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soll es Shakespeare auch von Homer haben. Wie wunderlich! Als ob man nach solchen Dingen so weit zu gehen brauchte und als ob man desgleichen nicht täglich vor Augen hätte und empfände und ausspräche." „Ach ja, sagte Goethe, das ist höchst lächerlich.",,So auch, fuhr ich fort, zeigt selbst Lord Byron sich nicht klüger, wenn er Ihren Faust zerstückelt und der Meinung ist, als hätten Sie dieses hierher und jenes dort. Ich habe, sagte Goethe, alle jene von Lord Byron angeführten Herrlichkeiten gröfstenteils nicht einmal gelesen, viel weniger hab' ich daran gedacht, als ich den Faust machte."

Immerhin bleibt es Brosins Verdienst, Schillers Verhältnis zu Vergil genauer betrachtet zu haben. Richtig ist die Bemerkung, dafs Schiller in den meisten Fällen, wo er an Vergil anklingt, durch Umschmelzung, Verkürzung oder Erweiterung dem Entlehnten das Gepräge seiner eigenen Individualität gegeben habe. Wenn es aber wahr ist, was Brosin weiter bemerkt, dafs Vergil der einzige klassische Autor ist, den Schiller gründlich im Original gelesen und studiert hat, so kann dies seinen Grund nur darin haben, dass er sich von ihm als einem in mehrfacher Hinsicht wahlverwandten Geiste ganz besonders angezogen fühlte. Diese geistige Ähnlichkeit beider Sänger haben Brosin und Österlein nicht gehörig gewürdigt; namentlich übersieht Brosin vor der Menge einzelner Gedanken, die an Vergil erinnern, das geistige Band, das beide verknüpft, die Ähnlichkeit der Weltanschauung bei dem klassischen und dem modernen Schriftsteller. Vor lauter Parallelen kommt es zu keiner durchgreifenden und zusammenhängenden Parallele; vor lauter Bäumen sieht man den Wald nicht. —

II.

Bei einer Vergleichung Schillers und Vergils kommen nicht blofs, ja nicht einmal vorzugsweise, ihre Hauptwerke, das Epos und die Dramen in Betracht; schon die Eklogen und die Georgika Vergils berühren sich mit Schillerschen Anschauungen und Eigentümlichkeiten. Wie Vergil war Schiller in ländlichen Anschauungen und Beschäftigungen aufgewachsen und hatte sie lieb gewonnen. Verschiedene Stellen in seinen Schriften, besonders auch der wenig gekannte Aufsatz über den Gartenkalender auf das Jahr 1795 (historisch-kritische Ausgabe X, 257) legen davon Zeugnis ab. Beide Dichter sind nicht vorzugsweise heroische, kriegerische Naturen, wie man nach ihren Hauptwerken häufig glaubt, sondern sie haben in ihrem tiefsten Innern einen sehr starken idyllischen Zug, eine Sehnsucht nach ländlich

naiven Zuständen, ein weibliches und familiäres Element, das sich bei Schiller zum allgemein Menschlichen, ja Weltbürgerlichen erweitert, von dem freilich der römische Dichter weit entfernt blieb. Wer denkt hier nicht an Gedichte, wie die Macht des Gesanges, die Glocke, namentlich der Spaziergang? Sogar in seinen Dramen spricht sich diese Sehnsucht aus. Der berühmte Monolog Karl Moors in den Räubern IV, 1, die Sehnsucht der Jungfrau von Orleans nach ihrem früheren ländlichen Leben IV, 1, der Chorgesang in der Braut von Messina IV, 1, mit der Seligpreisung dessen, der in der Stille der ländlichen Flur, fern von des Lebens verworrenen Kreisen, kindlich liegt an der Brust der Natur - ist das Alles nur gelegenheitlich den dramatischen Personen in den Mund gelegt oder nicht vielmehr aus dem Innersten des Dichters hervorgequollen? Ja, wenn wir im Tell des Dichters Weltanschauung am reinsten ausgesprochen finden, so müssen wir den Satz aufstellen: Heroische Tüchtigkeit, Krieg um Herrschaft und Freiheit gelten ihm nicht für den Höhe- und Zielpunkt menschlichen Strebens, sondern nur als Mittel zur Gewinnung und Sicherung beruhigter nationaler Zustände, in denen jede berechtigte Kraft frei und ungehindert sich regen kann. In Vergils grofsem Epos ist freilich eine solche Sehnsucht von dem unruhigen Tun und Treiben der Welt nach der Ruhe und dem reinen Frieden der Natur nicht zu finden; um so mehr sind die Eklogen und die Georgika von diesem Hauche durchdrungen. „Die Eklogen und Georgika, sagt daher Vischer, sind schon eine Flucht aus einer falschen, naturlosen Kultur, die Stammväter der modernen Idylle." Vergils Naturbetrachtung bekommt dadurch einen modernen, sentimentalen Anstrich. Schiller hebt dies in der Abhandlung über das Naive (X, 445) hervor mit den Worten: „Horaz, der Dichter eines kultivierten und verdorbenen Zeitalters, preist die ruhige Glückseligkeit in seinem Tibur, und ihn könnte man als den wahren Stifter dieser sentimentalischen Dichtungsart nennen, so wie er auch in derselben ein noch nicht übertroffenes Muster ist. Auch in Properz, Vergil u. a. findet man Spuren dieser Empfindungsweise, weniger beim Ovid, dem es dazu an Fülle des Herzens fehlte und der in seinem Exil zu Tomi die Glückseligkeit schmerzlich vermifst, die Horaz in seinem Tibur so gern entbehrte."*)

*) Aus Horaz gehören hierher besonders Epod. 2: „Beatus ille", ein Gedicht, das wegen des Schlusses an Heine erinnern könnte, wenn es dem antiken Dichter nicht mit der angehängten Satire eben so ernst wäre, wie mit der vorangehenden Idylle; sodann Sat. II, 6, besonders V. 60 ff., von E. v. Kleist seiner Ode:,,das Landleben" als Motto vorangesetzt. Über Vergil vergleiche Fallmerayer in den Fragmenten aus dem Orient I, 73,

Gehört der sentimentale Dichter einem kultivierten oder überkultivierten Zeitalter an, so droht ihm die Gefahr, der frischen Farbe der Natur die Blässe des Gedankens anzukränkeln und die durch Studium erworbenen Kenntnisse auf einem Gebiete anzubringen, von dem alle Gelehrsamkeit fern zu halten ist. Bei Vergil tritt diese Eigentümlichkeit noch störender hervor, als bei Schiller, wenn seine Hirten vom Arar und Tigris, von Asien und Scythien, von dem Astronomen Konon und dem mit Zirkeln beschriebenen Himmel sprechen. Dem Theokrit gegenüber macht Vergil, woran kein Zweifel sein kann, den Eindruck des Gesuchten und Gekünstelten. Ähnlich ist bei Schiller die Jungfrau von Orleans nicht immer natürlich genug. Sie drückt sich manchmal viel zu gelehrt, zu rednerisch und pathetisch aus, als dafs wir ihre Worte als die eines Hirtenmädchens anerkennen könnten. „Ich bin nur eines Hirten niedre Tochter" sagt sie (I, 10). Damit vergleiche man, was Amos (7, 14) jenem Feinde Amazja, der ihm das Weissagen in Juda verbieten will, zur Antwort giebt: „Ich bin kein Prophet, noch keines Propheten Sohn, sondern ich bin ein Kuhhirt, der Maulbeeren ablieset. Aber der Herr nahm mich von der Heerde und sprach zu mir: „Gehe hin, und weissage meinem Volke

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Gott,

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Auch auf mehreres im Wilhelm Tell wäre hier hinzuweisen.

wo er die trapezuntischen Mondnachtszenen schildert und fortfährt: Leise Anklänge dieser unstillbaren, vielleicht erst durch das Christentum in den germanischen Herzen geweckten Sehnsucht und Schwärmerei findet man unter den Schriften des Altertums eigentlich nur in den Gedichten des Virgilius. Nur dieser Sänger christlicher Sehnsucht hört das Rauschen des Laubes unter Corydons Fufs, sieht Corydons Bild im glatten Meeresspiegel ,,cum placidum ventis staret mare" und versteht die Seelensprache der ,,amica silentia lunae." Was die luna betrifft, so gehört eine von Österlein und Brosin übersehene Parallele zu dem verschleierten Bild zu Sais (,,Von oben durch der Kuppel Öffnung wirft der Mond den bleichen, silberblauen Schein und furchtbar, wie ein gegenwärtger erglänzt durch des Gewölbes Finsternisse in ihrem langen Schleier die Gestalt") hierher, nämlich Äneis III, 147 ff.: „Nox erat Effigies sacrae divom Phrygiique penates visi ante oculos adstare jacentes in somnis, multo manifesti lumine, qua se plena per insertas fundebat luna fenestras etc. Es ist schwer zu sagen, ob hier eine Abhängigkeitsparallele oder eine jener allgemeinen dichterischen Schönheiten vorliegt, welche den verschiedensten Nationen, Individuen und Zeiten angehören" (Brosin). Ausserdem vergleiche man Ecl. X, 42 ff., Georg. II, 458 ff. Freilich verschiedene Arten und Stufen jenes sentimentalen Verhältnisses zur Natur, das Schiller a. a. O. mit der Sehnsucht des Kranken nach der Gesundheit vergleicht, aber immerhin Anklänge an die moderne Naturbetrachtung. Schillers Äufserung über Ovid endlich erinnert an Goethes Sprüche in Prosa:,,Klassisch ist das Gesunde, romantisch ist das Kranke. Ovid blieb klassisch auch im Exil: er sucht sein Unglück nicht in sich,

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sondern in seiner Entfernung von der Hauptstadt der Welt,“

Indessen wollen wir über solchen Künsteleien die vielfachen wirklich rührenden und natürlichen Empfindungslaute bei beiden Dichtern nicht übersehen.

Ein Lieblingsthema Schillers ist der Übergang des Menschen aus der Dumpfheit und Rohheit des ursprünglich tierischen Lebens zur Bildung und Humanität. Verschiedene Abhandlungen und unter den Gedichten hauptsächlich die Künstler, das eleusische Fest, der Spaziergang, die Glocke gehören hierher. Das Ziel, das dem Dichter überall, sogar in dem schon erwähnten Aufsatz über den Gartenkalender, vorschwebt, ist die Verbindung von Natur und Kultur; als die Grundlage aller gesellschaftlichen Einigung und aller Bildung betrachtet er den Ackerbau. Vergil teilt diese Voraussetzung; soll er doch seine Georgika auf Anregung des Mäcenas geschrieben haben, in der Absicht, die den Römern angeborene Liebe zum Landbau, der unter den Stürmen des Bürgerkrieges und der Ackerverteilungen so sehr gelitten hatte, neu zu beleben und ihn als das segensreichste Mittel zur Herstellung des erschütterten Wohlstandes zu empfehlen. Mag er auch von der Geschichte des Menschengeschlechts ausgehen, sein Ziel ist immer Rom und Roms Wohlfahrt. Rom ist ihm die Welt. Vergl. Ge. I, 125 ff., 497 ff., II. 532 ff. Äneis VIII, 310 ff. Wie sehr musste isch der deutsche Dichter durch das Lehrgedicht vom Landbau angesprochen fühlen! War doch Württemberg damals noch ein vorzugsweise den Ackerbau treibendes Land. Wie mufste ihn besonders das zweite Buch von der Baumpflege an den Beruf seines Vaters erinnern! Im Spaziergang und im Aufsatz über den Gartenkalender freut sich Schiller der schön angelegten, mit Bäumen bepflanzten Wege. In diesem Aufsatz tritt sogar der vorzugsweise deutsche Gesichtspunkt hervor, sofern der Dichter rät, zwischen der französischen Steifheit und der englischen allzugrofsen Freiheit die rechte Mitte zu halten. Abgesehen von diesem Aufsatz hat Schiller die Verherrlichung des Ackerbaus als der ältesten und ehrwürdigsten Beschäftigung und der Grundlage aller Kultur vom allgemein menschlichen, nicht vom spezifisch deutschen Standpunkt aus gehalten. Von seinem Weltbürgertum ist bei Vergil keine Spur.

Auf welche Weise nun aus dem Ackerbau sich die Kultur entwickelt und welche verschiedenen Zeitalter ein Volk oder die Menschheit durchlaufen hat, ist von beiden Dichtern ebenfalls in den oben genannten Gedichten dargestellt worden. Rohe Völker werden durch Gesetz und Ordnung gesittigt, aber das Verderben bricht herein, die

Kultur artet in Überkultur mit ihren Lastern aus - und was ist nun das Ziel, bei dem die beiden Dichter, deren Leben in solche Zeiten fiel, wie sie Schiller gegen den Schlufs des Spaziergangs schildert, die Menschheit oder das weltbeherrschende Rom schliesslich ankommen lassen? Vergil wirft Ge. I, 465 einen trüben Blick in die jüngste und die bevorstehende Geschichte Roms. Wenn aber Livius in der Vorrede wegen des einreifsenden Sitten verderbens an einer der Vergangenheit entsprechenden Zukunft Roms, wenn auch nicht verzweifelt, so doch stark zweifelt, so macht Vergil in den Worten, die er in der Äneis 1, 291 dem Jupiter in den Mund legt, den Eindruck, als wolle er das Vertrauen zu der Zukunft des römischen Volkes stärken und die bangen Herzen wieder patriotisch und optimistisch stimmen. Ganz optimistisch gehalten ist die berühmte vierte Ekloge mit ihren Anklängen an Weissagungen des alten Bundes vom Messias (Jesaja 11, 1—9. 65, 17—25). Wie von Jerusalem das Licht einer reineren Erkenntnis und Verehrung Gottes segenbringend sich über die ganze Erde ergiessen soll, so wird Pollios Sohn für die ganze Welt nach Beendigung des eisernen Zeitalters die goldene saturnische Zeit zurückführen, wo sogar der Ackerbau überflüssig ist, weil die Erde, wie Schiller in den vier Weltaltern von dem ersten Weltalter singt, Alles freiwillig hergiebt (vgl. dazu Ge. 1, 128: „ipsaque tellus omnia liberius, nullo poscente, ferebat"), wo überall Glück, Ruhe, Friede herrschen wird. Nach dieser Schmeichelei für Augustus war auch für den römischen Dichter Krieg und Eroberung nicht Zweck für sich, sondern nur Mittel zum Zweck, zur Herstellung des idyllischen, saturnischen Zeitalters, und so wenig er ein Ende der römischen Herrschaft glaubte oder wünschte, so war doch das Ziel seiner Wünsche Rom als Mittelpunkt und Herrscherin einer ruhigen und die Segnungen des Friedens geniefsenden Menschheit. Dahin weist auch zum Teil: pacis imponere morem, parcere subjectis Äneis VI, 853, 54. Diese Weissagung von einer goldenen Zeit kehrt mit ausdrücklicher Beziehung auf die friedliche und glückliche Regierung des Augustus in der Äneis VI, 790 wieder. Schiller mufste eine solche Geschichtsphilosophie zu den Worten des Wahns rechnen. Die Geschichte der Menschheit bleibt sich in seiner Anschauung fortwährend gleich; Alles wiederholt sich im Leben; nie und nirgends ist das Gebiet, wo die schöne Jugend der Menschheit blüht; Freiheit ist nur in dem Reich der Träume. Tiefer Pessimismus! Aber optimistisch wendet sich die Betrachtung durch die Lehre, dafs im Gesang das Schöne blühe, dass

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