersehen, welcher Gewinn eben dem Glauben aus einem selbstän= digern kirchlichen Lebensorganism geworden sein würde, wie nöthig ein solcher eben für die Erhaltung und Nährung des Glaubens gewesen wäre. Sein Vertrauen auf die Kraft des Glaubens und der Lehre ließ ihn übersehen, daß er die Kirche dem Eigennute und der Raubsucht der Fürsten, der Selbstsucht des Adels, der Roheit und Hülflosigkeit der Gemeinden, der Herrschaft, der widrigen, der Theologen als neuer Hierarchen und der geisterdrückenden gleich widerchristlichen des Staats, ob auch ganz wider seinen Willen und so heftig er zürnte, als er diese Wendung eintreten sah, dahingab, und hierdurch außerdem noch in ihr eine ewige Schwäche nach außen, namentlich gegen den Katholicism begründete. ')

Indeß ist hierbei noch mehr als ein Gesichtspunkt zu beachten. Der Kirchenbau gelang den Evangelischen reformirten Bekenntnisses besser, als er Luther und den der sächsischen Reformation sich Zuwendenden glückte. Allein er wurde durch die schwei

1) Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes, Plochm. XXII, 231. Ullmann a. a. D. 20 ff. Bunsen, Die Kirche der Zukunft, 83 f.

[ocr errors]

zerischen Verhältnisse in demselben Maße erleichtert, als ihn die deutschen erschwerten; und wie sehr die Verhältnisse einwirkten, ist daraus ersichtlich, daß die Sache der äußern kirchlichen Organisation dort und hier denselben Gang nahm, sofern die Verhältnisse gleich waren. Auch in Zürich und Bern machte sich der Territorialism geltend, weil sich die Obrigkeiten auch dort in der Stellung befanden, die Leitung in die Hand zu nehmen. In Genf, wo ein anderer Grundsaß der kirchlichen Verfassung durchdrang, waren auch die öffentlichen Zustände ganz verschiedene. Wenn aber in der Schweiz überhaupt für die äußerliche Organisation der evangelischen Kirche mehr als in Deutschland geschah, so lag dies eben auch wieder großentheils an den deutschen öffentlichen Zuständen. In Deutschland überwogen, so mächtig viele Städte noch waren, an Macht und Zahl die Fürstenthümer doch weit. Weit länger gaben die Verhältnisse hier dem Gedanken Raum, die Reformation als Reichsangelegenheit durchzuführen, also mindestens zu einer Nationalkirche zu gelangen, und weit größer war dieser Gedanke und viel werther, ihn so lange nur immer möglich festzuhalten und in die Berechnung aufzunehmen, als der ähnliche einer schweizerischen allgemeinen Landeskirche. Dazu kam, wenn er nicht hinausgeführt wurde, wenn die Evangelischen in Deutschland, gleichviel ob freiwillig oder genöthigt, eine Kirche ihres Glaubens gründeten, daß dies nicht geschehen konnte, ohne die Reichsverfassung und das Kaiserthum zu schwächen, und das wollte Luther nicht. Diese Rückfichten waren es aber, durch die er sich lange und zu lange mitbestimmen ließ, vom Kirchenbau innerhalb der der sächsischen Reformation zugewendeten Gebiete abzustehen, und als die Umstände zu kirchlichen Einrichtungen drängten, sie auf das augenblicklich Nöthigste zu beschränken, den Bau nur als vorübergehend, als einen Nothbau anzusehen und zu behandeln, der im Uebrigen verständig und praktisch, ja mit großer Feinheit angelegt war. Nur Unkunde oder oberflächliche Betrachtung übersieht es, daß in ihm der ursprüngliche lutherische Verfassungsgrundsah, wonach die freie vollberechtigte Gemeinde die Grundlage des gesammten Kirchenwesens bildete, grundsäßlich gewahrt und die Kirchengewalt an die weltlichen Häupter, die Theologen und das Volk den Umständen nach weise vertheilt war.

[ocr errors]

wäre aus diesem Bau, hätte man ihn fortgeführt, ebenso unzweifelhaft etwas Tüchtiges geworden, als etwas sehr Schlechtes, die besten Kräfte des Protestantism Lähmendes daraus wurde, indem man den Grundriß späterhin verließ und gedankenlos oder im falsch verstandenen Staats- und Polizeianliegen umbaute. Die Staatsbotmäßigkeit, worin die lutherische Kirche gerieth, war nicht Folge ihrer ursprünglichen Art und Anlage, sondern der Verkommenheit, worin der deutsche Geist und die deutschen Verfassungen geriethen. Schon der Nothbau wurde abermals durch die deutschen Verhältnisse erschwert, indem die Reformation in Deutschland weit längere und härtere Kämpfe als die schweizerische um Anerkennung, ja um Duldung, um das nackte Dasein die Freiheit des Evangeliums, die Freiheit der Lehre zu bestehen hatte, eine Foderung, auf welche die Evangelischen in allen Unterhandlungen zurückkamen, auf welche sie noch oft ihre Ansprüche beschränkten, stets in dem alten lutherischen Gedanken und Vertrauen auf die befreiende und hinreichende, die nothwendig auch gestaltende Kraft der Lehre vom Glauben. Noch zu Augsburg, 1530, wollte Luther selbst, wenn die Katholischen nur die evangelische Lehre zuließen, den Bischöfen die Jurisdiktion, Dignität und Ehesachen und dem Papste die kirchliche Obergewalt zurückgeben. 1)

[ocr errors]

Wie schon ausgeführt wurde, schloß die lutherische Lehre den Grundsatz der völligen religiösen Freiheit in sich. Luther gab ihm die weiteste Ausdehnung, indem er das Mittel, zur echten Lehre zu gelangen, die Schriftauslegung, jedem Einzelnen dahin gab. Je näher nun die Gefahr der Lehr- und Glaubenszügellosigkeit lag, desto größer war die Nothwendigkeit, mit allen Kräften nach Gewißheit über die Lehre zu streben, wodurch sein Gesichtspunkt in ein noch helleres Licht tritt; desto dringender war aber auch das Bedürfniß, die Gemeinde zu organisiren, damit sie in den Stand gesezt würde, über alle Lehre zu urtheilen, wie er es haben wollte, und damit nicht die Inhaber der Kirchengewalt, in der unorganisirten Gemeinschaft, Theologen

1) Hundeshagen, Die Conflicte des Zwinglianism, Lutherthums und Calvinism in der bernischen Landeskirche, Bern 1842. K. A. Menzel, Neuere Gesch. der Deutschen, I, 379.

oder Fürsten, ihren Glauben dem der Gemeinde substituirten und nach eigner Willkür Namens der lehtern in Lehr- und Glaubenssachen entschieden. Die Lehre vom Glauben war nun aber als Freiheitsprincip wieder ganz geeignet, dem falsch verstandenen deutschen Freiheitssinne Vorschub zu leisten, der auch im Staatlichen zur Verwirrung geleitet und es dort zu einer klaren festen Ordnung und Einigung nicht hatte kommen lassen. Luther hatte sehr viel Sinn für eine solche, und dennoch war auch jener Trieb der Selbständigkeit so stark in ihm, daß auch darin ein Grund lag, weshalb er so viel auf die Lehre und so wenig auf ein organisirtes kirchliches Leben gab. Nach der Lehre vom Glauben galt es ihm folgerichtig für gleichgültig und wollte er es freigelassen wissen, welche Weise des Gottesdienstes in den verschiedenen Ländern oder Orten beliebt werde, für so löblich und fein er einerlei Ordnungen erklärte, sofern die Gewissen dadurch nicht gebunden würden, und so gern er nach seinem geschichtlichen Sinne die alten Bräuche konservirte. Alcin daß er seinen Verfassungsgrundsaß doch nie durchbildete, daß er nicht zeitig und deutlich genug erkannte, wie sehr derselbe sammt der Lehre und dem ganzen religiösen Leben gefährdet wurde, wenn es zum Kirchenbau nicht kam, und daß er hierzu den rechten Augenblick niemals fand, war doch auch Folge von Unbeholfenheit, irriger Beurtheilung, falschem Vertrauen und falschem Freiheitssinn, der bei ihm einwirkte, trok dem, daß er den festen Bau der katholischen Kirche vor sich hatte und auch nach seinen Vorzügen sehr wohl zu würdigen wußte, obwol derfelbe von romanischen Händen errichtet war. Wenn er bei seinem Verhalten in Beziehung auf den Kirchenbau durch innere, nach ihrem Gewicht anzuerkennende Gründe und durch die eigenthümlichen schwierigen und verworrenen deutschen öffentlichen Zustände wesentlich bestimmt und unsäglich beirrt und gebunden wurde: so hatte er unverkennbar auch seinen guten Theil an der Nationalschwäche, die zu allen Zeiten und überall hervortrat, wo es um äußerliche Organisation sich handelte, an der Schwäche, welche die Nation in der Reformationszeit von dem Ziele, das in ihr näher als jemals lag, fern hielt, sich kirchlich und politisch zu einigen, zu einer klaren haltbaren Reichsordnung und einer Nationalkirche zu gelangen; an der Schwäche, welche die Evangelischen damals aus dem kirchlichen

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »