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Individual willkür glücklich hindurch zu steuern vermag. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem weiteren Vorwurf der eudämonistischen Trübung der Moral durch das religiöse Vergeltungsmotiv. Sie hängt unmittelbar zusammen mit der heteronomen Stufe der kindlichen Sittlichkeit; für den, dem das Gute noch erst ein fremdes Gesetz ist, kann dessen Autorität nicht anders als durch die Motive der Furcht und Hoffnung wirksam gemacht werden, und thatsächlich haben diese Motive in der Geschichte eine ausserordentlich wichtige und heilsame Rolle zur Erziehung der Menschheit gespielt. Aber für die mündigen und freien Kinder Gottes bedarf es dieser pädagogischen Schreck- und Lockmittel nicht mehr; da verlieren sie, wie die Erfahrung lehrt, von selbst allmälig ihre Bedeutung und an ihre Stelle. tritt, wie das Johannesevangelium zeigt, das „ewige Leben“, das in der Einheit mit Gott seines unendlichen Inhaltes und Werthes schon in der Gegenwart gewiss ist und in seiner inneren Unendlichkeit sich über die Wechselfälle des Zeitlebens erhaben weiss, auch von der Zukunft nichts anderes erwartet als die immer völligere Entfaltung seines inneren Reichthums, die Erscheinung „der Herrlichkeit der Gotteskinder" (Röm. 8, 18-21). Die Ueberzeugung aber, dass zur Erfüllung dieser ihrer Bestimmung auch der Weltlauf mit allen seinen Geschicken den Kindern Gottes mitwirken müsse (Röm. 8, 28) dieser Kern des religiösen Vorsehungsglaubens führt sowenig zur Lähmung der sittlichen Thatkraft, dass sie vielmehr dieser zur unentbehrlichen Stütze dient; gelähmt müsste ja der Muth des sittlichen Handelns dadurch werden, wenn zu fürchten wäre, dass die Einrichtung der Welt gegen unsere sittlichen Zwecke schlechthin gleichgiltig oder feindlich sei, dass sie, mit dualistischen Sekten zu reden, nicht Gottes sondern des Teufels sei; hingegen die Gewissheit, dass sie unter Gottes Regiment steht und auf die Herstellung seines Reiches eingerichtet ist, dass aber zu diesem Zweck auch auf die thätige Mitarbeit der gottverbundenen Menschen gerechnet ist, gibt Muth und Freudigkeit zum sittlichen Handeln. Auch die Lehre von der göttlichen Gnade mag zwar hie und da im Sinn einer quietistischen Mystik missdeutet worden sein - ihr eigentlicher Sinn ist dies jedenfalls gar nicht; es soll damit nicht eine die persönliche Selbstbestimmung aufhebende magische Einwirkung auf den Menschen bezeichnet werden, sondern nur dies, dass der Fromme sich bewusst

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ist, wie alles das Seine, so insbesondere auch seine Kraft religiöser Erhebung und sittlichen Handelns von Gott empfangen zu haben: empfangen aber hat er sie natürlich nur zu dem Zweck, sie zu bethätigen; sonach enthält auch das Bewusstsein der Gnade nicht eine Hemmung, sondern einen mächtigen Antrieb zur Bethätigung der gottgegebenen Kräfte für gottgewollte Zwecke; Demuth und Kraft sind darin in eigenartiger Weise vereinigt. Sind die religiösen Heroen, die sich als die begnadeten Werkzeuge Gottes wussten, ein Paulus, Augustinus, Luther, Knox, durch das religiöse Bewusstsein der Gnade zu trägen Quietisten geworden? oder war es nicht vielmehr eben jenes Bewusstsein, in dem die starken Wurzeln ihrer Kraft ruhten?

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Aber die Weltflüchtigkeit und Sorge für das Jenseits statt für irdische Dinge, muss sie nicht sittlich lähmend wirken? Nun, dass das oft geschehen ist, dass es Zeiten gab, wo weite Kreise in der Sorge um die letzten Dinge nahezu aufgiengen, das ist nicht zu leugnen; aber fürs erste haben zu solchen krankhaften Stimmungen neben den religiösen Motiven noch mancherlei zeitliche Ursachen mitgewirkt, und sodann ist auch eine solche einseitig transscendente Stimmung nur eine zeitweilig auftretende Entwicklungsphase der Religion (wie Sentimentalität und Weltschmerz in gewissen Entwicklungsperioden der Jugend), die nicht ihrem Wesen zur Last gelegt werden darf. Das Christenthum verkündigt das Kommen des Gottesreichs auf Erden, es will unseren Leib zu einem Tempel Gottes, unser alltägliches Leben zu einem steten vernünftigen Gottesdienst" (Röm. 12, 1) machen, hat es also nicht auf Weltverneinung, sondern auf Welterneuerung, auf die Umwandlung der Menschen aus natürlich-ungeistlichen zu göttlich-geistlichen abgesehen. Dass in der Verwirklichung dieses Umwandlungsprozesses anfangs die negative Seite, die Bekämpfung des Natürlich-Ungeistlichen, in einseitiger Betonung vorantrat, war unvermeidlich; aber diese Einseitigkeit ist von der Reformation überwunden worden, welche die Natur und die weltlichsittlichen Ordnungen: Familie, Staat, Berufsarbeit, Wissenschaft in ihre Rechte wieder eingesetzt und zu Mitteln des daseienden und geschichtlich kommenden Gottesreiches erhoben hat. Nun ist die Selbstund Weltverleugnung nicht mehr das Ganze, sondern nur noch ein Moment der religiösen Sittlichkeit, die Voraussetzung der Selbst- und Weltvollendung, als solche aber allerdings von bleibender Geltung.

Es darf an dem Wort: Stirb und Werde!" weder mit dem Asketismus die zweite, noch mit dem Naturalismus die erste Hälfte übersehen werden; das sittliche Ideal darf ebenso wenig in die gemeine Wirklichkeit herabgezogen als über alle Wirklichkeit in ein abstraktes Jenseits hinausgerückt werden. Für unsere realistische und praktische Zeit dürfte aber die letztere Gefahr viel kleiner sein als die erste; um so mehr bedarf der heutige Mensch eines Gegengewichts gegen die Gefahr, in der rastlosen Vielgeschäftigkeit um einzelne endliche. Zwecke auf- und unterzugehen: dieses Gegengewicht findet er in der Religion, die ihn immer neu an das Eine, was Noth ist, mahnt und aus dem Lärm und Streit der Welt ihn wieder zur stillen Sammlung des Gemüths zurückführt, damit er nicht in der Welt sich verliere, sondern in Gott zu sichselbst komme. In der frommen Andacht wird das Ideal, das dem in der Welt Handelnden und Strebenden immer wieder entflieht und ferner rückt, zur inneren Gegenwart; die Versöhnung von Sein und Sollen, die im Sittlichen stets nur angestrebt wird, wird in der religiösen Erhebung zur erlebten Wahrheit, zum Gefühl des Friedens und der stillen Ewigkeit. So dient die Religion nicht bloss zur Begründung der Sittlichkeit, sondern auch zu ihrer Ergänzung und Erfüllung: sie macht aus dem endlosen Stückwerk ein Ganzes, indem sie das Werdende im Lichte der Ewigkeit als Seiendes betrachtet und im schauenden Glauben die Erfüllung wie gegenwärtig vorausgeniesst.

Endlich bleiben noch die Vorwürfe gegen die kirchliche Form der Religion als Ursache sittlicher Hemmung (oben S. 402 unter 5 und 6). Es lässt sich nicht leugnen, dass sie nicht ebenso leicht zu entkräften sind wie die gegen die Religion als solche gerichteten Einwendungen. Treffen sie auch nicht alle Kirchen in gleichem Grade, so doch jede in irgend einem Grade; auch lässt sich hier kaum sagen, dass sie nur vorübergehende Entwicklungsstufen der Kirche betreffen, sondern man wird gestehen müssen, dass sie bisher immer der Kirche irgendwie anzuhängen schienen. Ebensowenig lässt sich verkennen, dass die Kirche nicht bloss ein zufälliges Anhängsel der Religion ist, sondern dass diese ihr geschichtliches Dasein immer in Form der Kirche hat, der in Dogma, Kultus und Verfassung organisirten Religionsgemeinschaft. Wir stehen also hier in der That vor einer schwierigen Antinomie: Die Religion so sahen wir ist noth

wendig für die Sittlichkeit; die Religion existirt aber nur in Form der Kirche; die Kirche aber hat nach bisheriger Erfahrung immer gewisse Züge an sich, die für die Sittlichkeit hemmend werden können. Wir werden auf dieses Problem im Schlusskapitel des Buches noch einmal zurückkommen. Hier mag übrigens noch be merkt werden, dass eben in diesem eigenthümlichen Umstand ein Erklärungsgrund und in gewissem Sinn auch Berechtigungsgrund für die religionslose Moral liegt: sie bildet das naturgemässe Korrektiv gegen die Gefahr einer einseitigen und ungesunden Beeinflussung der Moral von Seiten der kirchlichen Organisation der Religion. Eine derartige Beeinflussung muss nicht gerade in selbstischen Motiven der Hierarchie ihren Grund haben; sie tritt überall da ein, wo die Kirche, statt sich auf die Erziehung der richtigen religiös- sittlichen Gesinnung, auf Weckung und Stärkung des Pflichtgefühls, der Liebe, der vertrauenden Hoffnung zu beschränken, durch direktes Eingreifen und Vorschreiben das Handeln im äusseren Weltleben leiten und meistern will. Da das sittliche Handeln auf jedem Gebiet nur dann normal sich vollziehen lässt, wenn es sich nach der Natur der zu behandelnden Sache richtet, also von der richtigen technischen Kenntniss der jedem Arbeitsgebiet einwohnenden natürlichen Gesetze und Bedingungen des Erfolgs sich bestimmen lässt, so ist jede Leitung des Handelns nach anderen als den objektiv sachlichen Gesichtspunkten, auch dann, wenn sie aus bester Absicht erfolgt, immer eine das sittliche Gesammtleben hemmende und verwirrende Bevormundung. Eine von der Kirche geleitete Politik oder Justiz oder Volkswirthschaft wird gleichviel welche Motive dieser Bevormundung zu Grunde liegen ebenso verkehrt und unheilvoll ausfallen, wie etwa eine nach kirchlichen Direktionen betriebene Heilkunst oder Erziehungskunst oder Natur- und Geschichtsforschung. Verfolgt die Kirche bei ihren Eingriffen in das sittliche Gebiet überdies noch selbstisch-hierarchische Zwecke, so wird dadurch natürlich der Schaden entsprechend verschlimmert; aber es ist wichtig, sich klar zu machen, dass der eigentliche Grund des Schadens nicht sowohl in den - ob nun tadelnswerthen oder löblichen Motiven der Vertreter der kirchlichen Autorität liegt, als vielmehr einfach in dem inneren Widerspruch, dass die Kirche das weltliche Handeln. das von dem Mechanismus der objektiven Verhältnisse abhängt, von

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ihren eigenen, der Sache fernliegenden Gesichtspunkten aus bestimmen will. Bei einer hierarchisch geordneten und auf Weltherrschaft abzielenden Kirche bildet die Tendenz auf Bevormundung alles sittlichen Handelns der Gesellschaft selbstverständlich die Regel, daher ruft sie auch naturgemäss am häufigsten und lebhaftesten die Reaction der religionslosen Moral hervor. Aber auch anderen Kirchen ist jene Neigung doch immer in gewissen Richtungen naheliegend, besonders im Verhältniss zur Wissenschaft und Volksschule, neuestens auch noch zur Volkswirthschaft; darum dürfen wir uns nicht verwundern, wenn wir die dagegen gerichtete Reaction überall auftreten sehen. Das relative Recht der religionslosen Moral besteht also darin, dass sie den Uebergriff der Kirche auf das weltliche Handeln zurückweist und damit der vernünftig geregelten, mit der realen Weltordnung. im Einklang stehenden Handlungsweise der Gesellschaft freien Raum schafft. Ihr Unrecht aber besteht darin, dass sie mit dem Einfluss der Kirche auf das Handeln auch den der Religion auf die sittliche Gesinnung der Menschen ablehnt und damit diese der idealen Motive beraubt, ohne welche das Sittliche seine Reinheit und Kraft nicht auf die Dauer behaupten kann. Wie die Sittlichkeit als Gesinnung des idealen Princips der Religion bedarf, so ist sie andererseits als konkretes Handeln an die realen Naturbedingungen des Daseins gebunden und somit unabhängig von der kirchlich organisirten Religion.

3. Capitel.

Religion und Wissenschaft.

Wie die Anfänge der Sitte, so liegen auch die der Wissenschaft bei allen Völkern in der Religion. Die Mythen und Legenden sind die ursprüngliche Form, in der sich der Trieb nach Orientirung in der Welt zu befriedigen suchte. Aus ihnen gjengen die Kosmologien hervor, die überall die Anfänge der philosophischen Welterklärung bilden. Aber wie die weltliche Sittlichkeit sich mit dem Fortschritt der Kultur von der Religion losmachte, so liess sich auch der Erkenntnisstrieb nicht mehr auf die Dauer durch die überlieferten Sagen

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