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Je mehr Gott in unnahbare Ferne über die Welt entrückt wurde, desto dringlicher stellte sich das Bedürfniss ein, die Kluft zwischen ihm und der Welt durch Mittelwesen auszufüllen. Göttliche Attribute und Thätigkeiten, wie Weisheit, Wort, Geist, Herrlichkeit Gottes wurden zu persönlichen Wesen hypostasirt, die bei der Schöpfung und Regierung der Welt, insbesondere bei der Offenbarung in Israel Gottes Stelle vertreten und seinen Willen ausführen. Insbesondere erfährt die alte Vorstellung von Engeln und Dämonen jetzt eine dogmatische Ausbildung: es werden Rangklassen der Engel unterschieden, die vornehmsten derselben mit Namen benannt (seit Daniel) und bestimmte Amtsgeschäfte in der Weltregierung ihnen zugetheilt; Völker und Individuen bekommen ihre Schutzengel, sogar die Naturerscheinungen werden von Engeln regiert, womit die heidnischen Naturgottheiten unter neuer Etiquette rehabilitirt sind. Die Dämonen aber, die ursprünglich als Gespenster gar nichts mit den Boten Gottes gemein hatten, wurden ihnen jetzt als „gefallene Engel" an die Seite gesetzt, und einem Oberhaupt untergeordnet, dem Satan, der ebendamit erst zum Widersacher Gottes wurde. Ursprünglich war er dies nicht gewesen, sondern er gehörte noch bei Sacharja und Hiob zu dem himmlischen Gefolge Gottes und spielte in demselben die Rolle des Staatsanwalts, der als Verkläger" der Sünder vor Gott tritt, freilich schon hier nicht ohne bedenkliche Freude am Verdächtigen und Schadenstiften. Aber schon in der Chronik ist er direkt als Verführer Davids zur Sünde dargestellt (I. 21,1), deren Urheberschaft noch der ältere Geschichtschreiber (II Sam. 24, 1) Gott selbst zugeschrieben hatte; es war also offenbar das dogmatische Bedürfniss, Gott von der Verantwortung für das Böse und Uebel in der Welt zu entlasten, was die Umbildung Satans aus einem Diener in einen Widersacher Gottes begünstigte. Dazu kam die Steigerung des Gegensatzes zwischen Gottesreich und Weltreichen seit Daniel; dadurch erschienen die Schutzgeister oder Engelfürsten, die nach älterer Vorstellung (Deuteron. 4, 19. Dan. 10, 13) von Gott als Regenten über die Völker gesetzt waren, jetzt im Lichte von gottfeindlichen rebellischen Vasallen, die unter ihrem Haupte Satan mit dem Gottesreiche im Kriege liegen; wie denn Satan selbst geradezu als der „Fürst dieser Welt" bezeichnet wird. Die unter ihm stehenden Dämonen füllen Luft und Land und machen sich als Plagegeister in Krank

O. Pfleiderer, Religionsphilosophie. 3. Aufl.

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heiten und Unglück aller Art den Menschen fühlbar; die Furcht vor ihnen hat vielen abergläubischen Spuk, der durch die prophetische Jahvereligion in den Hintergrund zurückgedrängt war, wieder an die Oberfläche hervortreten lassen.

Die Welt ist nach den Rabbinern um der Thora willen und also für Israel geschaffen und hat in Zion ihren Mittelpunkt. Ueber der Erde bauen sich sieben Himmel auf, deren oberster Gottes Sitz ist. Die Unterwelt theilt sich jetzt (was noch in den Psalmen und in Hiob nicht der Fall ist) in den Lohnort für die Frommen, das Paradies, und den Strafort für die Gottlosen, die Gehenna (das verjenseitigte Gehinnom oder Greuelthal bei Jerusalem). Der Mensch ist nicht unmittelbar nach Gottes, sondern nach der Engel Bild geschaffen, und war von Anfang nicht vollkommen, sondern mit dem bösen Trieb der Sinnlichkeit behaftet, der durch die Schlange (als Werkzeug Satans, Weisheit 2,23) gereizt zum Sündenfall führte. Dadurch wurde zwar die Macht der Sinnlichkeit und der bösen Geister verstärkt, doch nicht die Natur des Menschen verändert. Jede Seele kommt aus der Präexistenz im Paradies rein in den irdischen Leib, aber der in diesem wohnende böse Trieb ist ihrem eigenen guten Trieb so sehr überlegen, dass ihre Kraft, sich vor der Sünde zu wahren, zwar nicht ganz unterdrückt, aber doch geschwächt ist. Daher kann kein Mensch ohne Sünde bleiben. Doch gibt es Heilige, deren Sünde im Vergleich zu ihrem Guten verschwindend klein ist. Die allgemeine Sündenstrafe ist der Tod; seine Herrschaft über das Menschengeschlecht ist zwar durch ein generelles Strafurtheil Gottes über den Urvater Adam verhängt, aber zum Vollzug am Einzelnen kommt er doch nur auf Grund individueller Verschuldung.

Die Gerechtigkeit des Menschen beruht auf einem göttlichen Urtheilsspruch, der entweder für gerecht d. h. schuldlos oder für schuldig erklärt, und beides entweder in Bezug auf ein einzelnes Gebot oder auf das Gesammtverhalten des Menschen. Mit der Anerkennung der Gerechtigkeit ist aber zugleich der Anspruch auf Lohn gegeben; die Schuldlosigkeit (Sechuth) bedeutet zugleich „Verdienst". Die Gerechtigkeit geht im Allgemeinen hervor aus der Bilanz der Geboterfüllungen und Gebotübertretungen; diese Rechnung wird im Himmel für Israel insgesammt wie für jeden Einzelnen gebucht und theils täglich festgestellt, theils nach dem Tode eines Jeden definitiv

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abgeschlossen. Bei der Endabrechnung ergeben sich drei Klassen von Menschen: Gerechte, wo die Verdienste überwiegen, Sünder bei überwiegender Verschuldung, und Mittelmässige, wo beides sich das Gleichgewicht hält. Als vollkommene Gerechte" gelten der jüdischen Theologie alle die, bei denen die Verdienste unverhältnissmässig grösser sind als die Fehler, z. B. die heiligen Väter Israels; absolute Sündlosigkeit ist dabei nicht vorausgesetzt, da die leichten Verfehlungen schon durch diesseitige Bussen abgebüsst werden und sie daher im Jenseits nur noch Lohn für Verdienste erwartet. Umgekehrt wird den groben Sündern durch Glück im Diesseits der Lohn für kleine Verdienste ausbezahlt, damit sie im Jenseits nur ewige Strafe zu erwarten haben (so die glücklichen Heiden). Wie die guten. Werke Lohn verdienen, so müssen die Sünden durch Büssungen oder Leistungen gutgemacht, gesühnt werden; denn die Sünde ist eine Schuld, die Gott sich bezahlen lässt, Vergebung ohne Bezahlung gibt es nach der pharisäischen Theologie bei Gott sowenig wie beim irdischen Richter. Die Sühne ist eine Gutmachung" oder „Wiederherstellung", sofern sie das durch Sünde gestörte Verhältniss zu Gott wieder zurechtbringt, sie ist „Besänftigung", sofern sie Gottes Zorn gegen den Sünder stillt und sein Verhalten zu ihm ändert. Sühnemittel, die theils Strafaufschub theils völligen Straferlass bewirken, sind 1) Busse, bestehend weniger in Sinnesänderung als in Sündenbekenntniss, Fasten, Gutmachung des Verfehlten; 2) Leiden und Tod, die als zeitliche Abbüssung der verdienten Strafen das jenseitige Gericht mildern; 3) gute Werke, unter welchen das Gesetzesstudium und die rituellen Leistungen (z. B. Tempelopfer) obenanstehen, dazu Fasten, Almosen, freiwilliges Martyrium; endlich 4) der Versöhnungstag als kirchliche Generalsühne. Die Wirkungskraft dieser Verdienste und Sühnemittel beschränkt sich nun aber nicht auf die einzelne Person des Thäters, sondern ist auf Andere übertragbar, es gibt schon nach der jüdischen, wie dann wieder nach der katholischen Theologie stellvertretende Verdienste und Büssungen der Gerechten. für die Sünder, es gibt einen Gnadenschatz, ein Kapital von Verdiensten, das als erblicher Besitz einzelnen Familien und dem ganzen Volk zu eigen gehört. So bilden vor allem die Verdienste der heiligen Väter Israels ein nationales Stammkapital, an dem jeder echte Israelit schon vermöge seiner Abstammung Antheil hat. Aber auch die Ver

dienste zeitgenössischer Gerechten können ihrer ganzen Generation zugerechnet werden und sie vor dem göttlichen Strafgericht erretten, wozu ihre wirksame Fürbitte bei Gott wesentlich beiträgt. Kräftiger aber als alles andere wirkt sühnend und heilbringend für die Gesammtgemeinde der unschuldig erlittene Märtyrertod der Gerechten; er wird dem Versöhnungstag gleichgeachtet, denn er bewirkt, wie dieser, eine Generalsühne für Lebende und Todte und heisst daher geradezu „Sühnopfer“ und „Erlösung". Es ist klar, dass in dieser Theorie die socialteleologische Deutung des Leidens der Gerechten von Jes. 53 (oben S. 91) nachwirkt, so jedoch, dass die beim Propheten vorausgesetzte sittliche Vermittlung der socialen Heilswirkung im Pharisäismus zu einer juristischen Stellvertretung, näher zur civilrechtlichen Abzahlung der Schulden der Einen durch die Andern vergröbert wurde.

Die ganze Religion ist in dieser pharisäischen Gesetzlichkeit mit einer so strikten Konsequenz, wie nirgends sonst, zu einem Rechtsverhältniss zwischen Gott und Mensch geworden. So beherrschte sie zwar das ganze äussere Leben der Juden mit eiserner Disciplin und wirkte als mächtigstes Band des Zusammenhalts der Religionsgemeinde nach der Zerstörung des Staats; aber die innere und werthvollere Seite der Religion, die Gottes- und Menschenliebe, wurde durch formalistischen Werkdienst und hochmüthige Selbstgerechtigkeit bedenklich überwuchert. Dennoch lebte auch unter dieser rauhen und harten Schaale der zukunftsreiche Kern der Herzensreligion der Psalmen und der Hoffnungsreligion der Propheten*) fort und trieb seine edelste Blüthe im Evangelium Jesu.

Die Araber.

Ihre vorislamische Religion war das altsemitische Heidenthum, welches sich bei ihnen am längsten und treuesten konservirt hat. Die einzelnen Stämme hatten ihre Specialgötter, die sich von einander nicht durch ihr Wesen, sondern durch ihre Zugehörigkeit zu dem bestimmten Stamm und noch mehr zu einer bestimmten Kultstätte und durch die Formen ihres Kultus unterschieden. Die ältesten waren die weiblichen Gottheiten Allath oder Alilat („die Herrin")

*) Von der Messiashoffnung wird unten beim Urchristenthum noch weiter die Rede sein.

und Utza („die Grossmächtige") und Manat („Schicksal"), alle drei oder doch die beiden ersten nur verschiedene lokale Benennungen jener gemeinsemitischen Göttin, die sonst Istar und Astarte heisst, und die ursprünglich nichts anderes ist als die göttliche Ahnfrau aus der Zeit des Matriarchats, wo die Herrschaft noch nicht dem. Stammvater, sondern der Stammmutter zukam. Später wurden jene drei Göttinnen zu Töchtern Allahs gemacht; auch die Beziehung der Allath zur Sonne und der Utza zum Stern Venus ist weder allgemein noch ursprünglich. Die Sonne wurde als Göttin Schams, der Gewitterhimmel als Gott Quzah verehrt, von dem Gott Dusares, den die Griechen mit Dionysos identificirten, und von Hubal, der in der Kaaba zu Mekka verehrt wurde, ist die ursprüngliche Bedeutung nicht zu erkennen. Von allen diesen Specialgöttern der einzelnen Stämme und Kultorte unterscheidet sich Allah als der allgemeine Gott der Araber. Er ist dies aber nicht von Anfang gewesen, sondern er ist als die gemeinsame Benennung für Gott aus der Vermischung und Abschwächung der Stammkulte hervorgegangen. Nach Wellhausens sehr einleuchtender Ausführung*) „ist es die Sprache gewesen, die Allah geschaffen hat. Allah war zunächst innerhalb jedes einzelnen Stamms der gewöhnlich statt des Eigennamens gebrauchte Titel des Stammgottes; Alle sagten Allah und jeder verstand darunter einen anderen Gott. Unmerklich aber bildete der Ausdruck der Gott", der im sprachlichen Verkehr fast die Alleinherrschaft bekam, den Uebergang zu dem Gedanken eines identischen, allen Stämmen gemeinsamen, einen und allgemeinen Gottes. Allah steckte nun nicht mehr, als genereller Begriff, in jedem göttlichen Eigennamen; er unterschied sich durch seine Allgemeinheit von den Einzelgöttern und kam über sie zu stehen; er wurde ein Wesen sui generis. Die Sprache hatte, wie so oft, dem Denken vorgearbeitet durch Darbietung eines allgemeinen Begriffs, der nur der Beseelung bedurfte." Aus dieser Entstehungsweise erklärt es sich, dass Allah in vorislamischer Zeit. keine Kultusstätte und keinen so bestimmten Kreis von Verehrern hatte, wie die Specialgötter, und dass er gleichwohl schon lange vor Mohammed als die höchste Instanz bei Verträgen und Eiden angerufen wurde, eben als der Unparteiische und Neutrale, der das

*) Reste arabischen Heidenthums, S. 185 f.

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