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gesellige Gruppe ihr Zusammenleben durch das Bewusstsein der Verpflichtung gegen diese Macht regelte. Hatten sich aber einmal unter dem Einfluss dieses religiösen Motivs sociale Sitten und Ordnungen befestigt, unter deren Schutz die sittliche Reflexion erwachen und zur Bildung sittlicher Idealbegriffe kommen konnte, dann war es natürlich, dass man in der Gottheit zunächst die Beschützerin der von ihr gewollten Ordnungen und mit der Zeit wohl auch das Vorbild der in der Gesellschaft als werthvoll anerkannten sittlichen Eigenschaften erblickte. Das erstere fand jedenfalls viel früher und allgemeiner statt als das letztere. Mitgewirkt hat dazu die dem erwachenden Verstande sich aufdrängende Wahrnehmung der Regelmässigkeit im Naturleben, in der Bewegung der Himmelskörper und in der Folge der Jahreszeiten. Diese Ordnung des Naturlebens konnte als Seitenstück und Abbild der sittlichen Ordnung des Menschenlebens gedacht und beide unter den gemeinsamen Begriff einer über alle menschliche Willkür erhabenen und alles Geschehen nach festen Gesetzen lenkenden Weltordnung" befasst werden; ein Begriff, der sich in mehreren Volksreligionen bald als Abstraktum, bald zu einem göttlichen Wesen personificirt findet: bei den Indern als Rita, bei den Iraniern als Asha, bei den Chinesen als Tao, bei den Aegyptern als Göttin Maat, bei den Griechen als Dike oder Nemesis. Es leuchtet ein, welchen gewaltigen Einfluss auf die sitt liche Erziehung der Völker die Ueberzeugung üben musste, dass des Menschen Thun sich nach einer allumfassenden, die Gesellschaft wie die Natur beherrschenden Ordnung zu richten habe, deren Aufrechterhaltung durch die göttliche Macht gewährleistet werde, und dass jede Verletzung dieser Ordnung durch menschliche Willkür und Uebermuth eine Vergeltung durch die strafende Gerechtigkeit der Gottheit zu gewärtigen habe, der zu entgehen keiner menschlichen Kraft oder List gelinge. Der Glaube an das den Frevel vergeltende Walten der Gottheit ist ein allen Kulturreligionen gemeinsamer Fundamentalartikel, ohne den die sociale Kultur weder entstehen noch im Bestand bleiben konnte. Bedeutend verstärkt wurde die Motivationskraft des Vergeltungsglaubens dadurch, dass die Erwartung einer Vergeltung nicht auf die irdische Erfahrung beschränkt blieb, in der sie so oft nicht wahrzunehmen ist, sondern auch auf das Jenseits sich erstreckte, wie bei den Aegyptern schon frühe, aber

auch in anderen Religionen auf gewissen Stufen ihrer Entwicklung geschah, wovon später mehr zu reden sein wird.

Uebte also die Religion durch den Glauben an die göttliche Begründung des Rechts und Vergeltung des Unrechts einen sittlich erziehenden Einfluss, so erfuhr sie hinwiederum eine Veredelung der Gottesvorstellung von Seiten der Moral. Indem diese zur Bildung von sittlichen Werthurtheilen über menschliche Handlungsweisen und Gesinnungen fortschritt, konnte es nicht ausbleiben, dass man die Tugenden, die man an Menschen lobte, auch auf die Götter übertrug und in ihnen die Vorbilder menschlich edler und schöner Gesinnung erblickte. Damit wurde dann das anfangs nur auf die Vorstellung physischer Abstammung und Abhängigkeit basirte Gefühl religiöser Gebundenheit zur Ehrfurcht vor der sittlich erhabenen Autorität und zum Streben nach Verähnlichung mit dem göttlichen Ideal des Guten. Freilich zu dieser reineren Gottesidee haben sich in den polytheistischen Volksreligionen immer nur einzelne Weise, Dichter und Propheten zu erheben vermocht, deren Wort bei der Menge nur schwer Eingang und schwachen Anklang fand. Im Volksglauben hafteten die naturalistischen Voraussetzungen über das Wesen der Götter zu fest, als dass es zur reinen Versittlichung derselben hätte kommen können. Eine solche war auch die ästhetische Vermenschlichung der Götter im griechischen Epos nicht; denn wenn auch die untermenschliche Natur ihnen abgestreift wurde, so blieb doch ihre Menschlichkeit in der ästhetischen Fassung noch eine allzu natürliche, als dass man in diesen Idealen der lebenslustigen und leichtsinnigen Herrensitze des griechischen Mittelalters die sittlichen Ideale des Menschen hätte erkennen können. Nicht umsonst hat ein Plato, der Dichterphilosoph, dem doch mehr als dichterische Schönheit die sittliche Volkserziehung am Herzen lag, eben in deren Interesse gegen die homerischen Epen und ihren Einfluss auf die Bildung der griechischen Jugend geeifert. Uebrigens war auch schon die Vielheit der Volksgötter um so mehr, je mehr sie dichterisch individualisirt und gegen einander in Aktion gesetzt wurden, ein Hinderniss der vollen Versittlichung und der durchschlagenden sittlichen Motivationskraft der Gottesidee. Indem die Sonderinteressen der Götter mit einander kollidirten und ihr Handeln auf die Menschenwelt sich vielfach durchkreuzte, wie es im homerischen Epos der Fall ist, wurde die Einheit

der sittlichen Weltordnung, deren Träger und Hüter sie sein sollten, ernstlich in Frage gestellt; und wie konnte sich ein einheitliches menschliches Tugendideal bilden, wenn in der Götterwelt so verschiedenartige Ideale, wie ein Apollon und ein Hermes, eine Athene und eine Aphrodite, neben einander standen und sich gegenseitig paralysirten? Nehmen wir dazu, dass auch ein einheitlich organisirtes nationales Priesterthum, das die höhere sittliche Gottesidee vertreten und konsequent zur Geltung gebracht hätte, bei den Griechen fehlte, so begreifen wir wohl, dass der sittliche Einfluss der Religion hier so mehr abnahm, je mehr die weltliche Kultur wuchs, und dass auf der Höhe derselben die Sittlichkeit sich von der zurückgebliebenen Volksreligion losmachte und auf eigene Füsse zu stellen suchte.

um

Die religiöse Moral als theokratisches Gesetz. Einen ganz anderen Verlauf nahm das Verhältniss beider im Judenthum. Auch hier zwar hatten die Propheten als Verkünder der sittlichen Gottesidee einen langen und schweren Kampf mit dem Naturalismus der Volksreligion zu kämpfen; aber sie kämpften nicht für eine abstrakte, ausser der Volksreligion stehende Gottesidee, sondern nur für die sittliche Auffassung desselben Gottes der Väter, den auch das übrige Volk als seinen höchsten Gott und Herrn anerkannte; der Alleinherrschaft des einigen Volksgottes stand keine systematische Vielgötterei im Wege; die untergeordneten Lokalgötter und die fremden Volksgötter konnten ihr wohl zeitweise Konkurrenz machen, aber ihren Sieg nicht auf die Dauer verhindern. Dazu hatten die Propheten das staatlich organisirte Priesterthum Judäas auf ihrer Seite, das durch Concentrirung des Kultus in Jerusalem dem Monotheismus einen sinnenfälligen kultischen Ausdruck gab und gleichzeitig auch das gesammte bürgerliche Volksleben der prophetischen Gottesidee gemäss gesetzlich zu ordnen suchte. Diese vereinten Bestrebungen der Propheten und Priester gelangten zwar nicht alsbald, aber um so völliger nach dem Exil zur Durchführung. Die aus dem Exil zurückgekehrte jüdische Kolonie in und um Jerusalem war in einzigartiger Weise der geeignete Boden für eine rein theokratische Ordnung der Gesellschaft, die Kirche und Staat zumal war. Ohne direktes weltliches Regiment, von Priestern geführt und organisirt, erbaute

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sich das nachexilische Judenthum ausschliesslich auf den Glauben an den Gott seiner Väter, den Heiligen Israels", in dem es zugleich. den Schöpfer und Herrn der Welt sah. Sein Wille, wie er vor Zeiten von heiligen Männern kundgethan und in schriftlichen Gesetzen fixirt war, galt als alleinige und unbedingte Regel alles Verhaltens der Gottesgemeinde, des rituellen wie des bürgerlichen, des rechtlichen wie des sittlichen. Ein Unterschied zwischen den verschiedenen Gesetzen wurde nicht gemacht; die ritualistischen Vorschriften, die grösstentheils eine Fixirung und Mechanisirung der naturwüchsigen Bräuche der vorprophetischen Volksreligion waren und in animistischen Vorstellungen wurzelten (wie Beschneidung, Reinheitssatzungen und ähnliches), galten als ebenso direkt von Gott geoffenbart, wie die sittlichen Gebote für das sociale Verhalten. Nach den Gründen, warum dieses oder jenes zu thun oder zu lassen sei, wurde nicht gefragt; jedes Gesetz galt als unbedingt verbindlich einfach darum, weil es von Gott, der alleinigen Autorität, geoffenbart sei. Da aber die Formeln des alten geschriebenen Gesetzes nicht unmittelbar zutreffende Weisung für die besonderen Fälle des praktischen Lebens gaben, so bedurfte es einer autoritativen Auslegung und Anwendung des geoffenbarten Gesetzes. Diese war die Aufgabe der Priester und Schriftgelehrten, die eben damit die thatsächlichen Gesetzgeber, Richter und Sittenlehrer für das ganze öffentliche und private Leben wurden. Und weil ihre Gesetzgebung nicht aus einem vernünftigen Princip, nicht aus der Einsicht in die wirklichen Zwecke und Bedürfnisse der Gesellschaft abgeleitet, sondern an den Buchstaben des heiligen Gesetzbuches gebunden war, so verfiel sie naturgemäss in eine willkürliche Kasuistik, die unter der Form künstlicher Buchstabendeutung eigene Einfälle für Forderungen des göttlichen Willens ausgab. So erfüllte sich die vorausgesetzte formale Autorität des göttlichen Willens mit dem Inhalt eines immer komplicirter werdenden Details von zufälligen Vorschriften menschlicher Willkür, die doch wegen des angeblichen Offenbarungsursprungs Anspruch auf unbedingte Geltung erhoben und das Leben der Juden in ein jeden Schritt fesselndes. Netz von Observanzen verwickelten. Die natürliche Folge dieser theokratischen Gesetzlichkeit zeigt der Pharisäismus zur Zeit Jesu: das Schwergewicht wird nicht auf die sittliche Gesinnung, sondern auf die peinliche Befolgung der äusserlichen Observanzen gelegt, über dem

Kleinen wird das Grosse und Wichtige versäumt, hinter kultischen Leistungen werden sittliche Pflichten hintangesetzt, das Bewusstsein der Legalität erzeugt stolze Selbstgerechtigkeit verbunden mit liebloser Härte und Geringschätzung gegen die minder gerechten Volksgenossen und mit Hass gegen die Heiden, die als von Gott Verworfene galten, zu denen der Jude keine geselligen Beziehungen und keine sittlichen Verpflichtungen haben soll. Auf der einen Seite also wird durch die formale Autorität des gebietenden Gotteswillens die menschliche Persönlichkeit zur Unfreiheit des Sklaven oder unmündigen Kindes, das unter dem Zuchtmeister steht, herabgedrückt; auf der andern Seite wird zugleich der wirkliche Inhalt des göttlichen Willens, der im Sittlichguten sich offenbart, aufgehoben durch die Willkür der Menschensatzungen, die sich für göttliche Gebote ausgeben; sonach wird auf diesem Standpunkt, trotz der formalen Anerkennung der Unbedingtheit des Guten als des Gottgewollten, doch thatsächlich das Sittliche nach Form und Inhalt gleich sehr gefälscht und verkehrt und überdies sein Geltungsbereich auf einen kleinen Theil der Menschen eingeschränkt, während es doch als das von dem alleinigen Gott Gewollte logischer Weise für alle Menschen gleich sehr gelten sollte.

Der Kampf gegen diese dreifache Verkümmerung der sittlichen Wahrheit war das Lebenswerk Jesu und seines Apostels Paulus. Sie haben den Menschen von der Knechtschaft des Buchstabengesetzes befreit und ihm das Recht vernünftiger Selbstbestimmung und die Würde persönlichen Selbstzwecks zugetheilt; sie haben die Scheinautorität der vorgeblich geoffenbarten Menschensatzung gestürzt und den wahren Gottes willen, der die Herzen der Menschen in Vertrauen und Liebe mit einander und mit Gott verbinden will, in sein allein unbedingtes Recht eingesetzt; sie haben endlich die praktischen Konsequenzen des Monotheismus gezogen und den göttlichen Willen als den einen und selben für alle Menschen ohne Unterschied der Völker, Geschlechter oder Stände zur Geltung gebracht. Das war ein neues Princip der religiösen Sittlichkeit, verschieden von beiden früheren. Auf dem ersten Standpunkt, dem der natürlich-religiösen Volkssitte, gab es noch weder eine persönliche Freiheit, noch auch ein Bewusstsein unbedingten Sollens; denn der Einzelne gieng noch unpersönlich auf in der Volkseinheit und der göttliche Wille deckte

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