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den Gott und dem gehorchenden Menschen und liess auch die Scheidewände zwischen den einzelnen Völkern fortbestehen. Die dritte Stufe entfernt endlich diese Scheidewände unter den Menschen gänzlich und bringt auch den ins Jenseits unnahbarer Majestät entrückten HerrnGott dem Menschen wieder als Vater nahe, indem sie nicht im Blute des natürlichen, sondern im Herzen des neuen von der Selbstsucht zur Liebe umgewandelten Menschen das aus Gott geborene heilige Leben erkennen lehrt. So erweist sich die Religionsentwicklung als der Fortschritt von der patriarchalischen Natur durch das theokratische Gesetz hindurch zur sittlichen Freiheit der Gotteskinder, wie diess schon der Apostel Paulus erkannt und in den drei Typen: Abraham, Moses und Christus dargestellt hat.

2. Capitel.

Semitische Religionsentwicklung.

Die semitische Race, die von Arabien wahrscheinlich ausgegangen, die vorderasiatischen Länder einnahm, war der älteste und für alle Folgezeit bedeutsame Träger der religiösen Entwicklung. Zu dieser trug neben dem eigenthümlichen Racencharakter bei den Nordsemiten die frühe Bildung kräftiger Staaten auf der Grundlage der älteren Kultur der vorsemitischen Einwohner Mesopotamiens bei. Weil aus den beiden südlichen Semitenstämmen, den Israeliten und Arabern, die monotheistischen Weltreligionen hervorgiengen, hat man von einem natürlichen Instinkt der Semiten für den Monotheismus gesprochen. Aber der Monotheismus ist auch hier durchaus nicht das Natürliche, sondern ein Produkt der Geschichte gewesen. Was ihn begünstigte, war einmal die politische Entwicklung, die Ausbildung starker Monarchieen, deren militärische Organisation die Macht in den Händen des Staatsoberhaupts koncentrierte, wobei die politische Centralisation auch die religiöse im Gefolge hatte; und sodann der Mangel einer solchen reicheren mythologischen Ausbildung der Naturreligion, wie sie sich bei den Indogermanen findet. Die Nichtaus

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bildung der Mythologie hat aber ihren Grund nicht sowohl in tieferer religiöser Anlage, als vielmehr im Fehlen der dichterisch gestaltenden Einbildungskraft und im Dominiren des verständigen, stets auf praktische Ziele gerichteten Willens. Grosse Nüchternheit des Denkens, scharfe Beobachtung des Einzelnen, ein berechnender, stets auf das Praktische gerichteter Verstand, der die Gebilde der Phantasie durchaus beherrscht und jedem freieren Flug des Geistes in ungemessene Regionen abhold ist, das sind Züge, die den Araber und den Phöniker, den Hebräer und den Assyrer kennzeichnen. Sie erklären sich völlig aus dem fortwährenden Kampf mit den Gefahren der Wüste. Natürlich kennt auch der Semit phantastische Gebilde, Gespenster der Theologie; aber er operiert mit ihnen in der nüchternsten, rein verstandesmässigen Weise. Auch die Poesie ist überall berechnet, die Gleichnisse zeigen Witz und Scharfsinn, aber nicht das, was wir unter poetischer Gestaltungskraft verstehen. Aehnlich steht es um die vielfach für die Semiten im Gegensatz zu den Indogermanen in Anspruch genommene Religiosität. Dieselbe entsetzliche Nüchternheit, welche den Koran beherrscht und durch die er gewirkt hat, liegt auch den Menschenopfern der Kananäer, den religiösen Phrasen der Assyrer und schliesslich auch dem Jahvismus zu Grunde. Der Indogermane. ist nicht im Stande, dieselbe auch nur vorübergehend zu ertragen; daher haben die Perser aus dem Islam den Sufismus entwickelt." Man wird diesem Urtheil des Historikers Eduard Meyer*) beistimmen können, nur dass man nicht vergessen darf, dass die phantasielose Nüchternheit, wo sie sich mit ethischem Pathos verband, zu dem monotheistischen Ideal geführt hat, das an religiösem Werth den phantasiereichen Mythologicen des Polytheismus doch unvergleichlich überlegen ist.

Auch die Meinung, dass die semitischen Gottheiten von Anfang erhabener, überirdischer, als die anderer Naturvölker gewesen seien, hält vor der geschichtlichen Forschung nicht Stand. Auch die Religion. der Semiten war anfangs nichts anderes als Animismus und Totemismus, Verehrung der mancherlei Geister, die man in den irdischen und überirdischen Naturdingen sah: Geister von Bäumen und Quellen, von Steinen und Bergen, von Thieren und Menschen, von Mond und

*) Geschichte des Alterthums I, 208 f.

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Sonne; insbesondere aber treten auch hier überall die Stammgötter hervor d. h. die Ahnengeister, die meist in irgendeine Beziehung zu bestimmten Naturdingen, Lokalgenien oder Thiergeistern gesetzt sind. Dagegen ist die Verehrung der Sterne, die man früher für specifisch semitisch hielt, nachweislich überall erst ein spätes Produkt priesterlicher Weisheit, welche die uralten animistischen Götter irdischen Ursprungs mit den Sternen in eine künstliche Beziehung brachte. Der allgemeine Name für das Göttliche ist Il oder El, was Macht bebedeutet, und Bel oder Baal, d. h. Herr; in Verbindung mit einem Stamm- oder Ortsnamen bezeichnet Baal den göttlichen Schutzherrn des betreffenden Clans oder Gaues, der also seine Besonderheit nicht irgendwelchen inneren Eigenschaften, sondern eben nur seinem besonderen Verhältniss zu der Gruppe oder Oertlichkeit seiner Verehrer verdankt. Daher kann auch jeder besondere Stammgott, z. B. Jahve, ohne Widerspruch als Baal bezeichnet werden, nämlich im appellativen Sinn des Herrn" einer bestimmten Kultstätte. Den männlichen Göttern ist meistens eine weibliche als Gattin zur Seite gestellt; diese verschieden benannten Göttinnen haben zuletzt alle denselben Ursprung: sie sind die göttlichen Ahnfrauen aus der Zeit des Matriarchats, die also den göttlichen Ahnherren des Patriarchats zeitlich wahrscheinlich vorausgehen. Der überall wiederkehrende Doppelcharakter dieser weiblichen Stammgottheit: als der Mutter der Lebendigen, die aber zugleich ihre Kinder wieder in ihren Schooss, die Erde, zurücknimmt und somit auch Herrin der Todten ist, findet sich besonders stark ausgeprägt im semitischen Kult. Oft zerlegen sich die beiden Seiten der grossen Göttermutter in zwei besondere Gestalten, deren eine dann die lebenspendende Mutter, die andere die lebennehmende Todes- und Kriegsgöttin ist. Diesem Doppelcharakter der Göttin entsprechen die im semitischen Kultus so häufig verbundenen Züge der Wollust und der Grausamkeit. Erstere erklärt sich einfach als Nachwirkung und Nachbildung der matriarchalischen Urzeit, wo die Muttergöttin noch nicht einem Gatten in dauernder Ehe verbunden war, sondern sich ihre Gesellen nach Belieben zu zeitweiliger Liebschaft wählte, wie dies im babylonischen Istar - Mythus noch deutlich erzählt ist. In demselben Mythus lässt sich wahrscheinlich auch eine Erinnerung an die Kämpfe erkennen, durch die der Matriarchat in den Patriarchat überging, woraus dann auch die Um

wandlung der ehelosen Muttergöttin entweder in einen männlichen Stammgott oder in die regelrechte Gattin eines solchen als natürliche Folge sich ergab. Eine Erinnerung an diesen für Kultur und Kultus gleich wichtigen Wandelungsprozess hat sich auch in dem mannweiblichen Charakter mancher semitischen Götter, der sich in der mannweiblichen Tracht der zugehörigen Priesterschaft abbildet, erhalten. Wie die semitische Religion (mit wenigen später zu besprechenden Ausnahmen) sich in sexuellem Naturalismus vor anderen Naturreligionen hervorthat, so blieb sie auch in animistischer Magie hinter keiner anderen zurück; in der Mantik aber hat sie insofern die Palme errungen, als von Babylon die astrologische Zeichendeutung, die alle anderen derartigen Künste an Einfluss und Dauer übertraf, sich über die Welt verbreitet hat.

Die Babylonier und Assyrer.

Die von Südwesten her ins Euphrat-Thal eingedrungenen Semiten haben dort eine schon ziemlich hoch civilisirte Urbevölkerung vorgefunden, die sich Sumerier und Ackadier nannte. Es war der Einfluss dieser vorsemitischen Kultur, welchem die Semiten Mesopotamiens die frühe und hohe Blüthe ihres Staats- und Religionswesens, ihrer Kunst und Wissenschaft zu verdanken hatten. Die der babylonischen Religion im Unterschied von den anderen Semiten eigenthümlichen Züge (Kosmogonie, Astrologie und epische Mythologie) sind jedenfalls sumerisch-ackadischen Ursprungs; aber ihre auf uns gekommene literarische Gestaltung stammt aus semitischer Zeit, daher ist hier wie bei den sonstigen lokalen Göttersagen und -kulten die Grenzlinie zwischen Semitischem und Nichtsemitischem noch nirgends sicher zu ziehen, kann also auch bei einem summarischen Ueberblick, wie er hier zu geben ist, füglich unberücksichtigt bleiben.

Babylonische Götter. Aus der zahllosen Geisterschaar, die Erde und Himmel erfüllt, dem Menschen meist ungünstig gesinnt und durch mancherlei Zaubermittel und Formeln zu beschwören ist, heben. sich die höheren Götter als die Objekte eines regelmässig geordneten Kultus heraus. Ihre Zusammenstellung in ein festes System von sieben (nach den Planeten) oder zwölf grossen Göttern (nach den Monaten) ist das Werk später Priestertheologie gewesen, wie sie in

den Reichen Babels und Assyriens erst auf Grund der staatlich centralisirten und organisirten Religion möglich war. Die meisten, wo nicht alle Götter dieses Systems sind ursprünglich die Stamm- und Lokalgötter der Städte gewesen, in welchen auch noch später unter der einheitlichen Reichsreligion ihr Kultus vornehmlich betrieben wurde. Daher sind die schwankenden und widerspruchsvollen Angaben über ihre genealogischen Beziehungen als späte Erfindungen zu betrachten, die für ihre ursprüngliche Bedeutung ohne allen Belang sind. Ebenso wenig darf man ein grosses Gewicht legen auf die Vertheilung der Regierungsbezirke des Naturlebens an die einzelnen Götter, da ursprünglich jeder Stamm- und Lokalgott für seine Verehrer alles zu leisten hat, was von einem Gott überhaupt erwartet werden kann; die Vertheilung der Geschäfte auf die Götter ist überall ein Reflexionsprodukt auf Grund der Systematisirung der Götter und diese setzt die organisirte Reichsreligion voraus. Zu den ältesten Göttern Babels gehört Ea, der Wassergott, der zu Eridu an der persischen Meeresküste seinen Kultort hatte; im System gilt er als der Lehrer der Menschen in allerlei Wissen und Können, ursprünglich aber war er wohl der totemistische Fischgott der Küstenbewohner, woran noch später seine halbe Fischgestalt und die Sage erinnert, dass aus seinem Blute die Menschen herstammen. Anu ist der Himmelsgott und König der Götter, von dem der irdische König die Erhörung seiner Bitten erwartet. Mit ihm rivalisirt Bel, d. h. eigentlich der Herr" schlechthin, der auch vielfach und besonders in seiner Stadt Nipur als oberster Herr und König verehrt wurde, im theologischen System aber die Geister der Unterwelt als seine besondere Herrschaftssphäre erhielt. Sin, der Mondgott, war der Höchste zu Ur, aber auch sonst überall stand er in hohen Ehren, mehr als der Sonnengott Samas, der zu Larsa und Sippar seine Hauptkultstätten hatte, wo er als Mittler zwischen Göttern und Menschen und Besieger böser Geister gepriesen wurde. Kriegs- und Jagdgötter sind Nineb und Nergal, jener auch mit der Sonne und dieser mit dem Planeten Mars und der Unterwelt identifizirt; seine Darstellung als Löwe oder Mensch-Löwe verräth den totemistischen Ursprung. Der spezielle Stadtgott Babels war Maruduk; ursprünglich war er vielleicht der Hausgott einer vom Süden gekommenen Dynastie, daher im System zum Sohn und Boten Eas gemacht; seine Darstellung mit Adlerkopf

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