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weise in der Spannung dieses Gegensatzes, in der Energie, womit der Geist das Fleisch bekämpft, beschränkt, in Zucht hält und alles Ungöttliche ausrottet.

Hierin liegt ein charakteristischer Unterschied von der Frömmigkeit Luthers und seiner Kirche. Diesem ist der Glaube zunächst das ruhende Bewusstsein der Versöhnung, des Friedens mit Gott; mit ihr besitzt er auch schon Leben und Seligkeit als gegenwärtiges Heilsgut und sein unmittelbares Interesse geht daher nur auf die Wahrung dieses Besitzes, auf Fernhaltung alles dessen, was das Seligkeitsbewusstsein trüben und erschüttern könnte. Daher die eifrige Sorge der Lutheraner für Reinheit der Lehre"; ihr Glaubensinteresse ist eben das defensive der Festhaltung des befriedigten Gefühlszustands. Dies verträgt sich aber ganz wohl mit harmlosem Genuss der Welt; das versöhnte Gemüth, das die Schuld der Sünde vergeben weiss, fürchtet sich wenig mehr vor der Macht der Sünde; ja die innere Harmonie spiegelt sich unwillkürlich auch in der äusseren Welt wieder und lässt auch diese überwiegend im Lichte ihrer positiven göttlichen Bestimmung als harmonisches Geeintsein von Natur nnd Geist erblicken und empfinden. Daher der positive, freie und ruhige Charakter der lutherischen Moral: das innerlich einmal empfundene göttliche Leben gestaltet sich von selbst, mit der inneren Nothwendigkeit des fruchtbringenden Baums, zu einem organischen Ganzen sittlich-schöner Lebensgestaltung, in welcher Inneres und Aeusseres, Geist und Natur, Pflicht und Neigung bis auf fast unmerklichen Rest harmonisch geeinigt sind. Wobei freilich die Gefahr nicht zu übersehen ist, dass die schöne Seele" in ihrer geschlossenen Einheit sich vor der rauhen Berührung der Welt empfindsam und scheu zurückziehe, in ihrem inneren Befriedigtsein sich selbstgenügsam der Arbeit und Sorge um die Welt entziehe. Die Stärke und Schwäche des Zwingli'schen Typus liegt nach entgegengesetzter Seite. Hier ist der Glaube vor allem das thatkräftige Getrieben werden von der Kraft des heiligen Geistes, die unermüdliche Thätigkeit im Dienste Gottes, die thätige Kraft aber erweist ihre Stärke in der Ueberwindung des Widerstandes, im Bewältigen schwerer Aufgaben. Hier geht daher das Glaubensinteresse nicht sowohl auf das Bewahren eines schon vorhandenen Heilsgutes, als vielmehr auf das Verwirklichen eines erst seinsollenden Heilszweckes, nicht sowohl auf das friedliche Sich

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darstellen und Entfalten des inneren Lebens in dem willigen Stoff der natürlichen Verhältnisse, als vielmehr auf die Unterwerfung der widerstrebenden Natur, des Fleisches und der Welt, unter die siegreiche Gewalt des heiligen Geistes. Daher die praktische Energie der reformirten Frömmigkeit, ihr Eifer und Geschick, handelnd, leitend, organisirend ins Weltleben einzugreifen; daher ihr Eifer für Reinheit des Lebens mehr als der Lehre, ihre strenge Sittenzucht, ihre rigorose Scheu vor Allem, was auch im Kultus den Sinnen schmeicheln und durch schönen Schein die nüchterne Reinheit des Geistes trüben könnte. Wobei nun freilich die Gefahr sehr nahe liegt, dass der praktische Eifer zum neuen Werkdienst, die organisatorische Geschäftigkeit zur hierarchischen Herrschsucht und die puritanische Strenge zu unevangelischer Gesetzlichkeit und finsterem Asketismus werde, der die Welt zur Hölle macht statt zum Himmelreich.

Hieraus erhellt nun auch, dass Luther so Unrecht nicht hatte, als er in Marburg zu Zwingli sagte: Ihr habt einen andern Geist als wir. Die Abendmahlsdifferenz war ja nur eine symptomatische Erscheinung des tieferen Gegensatzes. Luther wollte im Abendmahl Geist und Leib Christi gegenwärtig haben, weil sein Denken überhaupt und beim Kultus insbesondere auf das Ineinander des Geistigen und Leiblichen gerichtet war; Zwingli protestirte dagegen, weil ihm überall die unmittelbare Vermischung des Geistigen mit dem Sinnlichen eine Verunreinigung des ersteren, ein heidnischer Götzendienst zu sein schien. Es verräth sich also darin nur wieder derselbe Gegensatz der beiden Geistesrichtungen, welche eben vorhin in der beiderseitigen Moral aufgezeigt wurden. Nun sind aber diese beiden Richtungen gleichsehr in der menschlichen Natur begründet und kehren daher unter den verschiedensten Formen überall wieder von Maria und Martha im Evangelium bis zu Kant, Schiller und Goethe. So werden sie denn auch gleichberechtigt und auf gegenseitige Ergänzung angewiesen sein. Nicht, dass der Protestantismus in den beiden Schwesterkirchen sich entwickelte, wird zu beklagen sein, sondern nur, dass beide ihre Gleichberechtigung solange verkannten und, statt sich zu ergänzen und zu fördern, sich verketzerten und abstiessen. In dieser Hinsicht war freilich der Tag von Marburg verhängnissvoll. Doch sollte er nicht für immer scheiden, was innerlich zusammenge

hörte. Nachdem erst der Pietismus von praktisch-religiöser und der Rationalismus von theoretisch-kritischer Seite her den starren Dogmatismus der Kirchen erweicht und gebrochen und dann die neuere Philosophie zur Kritik noch die positive Erklärung der Dogmenbildung aus den Bedingungen und Bedürfnissen des religiösen Geistes hinzugefügt hatte, da war der Boden geebnet, auf welchem in unserem Jahrhundert die Union der beiden protestantischen Kirchen sich vollziehen konnte ein Akt, der schon darum von grösster Bedeutung war, weil er das officielle Zugeständniss enthielt, dass die Reformation des 16. Jahrhunderts auf halbem Wege stehen geblieben sei, und dass daher ihr Werk einer weiteren Entwicklung durch fortgesetztes Zurückgehen von den trennenden Aeusserlichkeiten auf das gemeinsame Wesen des Christenthums bedürfe.

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In dieser Arbeit stehen wir noch mitten inne. So gewiss das Christenthum in der Reformation den gewaltigsten Entwicklungsfortschritt gemacht hat, so gewiss ist es doch, dass es in dem kirchlichen Protestantismus seine höchste und letzte Entwicklungsform noch nicht gefunden hat. Schon darum nicht, weil dieser kirchliche Protestantismus den Gegensatz des Katholicismus nicht zu überwinden vermocht hat. Und er vermochte es nicht, weil er in seiner dogmatischen Fassung des Glaubens, in seiner Bindung desselben an positiven, auf Autorität hin anzunehmenden Ueberlieferungsstoff noch zu viel vom katholischen Wesen, vom äusserlichen Traditionalismus und gesetzlichen Positivismus an sich hat. Es verhält sich damit ganz ähnlich, wie im Urchristenthum mit dem Gegensatz des Paulinismus und Judaismus: ersterer vermochte des letzteren darum nicht Herr zu werden, weil er vom gesetzlich-rabbinischen Judenthum noch zu viele Voraussetzungen theilte und in dessen Vorstellungsformen grossentheils argumentirte; darum konnte die Ueberwindung des Gegensatzes nur auf dem höheren Standpunkt der johanneischen Theologie erfolgen, welche Glauben und Werke verknüpfte in der erkennenden Liebe. Dürfen wir nun im Katholicismus die kirchliche Wiederholung des gesetzlichen Judenchristenthums und im kirchlichen Protestantismus die des Paulinismus sehen, so bietet sich von selber der Schluss dar, dass wir die Ueberwindung dieses Gegensatzes von einem künftigen johanneischen Christenthum werden zu hoffen haben, in welchem der positive Glaube und die positiven Werke ihre höhere Synthese

und Erfüllung finden werden in der freimachenden Erkenntniss der Wahrheit, welche die Gewissen auf sich selbst stellt, und in der bindenden Macht der Liebe, welche den Einzelnen als dienendes Glied einordnet dem Ganzen. Wenn unter diesem Zeichen dereinst die grosse Union der sämmtlichen christlichen Konfessionen sich vollzogen haben wird, dann wird dieses wahrhaft katholische" Christenthum gross und weit genug sein, um auch denen allen, die noch draussen stehen, den Eintritt zu ermöglichen, dann wird sich das johanneische Verheissungswort erfüllen:

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Es wird eine Herde unter einem Hirten sein"!

II. Abschnitt.

Wesen der Religion.

1. Capitel.

Religion als fromme Gesinnung.

Wir haben die Religion in ihrer geschichtlichen Entwicklung verfolgt, wie sie in mannigfacher Gestaltung bei verschiedenen menschlichen Gemeinschaftskreisen in die Erscheinung tritt; wir fanden die unterscheidenden Eigenthümlichkeiten der besonderen Religionen ausgeprägt theils in den Vorstellungen über die Gottheit oder über göttliche Wesen und deren Beziehungen zum Menschen und zur Welt, theils in den kultischen Handlungen, durch welche man das Göttliche verehrt, theils in den auf die Gottesverehrung bezüglichen gesellschaftlichen Einrichtungen. Aber mit dem allem haben wir das Wesen der Religion noch nicht erkannt. Alle jene Erscheinungen sind wohl Aeusserungen, Ausdrucksmittel, Darstellungsformen der Religion, aus denen immerhin auch annähernde Schlüsse auf deren inneres Wesen gezogen werden können; aber dieses selbst ist nicht. Gegenstand der äusseren Erfahrung, von der die Geschichte berichtet, sondern gehört zu den Thatsachen der inneren Erfahrung, den Vorgängen und Zuständen des Seelenlebens, die wir zunächst durch eigenes Erleben und weiterhin durch Nachempfinden des von Andern Erlebten kennen, deren genauere wissenschaftliche Erkenntniss daher mittelst einer psychologischen Analyse gewonnen werden muss. Es war Schleiermachers epochemachendes Verdienst, eine solche erstmals

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