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nicht nur kein Hinderniss des Erkennens und Handelns, sondern vielmehr die Voraussetzung, der Beweggrund beider und die Bürgschaft ihres richtigen Erfolges.

2. Capitel.

Religion und Moral.

Die jetzt oft gehörte Behauptung, dass Religion und Moral in keinem ursprünglichen Zusammenhang gestanden, sondern spät erst mit einander verbunden worden seien, ist ein aus falscher Fragestellung entsprungener grosser Irrthum. Man legt dabei unsere heutigen sittlichen Ueberzeugungen als Maassstab zu Grunde und fragt, ob die ältesten Vorstellungen von den Göttern unseren sittlichen Idealen, die von der Religion anfangs geforderten Pflichten unserem Pflichtbegriff entsprechen? Da beides selbstverständlich nicht der Fall ist, so glaubt man jeden ursprünglichen Zusammenhang von Moral und Religion verneinen zu dürfen. Man vergisst dabei, dass die primitive Sittlichkeit von der unseren genau ebensoweit verschieden ist, wie die primitive Religion es von der unseren ist. Dass nun aber die primitive Sittlichkeit mit der primitiven Religion im engsten Zusammenhang stand, ja dass geradezu die Anfänge aller socialen Sitten und Rechte aus religiösen Vorstellungen und kultischen Bräuchen sich herleiten, wird von den gründlichsten Erforschern des Alterthums immer allgemeiner anerkannt. Wir werden also von der religiösen Moral auszugehen haben, die wir zunächst in ihrer ältesten Form als natürliche Volkssitte, dann in der positiv-hierarchischen Form betrachten. Darauf wenden wir uns zur religionslosen Moral, um deren Hauptformen kritisch zu beleuchten. Endlich wird zu zeigen sein, dass die positive Vermittlung und Wechselwirkung zwischen Religion und Moral durch die Idee beider gefordert ist.

Die religiöse Moral als Volkssitte. Man kann zwar bezweifeln, ob die Familie, wie Fustel de Coulanges meint, die älteste Religionsgemeinde sei, oder ob ihr nicht die familienlose matriarchalische

Horde noch vorausgehe: darum bleibt es doch zweifellos richtig, dass erst mit der Bildung der Familie die Menschheit in den Kulturstand eintrat, und dass von Anfang das Band dieser ersten sittlichen Gemeinschaft nichts anderes als die Kultgenossenschaft, die Religion war. Durch den Eintritt des Weibes in die Kultusgemeinschaft des Mannes, in die Verehrung seiner Hausgottheit, wurde die Ehe sanktionirt d. h. aus blosser natürlicher Geschlechtsverbindung zum sittlichen Verhältniss mit dauernden Rechten und Pflichten erhoben. In die häusliche Kultgemeinde wurde das neugeborene Kind aufgenommen durch einen Weiheakt vor dem Herde als dem Hausaltar, wodurch es unter den Schutz der Hausgottheit gestellt wurde. Die gemeinsame Mahlzeit der um den Herd versammelten Hausgenossen, bei der die Hausgottheit eingeladen wurde und ihren Antheil in Opferspenden erhielt, war der primitive häusliche Kultus und zugleich das Pfand der socialen Zusammengehörigkeit und wechselseitigen Schutzverpflichtung der Hausgenossen. Auch die primitivsten Rechtsvorstellungen schreiben sich aus der religiösen Glaubensweise her. Die oberste Autorität im Hause war eigentlich die Hausgottheit, der Vater nur als ihr Priester und Vertreter; darum war auch die väterliche Autorität nicht eine willkürliche, sondern hatte wie ihr Princip so ihre Schranke in der gemeinsamen Gebundenheit aller Familienglieder an die Hausgottheit. Auch das Eigenthumsrecht beruhte hierauf: der Grund und Boden, in dem die Ahnen der Familie ruhten, gehörte ebendarum dieser als ausschliessliches und unveräusserliches Eigenthum an; nicht die jeweils lebende Generation ist die rechtliche Besitzerin, sondern die Hausgottheit, welche die dauernde Einheit. der Familie repräsentirt; die einzelnen Generationen haben nur die Nutzniessung davon. Aus demselben Gesichtspunkt ist das die Töchter ausschliessende Erbrecht zu beurtheilen: sie können nicht den Kultus der Familiengottheit ausüben, daher nicht die Kontinuität derselben repräsentiren. Auch die ersten Vorstellungen von dem Unrecht, das „Schuld" d. h. nichterfüllte Verpflichtung einschliesst und daher der Gutmachung oder Sühnung bedarf, stammen aus der Religion. Jedes an einem Genossen derselben Sippe vergossene Blut schreit um Rache, weil im Blute das Leben des Geschlechts (der gens, Clan) verletzt wird, das zugleich das Leben seines Gottes ist. Ebenso ist Untreue der Frau eine Versündigung gegen die Hausgottheit, weil durch sie

das Blut der Familie verunreinigt wird. Freilich war der Kreis der sittlichen Verpflichtung in dieser Urzeit noch ein äusserst beschränkter, er erstreckte sich nicht hinaus über die blutsverwandte Sippe als die Kultgemeinde derselben Gottheit; aber innerhalb dieses engen Kreises war doch ein Gefühl gegenseitiger Verpflichtung vorhanden und zwar auf der religiösen Grundlage des Gefühls der gemeinsamen Gebundenheit aller Glieder an die das sociale Ganze repräsentirende Gottheit.

Die Erweiterung der sittlichen Gemeinschaft erfolgte Hand in Hand mit der der religiösen. „Es wäre schwer zu sagen, ob es der Fortschritt der Religion sei, was den socialen Fortschritt herbeigeführt. hat; gewiss ist nur, dass beide gleichzeitig und in merkwürdiger Uebereinstimmung vor sich giengen. Nur eine Macht, die stärker war als physische Gewalt oder selbstisches Interesse oder philosophische Theorie, eine Macht, die im Grunde aller Herzen gleichmässig herrschte, vermochte die primitiven Bevölkerungen zu gesitteten Gesellschaften zu gestalten: die religiöse Idee ist das organisirende Princip der Gesellschaft gewesen"*). Wie der Hausaltar die Familienglieder um sich vereinigte, so war auch die Stadt die Vereinigung derer, die dieselben Schutzgötter hatten und ihnen an gemeinsamen Altären nach gemeinsamen Bräuchen dienten. Auch das Symbol der Stadtgemeinde war ein gemeinsames Mahl, an dem Ahnen und Schutzgötter Theil nahmen. „Was überall das sociale Band bildet, ist nicht. das Interesse, nicht eine Konvention, nicht die Gewohnheit, sondern die heilige Kommunion, fromm vollzogen in Gegenwart der Götter der Stadt." Von grösster Wichtigkeit für die sittliche Kultur war die Festfeier, die jede Religion an regelmässig wiederkehrenden Tagen ihren Gottheiten zu Ehren begieng. Wie die Hausgemeinde die Ereignisse des Familienlebens: Geburt, Mündigkeit (Eintritt in die Phratrie), Hochzeit und Tod durch eine religiöse Feier weihte, so die Stadtgemeinde ihre geschichtlichen Erinnerungstage an ihre Gründung, an Siege, an verdienstliche Thaten ihrer Heroen, sowie auch die an bestimmte Jahreszeiten gebundenen Feldarbeiten, Aussaat und Ernte. Aus der Reihenfolge dieser Feste entstand der bürgerliche Kalender. Gefeiert wurden die Feste durch feierliche Umzüge, Singen von Hymnen zu Ehren der gefeierten Gottheit, Darbringung von

* Fustel de Coulanges, la cité antique, p. 152 ff. O. Pfleiderer, Religionsphilosophie. 3. Auff.

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Opfern, Opfermahlzeiten und öffentliche Spiele. Arbeit und Streit war an diesen Festtagen verboten; es sollte nur Freude und Friede herrschen. Indem die Menschen so ihre Götter ehrten, veredelte und bereicherte sich ihr eigenes Lebensgefühl; die Musse von der Arbeit, die gehobene Feststimmung weckte den Sinn für ideale Genüsse, die Freude am Schönen als dem, womit man der Gottheit am würdigsten diene. Aus den Hymnen der Festspiele erwuchs die Lyrik Pindars, aus den Dithyramben (Wechselgesängen) des dionysischen Weinlesefestes bildete sich das attische Drama. Alle Werke der antiken Kunst im Orient und Occident sind religiösen Ursprungs. ein Produkt des Kultus und seinen Bedürfnissen dienend. Auch für die bürgerliche Gesellschaft waren die Feste von grösster Wichtigkeit. Wie die Bürger der Stadt ihrer Zusammengehörigkeit bei der Feier der Feste ihrer Stadtgottheiten inne wurden, so dienten die panhellenischen Feste, die olympischen besonders, zur Weckung und Belebung des gemeinsamen nationalen Bewusstseins der hellenischen Stämme. Der Gottesfriede, das sichere Geleit, das den Festgästen im Namen der dem Fest vorstehenden Gottheit zugesichert wurde, war der Anfang einer staatlichen Vereinigung zur Volksgemeinschaft, die über die Exklusivität der Stadtgemeinden hinausführte.

Wie das Hausregiment der väterlichen Autorität, so war auch das bürgerliche Regiment ursprünglich ein Ausfluss der Religion, nicht der rohen Gewalt und nicht des freien Vertrags. Die Religion schrieb vor, dass der Altar immer einen obersten Priester haben solle, sie duldete keine Theilung der priesterlichen Autorität. Der Hausaltar hatte seinen Priester am Hausvater, der Altar der Kurie am Phratriarchen, der der Stadt am König. Er war in erster Linie das Kultushaupt, das die Opfer zu bringen, die Gebete zu sprechen, den Vorsitz zu führen hatte. Vom Kultus des öffentlichen Altars leitete sich ursprünglich die königliche Würde und Machtstellung her. Diese Verbindung von Priesterthum und bürgerlicher Macht findet man in den Anfängen fast aller bürgerlichen Gesellschaft, natürlich, denn nur das Bewusstsein einer verpflichtenden übermenschlichen Autorität vermochte die Menschen in Gehorsam an gesellige Ordnung zu binden. Der, welcher die wirksamen Kulte, auf welchen das Heil der Stadt in Krieg und Frieden beruht, zu vollziehen weiss, ist eben darum auch der Führer im Krieg und Richter im Frieden. Das

Königthum beruht also nicht auf Gewalt oder freier Wahl, sondern auf dem Glauben und Kultus jeder Stadt, es hat seine Autorität von der Gottheit; daher hiessen die Könige „heilig" und von Zeus entstammt". Auch nach Abschaffung des Königthums behielten die Magistrate priesterliche Functionen, wie z. B. der römische Konsul sein Amt immer mit einem auf dem Forum darzubringenden Opfer begann. Auch die bürgerlichen Gesetze waren anfangs ein Theil der Religion. Die alten Gesetzbücher enthielten ebensosehr Vorschriften für rituelle Handlungen wie bürgerliche Ordnungen. Darum waren in Rom wie in Aegypten, Indien und Judäa lange Zeit hindurch die Priester zugleich die Rechtsgelehrten und Richter. Die alten Gesetzbücher wurden überall auf göttliche Offenbarung zurückgeführt, sie waren eine heilige Tradition, wie Glaube und Kultus, an die man sich gebunden fühlte, ohne nach ihren Gründen zu fragen; passten die alten Gesetze nicht mehr, so wagte man nicht, sie abzuschaffen, sondern gab ihnen neue Deutungen, die freilich mit dem Ueberlieferten oft im Widerspruch standen. So mischte sich die Religion in alle Handlungen des Friedens und Krieges. Sie war überall gegenwärtig und umschloss den ganzen Menschen; Leib und Seele, privates und öffentliches Leben, Mahlzeiten und Feste, Volksversammlungen, Gerichtstribunale, Schlachtordnungen alles war unter der Herrschaft der Religion des Staates. Sie regelte alle Handlungen des Menschen, verfügte über alle Augenblicke seines Lebens, bestimmte alle seine Gewohnheiten mit so absoluter Autorität, dass nichts ausserhalb ihres Bereiches blieb. Konflikte zwischen Staat und Kirche gab es noch nicht, weil beide so völlig verschmolzen waren, dass es nicht möglich war, sie von einander zu unterscheiden.

Der Grund zur socialen Gesittung lag also in Motiven des religiösen Glaubens, aber keineswegs in idealen Vorstellungen von der sittlichen Natur der Gottheit: woher hätte man solche haben können, ehe man selbst zu einer sittlichen Lebensordnung, deren Grundlage die Rechtsordnung ist, gekommen war? Der sittlich erziehende Einfluss lag einfach in dem allen einzelnen Gliedern eines socialen Kreisest gemeinsamen Bewusstsein ihres Gebundenseins an eine höhere Macht, in der die Einheit und Dauer des Ganzen vertreten und verbürgt ist. Welche Beschaffenheit dieser höheren Macht an sich zukomme, darauf kam es zunächst viel weniger an, als nur darauf, dass eine

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