ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Ebenfalls in deutscher Sprache erschienen die

2. Magyarischen Sagen und Märchen von Johann Grafen Mailáth. Brünn 1825. Zweite erweiterte Aufl. Stuttgart und Tübingen 1837 in 2 Bdn.

Die erste enthielt im Ganzen sechs Märchen,*) „die zwar, wie ausdrücklich gesagt wird, aus dem Munde des Volks aufgenommen, aber aus mehreren zusammengesetzt sind; dadurch ist eine Anhäufung des Wunderbaren entstanden, die das Wesen des Märchens zerstört, das eine Vereinigung des Unerhörten mit dem Gewöhnlichen und Alltäglichen verlangt.“ Ein Fehler, den man mit Grimm (K. M. III3, S. 393) ohne über das Wesen des Märchens mit ihm gleicher Ansicht zu sein den meisten ungarischen Märchensammlern und Herausgebern zum Vorwurf machen könnte. Es soll meine angenehmste Pflicht sein, die löblichen Ausnahmen des Weiteren zu bezeichnen. Verwandtschaft der meisten Mailáthschen Märchen mit deutschen: bei Grimm a. a. O.; drei derselben, nämlich: „Eisen-Laczi“, „Zauberhelene“ und „Pengö“ bei Kletke II. B. S. 1 ff., 6. ff. und 12 ff. mitgeteilt.

Der Zeitfolge nach am nächsten stehen die Märchen in

3. Népdalok és Mondák. A Kisfaludy-Társaság megbízásábul szerkeszti és Kiadja Erdélyi János. Pest, Beimel Józsefnél (Emich G. bizománya) I. Köt. 1846, II. 1847, III. 1848.

Wichtiger als für das Märchen ist diese Sammlung fürs Volkslied, dem der Herausgeber seine vorwiegende Sorgfalt zugewendet hat. Auch enthält der I. Bd. nur drei Märchen, von denen das letzte kaum ein solches genannt werden kann. Eine reichere Ausbeute gewährt der II. mit zwölf und der III. mit zwanzig Stücken. Die Darstellung ist sehr ungleich, ab und zu den echten Volkston treffend, von dem dann einige Märchen mit ihrem hochtrabenden Stil um so greller abstechen. Ein Fortschritt gegen Gaal und Mailáth kann es genannt werden, dass die Erzählung nur selten an der ermüdenden Weitschweifigkeit jener leidet und auch die Verschmelzung mehrerer Märchen zu einem nur in wenigen Fällen gerügt werden muss, da sie nach fremden Analogien zu urteilen in den übrigen wohl auf Kosten der Erzähler selbst zu setzen sein wird. Eine deutsche Übersetzung der Märchen dieser Sammlung gab

*) Eine ungarische Übersetzung erschien unter dem Titel „Magyar regék, mondák, népmesék. Forditotta Kazinczy Ferencz. Kiadta Kazinczy Gábor, Pest 1864."

G. Stier, Ungarische Märchen und Sagen. Aus der Erdélyischen Sammlung übersetzt . . . Berlin 1850.

Nach dieser sind einige Stücke mit deutschen Parallelen zusammen. gehalten bei Grimm a. a. O. S. 393, wo unter anderem gesagt wird; „Einiges gehört den Ungarn allein, ist schön und sinnreich, wie z. B. der Traum (Stier S. 14) und die Pomeranzen (das. S. 83).“ Wenn mit diesen Nr. 4 (S. 345 ff.) des II. Bandes der ungarischen Ausgabe gemeint ist, so stehts um das Eigentumsrecht der Magyaren auf dieses Märchen sehr schlecht, oder wir müssten annehmen, dass Carlo Gozzi das Sujet zu seinem berühmten L'Amore delle Tre Melerance auf einem noch unaufgeklärten Wege aus Ungarn bezogen habe. Dieses weitverbreitete und schon im Pentamerone V, 9: Le trè Cetre aufgezeichnete Märchen gehört zu den beliebtesten in Ungarn und wird in mehreren Varianten erzählt. Für die drei Citronen oder Pomeranzen (im rumänischen Granatäpfel, im sicilianischen drei Kästchen) stehen in einigen magyarischen Märchen drei Rohrhalme. So bei Arany L. 128 ff. -- Nyelvör I, 374; IV, 473; VII, 182; XIV, 519.— Merényi, Ered. Népm. II, S. 35.

Vierunddreissig Jahre nach dem probeweise in deutscher Sprache sich schüchtern hervorwagenden Bruchstück der Gaalschen Sammlung erschien ein gröfserer Teil derselben im Urtext, aus dem Nachlafs Gaals veröffentlicht.

4. Gaal György Magyar Népmese-gyüjteménye. Kiadták Kazinczy Gábor és Toldy Ferenc. Pesten. Emich G. sajátja. I. 1860 (Uj olcsó kiadás.*) II. 1857. III. 1860. (Kl. 8o.)

Die Publikation, die von zwei in der ungarischen Litteraturgeschichte rühmlich bekannten Namen eingeführt ward, mufste beim dreiundfünfzigsten Märchen mit dem dritten Bändchen abbrechen. Der ganze handschriftliche Nachlafs soll, nach dem Bericht der Herausgeber, achtzig Märchen enthalten. Dem Sammler wird nachgerühmt, dass er weder Kosten noch Mühe sparte, und wir sind die letzten, die daran zweifeln wollten, obschon „temérdek“ (ungeheuer viel) vor den ersten etwas übertrieben aussieht. Es wäre nur wünschenswert gewesen, dafs der verdienstvolle Mann**) der schriftlichen Aufzeichnung durch die Gewährsmänner selbst, das Nachschreiben ihrer mündlichen Darstellung vorgezogen hätte. Denn Denn es ist leider nicht zu verkennen,

*) Die erste Ausgabe 1856; mir liegt der erste Band nur in der zweiten vor. Seine Biographie s. in Toldy Ferenc: Irodalmi Arcképek, Pest 1856. I, Nr. 11.

dafs die improvisierten Schriftsteller, um ihre Arbeit ganz gut zu machen und das Trinkgeld ehrlich zu verdienen, sich einer möglichst breiten und dabei oft inhaltsleeren Ausdehnung des ihnen zu Gebote stehenden armseligen Stoffes befleifsigt und denselben aus ihren anderweitigen Lesefrüchten bereichert haben. Einige waren schon weniger gewissenhaft und fanden es bequemer, das erste beste ZweigroschenHeft der oben bereits erwähnten Jahrmarkt- und Kirmess-Litteratur einfach auszuschreiben, wie z. B. der namenlose Held, so Nr. 36 (III, S. 94 ff.) beigesteuert, in dem schon die Stadt Amsterdam, wo der jüdische Zauberkünstler „Matadáj“ sein Netz nach dem kleinen Lamech auswirft, samt der Höhle „Szaksza" nur zu deutlich an die wunderschöne, wahre und ungemein lehrreiche Geschichte von dem Zauberschlofs*) Xa-Xa erinnert, die noch zum Überfluss dem Kopisten (oder Übersetzer!) in deutscher Sprache vorlag, wie aus dem unten Angemerkten mit grofser Wahrscheinlichkeit zu schliefsen ist.

Anderes ist den Gestis Romanorum entlehnt, so Nr. 52, (III, S. 223), dessen Abweichungen indes von c. 153 der weltbekannten Sammlung einige Aufmerksamkeit verdienen. Eine Vergleichung mit J. Hallers „Hármas Istória" (1695) deren zweiter Teil unter dem Titel „Példabeszédek" die Gesta widerspiegelt würde vielleicht zeigen, dafs dieselben weniger von der Entstellung durch mündliche Tradition als von der erwähnten litterarischen Quelle bedingt sind. Hallers Werk (im ersten Teile eine märchenhafte Geschichte Alexanders nach dem Pseudokallisthenes**) und im dritten den Trojanischen Krieg nach des Dares Phryx und Dictys Cretensis ***) Darstellung enthaltend) war überhaupt eines der volkstümlichsten Bücher des vorigen Jahrhunderts in Ungarn und wurde noch im Anfang des XIX. besonders von den unteren Volksklassen gierig verschlungen. Joh. Arany, der Sohn eines unbemittelten Bauern zu Szalonta (geb. im Jahre 1817), rechnet dasselbe zur Lektüre seiner Kinderjahre. (S. Aranys Selbstbiographie, deutsch in der ungarischen Revue 1883. S. 1-19; die einschlägige Stelle S. 3.)

*) Dem Gewährsmann ist unter anderem der kleine Lapsus passiert, dass er Schlofs-lakat mit Schlofs-vár verwechselt, s. S. 98. Volksbuch und Märchen enthalten die Erzählung von Aladdins Wunderlampe aus 1001 Nacht.

**) Vgl. Dunlop-Liebrecht, Gesch. der Prosadichtungen, S. 183 u. Anm. 245a vgl. Anm. 246. S. auch Grässe, Litt.-Gesch. I, 1. p. 351 ff. u. Sagenkr. 438 f.

***) Beide galten nur dem Mittelalter als Verfasser der zwei apokryphen lat. Werke über den Trojanerkrieg. Vgl. Dunlop-Liebrecht 178 f. und Anm. 239, 240. Grässe Sagenkreise 114 u. Litt.-Gesch. I, 2. p. 1257.

Die Gaalschen Märchen betreffend sei noch bemerkt, dafs der erste Band (11 Stücke enthaltend) Nr. 1 und 2 mit der obenerwähnten deutschen Ausgabe, Nr. 1, 2 und 8 mit Erdélyis Magyar Népmesék, Pest 1855,*) -- der zweite aber (Nr. 12-25) Nr. 23 mit der deutschen Ausgabe und Nr. 13, 21, 22 mit Erdélyi, der dritte endlich (Nr. 26-53) Nr. 33, 35, 43, 47 und 53 mit der deutschen Ausgabe, Nr. 50 mit Erdélyi und Nr. 28 mit Népd. és Mondák gemein hat, ferner dafs Nr. 53 nur eine fast wörtliche Wiederholung (keine Variante) von Nr. 23 ist.**)

[ocr errors]

Mehr als aus den bisher angeführten ist aus den nachfolgenden - entschieden den vorzüglichsten zwei magyarischen Märchensammlungen zu holen, die mit zum Besten gehören, was wir auf folkloristischem Gebiet aufweisen können. Nun ist aber gerade bei diesen - mit vielem Verständnis fürs Volksmässige und einer beinahe durchgängig glücklich bewährten Begabung für getreue Wiedergabe des Erlauschten ein geschmackvolles Mafs und eine weise Ökonomie vereinigenden Dolmetschen am besten zu sehen, dafs alle die Anbeter der sogenannten reinen und unverfälschten Volksdichtung insofern einer

wir möchten fast sagen — willkürlichen Täuschung sich hingeben, als sie theoretisch auch die leichteste und kaum merkliche Idealisierung der ihnen so hochheiligen Dokumente (!) eines mysteriös schaffenden Volksgeistes nicht nur streng rügen und verdammen, sondern geradezu als ein Verbrechen brandmarken, nichtsdestoweniger eines ihrer wachsamen Augen gerne zudrücken, wenn ihnen ein von kundiger Hand gepflückter Straufs reizender Feldblumen geboten wird, deren Schönheiten erst durch die geschickte, sich aber als Kunst keineswegs. verratende Anordnung recht zur Geltung kommen. Und das hat alles der grofse Jean-Jacques mit seinen genialen Schrullen getan! Man sträubt sich eben mit unbegreiflicher Hartnäckigkeit gegen die einleuchtende Wahrheit, dafs alles mühevoll errungen und erkämpft,

Von den vorher angeführten Népdalok és Mondák desselben Herausgebers zu unterscheiden. War mir nicht zugänglich; enthält zwanzig Märchen, doch nichts Besonderes, was in den anderen Sammlungen nicht ebenso gut oder auch besser vertreten wäre; aufserdem füllen 108 Seiten von den 194 des Büchleins wörtlich übernommene sieben Stücke des Gaalschen Nachlasses.

**) Der Gaalsche Nachlafs ist auch in deutscher Übersetzung erschienen. Siehe „Ungarische Volksmärchen. Nach der aus Georg Gaals Nachlafs herausgegebenen Urschrift übersetzt von G. Stier. Pesth, 1857." Das Buch war mir nicht zugänglich und so kann ichs nicht konstatieren, ob es den ganzen Inhalt der drei Bändchen der Original-Ausgabe reflektiert.

[ocr errors]

durch allmälige Entwicklung vorbereitet werden mufs, und hält krampfhaft an der Lehre von der allesvermögenden „Gnade“ fest. Der gröfste Kunstdichter ist ein armseliger Stümper gegen den unbekannten Götzen: das Volk; die anmutigsten Lieder eines Goethe, Lenau, Burns oder Petöfi besitzen das einzige Verdienst, dafs sie ihren unerreichbaren Mustern, den echten Volksliedern nahegekommen sind; Alles, was unsterblich und erhaben ist, wurde nicht von einzelnen Auserwählten, sondern von einem vieltausendköpfigen Ungeheuer geschaffen, dem man Altäre baut und göttliche Ehren erweist, ohne je auch nur die theoretische Möglichkeit gewisser schwindsüchtigen Abstraktionen entstiegener Trug- und Traumbilder näher geprüft zu haben. Und wenn noch der Wahn schöner und tröstlicher wäre als die Wahrheit! Oder müfste es nicht zum Verzweifeln um die seit Aeonen dauernde Gesamtarbeit der Natur bestellt sein, wenn gerade die Krone ihres im fortschreitenden Differenzieren stets einem Höheren zustrebenden Waltens, wenn gerade der Menschengeist die allgemeingiltigen Gesetze der aufsteigenden Entwicklung verleugnen sollte? Hiermit soll der höhere Wert der Volksdichtung keineswegs bestritten werden, wofern es sich weniger um den ästhetischen Genufs als um eine Belehrung über den Volkscharakter handelt; ebenso fern sei es von mir, mit R. Gottschall*) in das andere Extrem verfallen zu wollen und zu viel abzusprechen, wo ich nur vor Übertreibung warnen möchte.

Anders verhält sich freilich die Sache, wenn wir die beiden Sammlungen, die uns zu der obigen Betrachtung verleitet haben, vom Standpunkte des Anhängers jener Doktrin betrachten wollten, welche an die generatio spontanea" der Märchen glaubt und der es, diesem ihrem Glauben gemäss, unbedingt für ein Sakrilegium gelten muss, wenn ein Tüpfel von einem I gewissenlos" weggelassen oder noch gewissenloser „eingeschmuggelt“ ist. Solange aber hierin die Paladine des heiligen Gral der Volksdichtung selbst mit keinem anderen Beispiel vorangehen als die von uns dankbar gepriesenen liebenswürdigen Sünden sind, welche vor allen Anderen die unsterblichen Brüder Grimm gegen ihre eigene Lehre begingen, solange kann man es uns nicht verargen, wenn wir auf eine phonographische Reproduktion nur in Fällen dringen wollen, wo die gesammelten Texte linguistischen Erörterungen als Unterlage zu dienen haben. Ob und wiefern solches

*) Vgl. seine „Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik," II2, 43. (Breslau 1870) und „Die deutsche Nationallitteratur des XIX. Jahrhunderts III3, 11. (Breslau 1872).

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »