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treffend bemerkt, durch „Pferdekuren". Freilich gelingt es den Dichtern der Sturm- und Drang-Komödie selten, wie es die Kunst in ihrer höchsten Vollendung verlangt, die moralische Tendenz im ästhetischen Gewande zu verhüllen; sie fürchteten offenbar, nicht entschieden und deutlich genug zu sein, wenn sie die Ideen ihres Werkes nicht direkt und unbekümmert um den künstlerischen Zusammenhang desselben aussprächen.

Nicht mit Nichtigkeiten wird gespielt, sondern es gilt ein bedeutsames Ringen mit allen bedeutenden Problemen des Lebens.

Der erste Todeskampf gilt der Korruption, die gedrückte Tugend steht gegen das hochgestellte Laster auf. Überhaupt wird in erster Linie das Thema der Standes-Unterschiede abgehandelt, die Versumpfung und die Verdummung des Adels, Mätressenwirtschaft, Gewalttätigkeit, Bestechlichkeit wird vorgeführt, in die Korruption des Soldatenstandes, des Studententums, der Geistlichkeit, des anmasslichen Journalismus dürfen wir Blicke tun, kurz, alle Mifsverhältnisse der konventionell bevorzugten Klassen treten zu Tage. Im Zusammenhange damit werden politische und religiöse, namentlich aber soziale und litterarische Fragen beleuchtet.

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Kaum eine Komödie des ganzen Zeitraums, in welcher nicht auf die eine oder andere Weise dieses revolutionäre Thema anklingt: ,,Der Hofmeister" läfst die Liebenden von ungleichem Stande den ,,verfluchten Adelstolz" verwünschen und giebt uns Einblick in das versumpfte Adels- und Studentenleben. „Die Soldaten“ und „Evchen Humbrecht" decken den Abgrund von Gemeinheit im Soldatenleben auf. Gräfin Freyenhof" führt den verbrecherischen, ,,Die Mätresse" den gewissenlosen, „Nicht mehr als sechs Schüsseln" den lumpigen Adel vor. Die Überschätzung und Nachäffung des Adels wird verspottet in der ,,Wohlgeborenen" in der ,,Heimlichen Heirat" sowie in ,,Ehrgeiz und Liebe". Gegen das Pfaffentum sind,,Die Jesuiten" gerichtet, gegen die anmasslichen Journalisten bez. Schauspieler „Der Tadler nach der Mode" und „Die Komödianten" u. s. w. charakteristische Äufserung der litterarischen Revolution ist schliesslich Wagners Farce,,Prometheus, Deukalion und seine Recensenten“. Sodann ringt gegen das Privileg überhaupt die Intelligenz; der geistigen Bevormundung im umfassendsten Sinne gilt der weitere Strauss, und die Komödie wird zur politischen und religiösen Arena. Auch die Enge der gesellschaftlichen Konvention gilt es zu sprengen, allem Veralteten und Pedantischen bietet die stürmende, freiheitsdürstende Jugend Schach. Namentlich auch gegen die Oberflächlichkeit und

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Einseitigkeit des konventionellen Ehrbegriffes richtet sich der Kampf. In den,,Soldaten", ,,Evchen Humbrecht" und ,,Henriette" wird gegen die Standesehre des Offiziers und gegen das Duell deklamiert;,,Der Hofmeister",,,Nicht mehr als sechs Schüsseln",,,Die Mätresse" und ,,Der deutsche Hausvater" weisen gegenüber dem falschen point d'honneur der Studenten bez. des Adels auf die wahre, allgemein menschliche Ehrenhaftigkeit hin, welche den Angehörigen jener bevorzugten Klassen vielerlei verböte, was sie ohne Gewissensbedenken ausführten. Oft, wie in Klingers ,,Schwur" und ,,Falschen Spielern", in Hagenmeisters ,,Jesuiten" sowie im ,,Tantalus" von Lenz, tut sich der revolutionäre Geist dadurch kund, dass der Sieg dem Schlechten zufällt, das Laster triumphiert; als Tendenz ergiebt sich dann stillschweigend: Seht, so ist die Welt, geht hin und bessert's! Eine einzige Beschränkung legen sich unsere Komödien auf: vor dem Trone macht die Opposition Halt, nur dem Adel, nicht dem Fürsten gilt zunächst der Kampf, sei es, dass man vom Trone noch Hülfe erhofft, sei es, dass man ihn schont, um desto sicherer seine Grundpfeiler zu untergraben. Nur der ,,Derwisch" und das „Jahrmarktsfest" zweiter Fassung sowie ,,Stille Wasser sind tief" führen einen wollüstigen Fürsten ein, jene beiden Dramen aber in fremdem Gewande, dieses nur indirekt durch einen kupplerischen Helfershelfer, der es immer noch etwas zweifelhaft läfst, ob er nicht den Namen des Fürsten für eigene Zwecke mifsbraucht. Auch in dem „Tadler nach der Mode“ und vor allem in ,,Nicht mehr als sechs Schüsseln" erscheint der Fürst zunächst ungerecht, aber die Appellation von dem schlecht unterrichteten Fürsten an den besser unterrichteten gelingt in beiden Fällen aufs glänzendste., Wollen wir im Übrigen die wuchtige Gewalt dieser revolutionären Strömung uns vergegenwärtigen, so müssen wir bedenken, dafs selbst ursprünglich friedliche Bürgernaturen von Schröder abwärts bis zum jüngeren Stephanie unverkennbar in den Bannkreis der stürmenden Bewegung gelangen und nicht nur ihren Dialog zu rebellischem Pathos erheben, sondern zum teil sogar durchaus ketzerisch revolutionäre Ideen in dramatische Handlung umsetzen.

Welches aber war bei all dem blutigen Ernst der komische Gehalt unserer Dramen? Ging die Fähigkeit zu lachen diesem Geschlecht der frühreifen Jünglinge nicht verloren? Man darf sagen, dass die ersten Probleme mit wirksamer Komik versetzt sind, dafs die Komödien der Sturm- und Drang-Periode manche humorvolle Gestalt vorführen; namentlich ist es Lenz, der am besten in seinem „Hofmeister" originelle

Figuren von erfrischender Lebendigkeit zeichnet und so die deutsche komische Litteratur mit einer naiven ländlichen Unschuld, mit einem hartnäckigen und doch so liebenswerten Pendanten, mit einer niedlich komplimentierenden, armseligen und doch grundehrlichen Schneiderseele von Musiklehrer beschenkte, die von spätern Dichtern begierig aufgegriffen und weiter verwertet wurden.

Ganz in diesem volksmässigen Stile hält sich die Komik der Sturm- und Drang-Periode ausserhalb des Lustspiels. Maler Müllers Idyllen sind voll von köstlichem Humor, rein, naiv und doch weihevoll, mit schwermütigen, lyrischen Zügen stark versetzt, im besten Sinne volkstümlich; an das Kleinste und Kleinlichste ist wirkungsvoll angeknüpft. Auch viele Gedichte der Zeit tragen diesen idyllischvolksliedmässigen Charakter; man denke besonders an Lenzens vortreffliches Leben auf dem Lande". Unverkennbar ist daneben ein Zug burlesker Persiflage, wie in Klingers „Verbanntem Göttersohn“; mit besonderer Vorliebe wird auch Selbst-Persiflage angewandt, in der Farce,,Tantalus" von Lenz nicht minder als in seinem Roman „Der Waldbruder“.

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Aber die eigentliche, charakteristische Komik im Drama dieser Zeit liegt nicht auf dem Gebiete des Humors. Satire: soziale, politische, religiöse und nicht in letzter Linie litterarische Satire ist das Rüstzeug des Sturm- und Drang-Komikers. Und nicht ein mattes, schonungsvolles, stilles Lächeln will er erzeugen, sondern unerbittlich, beissend, blutig sind diese kleinen und grofsen dramatischen Epigramme; dem Dichter ist es Ernst mit seinem Lachen: die Laster in ihrer vollen Lächerlichkeit und Verächtlichkeit zeigend, will die Komödie durch Lachen, und sei es durch Hohnlachen, bessernd wirken. So werden auch nicht die kleinen Schwächen zu künstlerischen Vorwürfen, sondern die grofsen Verbrechen an Natur und Menschheit. Durfte danach die Komödie derbe Mittel nicht scheuen und zeigen auch gerade manche Dichter dieses Kreises für das Derbkomische Begabung, so sinkt die Technik doch nie zum blofsen Wort- oder Situationswitz; aus den Charakteren entspringend, trifft unsere Komik die Charaktere. Dennoch kann von einem eigentlichen Lustspiel in der Sturm- und Drangperiode nicht die Rede sein. Die Zeit war zu ernst zu harmloser Lust, die Zeit war zu wirr zur reinen Gattung: Die Komödien der Genies nähern sich der Tragikomödie, die der Talente dem Schauspiel. Dazu kommt, dass jene Original-Genies ihren Komödien-Schluss frappierend widersinnig ausklingen lassen: wo wir Befriedigung verlangen, lässt der

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Schluss unversöhnt; wo uns kein Paktieren erlaubt scheint, schliefst der Dichter Frieden. Nimmt man den Schluss und namentlich seine moralische Nutzanwendung im gewöhnlichen Sinne wörtlich ernst, so muss man allerdings, wie es bisher geschehen ist, an dem geistigen Gehalt dieser Komödien irre werden; so rügt denn auch Erich Schmidt: „welch ein Apparat beleidigender Unsittlichkeit arbeiten mufs, damit zum Schlusse als winziges Mäuslein eine so dürftige praktische Vorschrift hervorkriechen möge." Hat nun Lenz, der hierfür vorzüglich in Betracht kommt, tatsächlich den „Hofmeister" geschrieben, nur um vor der Erziehung durch Hofmeister zu warnen, seine „Soldaten“, um für staatliche Pflanzschulen von Soldatenweibern Propaganda zu machen, den Neuen Menoza" und Freunde machen den Philosophen", um mit gewissen sexuellen Problemen zu spielen oder sie auf eine Art zu lösen, die man bisher für unmöglich gehalten? Vielmehr drückt der Schlufs nicht, wie nach Tiecks und Gervinus' Vorgang behauptet worden ist, den „Hauptgedanken" der Komödie aus, auf den hin sie verfafst ist, sondern diese ist durchaus Selbstzweck. Beweis hierfür ist einmal, dafs gerade Lenz und zwar in seinen nach dieser Richtung am meisten angegriffenen „Soldaten“ den Schluss nach Vollendung des ganzen Stückes wesentlich umänderte; aus dem Brief des Dichters an Herder vom 20. November 1775 ergiebt sich, dafs der berüchtigte Vorschlag, Soldatenweiber auf Zeit auszulosen, erst nachträglich in das Drama hineinkam, während ursprünglich nur von gewöhnlichen Konkubinen die Rede war. Aber auch die ganze Anlage jener Komödien selbst ist für unsere Behauptung beweiskräftig; denn wo ist in der Tat ein Charakter, eine Phase der Handlung oder eine Stelle des Dialogs, welche nur zur Illustrierung der Schlussmoral an ihrer Stelle zu stehen scheint? Und wie viel Charaktere, Phasen der Handlung und Stellen des Dialogs finden sich andererseits, namentlich gerade im „Hofmeister“, welche zur Schlussmoral auch nicht einmal in der geringsten Beziehung stehen! Ferner drängt sich dem Litteraturpsychologen unabweisbar folgende Betrachtung auf: Jene OriginalGenies blickten mit verachtungsvollem Spott auf das kleinliche Lebensspiel herab; der Satire verdanken sie so manche ihrer Wirkungen; und bedient sich diese nicht als eines ihrer drastischsten Mittel der Karikatur? Wie, wenn die Original-Genies das winzige Possenspiel des Lebens karikieren wollten, wenn also ihr Schlufs nicht nach ihrer ernsten Meinung eine wahre Lösung bot, sondern wenn sie nur eben aus ihrer weltverachtenden, revolutionären Stimmung heraus mit Ztschr. f. vgl. Litt.-Gesch. u. Ren.-Litt. N. F. I.

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doppeltem Nachdruck predigen wollten: Seht, so erbärmlich seid ihr Menschen, selbst das Unmögliche macht ihr möglich mit eurer Schwäche an Kraft und Gluth!?

Ein klassisches Beweismittel für unsere Vermutung bietet die Wagnersche Umarbeitung seiner „Kindermörderin“. Als er das gefallene Mädchen ihr Kind in Verzweiflung erstechen liess, da schrien und jammerten „tugendlallende, hyperempfindsame Seelen“ ob der Gewalttat. Und was tat Wagner? Trotzdem bereits Karl Gotthelf Lessing eine abschwächende Bühnenbearbeitung geliefert hatte, änderte er den Grundcharakter des Dramas, indem er das Mädchen an dem Kindesmord durch Dazwischentreten ihrer Eltern gehindert werden und nun alles sich in Wohlgefallen auflösen läfst; der so aus der Tragödie entstandenen Tragikomödie gab er bezeichnender Weise einen moralisierenden Nebentitel: „,Ihr Mütter, merkt's Euch!"

In derselben Richtung wie diese Änderung, bewegt sich auch der Ausruf, welchen sich Lenz im „Pandaemonium germanicum" selbst beilegt: „Ach, ich nahm mir vor, hinunterzugehen, ein Maler der menschlichen Gesellschaft zu werden; aber wer mag malen, wenns lauter solche Fratzen-Gesichter da giebt? Glücklicher Aristophanes, glücklicher Plautus, der noch Leser und Zuschauer fand. Wir finden, weh' uns, nichts als Recensenten und könnten ebensogut in die Tollhäuser gehen, um die menschliche Natur zu malen."

Ähnlich arbeitet bei den Original-Genies häufig das ganze Drama auf einen tragischen Ausgang hin, und so wird der komische Aufsatz mit moralischer Nutzanwendung der Tragödie zugefügt sein als ein

Satyrspiel. Nicht unnütz ist es auch, sich bei dieser Gelegenheit zu erinnern, dass nach der für die Original-Genies massgebenden Theorie von Lenz jegliches Gemälde der menschlichen Gesellschaft in das Gebiet der Komödie fiel; ihnen war also das Leben nichts anderes als eine Komödie, in welcher die ganze Menschheit mitwirkt.

Hierin offenbart sich ja gerade der Unterschied zwischen ernsten Lustspiel- und tragischen Motiven in der Sturm- und Drang-Periode: Während die Tragödie in den Ideen mit der Komödie übereinstimmt, ist sie im Stile vorwiegend auf ein historisches Charakterstück angelegt, und die Handlung giebt kein buntes, breites Lebensbild, sondern ist auf den Helden zugespitzt; vor allem aber ist auch der Konflikt der Komödie leichter gegeben oder doch vom Dichter leichter genommen, Versöhnung zulassend oder doch wenigstens Heilmittel in Aussicht stellend. Wenn also die Verwickelung der „Kinder

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