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stellt war. Auch im Einzelnen entspricht das Bild, welches Philo vom Weisen entwirft, von seiner Sündlosigkeit und Irrthumslosigkeit, seiner Selbstgenügsamkeit und Freiheit, von seiner priesterlichen Reinheit, königlichen Herrschaftswürde und göttlichen Seligkeit, durchweg dem stoischen Ideal des „Weisen". Gleichwohl weicht der jüdische Philosoph in gewissen charakteristischen Zügen von seinem stoischen Vorbild ab. Hatte die stoische Ethik, namentlich in ihrer älteren Form, den Weisen ganz auf sich selbst gestellt und durch eigene Kraft des vernünftigen Willens zu seiner sittlichen Höhe sich erheben lassen, so ist dagegen Philo viel zu tief von der menschlichen Schwachheit und allgemeinen angeborenen Sündhaftigkeit durchdrungen, als dass er eine Erhebung und Erlösung des Menschen aus eigener Kraft für möglich hielte. Sie kann nur Wirkung sein der göttlichen Gnade, welcher sich der Mensch in frommem Vertrauen hinzugeben hat. So wird die philosophische Ethik bei Philo, wie schon bei den Orphikern und dann wieder bei den Neupythagoräern und Neuplatonikern, zur religiösen Heilslehre, welche den Weg zeigt, wie der Mensch unter der erleuchtenden und belebenden Einwirkung des göttlichen Logos durchs Wissen und asketische Thun zum Glauben und Schauen, zuletzt zur mystisch-ekstatischen Vereinigung mit Gott komme, worin er aus einem Sohn des Logos zu einem Sohn Gottes geworden, der göttlichen Natur so unmittelbar, wie der Logos selber, theilhaftig sein wird. Sofern nun aber der Logos, welcher der Führer auf dem Heilsweg für jede Seele ist, sich in der Heilsgeschichte Israels vorbildlich geoffenbart hat, so bekommt die Ethik Philos zuletzt ihre positive Grundlage an der religiösen Tradition Israels. Die Frage nach der Wirklichkeit des Weisen, welche in der stoischen Schule stets problematisch geblieben ist, bekommt ihre Lösung aus dem Glauben der jüdischen Gemeinde; das schwankende und in seiner Abstraktheit wirkungslose Idealbild des vollkommenen Menschen verkörpert sich für die religiöse Anschauung in den bekannten und geliebten Gestalten der heiligen Geschichte und Tradition, vor allen in der Person des Mose. Auf ihn werden alle Prädikate des Logos und sogar dessen Namen in einer Weise übertragen, die nahe genug an die Vorstellung einer Inkarnation anstreift: Er ist der sündlose Mittler und Versöhner, Erlöser und Fürbitter" für sein Volk, Prophet, Priester und König in einer Person, Vorbild für alle Seelen, Führer und Heiland

der Menschheit, Freund Gottes und göttlicher Natur theilhaftig. Man kann Philos Schrift: „Das Leben Mosis" als das alexandrinische Evangelium bezeichnen, worin der israelitische Gesetzgeber verherrlicht wird als der jüdisch-philosophische Weltheiland ein Pendant zu Platos Idealbild des Sokrates und zur johanneischen Verklärung des synoptischen Jesus.

Römisch-hellenistische Religionsphilosophie. Die Erschütterung aller bürgerlichen Verhältnisse durch den Untergang der römischen Republik entwurzelte auch die religiösen Traditionen im Bewusstsein der ernster Gesinnten, unter den Stürmen der Zeit verlor das Leben seinen sicheren Halt und drängte sich die Frage nach Werth und Bestimmung des Menschendaseins auf. Die Restauration alter und Einführung neuer Kulte konnte den Denkenden nicht genügen, so wandten sie sich hilfesuchend an die Philosophie. Diese begann jetzt eine führende Stellung in der Gesellschaft zu erlangen; indem sie die Religion zu ersetzen suchte, wurde sie selbst mehr und mehr religiös, d. h. sie liess die rein theoretischen Fragen mehr bei Seite und richtete ihr Hauptinteresse auf die praktischen Fragen: wie wir unser Leben zu ordnen und wie wir den Weltlauf zu deuten haben? Bildung sittlicher Charaktere und Tröstung bekümmerter Gemüther wurde. ihre Hauptaufgabe. Dazu eigneten sich vorzugsweise die Lehren der Stoa und Platos; aber nicht die Dialektik und Metaphysik dieser Schulsysteme, sondern ihre praktischen Ideale und religiösen Spekulationen. Diese kleidete man in ein populäres, rhetorisch-erbauliches Gewand, und trug sie theils öffentlich vor versammeltem Volk in moralisirenden Reden oder Predigten vor, theils verwerthete man sie als leitende Grundsätze in der Seelsorge und Erziehung der Einzelnen oder in erbaulichen Monologen. Die mahnende und strafende Seelsorge an den Einzelnen wurde besonders von den Cynikern geübt, die mit den Stoikern in der sittlichen Richtung nahe verwandt, durch ihre volksthümliche Art, die Weisheit auf der Gasse zu predigen und Hoch und Nieder vor ihren sittlichen Richterstuhl zu ziehen, mit den Propheten Israels und mit den Bettelmönchen des Mittelalters eine gewisse Aehnlichkeit haben.

Unter den Philosophen dieser Epoche, die Schriften hinterlassen. haben, stehen obenan Seneka, der gravitätische Philosoph der aristo

kratischen Salons, Erzieher, Minister und schliesslich Opfer Neros: sodann Epiktet, der misshandelte Sklave und arme Freigelassene, der seine Schicksalsgenossen über das Elend der Welt durch die Predigt heiteren Gottvertrauens zu erheben suchte: weiter Marc Aurel, der Philosoph des Weltschmerzes auf dem Thron der Cäsaren; endlich Plutarch, der Biograph und Verehrer der antiken Heldenwelt und der fromme, orakelgläubige Platoniker. In den Schriften dieser Männer begegnen wir einer sittlich-religiösen Weltanschauung, welche sich von der alten Stoa ebensoweit entfernt, wie sie sich mit dem Christenthum nahe berührt. Ihre Philosophie wollte eine Schule der Lebensweis heit sein, ein Heilmittel für die kranke Menschheit, ein Trost unter der Noth der Zeit. Diesem Bedürfniss kam der stoische Idealismus. die Einkehr in die innere und Abkehr von der äusseren Welt, die Uebung in Selbsterkenntniss und Selbstbeherrschung hülfreich entgegen; darum wandten sich die besseren Geister ihm mit Vorliebe zu, jedoch nicht, ohne mehrfache bedeutsame Aenderungen an ihm vorzunehmen. Im Gottesbegriff wird zwar der altstoische Monismus nicht ganz aufgegeben; Gott und Welt, Naturgesetz und Gotteswille oder Vorschung werden auch noch von Seneka gleichgesetzt; aber es wird jetzt doch die geistige und sittliche Seite am Wesen Gottes vor der physischen entschieden vorangestellt: Gott ist der vollkommene Geist, die höchste, allwissende, weise und gütige Vernunft, welche Alles zweckmässig ordnet und regiert, für den Menschen väterlich sorgt und daher auch von uns nicht gefürchtet, sondern wie ein Vater geliebt sein will. Gott bedarf nach Seneka nicht die steinernen Tempel und Altäre, es genügt, ihm einen Altar in unserem Herzen zu bauen, und der beste Gottesdienst ist, das Wesen der Gottheit nachzuahmen durch Tugend und Güte. Gott ist Jedem von uns nahe. ja er kommt in uns; von ihm kommen unsere grossen und guten Entschlüsse; ihm zu gehorchen ist Freiheit. Nach Epiktet ist die Bestimmung aller Kreatur, Gott zu preisen und sich seiner Führung in demüthiger Ergebung und freudigem Vertrauen hinzugeben: „A Mache aus mir, was Du willst, ich unterwerfe mich Dir, ich gehöre Dir. Ich verwerfe nichts, was Dir gefällt. Führe mich, wohin Du willst!" - Zu diesem innigen Gottesbewusstsein, das der alten Stoa ganz fremd war, kommt ferner hinzu eine ähnliche Aenderung in der Anthropologie. Der entschiedene ethische Idealismus, die schmerzvolle

Erfahrung eines inneren Zwiespalts und Kampfes, in welcher die Weisen mit den Frommen jener Zeit übereinstimmten, hatte in der Psychologie die Erweichung des altstoischen Monismus durch einen platonisirenden Dualismus zur Folge. Der Vernunft, diesem gottverwandten Theil, auf welcher die in Jedem zu achtende Menschenwürde beruht, steht die Sinnlichkeit, das Fleisch, fremd und feindlich gegenüber; Seneka nennt ganz mit Plato den Leib eine Fessel, Last, Kerker, flüchtige Herberge, in welcher die vernünftige Seele sich nicht heimisch fühlen kann; der Todestag ist der Geburtstag des Ewigen, das jenseitige Leben ist erst das wahre, vollkommene, zu welchem sich das jetzige nur als schwaches Vorspiel verhält. Da nun eben aus dieser sinnlichen Seite unserer Natur die Affekte herstammen, so wird die von der Stoa verlangte Ueberwindung der Affekte jetzt zum Kampf wider die Sinnlichkeit, bekommt also eine spiritualistischasketische Wendung, die ihr früher fern lag. „Entsage und ertrage!" das Losungswort Epiktets, ist der Grundton dieses jüngeren römischen Stoicismus. Damit hängt nun aber ferner auch eine viel pessimistischere Ansicht von der sittlichen Natur des Menschen zusammen. Ueber die sittliche Schwäche derselben, über die Allgemeinheit des Bösen, über die Unmöglichkeit, sich völlig davon freizumachen, über die zunehmende Verschlechterung der Gattung finden sich bei Seneka eine Menge der stärksten Aeusserungen, welche ihre nächsten Parallelen an bekannten Sätzen des Apostels Paulus haben, hingegen zu dem altstoischen Vertrauen zur sittlichen Kraft des Menschen einen starken Kontrast bilden. Natürlich war bei solcher Stimmung, dass jetzt den weicheren Tugenden des Gemüths, der Milde und Nachsicht, dem Mitleiden und Wohlwollen ein grösserer Raum verstattet wurde, als in der herben und stolzen Moral der alten Stoa; natürlich war ferner die entschieden religiöse Wendung der Moral in Folge jener ernsteren und weicheren Denk- und Gefühlsweise. Ist das Uebel so tief gegründet, der Kampf so allgemein und so schwer und endlos, bedarf es nicht blosser theoretischer Belehrung, sondern einer „Umwandlung (transfigurari) der ganzen Gesinnung: so drängt sich das Verlangen unabweislich auf, die schwache menschliche Kraft auf die höhere göttliche Macht zu stützen. Die blosse subjektive Freiheit. und negative Affektlosigkeit wird jetzt zur folgsamen und freudigen Hingabe an die göttliche Ordnung und Lenkung der Welt und die

natürliche Kraft der Vernunft wird zur Kraft und Hilfe des einwohnenden oder Handreichung thuenden Gottes. Diese göttliche Handreichung besteht aber nicht bloss im Allgemeinen in den uns eingepflanzten Samenkörnern des Guten, sondern insbesondere auch in dem erhebenden und stärkenden Einfluss eines sittlichen Musterbildes von höchster Vollkommenheit, das von Gottes Geist erfüllt, als Licht strahlt in der Finsterniss und die Aufmerksamkeit Aller auf sich lenkt*). So wird das stoische Abstraktum des Weisen bei Seneka zur Forderung und Ahnung eines leibhaftigen religiösen Urbilds für Alle, eines Weltheilands.

Je mehr die philosophische Moral diese religiöse Wendung nahm, desto mehr näherte sie sich auch wieder der volksthümlichen Religion. Während Männer wie Cicero und Seneka dieser persönlich ganz fernestanden und sie nur als eine mit ihrer eigenen Ueberzeugung in keinem Zusammenhang stehende staatliche Einrichtung gelten liessen, wird dagegen von dem philosophischen Kaiser Marc Aurel berichtet, dass er eifrig die Orakel befragt, Opfer dargebracht und an sonstigen Ceremonien verschiedener Kulte sich betheiligt habe. Er mochte wohl fühlen, dass die stoische Weisheit mit ihrer ausschliesslich auf das eigene Innere gerichteten Selbstbeschauung und Selbstbearbeitung weder selber volksthümlich werden, noch auch die volksthümliche Religion, dieses festeste Band der menschlichen und bürgerlichen Gesellschaft, ersetzen könne. Dieser Zwiespalt zwischen der ihn persönlich befriedigenden philosophischen Ueberzeugung und dem religiösen Bedürfniss der Gesammtheit, die ihm als Kaiser am Herzen lag, mochte wohl der Hauptgrund der seine Meditationen durchziehenden weltschmerzlichen Stimmung sein. Bei Plutarch († 125 p. C.) kam Verschiedenes zusammen, um ihn zu einem Hauptvertreter der philosophisch-religiösen Restauration zu machen. Als Apollonpriester in seiner Vaterstadt Chaeronea stand er mit der öffentlichen Religion in amtlicher Verbindung; als begeisterter Biograph der Heldengestalten des Alterthums empfand er natürliche Sympathie und Pietät für den Glauben und die Sitte der Väter, worin die Wurzeln der Kraft und Tugend seiner Helden lagen; endlich konnte er in seiner platonischen und mit neupythagoräischen Elementen ver

*) Sen. ep. 73, 15. 41, 2. 52, 1. 120, 14.

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