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Provisorium, dem Noth- und Gewaltzustande, dem unfertigen und verworrenen Verfassungswesen nicht herauskommen ließ, ja welche uns Evangelische die dreihundert Jahre daher bis auf diesen Tag daran behindert hat und noch behindert, obwol uns die Einsicht der Fehlgriffe und Versäumnisse, welche Luther und seine Zeit sich zu Schulden kommen ließen, nicht mangelt, obwol wir so reiche und bittere Erfahrungen gemacht haben und auch so treffliche Vorarbeiten und Grundlagen befißen.

Denn wir dürfen nicht übersehen, daß wir gerade auch in dieser Bezichung sehr reich sind eben durch Luther, und dies hängt wiederum mit dem Nachdrucke, den er auf die Lehre, ihre Läuterung und ihre tiefere Einpflanzung legte, mit seinem reformatorischen Grundprincipe zusammen, worin die vornämlichsten Antriebe zur Ausbildung und Bethätigung seiner unvergleichlichen Volkslehranlage zu suchen sind, die sich in seinen Predigten und Katechismen so glänzend erwies, ihn zum Begründer des Volksund Jugendunterrichts unter uns machte, ihn befähigte und kräftigte zur Unternehmung, Fortführung und Vollendung seiner unübertroffenen, durchaus eigenthümlichen und ebenso wirksamen Bibelübersehung. Keine andere Kirche besißt eine Volksschule, einen Lehrer, einen Prediger wie ihn, Katechismen, ein Bibelwerk und damit zusammenhängend einen Schatz von Liedern und liturgischen Arbeiten, wie die lutherische. Schon im nächsten Abschnitte werden wir seine Stärke an dieser Seite hervortreten sehen, und sie war es, die er fast überreich entfaltete und die ihm lebenslang blieb.

Wir haben endlich nicht zu vergessen, daß sein reformatorisches Grundprincip das der deutschen Reformation wurde, und daß die deutsche protestantische Kirche wesentlicher Bestandtheil, ja der Kern, die wichtigste Frucht derselben ist. Einer Ansicht zufolge, welche sich neuerdings geltend zu machen suchte, soll sic blos eine Abart, Abirrung von den ursprünglichen Principien der Reformation sein, sie verdorben haben. Allein wenn die Meinung ist, die ursprünglichen Principien der leßtern hätten namentlich in der Ansicht gelegen, daß alles Heil nicht im Lehrund Glaubensinhalt, sondern in der Gesinnung, der Liebe, dem werkthätigen Glauben zu suchen sei, so ist dies geschichtlich kaum viertelswahr. Diese Ansicht war vor Luther und neben ihm in

Vielen vorhanden, wurde aber im Reformationszeitalter nicht, die entgegengesette wurde damals herrschend und allgemein, die bezeichnende der Reformation; die Ansicht, daß am ersten gelegen sei am Wiedererfassen und Festhalten des wahren christlichen Lehr- und Glaubensinhalts, aus welchem dann die rechte Ge= sinnung und die Werkthätigkeit hervorgehen werde, den man erfassen müsse, um wissen und sagen zu können, worin die rechte Gesinnung bestehe, ohne den man nichts habe als eine inhaltlose Redensart oder höchstens eine oberflächliche matte moralische Marime. Die angeblich ursprüngliche und allein echte reformatorische Grundansicht, die unbefangene und großentheils gar nicht evangelische oder auch unchristliche Meinung der humanistischen Aufgeklärten, gelangte, sammt Geringschätzung des Dogmas und der Kirche erst zur Allgemeinheit, als die Zeit der Reformation längst vergangen war und die der lutherischen Orthodoxie verging, als man theologische Oberflächlichkeit und religiöse Gleichgültigkeit Aufklärung nannte, als man meinte, des Christenthums entrathen oder es haben zu können ohne Kirche, und zu seicht, zu materiell wurde, um auch nur noch im Stande zu sein, das erloschene tiefere religiöse Leben der Reformationsepoche zu verstehen, weshalb man es sammt seinen Bewegungen, Erscheinungen und Erzeugnissen vornehm verachtete. Allein eine echte geschichtliche Einsicht wird weder zur Geringschäßung der. Eigenheiten und Errungenschaften der Reformation, noch zu deren Ueberschäzung führen, als wären sie makellos und in allen Beziehungen normgebend für alle Zeiten, und dies gilt insbesondere auch von der deutschen protestantischen Kirche.

Das Erste und Nothwendigste, um frei zu werden von der hierarchischen Beherrschung, und um zu einer Reformation der Kirche im Ganzen und Großen, oder um in einem engern Kreise zu einem geordneten religiös-sittlichen Gesammtleben zu gelangen, war und blieb Erfassung des echten christlichen Glaubens - und Lehrinhalts, und Freiheit für die Erforschung und Verkündung defselben, reine und freie Lehre. Das war es, was Luther und mit ihm die Nation wollte, die er für dieses Ziel in solchem Maße gewann, daß eine lange Zeit nur eine kleine Minderheit in ihr entgegenstrebte. Allein der Romanism, vertreten durch die Mehrheit der Kirchen- und auch der Reichsfürsten, wollte die reine

und freie Lehre nicht zulassen, nicht einmal dulden, geschweige denn als berechtigt anerkennen. Es galt also, Anerkennung, zum wenigsten Duldung für sie zu erringen. Aber nicht einmal diese konnte errungen werden, wenn Diejenigen, welche die neue reine und freie Lehre begehrten, sich nicht zu einer festen Gemeinschaft zusammenschlossen, eine Kirche bildeten; und wie nun die deutsche evangelische Kirche erbaut worden, sich entwickelt haben mag, nur durch sie ist thatsächlich die ursprüngliche reformatorische Foderung der freien evangelischen Lehre durchgesett, sie ist die Form, in welcher der reformatorische Grundsaß, daß das Christenthum nichts äußerlich Gesetztes, sondern innerlich Lebendiges sei, zur geschichtlichen Erscheinung, zum berechtigten Dasein und Leben gelangte, die Form, welche der Protestantism in Deutschland annahm, die ihn beschüßte und fortpflanzte, was immer gegen das lutherische Kirchenthum einzuwenden sein mag. Die bedeutendsten reformatorischen Bestrebungen drehen sich um Feststellung des Lutherischen: Freiheit für die evangelische Lehre, dann um die Gründung und Befestigung der evangelischen Kirche, und ohne sie ist die Reformation, die geschichtliche, gar nicht zu denken. Neformatorische Bestrebungen, Absehen und Wünsche gab es vor Luther in Deutschland wie anderwärts, aber nicht die deutsche Reformation. Sie begann durch ihn, ging von ihm vornämlich aus, fie trägt vornämlich das Gepräge seines Strebens und Geistes. Zum Durchbruche kamen wesentlich nur die längst vorhandenen oder neu auftauchenden reformatorischen Richtungen, welche er in sich aufnahm. Man kann daher nicht andere reformatorische Principien als die seinigen, welche durchdrangen und zu neuer Gestaltung führten, die ursprünglichen der Reformation nennen, und wenn er andern entgegentrat, nicht sagen, er wäre vom ursprünglichen Principe der Reformation abgewichen. Die lettere bestand allerdings nicht blos in der Gründung der protestantischen Kirche oder Kirchen, aber auch nicht lediglich im Verneinen, Auflösen und Abthun des Veralteten in Kirche, Staat, Wissenschaft, Denkart oder gesellschaftlichen Zuständen, oder im Begehren und Anstreben von Neuem, sondern auch und vornämlich in Neugestalten, Gründen und Schaffen; darin, daß sie in ihrem Kreise das Abgestorbene und Absterbende wirklich abthat, die kräftigsten der hervordrängenden

neuen Lebenskeime zu frischem Wachsthume entwickelte, den lebensfähigsten der neuen Geistesrichtungen zu einem berechtigten und geordneten Dasein und zur Erstarkung und Bethätigung in in ihm brachte. Man darf sie nicht gerade in vereinzelte und vereinzelt bleibende, überhaupt nicht oder noch nicht lebens- und entfaltungsfähige, ob auch noch so würdige Regungen und Strebungen, nicht in Das sehen, was in ihr keine Gestalt gewann, sich in ihr nicht behaupten konnte, von ihr beseitigt wurde. Bei der Geschichte bleibend kann man nur sagen, Luther habe sein Princip, das ursprüngliche der Reformation, weil sie durch dasselbe wurde, nicht mit vollkommener Bewußtheit und Sieghaftigkeit oder Treue und Folgerichtigkeit durchgeführt, und weiter, er habe die oder jene vorhandene reformatorische Richtung wenig oder gar nicht vertreten, oder habe sie niedergehalten, oder aber die Reformation habe nicht den freien Charakter gehabt, den fie möglicherweise hätte haben können und nach unserer oder je nach individueller Ansicht sollen. Er ging, was wir nun bald im Einzelnen erkennen und genau beobachten werden, in die reformatorischen Richtungen der Nation, die religiöse, die humanistische, die volksthümlich - politische, ganz oder theilweise ein, sofern er nach seiner eignen ursprünglichen mußte oder vermochte, mehr aber gingen fie in der seinigen auf, wurden ihr dienstbar oder traten überwunden zurück, was namentlich mit der Heterodorie Derer geschah, die von seiner zur Orthodoxie des deutschen Protestantism werdenden Lehre abwichen. Alle jene Richtungen hatten nicht die Kraft, die Reformation zu machen, denn sie haben sie nicht gemacht, obwol sie vor Luther da waren, neben ihm fortschritten, ja theilweise durch ihn selbst verstärkt wurden; fie unterlagen, als sie sich wider ihn aufwarfen. Sie hatten nicht die Fähigkeit die Reformation zu machen. Die politische traf nicht in das Gesammtbewußtsein und die Gesammtzustände der Zeit, wie es Luther's religiöse that; die Humanisten aber, oder die Heterodoren, denen, wie gesagt ist, als den echten Reformatoren der Sieg hätte zufallen sollen, hatten einzelne richtige und richtigere Ansichten als Luther selbst, zeigten sich aber ebenso unfähig, eine haltbare Lehre — eine gesunde zusammengefaßte und größere Kreise fassende Darstellung der christlichen Idee wie eine haltbare kirchliche und staatliche Ordnung zu gründen.

Luther wurde dem Freiheitsprincipe des Protestantismus, das wir ihn in seinen Schulkämpfen aufstellen und verfechten sahen, im Einzelnen untreu, allein es geschah eben und erscheint als einzelnes Fehlgreifen über seiner großen unverrückten Treue an seiner reformatorischen Grundansicht, daß Alles daran liege, die evangelische Lehre herzustellen, und daß hier, und nur hiervon eine gründliche, innerliche und von innen herauswirkende Besserung der verdorbenen Zustände der Kirche und des Lebens zu erwarten sei, nicht aber von Reformen, welche auf die äußern Einrichtungen, die Geseße, die Zucht gingen, nicht von einem inhaltlosen, blos verneinenden Freiheitsstreben oder von Meinun= gen oder Richtungen, für welche sich keine feste Grundlage, kein Sammelpunkt fand, wie in der Schrift, in einem Gesammtbewußtsein.

Ganz eigen war ihm diese Grundansicht. War sie vor ihm und wurde sie von Andern neben ihm ausgesprochen, so war er es doch, der sie emporbrachte und durchführte. Sie drückt sich daher auch vornämlich in der sächsischen, weniger in der schweizerischen Reformation aus, so ähnlich die lettere auch jener darin war. Unbewußt und unentwickelt lag sie schon vom ersten Anfange seines öffentlichen Wirkens in ihm. Denn sobald dasselbe beginnt, sehen wir ihn vornämlich arbeiten und ringen um Erforschung der echten Lehre, und um die Bildung und Verbreitung einer echten Schrifttheologie und ihrer Ergebnisse, in VorLesungen, wie in Predigten und Briefen. Schon in der Psalmerklärung sagte er, die Kirche müsse erbaut werden durch das Evangelium, was nicht seinen Ursprung in Christo und dem von ihm ausgegangenen göttlichen Leben habe, sei cher schädlich als förderlich, die erste Pflicht der Priester und Prediger bestehe darin, das Evangelium in die Hand, das Wort Gottes in den Mund zu nehmen. Die verdorbene Lehre und Lehrweise ist es, die er zuerst bestreitet, die ihn zuerst in Eifer bringt. Viel länger dauert es, ehe er die Stimme gegen Misbräuche und Entartungen in der Kirche erhebt, viel schwerer entschließt er sich dazu. Aeußerst schonend tritt er gegen die Uebelstände in den Klöstern feines Ordens, nicht als Reformator tritt er betraut mit dem Ordensvikariate auf, oder hält doch als Vikar den Gesichtspunkt fest, vornämlich durch Hinführung auf die Schriftlehre zu bessern.

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