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Christum trieben oder nicht, sich also über den Kanon stellte und die äußerliche Schriftautorität verwarf. Es steht in genauem Zusammenhange mit seiner ganzen Bildung zum Schriftausleger, in genauem Zusammenhange damit, daß er gleich Anfangs die Schrift nach der Weise der den schlichten Wortverstand ableh= nenden Scholastiker zu „handeln“ und an die allegorische Auslegung sich gewöhnt, von den Mönchen und von mönchisch Gesinnten gegen Lyra sich hatte einnehmen lassen, daß er von ihnen gelernt, die mosaischen wie profane Geschichtsbücher zu lesen und sich, tadelnd und wegwerfend, über sie zu erheben, sofern ihr Inhalt der innerlich lebendigen religiösen Anschauung nicht entsprach. Noch in der Psalmauslegung erklärte er die grammatisch-historische Auslegung geradezu für irrleitend. Es kostete und mußte ihn unsägliche Mühe kosten, sich grundsäglich ihr zuzuwenden, die Antriebe und Gründe, welche ihn dazu vermochten, mußten sehr dringende sein, und wir mögen jezt schon erkennen, daß es das Bedürfniß, Festigkeit in die Lehre zu brin= gen, war, das dahin leitete, das Bedürfniß, einen sichern Boden zu gewinnen, nachdem die Autorität der Kirche für die Auslegung verworfen und die Freiheit der lettern verkündet war, die doch nun auch um jeden Preis behauptet werden sollte. Jezt schwankte er noch zwischen den beiden Grundsägen und hatte keinen derselben völlig klar und bestimmt aufgefaßt. Die deutliche Erklärung liegt in seinem bisherigen innern und äußern Fortbildungsgange, so wie sich aus diesem und seiner nachfolgenden Entwickelung nicht weniger deutlich erklärt, was häufig unter Verkennung der vorhandenen innern und äußern Entstehungsund Beweggründe und Nothwendigkeiten misverstanden und deshalb misdeutet wird, daß er so fest am Schriftworte hielt und sich dennoch so frei über dasselbe erhob, bald den größesten Nachdruck auf die historische Autorität der Schrift legte und doch wiederum diese nach seiner Anschauung vom innern Christus verstand. 1)

1) Löscher a. a. D. I, 269. Tischreden, Walch XXII, 34. Vorrede zur Epistel Jakobi. Hagen, Der Geist der Reformation und seine Gegensäge, II, 175. Alzog a. a. D. 769. Hanne, Der ideale Protestantis

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Schließlich ist auf noch einen Punkt aufmerksam zu machen, von welchem wir am besten zum folgenden Abschnitte hinüberleiten können. Wir konnten wahrnehmen, daß es ihm bei seinem Grundsaße und Streben der Lehrherstellung allerdings auf das wissenschaftliche Erkennen und Begreifen ankam, daß er den gebührenden Werth darauf legte und den höchsten Fleiß daran seßte, jedoch zugleich auch, daß seine Richtung dabei im geraden Gegensahe zu der Gelehrteneinseitigkeit stand, es nicht blos voranzustellen, sondern sich daran genügen zu lassen, das Wichtigste, ja das einzig Nothwendige darin zú erblicken, und am Ende wol gar aus hinzukommender Gesinnungslosigkeit, Kälte, Schlaffheit, Schwäche, Furcht oder zur Selbstbeschönigung deutlich oder versteckt die Bestimmung der Wissenschaft, in das Leben einzugreifen, in Abrede zu stellen, oder zu fodern, daß der Gelehrte vermeide, sein Wissen zum Gemeingute zu machen. Eben dies war es, was Luther vor allen Dingen wollte. Er wollte eingreifen, so weit, allseitig und tief als möglich; er wollte bessern, vom Wissen aus an das Verderbte kommen, wo es sich fände, so weit seine Kraft reichte; er wollte überall die Geister und Gewissen frei machen von ihrer Angst und Noth durch die Lehre, damit das Schlechte, „des Teufels Lehre und Werk“ in der Kirche, im Leben falle. Dieses Ziel im Auge, kehrte er feine Wirksamkeit gerade recht beflissen auf das Volk.

Zweites Hauptstück.

Volksmäßige Wirksamkeit 1516 bis in das Jahr 1517. Einzelne Predigten.

Vom

Berufung an die Stadtkirche. Grundsäge über volksmäßiges Predigen.-
Predigten im Jahre 1516.
Vertrauen auf Gott.

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Wider das Laster der Verleumdung.
Geistige Festfeier. Wider Werkgerechtigkeit.
Wahre und falsche Gerechtig=

Erster Angriff auf den Ablaßmisbrauch.

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Gnade

keit, Furcht Gottes, Geseß und Evangelium, die geistlichen Leiter. und Werke. Buße, tadelnde Aeußerungen über die Kleriker, die Keher, den Papst. Der Stand der Ordensleute und die weltlichen Stände. Wider den Ablaß. Die heil. Jungfrau.

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griffe auf die Scholastik.

Verdienst der Heiligen, AnWider die Heiligenlegenden, Selbstvertheidigung. Predigtweise, Sorgfältiges Vorbereiten. — Kirchlicher Standpunkt und Gesinnung.

Berufung an die Stadtkirche.

Luther's volksmäßige Wirksamkeit ist seine umfassendste, anhaltendste und erfolgreichste gewesen, an sie hat er seine beste Kraft gesezt, in ihr das Beste gegeben, was er hatte, und das Größeste geleistet, was er vermochte, sie wurde und blieb sein eigenstes Gebiet, das er mit seiner Berufung an die Stadtkirche recht eigentlich betrat.

Nach einigen Nachrichten, denen jedoch die Wahrscheinlichkeit und Bewährung abgeht, soll er schon 1508 oder 1509 zum

Predigtamte an die städtische Pfarrkirche berufen sein. Es verhält sich mit dieser Berufung folgendermaßen. Simon Heynß aus Brück (ein Bruder des berühmten unter dem Namen Brück bekannten Kanzlers) hatte seit 1515 das Pastorat der Stadtkirche inne, war kränklich und wurde dadurch an der Verrichtung seiner Amtsgeschäfte fast gänzlich verhindert. „War's doch dazu kommen, sagt Luther in einer Predigt, daß der Pfarrherr hier in einem Jahre nur eine Predigt thät, und war's doch nicht schuldig, der Kaplan auch nicht. Solches ist in allen Städten geschehen. Die Pfarrherr und Prediger waren frei, bis daß ich auf den Predigtstuhl kam. Ich hab' die Last aufgebracht, daß man viele Predigten muß haben, und that's gern, `habe Pfarrherrn und Kaplan mit Predigen beschwert und mit andern Lasten." Luther predigte daher bisweilen für Heynß und traf 1516 ein Uebereinkommen mit ihm, wonach er neben den beiden Diakonen Rhau und Tiburtius als eine Art Vikar im Amte, namentlich im Predigen, ihn unterstüßte. Die Universität und der Kurfürst genehmigten dies Uebereinkommen, indem das der erstern inkorporirte Stift Patron der Stadtkirche war, und wahrscheinlich wirkte auch der Magistrat dabei mit, da es für die Bürgerschaft von großem Belange war, wie ihr Pastor vertreten wurde und daß dies von einem so beliebten Prediger geschah. Vielleicht waren Anträge von ihrer Seite ausgegangen. Gleich in der ersten der Predigten, die er in Wittenberg hielt, um die Unruhen zu stillen, welche dort während seines Aufenthalts auf der Wartburg entstanden waren — Predigten, durch welche ihm das Große und Größeste gelang, eine wilde Volksbewegung in eine mäßige Bahn zu lenken, der erregten und entfesselten Kraft des Demos Einhalt zu thun, ohne sie zu brechen oder zu läh= men gleich in der ersten dieser geistlichen Volksreden sagte er: „Ich weiß und bin's gewiß, daß ich solch's mein Predigtamt nicht von mir selbs hab' angenommen noch mich eingedrungen, sondern bin hiezu gefodert und auch wider meinen Willen allhie zu predigen erwählet." Er scheint sich also auch dieses Mal gesträubt zu haben, so frisch und voll er die Sache angriff, als er sich einmal im ,,ordentlichen Berufe" befand. 1)

1) Daß Luther 1508 oder 1509 an die Stadtkirche berufen sei, haben

Ob und wie er von Heynß salarirt wurde, darüber finden fich keine Nachrichten. Es war gewöhnlich, daß die Mönche die Einkünfte davon bezogen, wenn sie in den Pfarrkirchen Messe lasen und andere kirchliche Handlungen verrichteten, wobei ge= opfert wurde. Wie wir gesehen haben, befand sich Luther in steter Bedrängniß, da die Mittel seines Klosters und der übrigen Klöster der Provinz zum Unterhalt der Brüder, der Studirenden namentlich, mit einem Worte zur Bestreitung der nothwendigen Ausgaben nicht zureichten. Er mag daher eine Zubuße nicht zurückgewiesen haben. Wie dem sei, aus der Armuth half sie ihm nicht. Vom Magistrate erhielt er vielleicht von Zeit zu Zeit ein Geschenk. Wenigstens findet sich in den städtischen Kämmereirechnungen von 1519 ein Ausgabeposten mit der Bemerkung: Doktori Martino verehrt, so er des Naths und gemeiner Stadt Prediger gewesen und von der leipziger Disputation wieder heim kommen." Späterhin erhielt er aus städtischen Kassen einen kleinen Jahresgehalt, doch finden sich keine Nachrichten, ob es jetzt schon und seit wann es der Fall war. ')

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Deutschmann (Diss. legitimum Lutheri ministerium proponens), Dann, hauer (Memoria Thaumasiandri Lutheri renovata, 37) und Spiker a. a. D. 193. Luther habe mit so großem Beifall in der Klosterkirche gepredigt, daß ihn der Magistrat zum Pfarrer an der Stadtkirche gewählt. Das Vokationsschreiben soll in der wittenb. Ausg. der lutherischen Werke, IX, 104 stehen, findet sich aber dort so wenig, als, so viel ich ersehe, anderwärts. Auch war der Magistrat nicht Patron und hatte also nicht zu vociren. Das Pastorat konnte von einem Ordensmanne nicht nebenher verwaltet werden. Nach Slamaw war Grünberg von 1512 bis 1515, und von 1515 bis 1523 Simon Heinsius Pastor der Stadtkirche. Tenzel a. a. O. 230 f. Erdmann, Biographie sämmtlicher Pastoren und Prediger an der Pfarrkirche zu Wittenberg, im Anfange und in den Zusägen. Bruns, Scholia et sermones M. Lutheri in primam Joannis epist. 166. Plochm. XXVIII, 214.

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1) Die Notiz aus den Kämmereirechnungen in Förstemann's Mittheilungen. Des städtischen Jahrgehalts erwähnt er beiläufig in einem an Spalatin gerichteten Bittschreiben um Unterstüßung für die neu ausgetretenen Nonnen, unter welchen Katharine von Bora. Es ist vom 10. Apr. 1523 datirt. Er beziehe, sagt er, als Gehalt nur neun alte Schock; so wenig er selbst als die Brüder hätten außerdem auch nur einen Heller aus der Stadt. Marheinecke (Gesch. der deutschen Reformation, 2. Aufl. II, 73) versteht

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