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Kultur, so ist auch die religiöse ein Produkt nicht einfacher Entwicklung gleichartiger Keime, sondern der mannigfachen Verwicklungen und Kämpfe der Racen in vorgeschichtlicher Zeit, aus welchen sich die geschichtlichen Kulturvölker als der bleibende Niederschlag von jahrtausendelangen Gährungen der barbarischen Vorzeit ergeben haben.

Stufen der Religionsentwicklung. So vieles im Einzelnen hinsichtlich der Anfänge der menschlichen Religion uns noch dunkel ist und vielleicht immer bleiben wird, so vermögen wir doch mit einiger Sicherheit den allgemeinen Charakter der ältesten Religionsstufe im Unterschied von den folgenden zu erkennen. Der entscheidende Punkt, auf den es dabei ankommt, ist nicht der Begriff vom Wesen der Gottheit einen solchen hatten die Menschen der Urzeit überhaupt nicht sondern ist die Art, wie die Menschen ihr Verhältniss zu ihrer Gottheit auffassten und bethätigten. Dieses religiöse Verhältniss war in den Anfängen der Menschheit ein durchaus naturalistisches d. h. es beruhte ausschliesslich auf dem natürlichen. Band der Blutsverwandtschaft zwischen der religiösen Gemeinschaftsgruppe und ihrem Verehrungsobjekt. Die Gottheit ist zwar ihren Verehrern an Macht überlegen, aber sie ist nicht anderen Wesens als sie, sondern sie ist der Erzeuger, die gemeinsame Lebensquelle ihrer Verehrer und als solche auch die Bürgschaft für die Lebenserhaltung dieser Gruppe. Eben darum erstreckt sich ihre Verehrung nur auf die blutsverwandten Genossen derselben Sippe, die draussen Stehenden sind von der Verehrung der Stammgottheit ausgeschlossen, denn diese steht ihnen fremd und unter Umständen feindlich gegenüber. Zwischen dem Stamm aber und seiner Gottheit besteht ein Verhältniss wechselseitiger Verpflichtung; die Gottheit schützt und fördert die Erhaltung und das Gedeihen des natürlichen Lebens der Ihrigen, das ja zugleich ihr eigenes ist; dafür nimmt sie aber auch Theil an allen Genüssen und Erfolgen der Ihrigen, von jedem gemeinsamen Mahl, von jeder Jagd- und Kriegsbeute und von jedem Ertrag des Landes bekommt sie ihren rechtmässigen Antheil; auf alle für die Lebenserhaltung des Stammes bedeutsamen Ereignisse, also besonders auf Eheschliessung und Geburt und Eintritt ins mannbare Alter, erstreckt sich ihre Fürsorge in Form strenger Bräuche, die alle eben

sowohl sociale wie kultische Bedeutung haben; wo aber das Leben Eines der Ihrigen gewaltsamem Tode erlag, da liegt die Pflicht, das vergossene Blut zu rächen, als heilige Pflicht gegen die Gottheit selbst, somit als kultischer Akt allen Stammgenossen ob. Gewiss eine noch sehr niedere, ja rohe Form der Religion; nnd doch wäre es sehr irrig, wenn man ihr alle sittliche Bedeutung absprechen wollte. Natürlich, von sittlichen Gefühlen und Motiven in unserem Sinn kann auf dieser Stufe noch keine Rede sein; gleichwohl wurzeln schon in dieser Religion die Keime aller höheren Gesittung: Ehrfurcht und Pflichtgefühl binden die Einzelnen an die höhere Macht, in der sie die Einheit, Ordnung und Wohlfahrt ihres socialen Gemeinschaftskreises begründet und verbürgt sehen. Die religiöse Verpflichtung gegen den Stammgott ist die Grundlage und Sanction aller socialen Pflichten gegen die Stammgenossen; so wirkt schon hier auf ihrer niedrigsten Anfangsstufe die Religion als eine die rohe Selbstsucht der Individuen brechende und zum Gemeinsinn, zum Gehorsam und zur Hingebung an das Ganze erziehende, sittigende Macht. Aber freilich wirkt sie so nur innerhalb der engen Schranken des blutsverwandten Stamms; eine Verpflichtung gegen Fremde lehrt diese Religion noch ebensowenig, wie sie von einer über Fremde herrschenden Gottheit etwas weiss. Im Gegentheil, weil die natürliche Selbstsucht und Feindseligkeit des eigenen Stammes gegen andere Stämme unwillkürlich auch auf die Stammgottheit übertragen und dieser die gleiche Gesinnung gegen fremde Stämme zugeschrieben wird, so erscheinen alle Gewaltthätigkeiten und Greuel, die die Stämme sich in ihren endlosen Fehden gegenseitig zufügen, als religiös sanctionirt; dieselbe Religion, die nach innen die Selbstsucht der Einzelnen bändigt, erhält dieselbe nach aussen im Verhältniss von Stamm zu Stamm und wird dadurch ein schweres Hemmniss weiterer Kulturfortschritte.

Zu höherer Stufe erhob sich die Religion überall da, wo die Menschen zu Bürgern eines staatlich geordneten Gemeinwesens wurden*). Wenn über der Besonderheit der blutsverwandten Stämme sich die höhere Einheit eines durch gemeinsame Regierung, Gesetze und Rechte verbundenen Volkes bildete, so konnte die Religion

*) Die Bedeutung dieser Epoche für die Religionsgeschichte ist sehr gut gewürdigt von Allan Menzies in dem lehrreichen Buch „History of Religion" (London 1895).

dieser neuen socialen Gemeinschaft nicht mehr dieselbe bleiben, wie früher, aus dem einfachen Grund, weil ein Volk, in dem verschiedene Stämme künstlich vereinigt waren, nicht mehr in einem Verhältniss der Blutsverwandtschaft zu seiner höchsten, über das Volksganze herrschenden Gottheit stehen konnte. Es ist also hier nicht etwa nur der Machtbereich der Gottheit gewachsen, sondern es ist das religiöse Verhältniss prinzipiell ein anderes geworden: es beruht nicht mehr auf dem physischen Band der Blutsverwandtschaft wie in den Stammreligionen, sondern auf dem rechtlichen Band der bürgerlichen Volksgemeinschaft. Wie die Volksgenossen unter einander nicht durch Blutsverwandtschaft, sondern durch Anerkennung derselben Staatsgewalt, Gesetze und Rechte verbunden sind, ebenso und ebendarum wissen sie jetzt auch ihr religiöses Verhältniss nicht mehr als natürliches Verhältniss der Kinder zu ihrem göttlichen Erzeuger, sondern als rechtliches Verhältniss der Unterthanen zu ihrem göttlichen König. Damit weicht das vertrauliche Gefühl der Nähe, der Familiengemeinschaft zwischen Menschen und Göttern einem strengeren Gefühl der Ehrfurcht vor der erhabenen Höhe und Macht der nationalen Gottheit, die daher auch lokal jetzt über die engen irdischen Bezirke hinaus auf einen hohen Berg (Olymp, Sinai) oder in den Himmel als dauernde Residenz versetzt wird. Und weil die Wohlfahrt des bürgerlichen Gemeinwesens wesentlich auf der Begründung und Aufrechterhaltung der Rechtsordnung nach festen Gesetzen beruht, so erfüllt sich jetzt natürlich auch die Vorstellung der nationalen Gottheit mit der Idee einer rechtschaffenden und rechtschützenden Macht. So tritt die sittliche Idee der Gerechtigkeit und Weisheit, die die Tugend des menschlichen Herrschers bildet, jetzt auch in das Bild der Gottheit als wesentlicher Zug ein und beginnt den Kampf mit den naturalistischen Zügen der älteren Stammgottheit; von dem Verlauf dieses Kampfes, der sich durch die Geschichte des Gottesglaubens jahrtausendelang hindurchzieht, hängt das weitere Geschick einer Religion, ob auf- oder abwärtsgehende Entwicklung, ab. Aber freilich bleibt auch die ethisirte Volksreligion, so hoch sie über der naturalistischen Stammreligion steht, doch immer noch eine beschränkte Stufe der Entwicklung. Mag immerhin der Volksgott den idealen Volkswillen repräsentiren, immer ist er doch nur der Gott des einen Volks und nicht auch der andern Völker, und ist nur der Gott des ganzen

Volks und nicht auch der einzelnen Menschen. Zuvörderst widerspricht jene Besonderheit der dem religiösen Denken sich bald aufdrängenden Forderung der Unbeschränktheit des göttlichen Weltregiments; je mehr bei wachsender Kultur der Blick der Menschen sich über die eigenen Volksschranken hinaus auf andere Völker ausdehnte und die Idee der Menschheit als die höhere über den besondern Völkern aufzudämmern begann, desto weniger konnte die beschränkte Religion der einzelnen Völker genügen. Sie konnte es aber auch aus dem anderen Grunde nicht, weil sie als staatliche Volksreligion die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Menschen unberücksichtigt liess. Die nationalen Götter sorgten wohl für nationale Wohlfahrt, aber Hilfe für die privaten Nothstände war bei ihnen wenig zu finden und noch weniger Erfüllung des höheren Ahnens und Sehnens des menschlichen Gemüths nach ewiger Wahrheit und vollkommener Güte. Diese Ansprüche des persönlichen Selbstbewusstseins erstarkten überall gleichzeitig mit der Abnahme des nationalpolitischen Interesses, und diese hieng zusammen mit der Einschmelzung der Sondervölker in umfassende Weltreiche. Wie die Bildung der nationalen Staaten an der Schwelle der Geschichte die zweite Stufe der Religion herbeigeführt hatte, so führte der Zerfall jener Staaten im Ausgang der alten Geschichte zu dem neuen Fortschritt der Religionsentwicklung, der sich auf der dritten Stufe als Menschheitsreligion darstellt.

Auch hierbei wieder handelt es sich nicht bloss um Erweiterung des Machtbereichs der Gottheit von einem Volk auf alle Völker, sondern der springende Punkt ist wieder ein prinzipiell neues religiöses Verhältniss: es beruht nicht mehr auf dem rechtlichen Band bürgerlicher Volksgemeinschaft, sondern auf dem sittlichen Band reinmenschlicher Geistesgemeinschaft. Was die Religionsgenossen dieser Stufe verbindet, ist nicht mehr Bluts- und nicht mehr Rechtsgemeinschaft, sondern die Gemeinschaft der den persönlichen Geist befriedigenden sittlichen Ideale. Sofern in der Erhebung zu dem reinmenschlichen Ideal des Guten die Befreiung sowohl von den Schranken der religiösen Volkssatzungen wie vom Druck der animistischen Geisterfurcht liegt, so kann man diese dritte Religionsstufe als die der „Erlösungsreligion" bezeichnen. Dabei ist übrigens nicht zu vergessen, dass schon lange vor dem Christenthum der indische Buddhismus und die mancherlei orientalischen und griechischen

Mysterienkulte ihren Genossen Erlösung verheissen haben. Das Charakteristische einer Religionsstufe wird aber nicht sowohl in dem negativen Moment, dass sie von früheren Banden befreit, als vielmehr in dem positiven Band, das ihre Genossen unter einander und mit der Gottheit verbindet, zu suchen sein. Dieses Band ist hier das Ideal des sittlich Guten oder des vollkommenen, mit seiner Idee geeinten und damit positiv freien Willens. Sofern dieses Ideal für alle Menschen dasselbe ist, liegt in ihm ein über alle trennenden Unterschiede der Natur und der Satzung hinausragendes allgemeinmenschliches Einheitsband, daher wohnt dieser Religion, obgleich sie aus der Tiefe des persönlichsten Empfindens entspringt, die Tendenz der universellsten Katholicität inne. Und weil das gemeinsame höhere Leben, mit dem sie ihre Genossen erfüllt, als eine Wirkung nicht bestimmter äusserer Verhältnisse und Beziehungen, sondern des dem Menschen als solchem und somit allen Menschen innewohnenden göttlichen Geistes empfunden wird, so tritt hier an die Stelle des blossen Rechtsverhältnisses zwischen menschlichem Unterthan und göttlichem König wieder das innigere Verhältniss der Vaterschaft und Kindschaft. Nur ist die den Menschen mit seinem Gott verknüpfende Wesensgemeinschaft auf dieser Stufe nicht mehr, wie in der naturalistischen Stammreligion, die physische Blutsgemeinschaft, sondern die sittliche Geistesgemeinschaft. War es dort das natürliche Leben des Stammes, das als göttlich galt, so ist es hier das geistliche Leben des sittlichen Menschen, der in der Liebe zum Guten sich mit allen Menschen als seinen Brüdern zu einer göttlichen Familie zusammenschliesst. Und während auf der zweiten Stufe der göttliche Wille dem Menschen als ein fremder, gebietender und richtender Herr gegenüberstand, so fühlt jetzt der Mensch in der Liebe, die ihn mit allen seinen Brüdern verbindet, das göttliche Leben als wirksame Kraft in sich selbst gegenwärtig. Die erste Stufe enthielt schon die Wahrheit, dass das religiöse Verhältniss auf Wesensgemeinschaft zwischen Mensch und Gott beruht; aber sie erfasste diese Wahrheit noch in der rohen Beziehung auf das physische Wesen und in der engsten Begrenzung auf den blutsverwandten Stamm. Die zweite Stufe erweiterte diese Grenzen auf die Völker und reinigte den Naturalismus des religiösen Verhältnisses durch Erhebung zu den elementaren sittlichen Ideen des Rechts, aber sie richtete ebendamit eine Scheidewand auf zwischen dem gebieten3

O. Pfleiderer, Religionsphilosophie. 3. Aufl.

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